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Pflichti III: Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung, oder: Viermal bejaht, zweimal verneint

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Und dann noch das Posting zur rückwirkenden Bestellung – ohne geht es dann leider nicht. Das sind heute sechs Entscheidungen – vier positive, die Zulässigkeit bejahende, und zwei negative, die Zulässigkeit verneinende Entscheidungen – bei denen verwundert mich immer wieder, wie hartnäckig doch manche LG die richtige Sicht der Dinge verweigern. Im Einzelnen:

Die Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung bejaht haben:

1. Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers ist ausnahmsweise zulässig.

2. Es existiert keine starre zeitliche Grenze, ab welcher eine Unverzüglichkeit nicht mehr gegeben ist.

1. Eine rückwirkende Bestellung zum Pflichtverteidiger ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn der Beschuldigte rechtzeitig eine Pflichtverteidigerbestellung ausdrücklich beantragt hatte, wenn die Voraussetzungen einer Pflichtverteidigerbestellung zum Zeitpunkt der Antragstellung vorgelegen haben und wenn eine Entscheidung über den Beiordnungsantrag ohne zwingenden Grund nicht unverzüglich erfolgt ist, da die Entscheidung durch behördeninterne Vorgänge unterblieben ist, auf die ein Außenstehender keinen Einfluss hatte.

2. Zur Frage der unverzüglichen Vorlage der Akte.

Die rückwirkende Bestellung zum Pflichtverteidiger ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn der Beschuldigte rechtzeitig eine Pflichtverteidigerbestellung ausdrücklich beantragt hatte, wenn die Voraussetzungen einer Pflichtverteidigerbestellung zum Zeitpunkt der Antragstellung vorgelegen haben und wenn eine Entscheidung über den Beiordnungsantrag ohne zwingenden Grund nicht unverzüglich erfolgt ist, da die Entscheidung durch behördeninterne Vorgänge unterblieben ist, auf die ein Außenstehender keinen Einfluss hatte.

Zur zulässigen rückwirkenden Bestellung des Pflichtverteidigers.

Die Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung verneint haben:

Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers ist schlechthin unzulässig und unwirksam.

Es ist daran festzuhalten, dass eine rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht zulässig ist.

Einziehung I: Zustimmung zur formlosen Einziehung, oder: „Herr Bezirksrevisor was soll das?“

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Und dann zum Wochenausklang heute noch RVG-Entscheidungen. Beide befassen sich mit der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG.

Ich starte mit dem LG Bonn, Beschl. v. 22.11.2023 – 65 Qs 19/23. Nach dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war der Kollege, der mir die Entscheidung geschickt hat, Pflichtverteidiger in einem gegen seinen Mandanten wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften geführten Ermittlungsverfahrens. Nach vorhergehender Beratung durch den Kollegen hat der Beschuldigte auf das Eigentum an einer Festplatte, auf der sich die kinderpornographischen Bilder befunden haben sollen, und deren Herausgabe verzichtet. Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren (dann) gemäß § 154 StPO im Hinblick auf die rechtskräftig erkannte Strafe aus einem anderen Verfahren eingestellt.

Der Kollegen hat dann die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 662,83 EUR brutto beantragt. Bei der Vergütungsfestsetzung hat er auch die Festsetzung einer Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG aus einem Wert von 200,00 EUR i.H.v. 49,00 EUR geltend gemacht. Das AG Bonn hatte den Wert der Werteinziehung auf 200,00 EUR festgesetzt. Die Urkundsbeamtin des AG hat den Antrag insoweit zurückgewiesen. Dagegen hat der Kollege Erinnerung eingelegt. Das AG hat sodann die weitere Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG in Höhe von 49,00 EUR festgesetzt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Staatskasse, der das AG nicht abgeholfen hat. Die Beschwrde hatte keinen Erfolg:

„1. Das Amtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung dem Pflichtverteidiger des Beschuldigten Herrn Rechtsanwalt Pp eine weitere Gebühr i.H.v. 49,00 € nach Nr. 4142 VV RVG zugesprochen.

Diese zusätzliche Verfahrensgebühr entsteht nach Nr. 4142 Abs. 1 VV RVG u.a. für eine Tätigkeit für den Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung bezieht. Die Gebühr wird bereits durch die beratende Tätigkeit des Rechtsanwaltes ausgelöst, wenn eine Einziehung in Betracht kommt, die Maßnahme muss weder gerichtlich angeordnet noch beantragt sein (Knaudt in: v. Seitmann, BeckOK RVG, 61. Edition, Stand: 01.09.2023, RVG VV 4142 Rn. 10 m.w.N.). Berät der Rechtsanwalt seinen Mandanten dahin, dass dieser einer formlosen Einziehung zustimmt, löst auch dies die Gebühr aus Nr. 4142 VV RVG aus (KG Berlin, Urteil vom 18.07.2005, Az. 5 Ws 256/05, NStZ-RR 2005, 358; vgl. Knaudt in: v. Seltmann, BeckOK RVG, 61. Edition, Stand: 01.09.2023, RVG VV 4142 Rn. 10 m.w.N.).

