Schlagwort-Archive: Entpflichtung

StPO II: Einiges Neues zu Pflichtverteidigerfragen, oder: Zweiter Verteidiger, Entpflichtung, Wechselfrist, Grund

© fotomek – Fotolia.com

Im zweiten Posting dann einige Entscheidungen zur Pflichtverteidigung (§§ 140 ff. StPO). Es hat sich aber seit dem letzten Posting zu der Porblematik nicht so viel angesammelt, dass es für einen ganzen Tag reicht. Also gibt es ein Sammelposting, allerdings nur mit den Leitsätzen:

1. Das Rechtsmittelgericht nimmt bei der Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers durch das erkennende Gericht keine eigenständige Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 StPO vor und übt kein eigenes Ermessen auf der Rechtsfolgenseite aus, sondern kontrolliert die angefochtene Entscheidung lediglich im Rahmen einer Vertretbarkeitsprüfung dahin, ob der Vorsitzende seinen Beurteilungsspielraum und die Grenzen seines Entscheidungsermessens überschritten hat.

2. Die Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers (§ 144 StPO) ist lediglich in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen. Ein derartiger Fall ist nur anzunehmen, wenn hierfür – etwa wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache – ein unabweisbares Bedürfnis besteht, um eine sachgerechte Wahrnehmung der Rechte des Angeklagten sowie einen ordnungsgemäßen und dem Beschleunigungsgrundsatz entsprechenden Verfahrensverlauf zu gewährleisten.

    1. Einem bereits verteidigten Angeklagten ist auch bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung kein Pflichtverteidiger beizuordnen.
    2. Abweichend von dem Grundsatz, dass das Beschwerdegericht an die Stelle des Erstgerichts tritt und eine eigene Sachentscheidung trifft, gilt für die Prüfung der Bestellung eines weiteren Verteidigers nach § 144 StPO, dass dem Vorsitzenden des Gerichts ein nicht voll überprüfbarer Beurteilungs- und Ermessensspielraum zusteht.
    3. Zur Ausübung des Ermessens durch den Vorsitzenden des bzw. das Erstgericht.
    1. Die Voraussetzung, unter denen wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Bestellung eines Verteidigers gemäß § 140 Abs. 2 StPO notwendig ist, kann bei sprachbedingten Verständigungsschwierigkeiten eher als erfüllt angesehen werden, als dies sonst der Fall ist.
    2. Zur Komplexität der Rechtslage bezüglich des Vorwurfs eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit dem Vorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (§§ 113 Abs. 1, 114 Abs. 1 StGB) im Zusammenhang mit einem polizeilichen Einschreiten aufgrund des Filmens des Polizeieinsatzes.

Der Beginn der Frist für den Antrag auf einen Pflichtverteidigerwechsel nach § 143a Abs. 2 Nr. 1 StPO setzt voraus, dass der Beschuldigte auf die Frist bzw. die Möglichkeit der Auswechslung des Verteidigers hingewiesen worden ist.

 

Pflichti II: Entpflichtung des Pflichtverteidigers, oder: Wenn du dich nicht meldest, werfen wir dich raus!

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Als zweite Entscheidung dann ein Beschluss des OLG Celle, mit dem ich erhebliche Probleme habe.

Das OLG hat im OLG Celle, Beschl. v. 02.05.2023 – 5 St 2/22 – in einem Staatsschutzverfahren die Bestellung eines Pflichtverteidigers aufgehoben mit der Begründung – kurz gefasst – kein ordnungsgemäßer Verfahrensablauf – Pflicgtverteidiger meldet sich nicht, auch nicht auf Mahnungen – gewährleistet:

„Die Anklageschrift ist dem Verteidiger aufgrund einer Verfügung des Vorsitzenden vom 6. April 2022 zugestellt worden, das entsprechende Empfangsbekenntnis ging beim Oberlandesgericht am 14. April 2022 ein. Nachdem die Anklageschrift durch den Senat zu Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet worden war, hat der Vorsitzende am 4. Januar 2023 mit der zur Terminabstimmung berechtigten Kanzleimitarbeiterin versucht, Termine zur Durchführung der Hauptverhandlung ab dem 12. April 2023 abzustimmen und dabei zahlreiche weitere Termine zwischen dem 24. April und dem 7. Juli 2023 angefragt. An all diesen Terminen war Rechtsanwalt T. nach Auskunft seiner Kanzleimitarbeiterin verhindert, freie Termine zur Durchführung der Hauptverhandlung und unter Einhaltung der Unterbrechungsfristen des § 229 Abs. 1 StPO wurden erst ab dem 9. Oktober 2023 angeboten und entsprechend abgestimmt. Termine zur (vorherigen) Durchführung eines Erörterungstermins konnte die Kanzleimitarbeiterin nicht zusagen.

