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StrEG II: Teilvollstreckung nach Bewährungswiderruf, oder: Keine Entschädigung nach dem StrEG?

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Die zweite Entscheidung, der schon etwas ältere LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 28.08.2024 – 18 Qs 15/24 -, äußert sich zur Frage der Entschädigung nach dem StrEG bei Teilvollstreckung zwischen dem Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung und der Aufhebung des Widerrufsbeschlusses durch das Beschwerdegericht.

Dazu sagt das LG  mit dem AG: Gibt es nicht:

„2. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Wer durch eine strafgerichtliche Verurteilung einen Schaden erlitten hat, wird aus der Staatskasse entschädigt, soweit die Verurteilung im Wiederaufnahmeverfahren oder sonst, nachdem sie rechtskräftig geworden ist, in einem Strafverfahren fortfällt oder gemildert wird, § 1 Abs. 1 StrEG. Unter dem Begriff der Verurteilung ist jede rechtsförmliche Feststellung einer strafrechtlichen Schuld zu verstehen (BeckOK StPO/Cornelius, 52. Ed. 1.7.2024, StrEG § 1 Rn. 1 m.w.N.).

a) Wenn das Gericht die Aussetzung einer Strafe (§ 56 StGB) oder Maßregel (§ 67b StGB) oder eines Strafrestes (§ 57 StGB) oder des Maßregelvollzugs (§ 67 Abs. 2, § 67e StGB) widerruft, die Widerrufsentscheidung aber auf sofortige Beschwerde aufgehoben wird, gibt es für eine Teilvollstreckung zwischen Widerruf und Aufhebung nach ganz herrschender Meinung keine Entschädigung nach dem StrEG (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.02.1993 – 1 Ws 92-93/93; LG Karlsruhe, Beschluss vom 23. Oktober 2023 – 11 O 19/23; MüKoStPO/Kunz, 1. Aufl. 2018, StrEG § 1 Rn. 29; Kunz, StrEG, 4. Auflage 2010, § 1 Rn. 29; a. A. OLG Köln, Beschluss vom 23. August 2002 – 2 Ws 372/02). Für Maßnahmen im Bereich der Strafvollstreckung kann nach den Regelungen des StrEG keine Entschädigung verlangt werden (vgl. KG, Beschluss vom 25. Februar 2005 – 5 Ws 67/05; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Juni 1981 – 3 Ws 261/81; Meyer, StrEG, 10. Auflage 2017, § 1 Rn. 15, 15a). Die nachträglichen gerichtlichen Entscheidungen ergehen vielmehr im Rahmen der kriminalpolitischen Zielsetzungen, die das materielle Strafrecht mit dem Bewährungssystem verfolgt. Sie betreffen allein die Vollstreckung, nicht das Urteil (vgl. MüKoStPO/Kunz, 1. Aufl. 2018, StrEG § 1 Rn. 27). Während die Entschädigungspflicht des Staates nach § 1 StrEG voraussetzt, dass eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung später in einem Strafverfahren wegfällt oder gemildert wird, zielt § 2 StrEG auf solche Fälle ab, in denen es trotz vorläufiger Strafverfolgungsmaßnahmen erst gar nicht zu einer Verurteilung gekommen ist. Beide Voraussetzungen liegen bei der Vollstreckung des rechtskräftigen Urteils nicht vor. Das gilt auch dann, wenn das der Strafvollstreckung entgegenstehende Hindernis der Strafaussetzung durch deren Widerruf beseitigt wird. Auch in diesem Fall handelt es sich um die Vollstreckung des rechtskräftigen auf Freiheitsstrafe lautenden Urteils, das weder durch den Widerruf der Strafaussetzung noch durch die Aufhebung dieses Widerrufs in seinem materiellen Inhalt berührt wird. Hinzukommt, dass § 2 StrEG abschließend aufzählt, welche Strafverfolgungsmaßnahmen zu einer Entschädigungspflicht des Staates führen. Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nach rechtskräftigem Widerruf der Strafaussetzung bis zu dessen späteren Wegfall zählt nicht dazu (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.02.1993 – 1 Ws 92-93/93; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.06.1981 – 3 Ws 261/81 für Sicherungshaftbefehl).

b) aa) Die Kammer hat diese Frage in ihrer Entscheidung vom 07.09.2020 (18 Qs 45/20) mangels Entscheidungserheblichkeit noch dahinstehen lassen (Bl. 48), schließt sich der herrschenden Meinung mit deren zutreffenden Argumenten aber an. § 1 Abs. 1 StrEG spricht ausdrücklich von einer strafgerichtlichen Verurteilung als schadenstiftendem Ereignis. Ein Beschluss über den Widerruf der Strafaussetzung nach den §§ 56f StGB; 453 StPO stellt aber kein Urteil im Sinne der §§ 260, 267, 268, 275 StPO und auch nicht einen diesem gleichstehenden (§ 410 Abs. 3 StPO) Strafbefehl dar.

bb) Der – umstrittene – Ansatz, § 1 Abs. 1 StrEG umfasse auch Fälle der Wiedereinsetzung und Rechtskraftdurchbrechung, rechtfertigt keine andere Betrachtung.