Vorliegend ist bzgl. der in Rede stehenden Festplatte mit den inkriminierten Dateien eine Einziehung in Betracht gekommen (vgl. zu einer solchen Konstellation nur BGH, Beschluss vom 08:02.2012, Az. 4 StR 657/11, NStZ 2012, 319). Herr Rechtsanwalt Pp hat in dieser Verfahrenssituation nicht nur mit Schriftsatz vom 22.06.2023 für den Beschuldigten auf das Eigentum und die Herausgabe der Festplatte verzichtet, sondern ihn ausweislich der Schriftsätze vom 16.02.2023, 22.06.2023 bzw. 08.08.2023 auch vorangehend hierzu beraten.

Die Entstehung der Gebühr ist auch nicht gemäß Nr. 4142 Abs. 2 VV RVG ausgeschlossen, da der Gegenstandswert vorliegend nicht niedriger als 30,00 € war, sondern ausweislich des — rechtskräftigen — Beschlusses des Amtsgerichts Bonn vom 17.08.2023 auf 200,00 € festgesetzt worden ist.

Die Gebühr ist vorliegend — wie das Amtsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden hat — auch durch die o.a. Tätigkeit von Herrn Rechtsanwalt Pp im Stadium des bei der Staatsanwaltschaft geführten Ermittlungsverfahrens entstanden. Es steht der Entstehung der Gebühr insbesondere nicht entgegen, dass dieses Ermittlungsverfahren nach § 154 StPO eingestellt worden ist und sich hierdurch kein gerichtliches Verfahren angeschlossen hat.

Denn die Gebühr entsteht nach Nr. 4142 Abs. 3 VV RVG u.a. „für das Verfahren des ersten Rechtszugs einschließlich des vorbereitenden Verfahrens“. Es kann hierbei dahinstehen, dass die Vorschrift grundsätzlich rechtszugbezogen ist (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 29.11.2028, Az. 3 StR 625/17, BeckRS 2018, 35965) und es sich bei einem Rechtszug um „einen Verfahrensabschnitt eines Rechtsstreits vor einem bestimmten (…) Gericht“ (so Creifelds, Rechtswörterbuch) handelt. Denn bereits der Wortlaut des Absatzes 3 bezieht ausdrücklich in das die Gebühr auslösende Handeln im Verfahren des ersten Rechtszugs das Handeln im vorbereitenden Verfahren mit ein. Nach Sinn und Zweck der Regelung soll hiermit ebenfalls auch eine entsprechende Tätigkeit ausschließlich im Ermittlungsverfahren vergütet werden, ohne dass es einen Unterschied macht, ob dieses später in diesem Stadium abgeschlossen worden ist oder in ein gerichtliches Verfahren übergegangen ist. Denn mit der Gebühr soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass zu den im Strafprozess unumgänglichen Überlegungen zur Schuld- und Straffrage eine weitere, die Eigentums- und Vermögenslage des Mandanten berührende Thematik hinzugetreten ist, die regelhaft Mehrarbeit verursacht (KG Berlin, Urteil vom 18.07.2005, Az. 5 Ws 256/05, NStZ-RR 2005, 358). Hierfür ist aber der Ausgang des Ermittlungsverfahrens, in dem die anwaltliche Tätigkeit erbracht worden ist, irrelevant. Im Übrigen spricht für dieses Ergebnis auch, dass die Entstehung der Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG nicht voraussetzt, dass der Rechtsanwalt gerichtlich tätig worden ist, sondern dass sie auch für eine außergerichtliche beratende Tätigkeit des Rechtanwalts entsteht (vgl. nur Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 26. Auflage 2023, RVG W 4142 Rn. 12 m.w.N.). In welchem Verfahrensstadium eine solche außergerichtliche beratende Tätigkeit erbracht worden ist, ob dies im Ermittlungsverfahren der Fall gewesen ist oder in einem späteren gerichtlichen Verfahren, kann für die grundsätzliche Entstehung der Gebühr als solche nach Überzeugung der Kammer dann auch nicht relevant sein. Nr. 4142 Abs. 3 VV RVG ist vor diesem Hintergrund nach Überzeugung der Kammer lediglich als Klarstellung dahingehend zu verstehen, dass sowohl im Ermittlungsverfahren als auch im Verfahren des ersten Rechtszugs anwaltlich erbrachte Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer Einziehung insgesamt nur einmal vergütet werden.“