Am 7. Januar 2023 hat Rechtsanwalt K. aus der Kanzlei „K.&TA.“ unter Bezugnahme auf die erfolgte Terminvereinbarung den Vorsitzenden angerufen und erklärt, es sei zwischen ihm, Rechtsanwalt T. und dem Angeklagten abgestimmt, dass er, Rechtsanwalt K., die Verteidigung übernehme; er stünde an sämtlichen der abgesprochenen Termine zur Verfügung. Zu der Frage, ob sich der Angeklagte zur Sache einlassen werde, werde er dies nächste Woche mit dem Angeklagten besprechen und sich sodann melden. Eine entsprechende Rückmeldung erfolgte nicht. Eine schriftliche Nachfrage des Vorsitzenden vom 19. Januar 2023, in welcher dieser auch den angekündigten Verteidigerwechsel thematisierte und die der Vorsitzende in Kopie auch Rechtsanwalt T. zur Kenntnisnahme übersandt hatte, hat Rechtsanwalt K. nicht beantwortet. Auch Rechtsanwalt T. hat sich hierzu nicht erklärt.

Am 7. Februar 2023 hat der Vorsitzende auf der Grundlage der zuvor abgestimmten Termine die Verfahrensbeteiligten zu Hauptverhandlung ab dem 9. Oktober 2023 geladen, dabei mehr als zehn weitere und abgesprochene Hautverhandlungstage festgesetzt und zugleich auch die Gerichtsbesetzung gemäß § 222a Abs. 1 S. 2 StPO gegen Empfangsbekenntnis mitgeteilt. Zusammen mit dieser Ladung hat der Vorsitzende Rechtsanwalt T. mitgeteilt, dass Rechtsanwalt K. ihn, den Vorsitzenden, am 6. Januar 2023 telefonisch darüber unterrichtet habe, es sei zwischen ihm, Rechtsanwalt K., sowie Rechtsanwalt T. abgesprochen, dass Rechtsanwalt K. die Verteidigung des Angeklagten übernehme, sich Rechtsanwalt K. anschließend jedoch entgegen seiner Zusage nicht mehr gemeldet und auch eine Nachfrage durch den Vorsitzenden vom 19. Januar 2023 unbeantwortet gelassen habe, weshalb der Vorsitzende davon ausgehe, dass Rechtsanwalt T. auf der Grundlage seiner erfolgten Beiordnung weiterhin als Verteidiger auftreten werde.

Das Empfangsbekenntnis betreffend die Besetzungsmitteilung hat Rechtsanwalt T. nicht zurückgesandt. Mit Schreiben vom 20. Februar 2023 hat der Vorsitzende insgesamt drei Termine für die Durchführung des Erörterungstermins gemäß § 213 Abs. 2 StPO angefragt. Rechtsanwalt T. ließ diese Anfrage unbeantwortet. Auch auf weitere Anfrage mit Schreiben vom 16. März 2023 unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 20. Februar 2023 hat Rechtsanwalt T. nicht beantwortet.

Mit Schreiben vom 4. April 2023 hat der Vorsitzende gegen Empfangsbekenntnis Rechtsanwalt T. angeschrieben, auf die Nichtbeantwortung der vorstehend aufgeführten Schreiben bzw. auf die unterbliebene Rücksendung des Empfangsbekenntnisses hingewiesen, angemerkt, dass diese Verhaltensweise der gebotenen sachdienlichen Durchführung des Strafverfahrens entgegenstehe und um Darlegung gebeten, wie künftig die weitere sachdienliche Durchführung des Strafverfahrens sichergestellt werden könne. Zugleich hat er auf die Möglichkeit der Entpflichtung hingewiesen. Das Empfangsbekenntnis wurde zurückgesandt, eine Stellungnahme hat Rechtsanwalt T. bis zu der ihm gesetzten Frist, dem 18. Februar 2023, 12 Uhr, nicht abgegeben.

Dem Angeklagten hat der Vorsitzende dieses Mahnschreiben an Rechtsanwalt T. am 4. April 2023 zur Kenntnisnahme übersandt, er hat hierzu nicht Stellung genommen.