(A) Vertreten wird, von § 1 Abs. 1 StrEG würden alle Fälle umfasst, in denen die Rechtskraft nachträglich durchbrochen werde, weil das Gebot materieller Gerechtigkeit der Rechtskraftwirkung vorgehe (MüKoStPO/Kunz, 1. Aufl. 2018, StrEG § 1 Rn. 2). Auch bei einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei der Regelungsbereich von § 1 StrEG eröffnet (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, 66. Aufl. 2023, StrEG § 1 Rn. 2; BeckOK StPO/Cornelius, 52. Ed. 1.7.2024, StrEG § 1 Rn. 6.1; MüKoStPO/Kunz, 1. Aufl. 2018, StrEG § 1 Rn. 21; BayObLG, Beschluss vom 26. Februar 1986, RReg. 4 St 256/85; aA: Meyer, StrEG, 10. Auflage 2017, § 1 Rn. 11). Dafür, dass auch die Wiedereinsetzung in diesem Sinne umfasst sei, sprächen sowohl der Wortlaut von § 1 Abs. 1 StrEG, als auch der Sinn und Zweck des Gesetzes, den Ausgleich eines nicht gerechtfertigten Sonderopfers zu ermöglichen. Dem Beschuldigten, der einer durch das Verfahrensergebnis nicht gedeckten Strafverfolgungsmaßnahme ausgesetzt sei, werde im Allgemeininteresse, nämlich aus Gründen der Strafrechtspflege, ein Sonderopfer auferlegt. Dem Ausgleich der hierdurch verursachten Schäden diene die im StrEG normierte Staatshaftung. Hinsichtlich des dem Verurteilten auferlegten Sonderopfers bedeute es keinen Unterschied, ob die rechtskräftige Strafe nach Wiederaufnahme oder nach Wiedereinsetzung gemildert worden sei (BayObLG, Beschluss vom 26. Februar 1986, RReg. 4 St 256/85).

(B)

(I) Bei rechtlich zutreffender Würdigung der Sach- und Rechtslage lag – entgegen der Annahme des Amtsgerichts im Beschluss vom 15.07.2020 (Bl. 30) – bereits kein Fall der Wiedereinsetzung und Rechtskraftdurchbrechung in diesem Sinne vor, weil bezogen auf den Beschluss vom 11.05.2020 (Bl. 12 ff.) und das Schreiben der Verurteilten vom 18.06.2020 (Bl. 17) keine Frist versäumt wurde (§ 44 StPO).

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StrEG I: Entschädigung wegen erlittener U-Haft, oder: Zumindest grob fahrlässige Mitverusachung?

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Heute ist es Freitag und an den Freitagen geht es immer ums Geld. Dazu gibt es meist RVG-Entscheidung. Heute gibt es die aber nicht. Es geht zwar auch ums Geld, aber es geht um die Strafrechtsentschädigung nach dem StREG. Dazu stelle ich zwei Entscheidungen vor.

Hier kommt zunächst der LG Bonn, Beschl. v. 12.12.2024 – 64 Qs 69/24 – zur Frage einer Strafrechtsentschädigung wegen erlittener Untersuchungshaft. Der ehemalige Beschuldigte hat sich in der Zeit 14.04.2024 bis zum 09.09.2024 in Untersuchungshaft befunden. Gegen ihn war Haftbefehl wegen Vergewaltigung erlassen worden. Der dringende Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer gründete „auf den Angaben der Geschädigten, das sonstige Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen und „das Geständnis“ des Beschwerdeführers.“ Im Ermittlungsverfahren ist es sowohl hinsichtlich der Angaben der Geschädigten als auch der des Beschuldigten, der zunächst keinen Verteidiger hatte, hin und her gegangen. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den verlinkten Volltext.

Es ist dann schließlich Anklage erhoben worden. Mit Urteil vom 09.09.2024 wurde der Angeklagte dann freigesprochen. Der Haftbefehl gegen ihn wurde aufgehoben. In der Urteilsformel ist ein Ausspruch zur Entschädigungspflicht ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls und der schriftlichen Urteilsgründe unterblieben. In den Urteilsgründen heißt es dann aber:

„Die Staatskasse ist gemäß § 5 Abs. 2 StrEG nicht verpflichtet, den Angeklagten für die erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen. Denn der Angeklagte hat die Strafverfolgungsmaßnahme – hier insbesondere die Festnahme und Inhaftierung aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Siegburg vom 15.04.2024 – vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht. Denn der Haftbefehl des Amtsgerichts Siegburg erging auf Grundlage der bis dahin geführten Ermittlungen, insbesondere aufgrund des gegenüber der Polizei durch den Angeklagten eingeräumten Tatgeschehens, welches identisch war mit dem in der Anklageschrift erhobenen Tatvorwurf. Durch seine im Anschluss hieran widersprüchlichen Einlassungen konnte der Angeklagte den Tatvorwurf nicht entkräften, sondern verstärkte den gegen ihn bestehenden Tatverdacht. Erst durch die in der Hauptverhandlung durchgeführte Beweisaufnahme erhärteten sich die Zweifel an dem Tatvorwurf, ohne dass das Gericht von der Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten überzeugt war. Da im Übrigen der Haftgrund der Fluchtgefahr auch zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens gegeben war;, hat der Angeklagte sowohl durch seine Lebensumstände als auch durch sein eigenes Einlassungsverhalten eine Entschädigung für erlittene Untersuchungshaft grob fahrlässig verwirkt.“

Dagegen die sofortige Beschwerde des Beschuldigten, die Erfolg hatte:

„Die gemäß § 9 Abs. 2 StrEG i.V.m. § 311 Abs. 2 StPO zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer seine Inhaftierung durch seine widersprüchlichen und lebensfremd wirkenden Einlassungen mitverursacht hat.