Anzumerken ist:

Das LG hat alles richtig gemacht. Das gilt insbesondere auch hinsichtlich der Ausführungen des LG zum Anfall der Gebühr auch dann, wenn das Verfahren im Stadium des Ermittlungsverfahrens eingestellt und es gar nicht mehr zu einem gerichtlichen Verfahren kommt. M.E. hätte es dazu gar nicht so viel Worte gebraucht, denn das ergibt sich für mich schon ohne weiteres aus dem Wortlaut der Anm. 3 – „einschließlich des vorbereitenden Verfahrens“

Offen bleibt damit – leider mal wieder – nur die Frage, was die Vertreter der Staatskasse eigentlich damit bezwecken, wenn in einem solch eindeutigen Verfahren, in dem die Richtigkeit der vom Verteidiger beantragten Vergütungsfestsetzung auf der Hand liegt, ablehnend Stellung genommen und dann auch noch gegen eine zutreffende AG-Entscheidung Rechtsmittel eingelegt wird. Die Höhe der geltend gemachten Gebühr von hier 49,00 EUR kann es nicht sein. Man hat den Eindruck, dass es einfach nur darum geht, „dagegen zu sein“, warum auf immer. Man darf sich dann allerdings nicht über die Belastung der Justiz beklagen, wenn sie mit solch unsinnigen Rechtsmitteln befasst wird.

StPO II: 3 x etwas zu Pflichtverteidigungsfragen, oder: Schwierigkeit, Beweisverwertungsverbot, Ermessen

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Und dann im zweiten Posting drei Entscheidungen zur Pflichtverteidigung. Die Problamtik stand an, es reichte aber dieses Mal nicht für einen ganzen Tag.

Hier sind dann die Leitsätze

Hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 144 Abs. 1 StPO steht dem Vorsitzenden des Gerichts ein nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Das Beschwerdegericht prüft nur, ob der Vorsitzende die Grenzen seines Beurteilungsspielraums eingehalten und sein Rechtsfolgeermessen fehlerfrei ausgeübt hat.

Die Rechtslage ist i.S. des § 140 Abs. 2 StPO schwierig, wenn es bei der Anwendung des materiellen oder formellen Rechts auf die Entscheidung nicht ausgetragener Rechtsfragen ankommt, oder wenn die Subsumtion voraussichtlich aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten wird. Notwendig ist eine Gesamtwürdigung von Sach- und Rechtslage vorzunehmen, um den Schwierigkeitsgrad zu beurteilen. Gemessen an diesen Maßstäben ist von einer Schwierigkeit der Rechtslage auszugehen, wenn die Auffassungen zur Strafbarkeit des Verhaltens des Beschuldigten zwischen den Gerichten und der Staatsanwaltschaft offenkundig auseinander gehen.

Für die Beantwortung der Frage, ob wegen der Schwierigkeit der Rechtslage ein Fall der notwendigen Verteidigung gegeben ist, kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich von einem Verwertungsverbot auszugehen ist. Eine schwierige Rechtslage ist bereits dann anzunehmen, wenn in der Hauptverhandlung eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich sein wird, ob ein Beweisergebnis einem Verwertungsverbot unterliegt.

 

StPO I: Beschwerde des Dritten gegen Durchsuchung, oder: Entscheidung erst nach Akteneinsicht

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Vor dem Gebührenfreitag heute dann drei LG-Entscheidungen zu StPO-Fragen.

Den Opener macht der LG Bonn, Beschl. v. 30.01.2023 – 63 Qs 6/23. Thema: Akteneinsicht des Vertreters des von einer Durchsuchungsmaßnahme betroffenen Dritten. Der hatte gegen die Durchsuchungsmaßnahme Beschwerde eingelegt, aber keine Akteneinsicht erhalten. Das LG Bonn sagt: Wir stellen die Entscheidung zurück, bis Akteneinsicht gewährt ist:

„Die Entscheidung über die Beschwerde des Dritten, Herrn pp., vom 04.12.2022 war zurückzustellen, bis die dem Bevollmächtigten, Herrn Rechtsanwalt, verwehrte Akteneinsicht gewährt würde und er Gelegenheit‘ hatte, sich im. Rahmen der Beschwerde zu äußern.