Sämtliche der vorgenannten Schreiben bzw. Beschlüsse sind Rechtsanwalt T. auf einem sicheren Übertragungsweg im Sinne der § 32a ff. StPO übermittelt worden. Adressiert wurden sie sämtlich an sein einziges, ihm gemäß §31a BRAO durch die Bundesrechtsanwaltskammer eingerichtetes elektronisches Anwaltspostfach. Dass die Schreiben über die Justizserver tatsächlich weitergeleitet worden waren, ergibt sich aus der Tatsache, dass bzgl. keines der Schreiben eine sogenannte Fehlermeldung durch das Datenübertragungsprogramm generiert wurde. Dass all diese Schreiben auch im elektronischen Anwaltspostfach eingegangen sind, ergibt sich aus der Tatsache, dass Rechtsanwalt T. auf einzelne Schreiben zumindest insoweit reagierte, als er in zwei Fällen das Empfangsbekenntnis, zuletzt das bzgl. des Mahnschreibens vom 4. April zurückgesandt und auch hierauf nicht reagiert hat. Auch geht der Senat davon aus, dass Rechtsanwalt T. es angezeigt hätte, wenn ihm einzelne der im Mahnschreiben aufgezählten Schreiben nicht zugegangen wären.

II.

1. Das Recht auf Verteidigung gehört zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Der Beschuldigte darf entsprechend der zur Interpretation der grundgesetzlichen Menschenwürdegarantie herangezogenen „Objektformel“ des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 1969 – 1 BvL 19/63, NJW 1969, 1707) nicht Objekt des Verfahrens sein. Ihm muss vielmehr die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen (vgl. KK- StPO/Fischer, 9. Aufl., Einleitung, Rn. 204). Seine einfachgesetzliche Ausprägung findet dieser Grundsatz u.a. in § 137 Abs. 1 S. 1 StPO, wonach sich der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens des Beistands eines Verteidigers bedienen. Art. 6 Abs. 3c EMRK sowie das Rechtsstaatsprinzip garantieren einem Beschuldigten auch, dass er sich durch einen Verteidiger seiner Wahl vertreten zu lassen und unentgeltlich den Beistand eines sogenannten Pflichtverteidigers erhalten kann. In Entsprechung dieser Grundsätze war Rechtsanwalt T. dem Angeklagten durch den Ermittlungsrichter gemäß § 140 Abs. 1 StPO beigeordnet worden.

Die Beiordnung eines Verteidigers dient nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur neben den vorstehend umrissenen Interessen des Beschuldigten indes auch dem Zweck, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte in den in § 140 Abs. 1 Nr. 1 bis 11 aufgezählten bzw. in den von Abs. 2 erfassten Fällen rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet ist (vgl. u.a. KK- StPO/Fischer, 9. Aufl., § Rn. 211; BVerfG, Urteil vom 8. April 1975 – 2 BvR 207/75, NJW 1975, 1015, 1016). Die Pflicht zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs gilt für auch für den Pflichtverteidiger. Auch diese ergibt sich unmittelbar aus der Verfassung selbst. Das in Art. 20 Abs. 3 GG normierte Rechtsstaatsprinzip gebietet die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege, ohne die Gerechtigkeit nicht verwirklicht werden kann. In diese Pflichtbindung sind auch Verteidiger einbezogen. Als mit eigenen Rechten und Pflichten versehenes selbstständiges Organ der Rechtspflege sind Strafverteidige nicht Gegner, sondern Teilhaber einer funktionsfähigen Strafrechtspflege (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 64. Aufl., Vor § 137 Rn. 1ff.)

Als Teilhaber in diesem Sinne kommt einem Verteidiger nicht die Vertretung des Angeklagten, sondern dessen Beistand zu. Folglich liegt der Auftrag eines Verteidigers nicht ausschließlich im Interesse des Beschuldigten, sondern auch in der am Prinzip des Rechtsstaats ausgerichteten Strafrechtspflege (BGH, Urteil vom 7. Juli1991 – 4 StR 252/91, BGHSt NJW 1992, 1245). Für die hier maßgebliche Frage nach dem Verhalten eines Verteidigers im Strafverfahren ist aus alledem abzuleiten, dass auch er dafür Sorge zu tragen hat, dass das Verfahren sachdienlich und in prozessual geordneten Bahnen durchgeführt werden kann (BGH aaO).