Beurteilungsgrundlage ist nicht das Ergebnis der Hauptverhandlung, sondern es ist regelmäßig darauf abzustellen, wie sich der Sachverhalt in dem Zeitpunkt dargestellt hat, in dem die Maßnahme angeordnet oder aufrechterhalten wurde. Es sind dabei alle zu diesem Zeitpunkt bekannten Umstände zu würdigen und in Beziehung zu dem Verhalten des Beschuldigten und zum jeweiligen Tatvorwurf zu setzen (BVerfG, Beschluss vom 12.09.1995 — 2 BvR 2475/94 -; OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 06.06.2012 — III – 1 Ws 111/12 — sowie vom 25.06.2013 — III – 2 Ws 275/13 -; Meyer-Goßner / Schmitt, 67. Aufl., § 5 StrEG, Rdnr: 10).

Nicht oder nicht mehr ursächlich für die Strafverfolgungsmaßnahme ist das Verhalten des Beschuldigten, wenn die Maßnahme auch ohne sein Verhalten angeordnet worden wäre (Meyer-Goßner / Schmitt, aaO, Rn. 7, mwN).

So liegt der Fall hier. Der Haftbefehl wäre bei vernünftiger Würdigung der den Beschwerdeführer belastenden Aussage der Anzeigeerstatterin und der objektiven Gesamtumstände mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch ohne dessen später widerrufener Angaben in der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 15.04.2024 ergangen.

Auch für die Aufrechterhaltung des Haftbefehls gegen den Beschwerdeführer im Haftprüfungstermin am 25.07.2024 waren dessen widersprüchliche Einlassungen vor dem Hintergrund der bisherigen Ermittlungsergebnisse und der Angaben der Zeugen pp. und pp. nicht ausschlaggebend.

Der Beschwerdeführer hatte sich in eine Situation begeben, die sich im Zeitpunkt der Haftentscheidung ohnehin als in hohem Maße erklärungsbedürftig und verfänglich darstellte, indem er gemeinsam mit einer fremden, sichtlich betrunkenen Frau aus dem Bus an einer ihm nicht bekannten Haltestelle ausstieg und dieser in eine vom Weg aus schlecht einsehbare Weihnachtbaumplantage folgte, wo beide ihre Kleidung infolge des Kontaktes mit dem Gras und Waldboden beschmutzten. Zudem sprachen die Kratzspuren im Gesicht des Beschwerdeführers und die Hilferufe der Geschädigten gegen einen einvernehmlichen Sexualkontakt. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer sich vom Tatort entfernte, trug nicht eben dazu bei, den Tatverdacht gegen ihn zu verringern.

Angesichts dieser Ausgangssituation und der auf die Ermittlungsbeamten glaubhaft wirkenden Aussage der Geschädigten kam es für die Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung schon nicht mehr darauf an, dass der Beschwerdeführer sich in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung in erheblichem Maße selbst belastet hat, indem er erklärte, er habe die Anzeigeerstatterin unbedingt küssen wollen und seine Finger in ihre Scheide eingeführt. Als sie Anstalten gemacht habe zu schreien, habe er ihr den Mund zugehalten. Auch seine ausweichende Antwort auf die Frage, ob er nicht gemerkt habe, dass die Frau das nicht gewollt habe, war letztlich für die Haftentscheidung ohne Bedeutung.“

Bei der Gelegenheit: Wer sich fragt, was eigentlich aus der geplanten Novellierung des StREG geworden ist ( vgl. hier: Neues aus Berlin II: Strafverfolgungsentschädigung, oder: Kommt endlich eine Reform des StrEG?): Das lässt sich leicht beantworten, nämlich: Nichts. Die ist im Ampelaus untergegangen. Vielleicht kommt ja dann in der 21. Legislaturperiode wieder etwas.

StPO III: Nach falscher Selbstbelastung in U-Haft, oder: Führt das zum Ausschluss der Haftentschädigung?

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Und zum Tages- – und Monatsschluss – dann noch eine Entscheidung, die nicht unmittelbar mit der StPO zu tun hat, sondern mit dem StrEG. Die Ausgangsproblematik liegt aber in der StPO, und zwar:

Der ehemalige Angeklagte wurde im Rahmen eines zunächst gegen andere Beschuldigte geführten Ermittlungsverfahrens am 17.02.2021 wegen des Verdachts des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorläufig festgenommen und befand sich seit dem 18.02.2021 in Untersuchungshaft, bis er im Oktober 2021 von deren weiterem Vollzug verschont wurde. Hintergrund der Verhaftung war u.a., dass im Rahmen einer Durchsuchung in der von dem ehemaligen Angeklagten mit seinem Bruder, einem Mitbeschuldigten des Ermittlungsverfahrens, gemeinsam bewohnten Wohnung sowie in einem Fahrzeug des Angeklagten Marihuana und an verschiedenen Orten deponiertes Bargeld aufgefunden worden war. Hinsichtlich der in seinem Fahrzeug befindlichen Menge von etwa zwei Kilogramm Marihuana äußerte der Angeklagte im Verlauf der Durchsuchung gegenüber einer Polizeibeamtin dass alles, was in seinem Fahrzeug sei, ihm gehöre.