Das Beschwerdegericht darf bei seiner Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen einen richterlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss seine Entscheidung nur auf diejenigen Tatsachen und Beweismittel stützen, die dem Beschuldigten durch Akteneinsicht bekannt sind. Wird der Verteidigung Akteneinsicht gemäß § 147 Abs-. 2 StPO verwehrt und ist das Beschwerdegericht nach § 147 Abs. 5 StPO hieran gebunden, so kann der sich hieraus ergebende Interessenkonflikt zwischen dem Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft nur dadurch aufgelöst werden, dass die Beschwerdeentscheidung bis zur Gewährung der zunächst verweigerten Akteneinsicht aufgeschoben wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom • 07.09.2007 – 2 BVR 1009/07, NStZ-RR 2008, 16ff.; OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.06.2019 — 2 Ws 112/19- BeckRS 2019, 13873; Wessing in BeckOK StPO, § 147 Rdn 8 m.w.N.).

Gleiches hat zu gelten, wenn sich die Durchsuchungsmaßnahme gegen einen Dritten, hier den Betroffenen pp. richtet. Der Rechtsstaatsgedanke gebietet es, dass der von einer strafprozessualen Eingriffsmaßnahme Betroffene jedenfalls nachträglich, aber noch im gerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Eingriffs, Gelegenheit erhält, sich in Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen gegen die Eingriffsmaßnahme und den zugrundeliegenden Tatvorwurf zu verteidigen.

Herrn Rechtsanwalt pp. ist eine Akteneinsicht bislang nicht gewährt worden, so dass bis zur Gewährung der Akteneinsicht und der Gelegenheit einer umfassenden Äußerung die Beschwerdeentscheidung aufzuschieben ist.“

Pflichti II: Kleine „Pflichti-Rechtsprechungsübersicht“, oder: Zwei Verteidiger, Rückwirkung und Aufhebung

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Im zweiten Posting dann eine Zusammenstellung verschiedender Entscheidungen aus der letzten Zeit. M.E. reichen hier die Leitsätze.

Und zwar zunächst der Hinweis auf den BGH, Beschl. v. 05.05.2022 – StB 16/22 – zum weiteren Pflichtverteidiger, mit dem der BGH seine Rechtsprechung im BGH, Beschl. v. 24.03.2022 – StB 5/22 – bestätigt:

Nach ihrem Wortlaut hat die Vorschrift des § 144 StPO zur zentralen Voraussetzung, dass die Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens die Beiordnung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers erfordert. Eine solche Bestellung ist somit nicht schon dann geboten, wenn sie eine das weitere Verfahren sichernde Wirkung hat, also grundsätzlich zur Verfahrenssicherung geeignet ist. Vielmehr muss die Bestellung eines Sicherungsverteidigers zum Zeitpunkt ihrer Anordnung zur Sicherung der zügigen Verfahrensdurchführung notwendig sein. Die Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers als Sicherungsverteidiger ist daher lediglich in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen.

Als zweite Entscheidung dann der – schon etwas ältere – LG Bonn, Beschl. v. 01.03.2022 – 63 Qs 7/22 – u.a. noch einmal zur rückwirkenden Bestellung, und zwar mit folgenden Leitsätzen:

    1. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers kommt nach Einstellung des Verfahrens grundsätzlich nicht mehr in Betracht. Dies kann im Einzelfall anders zu beurteilen sein, etwa wenn der Abweisung des Antrags auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers eine sachlich nicht gerechtfertigte, erhebliche Verzögerung der Verfahrensbehandlung vorausgegangen ist.
    2. Bei einer Straferwartung um ein Jahr Freiheitsstrafe ist – auch wenn deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden sollte – regelmäßig von einer Schwere der Tat i.S.v. § 140 Abs. 2 StPO auszugehen.

Und dann als letztes hier der LG Magdeburg, Beschl. v. 11.05.2022 – 25 Qs 33/22 – zur Frage der Aufhebung der Pflichtverteidigebestellung in den Fällen der Haftentlassung. Das LG bestätigt die bisherige Rechtsprechung:

In den Fällen der Pflichtverteidigeraufhebung wegen Haftentlassung ist im Rahmen des insoweit eingeräumten Ermessens stets sorgfältig zu prüfen, ob die frühere mit dem Umstand der Inhaftierung verbundene Behinderung des Angeklagten in seinen originären Verteidigungsrechten und -möglichkeiten entfallen ist oder diese Einschränkung des Angeklagten trotz Aufhebung der Haft fortbesteht und deshalb eine weitere Unterstützung durch einen Verteidiger erfordert.