2. Gemessen an diesen Maßstäben war die Beiordnung von Rechtsanwalt T. aufzuheben. Gemäß § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO ist die Bestellung des Pflichtverteidigers aufzuheben, wenn entweder das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem endgültig zerstört ist oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist. Eine angemessene Verteidigung eines Beschuldigten ist insbesondere dann nicht gewährleistet, wenn sich der Verteidiger grobe Pflichtverletzungen hat zuschulden kommen lässt. Für solch grobe Pflichtverletzungen reichen lediglich unzweckmäßige bzw. gar prozessordnungswidrige Verhaltensweisen nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 1988 – 4 StR 222/88, NStZ 1988, 510). Vielmehr müssen Umstände vorliegen, die „den Zweck der Pflichtverteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft“ gefährden (BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1997 – 2 Bv Q 32/97, NStZ 1998, 46).

Als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzips finden sich in den einfachgesetzlichen Regelungen nur ganz vereinzelt Vorschriften, die die Rechte (vergleiche etwa §§ 147, 163a Abs. 3, 239, 240 Abs. 2, 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO) noch weniger solche, die Pflichten eines Pflichtverteidigers (§ 14 BORA) normieren. Rechte wie Pflichten des Verteidigers ergeben sich darüber hinaus insbesondere aus seiner gesetzlichen Aufgabenstellung, mithin unter anderem der Gewährleistung eines „ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs“.

Diese bestimmen sich nach Erhebung der öffentlichen Klage nach Maßgabe der §§ 199 ff StPO, wonach einem Angeklagten bzw. wie hier dem aufgrund seiner Beiordnung zustellungsbevollmächtigen Verteidiger u.a. die Anklageschrift zuzustellen und der Eröffnungsbeschluss zu übersenden ist. Dass sich Rechtsanwalt T. hierzu jeweils nicht geäußert hat, insbesondere nach Erhalt der Anklage keine Verteidigungsschrift abgegeben hat, ist ebenso wenig zu beanstanden wie seine offenkundig beharrliche und – bei isolierter Betrachtung – unter keinem rechtlich relevanten Gesichtspunkt zu beanstandende Weigerung, mit der Dezernentin der Generalstaatsanwaltschaft zur Klärung der Frage Kontakt aufzunehmen, ob sich der Angeklagte zur Sache einlassen werde oder nicht. Diese Verhaltensweisen sind nicht prozessordnungswidrig, selbst als unzweckmäßig können sie nicht bewertet werden. Insoweit obliegt es einzig dem Verteidiger unter Wahrung der Interessen und Prüfung der Wünsche seines Mandanten, ob es ihm zweckmäßig erscheint, sich im Ermittlungsverfahren auf entsprechende Anfragen bzw. im Zwischenverfahren zur Anklageschrift zu äußern.

a) Mit einem ordnungsgemäßen Verfahrensablauf nicht vereinbar ist hingegen die Tatsache, dass Rechtsanwalt T. sich zu dem ihm mit Schreiben des Vorsitzenden vom 19. Januar 2023 mitgeteilten Sachverhalt, wonach Rechtsanwalt K. einen Verteidigerwechsel angezeigt hat, und anschließend auch auf die ihm mit der Ladungsverfügung vom 7. Februar 2023 übersandte Mitteilung des Vorsitzenden, wonach dieser davon ausgehe, dass er, Rechtsanwalt T., weiterhin die Verteidigung des Angeklagte wahrnehme, nicht erklärt hat.

Es bestehen nämlich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der durch Rechtsanwalt K. dem Vorsitzenden am 7. Januar 2023 erklärte Verteidigerwechsel – und der damit konkludent in Aussicht gestellte Antrag auf Umbeiordnung – unzutreffend war. Zumal es sich bei Rechtsanwalt K. um den Kanzleikollegen von Rechtsanwalt T. handelt und dieser jenen offenkundig über die abgesprochenen Sitzungstermine unterrichtet hat. Dadurch, dass sich Rechtsanwalt T. nicht zu der Frage des Verteidigerwechsels erklärt hat, entstand ungeachtet der sich aus der Bestellung von Rechtsanwalt T. als Pflichtverteidiger ergebenden und jedenfalls im Falle des § 145 Abs. 4 StPO auch „sanktionierbaren“ Verpflichtung zur Teilnahme an der Hauptverhandlung Ungewissheit darüber, ob dieser weiterhin die Aufgaben des Verteidigers des Angeklagten ausübt. Aufgrund seiner Stellung als Pflichtverteidiger gemäß §§ 140 Abs. 1 StPO bestand für Rechtsanwalt T. die Pflicht, diese durch seine Mitwirkung entstandene Unklarheit durch Beantwortung der Anfrage des Vorsitzenden aufzuklären.