In der Folgezeit hat die Staatsanwaltschaft gegen den Angeklagten und dessen Bruder Anklage wegen des Verdachts des Handeltreibens mit Btm in nicht geringer Menge auch hinsichtlich dieser Handelsmenge erhoben. Das LG hat den Angeklagten hiervon – wie auch in Bezug auf eine weitere Tat – mit Urteil vom 19.07.2022 freigesprochen. In diesem Rahmen hat es festgestellt, dass der Angeklagte wegen der erlittenen Untersuchungshaft für die Zeit ab dem 27.05.2021 bis zu der Aufhebung des Haftbefehls – auch soweit dieser im Oktober 2021 außer Vollzug gesetzt wurde – zu entschädigen sei. Für den Zeitraum vom 17.02.2021 bis zum 26.05.2021 hat sie demgegenüber eine Entschädigung versagt. Durch seine Angaben gegenüber der Polizeibeamten habe sich der Angeklagte wahrheitswidrig selbst belastet und die Strafverfolgungsmaßnahme jedenfalls grob fahrlässig verursacht.

Der ehemalige Angeklagte hat gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er begehrt, auch für den in diesem Zeitraum erlittenen Freiheitsentzug entschädigt zu werden. Zur Begründung trägt er vor, dass die gegenüber der Polizeibeamtin getätigten Angaben einem Verwertungsverbot unterlägen. Das Rechtsmittel hatte beim OLG Kölnmit de, OLG Köln, Beschl. v. 01.08.2023 – 2 Ws 654/22 – Erfolg:

„b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist eine Entschädigung nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Beschwerdeführer den in der Zeit vom 17.02.2021 bis zum 26.05.2021 erlittenen Freiheitsentzug gemäß § 5 Abs. 2 StrEG grob fahrlässig verursacht hatte.

aa) In rechtlicher Hinsicht gilt insoweit:

(1) Ein grob fahrlässiges Verhalten im Sinne von § 5 Abs. 2 StrEG liegt vor, wenn der Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme durch sein Verhalten herausgefordert hat. Er muss in ungewöhnlichem Maße die Sorgfalt außer Acht gelassen haben, die ein verständiger Mensch in gleicher Lage anwenden würde, um sich vor Schaden durch die Strafverfolgungsmaßnahme zu schützen (BGH, Beschluss vom 24. September 2009 – 3 StR 350/09 -, Rn. 4, juris). Ob eine derartige schuldhafte Verursachung vorliegt, ist ausschließlich nach zivilrechtlichen Zurechnungsgrundsätzen (§ 254 Abs. 1, §§ 276 bis 278 BGB) zu beurteilen (vgl. KG, Beschuss vom 11.01.2012 – 2 Ws 351/11, juris Rn. 5 mwN). Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschuldigte nach diesen Maßstäben Anlass zu der Strafverfolgungsmaßnahme gegeben hat, ist aufgrund des Ausnahmecharakters des § 5 Abs. 2 StrEG ein strenger Maßstab anzulegen (BGH, Beschluss vom 28.06.2022 – 2 StR 229/21, juris Rn. 20). Es reicht daher nicht aus, dass sich der Freigesprochene irgendwie verdächtig gemacht hat, vielmehr muss er durch eigenes Verhalten einen wesentlichen Ursachenbeitrag zur Begründung des für die Anordnung der Untersuchungshaft erforderlichen dringenden Tatverdachts geleistet haben (BGH, Beschluss vom 24.09.2009 – 3 StR 350/09, juris Rn. 4). In diesem Sinne liegt regelmäßig ein grob fahrlässiges Verhalten vor, wenn sich der Beschuldigte gegenüber den Ermittlungsbehörden wahrheitswidrig selbst belastet (vgl. Abramenko, NStZ 1998, 176, 177). Dies gilt umso mehr, je schwerer der Tatvorwurf ist.

(2) Liegt der entsprechenden Erklärung des Beschuldigten allerdings ein Verstoß gegen die strafprozessuale Belehrungspflicht gemäß § 136 Abs. 1, § 163a StPO zugrunde, rechtfertigt die Selbstbelastung nicht ohne weiteres den Vorwurf einer grob fahrlässigen Verursachung der Strafverfolgungsmaßnahme.

(a) Allerdings wird verbreitet – worauf sich auch das Landgericht bezogen hat – angenommen, dass es für die Feststellung eines grob fahrlässigen Verhaltens unerheblich sein soll, ob hinsichtlich der insoweit maßgeblichen Äußerungen des Beschuldigten ein strafprozessuales Verwertungsverbot wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Beschuldigtenbelehrung besteht, da sich ein solches nur auf den Nachweis des strafrechtlichen Schuldvorwurfes beziehe und die Grundlagen der verfahrensrechtlichen Stellung des Beschuldigten sichern solle. Für die im Rahmen des StrEG zu treffenden Annexentscheidungen könne dieses hingegen jedenfalls keine Fernwirkung dahin entfalten, dass von einem generellen Schweigen des Beschuldigten auszugehen wäre. Da es nicht um die Zuweisung strafrechtlicher Schuld, sondern die Zurechnung nach zivilrechtlichen Maßstäben gehe, liege auch kein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung vor (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.07.1997 – 3 Ws 84/96, NStZ 1998, 211; OLG Rostock, Beschluss vom 08.11.2004 – I Ws 269/04, juris Rn. 18; OLG Koblenz, Beschluss vom 22.08.2005 – 2 Ws 507/05, Justizblatt Rh.-Pf. 2005, 223; Burhoff/Kotz, Hdb. für die strafrechtliche Nachsorge, Teil I Rn. 352; MAH Strafverteidigung/Kotz/Arnemann, 3. Aufl., § 29 Rn. 93; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 6 Rn. 4; MüKoStPO/Kunz StrEG § 5 Rn. 65, § 6 Rn. 5).