b) Noch schwerer wiegt, dass Rechtsanwalt T. das ihm mit Schreiben vom 7. Februar 2023 übersandte Empfangsbekenntnis bzgl. der Besetzungsmitteilung nicht zurückgesandt hat. Der Verteidiger hat dadurch gegen § 14 BORA verstoßen, wonach ein Rechtsanwalt ordnungsgemäße Zustellungen von Gerichten entgegenzunehmen und das Empfangsbekenntnis mit dem Datum versehen unverzüglich zu erteilen hat.

c) Auch die offenkundige Weigerung, auf die wiederholten Anfragen des Vorsitzenden mit diesem einen Erörterungstermin gemäß § 213 Abs. 2 StPO abzustimmen, ist mit der Pflicht des Verteidigers, einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, nicht zu vereinbaren.

Zwar kann weder der Norm des § 213 Abs. 2 StPO selbst noch sonstigen Regelungen oder gar übergeordneten Verfahrensgrundsätzen eine Verpflichtung des Verteidigers entnommen werden, tatsächlich mit dem Vorsitzenden den „äußeren Ablauf der Hauptverhandlung“ zu erörtern. Nach § 213 Abs. 2 StPO ist der Vorsitzende gehalten („soll“), in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird – mithin auch im hiesigen Verfahren, den äußeren Ablauf der Hauptverhandlung mit dem Verteidiger abzustimmen. Mithin gehört zumindest die Offerte des Vorsitzenden an die Verfahrensbeteiligten, einen solchen Termin mit ihnen durchführen, zum ordnungsgemäßen Verfahrensablauf. Aus diesem Umstand und der Stellung von Rechtsanwalt T. als Pflichtverteidiger resultiert auch hier wiederum dessen Pflicht, sich zumindest dahingehend zu erklären, ob ein solcher Termin durchgeführt werden soll und ggf. wann.

d) Mit einem ordnungsgemäßen Verfahrensablauf ebenfalls unvereinbar ist das Schweigen von Rechtsanwalt T. auf das Mahnschreiben des Vorsitzenden vom 4. April 2023. Aufgrund seiner Stellung als Pflichtverteidiger und seiner vorstehend aufgezeigten – auch groben – Pflichtverletzungen war Rechtsanwalt T. verpflichtet, sich u.a. dazu zu erklären, wie jedenfalls künftig die ordnungsgemäße Durchführung des Strafverfahrens sichergestellt werden könne. Dass Rechtsanwalt T. in diesem Fall das Empfangsbekenntnis mit dem Datum versehen und zurückgesandt hat, liegt zur sicheren Überzeugung des Senats einzig in der Tatsache begründet, dass er in dem Mahnschreiben des Vorsitzenden ausdrücklich auf seinen vorangegangenen Verstoß gegen § 14 BORA hingewiesen worden war und einem möglichen Schuldspruch durch das Anwaltsgericht vermeiden wollte, die ihm obliegende Pflicht, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben, verletzt zu haben.

e) Bei Betrachtung des bisherigen Verfahrensverlaufs und der gebotenen gesamtwürdigenden Bewertung des Verhaltens von Rechtsanwalt T. ist Folgendes festzustellen.

aa) Rechtswalt T. hat in diesem Verfahren, in dem schwerwiegende Vorwürfe gegen seinen Mandanten erhoben werden und die Hauptverhandlung ansteht, wiederholt die Mitwirkung an der Durchführung einzelner, zum ordnungsgemäßen Verfahrensablauf gehörender Handlungen verweigert.

bb) Auf ein anschließendes Mahnschreiben hat er eine Stellungnahme verweigert.

cc) Aufgrund der Tatsache, dass sich Rechtsanwalt T. zu den ihm aufgezeigten – auch groben – Pflichtverletzungen nicht erklärt hat, bleibt dem Senat einzig die Möglichkeit, das Verhalten von Rechtsanwalt T. auf der Grundlage des Verfahrensverlaufs zu bewerten. Danach geht der Senat davon aus, dass Rechtsanwalt T. nach Erhebung der öffentlichen Klage seiner Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen hat, dass das Verfahren sachdienlich und in prozessual geordneten Bahnen durchgeführt werden kann, bewusst nicht nachgekommen ist.

dd) Inwieweit Rechtsanwalt T. hierdurch zugleich in schwerwiegender Weise auch gegen die Interessen des Angeklagten verstoßen haben könnte, diesem eine effektive und an dessen Interessen ausgerichtete Verteidigung zu gewährleisten, kann der Senat offenlassen.“

Langer Rede kurzer Sinn, oder: Kurz gefasst meint/sagt das OLG: Du, Pflichtverteidiger, kommunizierst nicht mit uns und antwortet uns nicht. Das ist eine so grobe Verpflichtung, dass wir mit dir nicht mehr zusammenarbeiten wollen. Denn der Verfahrensablauf ist nicht gesichert.

Ich habe ganz erhebliche Zweifel, ob das richtig ist. Denn, wo steht im Gesetz, dass der Verteidiger mit dem Gericht kommunizieren und auf Anfragen antworten muss? Und wenn er es nicht tut, droht dann das scharfe Schwert der Entpflichtung? M.E. gibt es genügend andere Möglichkeiten, den Ablauf der Hauptverhandlung sicher zu stellen. Man kann z.B. einen Sicherungsverteidiger beiordnen. Etwas fehlt übrigens im Beschluss: Das ist das „Organ der Rechtspflege“, was man in solchen Sachen ja gern aus dem Hut zaubert, in anderen Sachen – insbesondere, wenn es um Gebühren geht – aber gern vergisst.

Entpflichtung II: Endgültige Zerstörung des Vertrauens, oder: Reicht dazu Strafanzeige gegen den Verteidiger?

© ernsthermann – Fotolia.com

Die zweite Entscheidung zur Entpflichtung, der BGH, Beschl. v. 05.12.2022 – 5 StR 429/22 – , kommt ebenfalls vom BGH.

Dort ist ein Revisionsverfahren wegen lebensgefährdenden und erniedrigenden Einschleusens von Ausländern anhängig. Mit Beschluss vom 12.11.2021 hat das AG Görlitz im Ermittlungsverfahren auf Antrag des Angeklagten den zunächst beigeordneten Rechtsanwalt D.  entpflichtet und ihm stattdessen Rechtsanwalt I. zum Pflichtverteidiger bestellt.

Nach Durchführung der Hauptverhandlung und Urteilsverkündung am 16.05.2022 hat der Angeklagte mit Schreiben vom 21.05.2022 und 19.07. 2022 die Beiordnung eines neuen Verteidigers beantragt, da er mit der Arbeit seines derzeitigen Rechtsanwalts „nicht zufrieden“ sei und dieser überdies „gekündigt“ habe. Einen konkreten Personenwunsch bezüglich des neuen Verteidigers hat er nicht geäußert. Mit Verfügung vom 21.07.2022 hat der Strafkammervorsitzende des Landgerichts die Bestellung eines neuen Verteidigers abgelehnt, da Gründe für einen Wechsel nicht substantiiert vorgetragen seien und der Angeklagte den von ihm gewünschten neuen Verteidiger auch nicht namentlich benannt habe.

Der bisherige Pflichtverteidiger Rechtsanwalt I. hat gegen das Urteil vom 16.05.2022 fristgemäß Revision eingelegt und diese im Anschluss an die am 22.06.2022 erfolgte Urteilszustellung mit der allgemeinen Sachrüge begründet.

Mit Schreiben vom 19.10.2022 hat der Angeklagte mitgeteilt, dass dem Verfahren entscheidende Bedeutung für seine Ehre und seine Familie zukomme. Gegen seinen bisherigen Pflichtverteidiger Rechtsanwalt I. habe er Strafanzeige gestellt. Es sei daher notwendig, ihm statt Rechtsanwalt I. nunmehr Rechtsanwalt D.  beizuordnen, zumal ihm dieser bereits zuvor zum Pflichtverteidiger bestellt worden sei.

Der BGH hat den Antrag abgelehnt:

„Der Antrag ist unbegründet, da die Voraussetzungen für einen Pflichtverteidigerwechsel gemäß § 143a Abs. 3 und 2 StPO nicht vorliegen.

Die Regelung des § 143a Abs. 3 StPO, der eine vereinfachte Möglichkeit für den Pflichtverteidigerwechsel im Revisionsverfahren enthält, greift nicht ein. Die Anträge des Angeklagten vom 21. Mai 2022 und 19. Juli 2022 wurden bereits durch den zuständigen Strafkammervorsitzenden mit der Verfügung vom 21. Juli 2022 beschieden (vgl. zur Zuständigkeit auch BGH, Beschluss vom 17. Juni 1999 – 4 StR 229/99; BeckOK-StPO/Krawczyk, 45. Ed., § 142 Rn. 11). Bezüglich des hier zu entscheidenden Antrags vom 19. Oktober 2022 ist die Wochenfrist des § 143a Abs. 3 StPO bereits abgelaufen.