(b) Diese Ansicht vermag jedenfalls in ihrer Pauschalität nicht zu überzeugen, soweit hiermit auch die Auffassung verbunden sein sollte, dass der Inhalt von unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht zustande gekommenen Erklärungen im Rahmen von Entscheidungen über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen verwertbar sein soll.

(aa) Gemäß § 8 Abs. 1 StrEG ist die Entscheidung über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen dem Strafgericht zugewiesen. Hieraus folgt, dass sich dieses Verfahren nach den Vorschriften der Strafprozessordnung richtet. Bereits dies legt eine einheitliche Behandlung der strafprozessrechtlichen Beweisverwertungsverbote jedenfalls für diejenigen gerichtlich zu treffenden Endentscheidungen nahe, die – wie hier – eine dem Angeklagten belastende Wirkung entfalten können (vgl. Abramenko, NStZ 1998, 176, 177). Dies gilt umso mehr, als die Grundentscheidung über die Entschädigung des Beschuldigten bzw. freigesprochenen Angeklagten nach dem gesetzlichen Leitbild gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG in dem Urteil oder dem Beschluss, der das Verfahren abschließt, getroffen werden soll; sie ist insoweit Teil des Rechtsfolgenausspruchs (LR/Becker, StPO, 27. Aufl., § 244 Rn. 31). Wäre eine für den Schuld- und Strafausspruch unverwertbare Äußerung des Beschuldigten im Rahmen der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 StrEG stets uneingeschränkt verwertbar, müsste sich die Amtsaufklärungspflicht des Gerichts (§ 244 Abs. 2 StPO) auch auf deren Inhalt erstrecken. Das Gericht wäre im Strafprozess daher selbst dann zur Aufklärung des Inhalts der Erklärung verpflichtet, wenn das Bestehen eines Verwertungsverbotes für den Schuld- und Strafausspruch bereits unzweifelhaft feststünde. Dies vermag nicht zu überzeugen.

(bb) Hierfür spricht auch der Zweck der Belehrungspflicht des § 136 Abs. 1 StPO. Das Gesetz setzt die Kenntnis über die Aussagefreiheit beim Bürger nicht voraus, sondern verlangt die ausdrückliche Aufklärung hierüber. Die Belehrungspflicht sichert die verfahrensrechtliche – verfassungsrechtlich garantierte – Stellung des Beschuldigten in elementarer Weise ab (vgl. BGH, Beschluss vom 27.02.1992 – 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, juris Rn. 13 ff.). Aufgrund dessen ist an die unterlassene Belehrung regelmäßig ein strafprozessuales Verwertungsverbot geknüpft (vgl. BGH aaO; LR/Gleß, StPO, 27. Aufl., § 136 Rn. 77). Soweit die verfahrensrechtliche Stellung des Beschuldigten betroffen ist, schützt die Belehrungspflicht den Beschuldigten zwar nicht davor, dass die Strafverfolgungsbehörden gleichwohl gegen ihn gerichtete Ermittlungs- und Strafverfolgungsmaßnahmen treffen. Sie sichert ihn aber (auch) davor, nicht unbedacht an derartigen Maßnahmen mitzuwirken. Gerade dies ist aber – unter anderem – zentraler Gegenstand bei der Frage des Bestehens von Ausschluss- bzw. Versagensgründen nach § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG. Insoweit ist im Übrigen auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass Äußerungen des Beschuldigten, denen ein Verstoß gegen die Pflicht zur Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO vorangegangen ist, schon im Ermittlungsverfahren im Rahmen der Tatverdachtsprüfung nach § 112 Abs. 1 StPO einem von Amts wegen zu prüfenden Verwertungsverbot unterliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 06.06.2019 – StB 14/19, NStZ 2019, 539, Rn. 25 ff.; s. zur Frage der Früh- bzw. Vorauswirkung von Beweisverwertungsverboten auch LR/Mavany, StPO 27. Aufl., § 152 Rn. 33; MüKoStPO/Kölbel StPO § 160 Rn. 37). Dies dient unter anderem auch dem Schutz des Beschuldigten vor auf nicht tragfähiger Grundlage beruhender Strafverfolgungsmaßnahmen und den hiermit einhergehenden Grundrechtseingriffen, die sich im Fall der Freiheitsentziehung überdies als besonders intensiv darstellen.

(cc) Auch materiellrechtlich vermag es nicht zu überzeugen, die trotz unterlassener Belehrung gemachten Angaben des Beschuldigten im Rahmen der Prüfung nach § 5 Abs. 2 StrEG stets inhaltlich zu dessen Nachteil zu berücksichtigen, indem sie als Anknüpfungspunkt für ein grob fahrlässiges Verhalten herangezogen werden. Maßstab für die Frage, ob eine grob fahrlässige Verursachung der Strafverfolgungsmaßnahme vorliegt, ist der objektive Maßstab eines verständigen Menschen in der Lage des Beschuldigten. Setzt das Gesetz die Kenntnis über die Aussagefreiheit beim Bürger aber – wie dargelegt – nicht voraus, so kann im Rahmen der gebotenen objektiven Betrachtung eine Selbstbelastung aber nicht ohne weiteres als die Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße außer Acht lassend angesehen werden.

(dd) Soweit in der Verwertung der unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht zustande gekommenen Erklärung im Rahmen der nach § 8 Abs. 1 StrEG zu treffenden Grundentscheidung kein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung gesehen wird, weil es bei den nach §§ 5, 6 StrEG bestehenden Ausschluss- und Versagungsgründen nur um eine Prüfung nach zivilrechtlichen Zurechnungsgrundsätzen gehe, ist dem insoweit zwar zuzustimmen. Gleichwohl vermag diese Erwägung allein noch nicht zu begründen, weshalb hinsichtlich der Feststellung des Schuldvorwurfs einem Verwertungsverbot unterliegende Äußerungen im Rahmen des Entschädigungsverfahrens nach dem StrEG verwertbar sind. Auch im Zivilprozess besteht insoweit kein uneingeschränktes Verwertungsgebot (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2002 – VI ZR 378/01, NJW 2003, 1123, 1124 f.).

bb) Nach diesen Maßstäben ist vorliegend nicht von einer grob fahrlässigen Verursachung der Anordnung der Untersuchungshaft durch den Beschwerdeführer auszugehen. Angesichts der fehlenden Verwertbarkeit des Inhalts seiner gegenüber der Zeugin D. gemachten Angaben lässt sich schon kein (weiterer) Beitrag des Beschwerdeführers feststellen, der für die Anordnung der Untersuchungshaft ursächlich geworden war. Gegen die Berücksichtigung des Verwertungsverbots spricht insoweit im Übrigen auch nicht, dass der Beschwerdeführer sich mit der einem Verwertungsverbot unterliegenden Äußerung möglicherweise – zum Schutz seines Bruders – wahrheitswidrig selbst belastet hatte. Der Senat entnimmt dem Urteil des Landgerichts insoweit zwar, dass dieses, auch wenn es den Beschwerdeführer hinsichtlich einer Beihilfe zum Handeltreiben nur mit Blick auf den Zweifelssatz freigesprochen hat, aufgrund der in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt gewesen ist, dass das im Fahrzeug des Beschwerdeführers aufgefundene Marihuana nicht diesem, sondern dem gesondert verfolgten C. E. gehört hatte. Es ist aber nicht ausschließen, dass der Beschwerdeführer, wäre er vor seiner Äußerung gegenüber der Zeugin D. ordnungsgemäß belehrt worden, geschwiegen hätte und gegen ihn mangels weiterer tragfähiger Beweismittel kein Haftbefehl ergangen wäre (vgl. zur Anwendung des Zweifelssatzes im Rahmen von § 5 Abs. 2 StrEG: KG, Beschluss vom 08.07.2021 – 5 Ws 104/21, juris Rn. 7 mwN).“

Verkehrsrecht II: StrEG wegen vorläufiger Entziehung, oder: Hat der Beschuldigte eine Fahrerlaubnis?

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Die zweite Entscheidung stammt vom LG Koblenz. Das hat im LG Koblenz, Beschl. v. 16.1.2020 – 2 Qs 73/20 – zur Entschädigung nach dem StrEG in den Fällen der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis Stellung genommen. Das besondere in dem Fall: Der vormals Beschuldigte war gar nicht der richtige Beschuldigte des Verfahrens, sondern das war ein anderer, der sowohl einen sehr ähnlichen Nachnamen als auch den gleichen zweiten Vornamen wie der Beschwerdeführer trägt und zudem am selben Tag, wenn auch in einem anderen Geburtsjahr, wie dieser geboren wurde. Im Rahmen einer Verkehrskontrolle war der bulgarische Führerschein dieses weiteren Beschuldigten aufgrund des Verdachts einer Trunkenheitsfahrt, gemäß §§ 94, 98 StPO beschlagnahmt und sichergestellt worden. Im nachfolgenden Ermittlungsverfahren wurde sodann durch die Staatsanwaltschaft aufgrund der Namensverwechselung ein § 111a-Beschluss gegen den vormals Beschuldigten erlassen. Die Führerscheinstelle teilte dann aber mit, dass der der Beschwerdeführer, der „falsche Beschuldigte“ nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis sei. Er hat dann nach der Einstellung des Verfahrens gegen ihn eine Entschädigung für die erlittenen Strafvollstreckungsmaßnahmen beantragt. Damnit hatte er keinen Erfolg:

In der Sache bleibt der sofortigen Beschwerde. jedoch der Erfolg versagt.

„Die Entschädigungspflicht nach § 2 StrEG ist gemäß § 8 Abs. 1 StrEG im vorliegenden Verfahren zunächst lediglich dem Grunde nach festzustellen. Sie bindet nur hinsichtlich der Person des Berechtigten, hinsichtlich Art und Zeitraum (§ 8 Abs. 2 StrEG) der erlittenen Strafverfolgungsmaßnahme und hinsichtlich etwaiger Versagungsgründe (§§ 5, 6 StrEG).