Auch die daneben anwendbaren allgemeinen Tatbestände für einen Wechsel des Pflichtverteidigers gemäß § 143a Abs. 2 StPO liegen nicht vor. Insbesondere eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum bisherigen Pflichtverteidiger (§ 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StPO) ist nicht glaubhaft gemacht. Eine Störung des Vertrauensverhältnisses ist aus Sicht eines verständigen Angeklagten zu beurteilen und von diesem oder seinem Verteidiger substantiiert darzulegen (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2022 – StB 2/22 Rn. 12). Daran fehlt es. Dass der Angeklagte angibt, Strafanzeige gegen den bisherigen Verteidiger erstattet zu haben, reicht nicht aus, weil nicht ersichtlich ist, aus welchem Grund dies erfolgte. Ansonsten könnte ein Angeklagter durch Erstattung unberechtigter Beschwerden und Anzeigen die Entpflichtung seines Verteidigers faktisch erzwingen, was nicht sachgerecht ist (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2020 – 4 StR 654/19 Rn. 6).

Auch sonst ist kein Grund ersichtlich, der einer angemessenen Verteidigung des Angeklagten entgegensteht und einen Wechsel in der Person des Pflichtverteidigers gebietet (§ 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 StPO). Eine offenkundige Untätigkeit des Pflichtverteidigers, durch die dem Angeklagten ein an sich zustehendes Rechtsmittel genommen wird (vgl. hierzu EGMR, Urteil vom 22. März 2007 – 59519/00, NJW 2008, 2317, 2320; BGH Beschluss vom 7. August 2019 – 3 StR 165/19, NStZ-RR 2019, 349) liegt nicht vor. So hat der Pflichtverteidiger Rechtsanwalt I.   die Revision ordnungsgemäß mit der allgemeinen Sachrüge begründet und damit eine Überprüfung des Urteils durch den Senat ermöglicht.“

Entpflichtung I: Grenzüberschreitung des Mandanten, oder: Wie weit darf ein Angeklagter gehen?

© pedrolieb -Fotolia.com

Heute mache ich dann mal wieder einen „Pflichti-Tag“, also Entscheidungen zu Pflichtverteidigungsfragen. Alle Entscheidungen, die ich vorstelle befassen sich mit der Entpflichtung des Pflichtverteidigers und /oder einem Pflichtverteidigerwechsel befassen.

Hier zunächst der BGH, Beschl. v. 29.12.2022 – 1 StR 284/22. 

Der BGH lehnt die beantragte Entpflichtung ab:

1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt. Erstinstanzlich waren Rechtsanwältin K. und Rechtsanwalt H. , kanzleiansässig jeweils in M. , zu Pflichtverteidigern des in dieser Sache in Untersuchungshaft genommenen Angeklagten bestellt worden. Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2022 hat Rechtsanwältin K.   die Aufhebung ihrer Bestellung als Pflichtverteidigerin gemäß § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO beantragt.

2. Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist nach § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO aufzuheben, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem endgültig zerstört ist oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist. Danach ist Voraussetzung für die Aufhebung einer Beiordnung, dass konkrete Umstände vorgetragen werden, aus denen sich der endgültige Fortfall der für ein Zusammenwirken zu Verteidigungszwecken notwendigen Grundlage ergibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2021 – 4 StR 295/21 Rn. 3 und vom 12. Februar 2008 – 1 StR 649/07 Rn. 16 f.).

a) Daran gemessen ergibt sich weder aus dem Vorbringen der Pflichtverteidigerin noch aus der hierzu erfolgten Stellungnahme des Angeklagten ein Grund für die Aufhebung der Bestellung. Das Vorbringen der Verteidigerin beschränkt sich im Wesentlichen auf die Behauptung, der Angeklagte überschreite seit geraumer Zeit die im Rahmen des Mandatsverhältnisses gebotene Distanz und phantasiere über eine persönliche Beziehung zu ihr, weshalb ihr eine angemessene professionelle Verteidigung nicht möglich sei. Ein solcher Rückschluss ist mangels hinreichenden Tatsachenvortrags nicht nachvollziehbar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des auszugsweise vorgelegten Anschreibens des Angeklagten an die Pflichtverteidigerin, seine Mutter „wäre fast deine Schwiegermutter geworden aber was nicht ist kann werden…“. Die hierin zweifellos zum Ausdruck gekommene Grenzüberschreitung des Angeklagten gefährdet den Zweck der Pflichtverteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und einen geordneten Verfahrensablauf zu gewährleisten, nicht und rechtfertigt damit keinen Eingriff in die Verteidigungsbelange des Angeklagten, der seiner Verteidigerin gegenüber sein Vertrauen ausgesprochen hat (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2015 – 2 StR 434/14 Rn. 23).