Diese Grundentscheidung steht damit unter dem stillschweigenden Vorbehalt, dass dem Angeklagten durch die vollzogene Strafverfolgungsmaßnahme möglicherweise ein Schaden entstanden ist. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird erst im Betragsverfahren nach §§ 10, 13 StrEG geprüft. Von einer Grundentscheidung über die Entschädigungspflicht des Staates für eine bestimmte Strafverfolgungsmaßnahme darf deshalb grundsätzlich nicht unter Hinweis auf mangelnde Kausalität abgesehen werden (vgl. OLG Bamberg, NStZ 1989, 185).

Die Voraussetzungen für eine Entschädigung nach § 2 StrEG liegen jedoch schon dem Grunde nach nicht vor.

Im Gegensatz zu der in § 1 StrEG geregelten Entschädigung für Urteilsfolgen sieht das Gesetz in § 2 StrEG vor, dass eine Entschädigung für vorläufige Strafverfolgungsmaßnahmen von deren Vollzug abhängt. Sonstige, nicht aus dem Vollzug, sondern infolge der bloßen Anordnung einer Maßnahme entstandenen Schäden sind demnach schon dem Grunde nach nicht entschädigungsfähig (KG Berlin, Beschluss vom 20. Januar 2009 – 4 Ws 118/08 – juris).

Ein solcher Vollzug der Maßnahme ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwar ist die Anordnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis grundsätzlich bereits mit der Zustellung der Entscheidung vollzogen, da sie bereits dann ihre volle Wirkung gegenüber dem Führerscheinberechtigten entfaltet. Der hier betroffene Fall weicht jedoch von dem Regelfall, in dem eine tatsächlich erteilte Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wird, ab. Zustellung des Beschlusses und tatsächlicher Vollzug der Maßnahme fallen vorliegend auseinander, da die bloße Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis gegenüber dem vormals Beschuldigten nicht die bezweckte Wirkung entfaltet, da er selbst gar keine Fahrerlaubnis besitzt. Die von § 2 Abs. 2 Nr. 5 StrEG abgesicherte Rechtsposition ist für den Beschwerdeführer hier durch die Zustellung des Beschlusses deshalb gar nicht betroffen.

Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, dass ein Vollzug der Maßnahme deshalb gegeben sei, weil nach der Zustellung, unabhängig davon ob tatsächlich eine Fahrerlaubnis erteilt sei, der Entzug der Fahrerlaubnis der Fahrerlaubnisbehörde mitgeteilt werde und ein entsprechender Eintrag in das Verkehrsregister erfolge, führt dies zu keiner anderen Bewertung.

Zunächst ist zu beachten, dass die von dem Beschwerdeführer begehrten Schäden, namentlich die Kosten eines Verteidigers zur Abwendung einer Strafverfolgungsmaßnahme, nicht unmittelbar aus den vom Beschwerdeführer bezeichneten Maßnahmen zum Vollzug der Strafverfolgungsmaßnahme ‚herrühren. Der Schaden muss jedoch unmittelbar durch die betroffene Strafverfolgungsmaßnahme entstanden sein, um eine Erstattungsfähigkeit dem Grunde nach zu begründen (vgl. Kunz in Münchner Kommentar zur StPO, 1. Auflage 2018, § 2 StrEG Rn. 15).

Darüber hinaus ist aber auch unter Berücksichtigung dieser über den tatsächlichen Entzug der Fahrerlaubnis hinausgehenden Folgen kein Vollzug der Maßnahme nach § 111a StPO feststellbar. Der Schutzzweck des § 111a StPO als vorbeugende Maßnahme umfasst allein die Absicherung der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB. Sie sichert dagegen z. B. nicht die isolierte Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB (vgl. Meyer-Goßner/ Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Auflage 2020, § 111a Rn. 1). Die genannten Anordnungen und Eintragungen können daher auch nicht als Grundlage für den Vollzug der Maßnahme herangezogen werden, da sie im vorliegenden Fall nicht über, den Schutzzweck der Maßnahme des § 111a StPO hinaus gehen dürfen und deshalb im vorliegenden Fall des Fehlens einer Fahrerlaubnis keine weitergehende Wirkung entfalten konnten als die Anordnung selbst. Diese war für den vormals Beschuldigten jedoch mangels bestehender Fahrerlaubnis wirkungslos.

Zwar kann auch die – von § 2 Abs. 2 Nr. 5 StrEG explizit nicht geregelte – bloße Anordnung einer Maßnahme nach § 111a StPO verschiedene negative Auswirkungen für den Betroffenen haben.

Eine allgemeine entsprechende Anwendung des StrEG auf weitere, vom Wortlaut nicht erfasste Maßnahmen und Sachverhalte ist jedoch grundsätzlich nicht zulässig, da die Rechtsordnung spezielle Regelungen zur entsprechenden Anwendung des StrEG enthält und im Wege des Umkehrschlusses eine analoge Anwendung ausscheidet (KG Berlin, Beschluss vom 20. Januar 2009 – 4 Ws 118/08 – juris).

Im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit bei der Anwendung des § 2 StrEG muss die Entschädigungspflicht des Staates deshalb auf die Fälle beschränkt sein, in denen der durch § 2 StrEG ausdrücklich festgelegte Schutzbereich betroffen ist.“

Ermessen bei der Strafrechtsentschädigung, oder: Wenn die Beschuldigte „zugedröhnt“ war

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Und die zweite Entscheidung des Tages kommt vom KG. Sie hat auch mit Gebühren und/oder Kosten zu tun, allerdings schon „etwas weiter weg“. Da KG hat nämlich im KG, Beschl. v. 13.02.2019– 3 Ws 35/19 – und älter ist der Beschluss auch noch – über eine Entschädigung nach dem StrEG entschieden. Auch dazu kann ich Entscheidungen aus den Instanzen gut gebrauchen.