b) Ohnehin kann ein im Verhältnis des Angeklagten zum Verteidiger wurzelnder wichtiger Grund zur Entpflichtung eines bestellten Verteidigers regelmäßig nicht bejaht werden, wenn dieser Grund allein vom Angeklagten verschuldet ist. So steht zum Beispiel die Möglichkeit, den Verteidiger „aufs Übelste zu beschimpfen“ oder ihn mit „unhaltbaren Vorwürfen“ zu überziehen, jedem Angeklagten faktisch unbegrenzt zur Verfügung. Könnte er damit die Auswechslung eines Verteidigers erzwingen, könnte er ein Verfahren ohne sachlichen Grund nahezu beliebig verzögern und blockieren. Ob und unter welchen besonderen Umständen Ausnahmen von alledem in Betracht kommen können, kann dahinstehen, da Anhaltspunkte für derartige Besonderheiten nach dem Vorgesagten hier nicht dargetan sind.“

Pflichti II: Entpflichtung wegen endgültiger Zerrüttung? oder: Nein, denn es ist „sachgerecht“ weiter verteidigt

Smiley

Als zweite Entscheidung dann etwas zur Entpflichtung nach § 143a StPO, und zwar der OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 29.11.2022 – 3 Ws 420/44.

Der Pflichtverteidiger hatte seine Entpflichtung beantragt, das LG hat sie abgelehnt. Dagegen die sofortige Beschwerde, die beim OLG Frankfurt keinen Erfolg hatte:

„Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Landgericht hat den Antrag von Rechtsanwalt pp. auf seine Entpflichtung zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers aufzuheben, wenn das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört (St oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung gewährleistet ist. Damit wurden die bislang in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Fälle des Rechts auf Verteidigerwechsel nunmehr kodifiziert. Auf die bisherige Rechtsprechung ist weiterhin zurückzugreifen (BT-Drs. 19/13829 S. 48). Eine ernsthafte Erschütterung des Vertrauensverhältnisses muss substantiiert dargelegt sein und ist nur dann anzunehmen, wenn zu besorgen ist, dass die Verteidigung objektiv nicht mehr sachgerecht geführt werden kann (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. § 143a Rn. 19 ff.).

Danach kommt eine Entpflichtung von Rechtsanwalt pp. nicht in Betracht. Zwar verkennt der Senat nicht, dass das bereits seit März 2020 bestehende Beiordnungsverhältnis zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger durch Beschwerden des Angeklagten bei der Rechtsanwaltskammer, ein Zivilverfahren (Anwaltsregress) des Angeklagten gegen den Verteidiger und wiederholte Beleidigungen und Verunglimpfungen des Verteidigers durch den Angeklagten stark belastet ist, was mehrfach zu wechselseitigen Entpflichtungsanträgen geführt hat. Eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses vermag der Senat dagegen nicht zu erkennen, zumal weder Beschimpfungen / haltlose Vorwürfe (BGH StV 2009, 5) noch die Erhebung einer zivilrechtlichen Klage gegen den Pflichtverteidiger (OLG Bremen BeckRS 2018, 46873) allein hierfür ausreichen, da der Angeklagte nicht durch eigenes Verhalten die Entpflichtung erzwingen und das Verfahren damit ohne sachlichen Grund nahezu beliebig verzögern können soll. Insofern ist dem Verteidiger grundsätzlich mehr zuzumuten als umgekehrt dem Beschuldigten (BeckOK StPO/Krawczyk, 45. Edition Stand 01.10.2022, § 143a Rn 24).

Schließlich wurde die Verteidigung trotz aller Widrigkeiten bis zuletzt sachgerecht geführt, wie die ausführliche Revisionsbegründung durch Rechtsanwalt pp. belegt.“

Das letzte Argument ist m.E. ein Scheinargument. Meint das OLG Frankfurt, dass der Pflichtverteidiger in solchen Fällen, ggf. die Verteidigung nicht „sachgerecht“ führen? Beim OLG Frankfurt wundert mich nichts mehr….