Ergangen ist die Entscheidung nach einem Sicherungsverfahren wegen  versuchter gefährlicher Körperverletzung. Das LG hat mit Urteil vom 29.06.2018 den Antrag der Staatsanwaltschaft abgelehnt, die Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen. Es war zwar davon überzeugt, dass die Beschwerdeführerin in der Nacht zum 12.03.2018  im Zustand der Schuldunfähigkeit eine rechtswidrige Tat der versuchten gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil eines Polizeibeamten dadurch begangen hat, dass sie mit einem Messer auf ihn einstach, jedoch versehentlich nur das Funkgerät traf. Die Strafkammer hat die Beschuldigte jedoch nicht mehr für gefährlich gehalten. Eine Entschädigung für die einstweilige Unterbringung – die Beschuldigte befand sich aufgrund Unterbringungsbefehls des AG Tiergarten vom 04.04.2018 bis zum 29.06.2018 im Krankenhaus des Maßregelvollzugs – hat das LG im Urteil abgelehnt. Hiergegen wendet sich die ehemalige Beschuldigte mit der sofortigen Beschwerde. Die hatte beim KG keinen Erfolg:

Das Landgericht hat die Entschädigung zu Recht versagt.

1. Nach den bindenden (vgl. §§ 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG, 464 Abs. 3 Satz 2 StPO) Feststellungen liegt bereits nahe, dass die ehemalige Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahmen grob fahrlässig verursacht hat, weshalb eine Entschädigung schon nach § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG ausgeschlossen wäre. Denn die Beschwerdeführerin hatte ausweislich der Urteilsfeststellungen gut 24 Stunden vor dem Tatgeschehen in einem Club, in dem sie bis zur Mittagszeit des Folgetags blieb, zunächst „etwas Amphetamin“ und sodann „ihre übliche Menge Ecstasy, Ketamin und Amphetamin“ eingenommen, um schließlich „etwas Alkohol“ zu trinken (UA S. 6). Am Nachmittag des Folgetags, dem Tattag, brach die Beschwerdeführerin, die ersichtlich nicht geschlafen hatte, zusammen. In der Folge nahm sie zunächst „noch mehr Amphetamin“ und schließlich „drei Pillen Ecstasy, zwei Einheiten Ketamin und ‚viel‘ Amphetamin“ ein (UA S. 6). Es liegt auf der Hand, dass der allein der Beschwerdeführerin anzulastende exzessive Drogenkonsum im Zusammenwirken mit der Schlaflosigkeit die psychotisch konnotierte rechtswidrige Tat zumindest erheblich begünstigt hat.

2. Ob der Rauschgiftkonsum und die Schlaflosigkeit Condicio sine qua non für die rechtswidrige Tat waren, kann im Ergebnis dahinstehen. Denn selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass diese Umstände ohne Einfluss auf das Tatgeschehen geblieben wären, hätte die Strafkammer des Landgerichts die Entschädigung mit Recht nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG versagt.

Denn die Beschwerdeführerin hat die ihr vorgeworfene rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen. In einem solchen Fall ist die Versagung der Entschädigung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG die Regel (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 1986, 249; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 61. Aufl., § 6 StrEG Rn. 6). Allerdings muss der Ermessensentscheidung grundsätzlich eine Gesamtwürdigung vorausgehen, in welche die Schwere des Tatvorwurfs und der eingetretenen Störung des Rechtsfriedens, die Gefährlichkeit des Täters sowie das Maß des Sonderopfers, das der Betroffene durch die Strafverfolgungsmaßnahme zu erleiden hatte, einfließen müssen (vgl. KG NStZ-RR 2013, 32).

Der Senat, der als Beschwerdegericht eine eigene Sachentscheidung trifft und eigenes Ermessen ausübt, folgt den vom Landgericht angestellten Überlegungen u. a. zur Schwere des Vorwurfs und der Beeinträchtigung des Rechtsfriedens sowie zum Gewicht eines von der Beschwerdeführerin erbrachten Sonderopfers (UA S. 15 f.) uneingeschränkt. Hier könnte sogar in Frage gestellt werden, ob die an paranoider Schizophrenie leidende Beschwerdeführerin, die ohne die im Krankenhaus des Maßregelvollzugs veranlasste Behandlung und Medikation gefährlich geblieben und unterzubringen gewesen wäre, überhaupt ein Sonderopfer erbracht hat. Jedenfalls verdichtet sich die Gesamtwürdigung des Landgerichts noch durch das von der Strafkammer nicht in die Überlegungen eingestellte risikoerhöhende und schuldhafte Tatvorverhalten der Beschwerdeführerin, insbesondere ihren Drogenkonsum und die Schlaflosigkeit. Unter Berücksichtigung aller Umstände wäre es unbillig, die Beschwerdeführerin, die eine gefährliche Tat begangen und hierdurch ein umfangreiches Straf- bzw. Unterbringungsverfahren veranlasst hat, für ihre einstweilige Unterbringung, die rechtmäßig war, zu entschädigen.“

Liegt im Grunde auf der Linie der Entscheidungen, wenn (nur) alkohol im Spiel ist/war. Im Zweifel also auch hier: Keine Entschädigung.