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Fahrverbot: Rentner/freiberuflich tätiger Architekt?

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Das AG sieht bei einem Rentner, der freiberuflich noch als Architekt tätig ist, vom Fahrverbot ab. Begründung: Das Fahrverbot „treffe den Betroffenen in unzumutbarer Weise. Der Betroffene sei noch in erheblichem Umfang freiberuflich als Architekt tätig. In naher Zukunft sei er an der Realisierung von fünf großen Bauprojekten beteiligt. Die sachgerechte Betreuung dieser Bauprojekte erfordere die Benutzung eines Pkw; eine Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei nicht möglich. Die zu überwindenden Entfernungen seien nicht zuletzt deswegen zum Teil erheblich, weil der Betroffene nicht in einem Ballungsraum, sondern in S in einem ländlichen Umfeld wohne. Die Ehefrau des Betroffenen könne dieser nicht als Fahrerin einsetzen, da sie schwerbehindert sei. Der Betroffene müsse im Gegenteil sogar Fahrten für seine Ehefrau durchführen. Um gegebenenfalls auch kurzfristig zu einer Baustelle gelangen zu können, müsse der Betroffene letztlich einen Fahrer auf Vollzeitbasis einstellen. Es entziehe sich der Kenntnis des Amtsgerichts, ob in S eine geeignete Person zur Verfügung stehe, die der Betroffene für die Dauer eines Fahrverbotes als Fahrer einstellen und beschäftigen könne. Die Kosten für ein solches Beschäftigungsverhältnis stünden jedenfalls in keinem angemessenen Verhältnis mehr zu der Bedeutung des Tatvorwurfs.“

Dem OLG Hamm reicht das so nicht. Der 3. Senat für Bußgeldsachen hebt im OLG Hamm, Beschl. v. 28.03.2012 – III 3 RBs 19/12 – auf, weil das AG nicht genügend Feststellungen getroffen hat. Wenn man es liest: War wohl wirklich ein „wenig dünn“ die amtsgerichtliche Entscheidung:

Dass dem Betroffenen insbesondere bei einer Kombination möglicher Ausgleichsmaßnahmen ein Ausgleich etwaiger beruflicher Härten nicht möglich oder zumutbar wäre, geht aus dem angefochtenen Beschluss nicht hervor. Als Ausgleichsmaßnahmen kommen namentlich die Abstimmung seiner beruflichen Termine mit dem Beginn des Fahrverbotes – dem Betroffenen dürfte hier eine Abgabefrist von vier Monaten nach § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG zu gewähren sein – und die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln oder Taxen oder gegebenenfalls die vorübergehende Beschäftigung eines Fahrers in Betracht.

 Das Amtsgericht hat nicht einmal nachvollziehbar dargelegt, dass es dem Betroffenen nicht oder nur unter unzumutbarem zeitlichen und organisatorischen Aufwand möglich ist, seine beruflichen Termine unter Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel – gegebenenfalls in Verbindung mit einem Taxi – wahrzunehmen. Es hat nicht konkret festgestellt, wo sich die von dem Betroffenen zu betreuenden Baustellen befinden, aus welchem Anlass, wann und wie häufig er diese Baustellen aufsuchen muss und welche Unterlagen oder sonstigen Gegenstände er hierbei mitführen muss. Feststellungen zu den Fahrplänen der dem Betroffenen zur Verfügung stehenden öffentlichen Verkehrsmittel fehlen ebenfalls.

 Aus dem angefochtenen Beschluss ergibt sich auch nicht, dass keine geeignete Person zu finden ist, die der Betroffene für die Dauer eines Fahrverbotes als (Aushilfs-)Fahrer einstellen könnte. Das Amtsgericht hat sich insofern auf die Äußerung einer Vermutung beschränkt. Dass die vorübergehende Beschäftigung eines Fahrers dem Betroffenen in finanzieller Hinsicht nicht möglich sein soll, ist nicht ersichtlich. Der Betroffene verfügt als Rentenempfänger über ein geregeltes Einkommen. Zudem hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Rechtsbeschwerdebegründung zutreffend darauf hingewiesen, dass der Betroffene neben dem Rentenbezug nicht ganz unerhebliche Einkünfte aus seiner freiberuflichen Tätigkeit als Architekt erzielen dürfte. Nötigenfalls muss er sich die erforderlichen Mittel durch eine Kreditaufnahme beschaffen.

c) Schließlich enthält der angefochtene Beschluss auch keine konkreten Darlegungen zum Gesundheitszustand der Ehefrau des Betroffenen und zu der Frage, ob, aus welchem Anlass und in welchem Umfang der Betroffene Fahrten für seine Ehefrau durchführt. Auch auf diesen Gesichtspunkt kann das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes mithin nicht gestützt werden.

Ergebnis: Zurückverweisung, aber an andere Abteilung ;-).

 

 

 

Keine Terminsverlegung, schließlich hat der Amtsrichter noch 10 Wochen Urlaub abzuwickeln

Da verschlägt es einem schon die Sprache, wenn man den Beschluss des LG Lüneburg in 26 Qs 4/10 liest. Hintergrund: Der Verteidiger beantragt Terminsverlegung. Das Amtsgericht lehnt ab. Das LG verwirft die Beschwerde als unzulässig (!). Soweit, so gut? Mitnichten, wenn man die Begründung liest:

„Die Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags ist nach § 305 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG grundsätzlich unanfechtbar (vgl. Göhler, § 71 OWiG, Randnummer 25 a). Ob etwas anderes dann gilt, wenn die Entscheidung des Vorsitzenden auf einem evidenten Ermessensfehler beruht (vgl. OLG Stuttgart, Justiz 2006, 8), kann hier dahingestellt bleiben, weil ein solcher Ermessensfehler nicht ersichtlich ist. Die Erwägung des Amtsgerichts, wonach die Vielzahl der gerichtlich anhängigen Ordnungswidrigkeitenverfahren bei der Prüfung von Verlegungsanträgen die Anregung eines strengen Maßstabs rechtfertigt, ist jedenfalls dann, wenn es sich, wie vorliegend, bei dem Vorwurf verbotenerweise mit einem Handy telefoniert zu haben, um einen einfach gelagerten Sachverhalt handelt, durchaus nachvollziehbar (vgl. auch insoweit Göhler, § 71 OWiG, Randnummer 25 a, wonach in Bußgeldverfahren regelmäßig ein strengerer Maßstab anzulegen ist). Diese Überlegung ist im Übrigen auch angesichts der kurzen Verjährungsfrist des § 26 Abs. 3 StVG sachgerecht, weil anderenfalls bei einer Vielzahl von Ordnungswidrigkeitenverfahren im Falle massiver Abstimmungsprobleme mit der Verteidigung der Verjährungseintritt drohen würde. Nach der ergänzenden Begründung in der Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts reicht die Terminierung bereits in den März 2010. Infolge Urlaubs des Richters in 2010 über insgesamt 10 Wochen bis Oktober fallen ca. 16 Terminswochen weg, so dass sich die dortige Terminierungssituation weiter verschlechtern wird.“

Also: Zum Anwalt des Vertrauens kein Wort und auch kein Wort dazu, dass OLGs die Frage teilweise anders sehen. Auch kein Wort dazu, was der Amtsrichter eigentlich unternommen hat, um die Terminschwierigkeiten zu beseitigen: warum kann man den Termin nicht aufheben und ggf. kurzfristig eine andere Sache ansetzen. Und dann: Verjährung droht: Wieso denn, wenn die Verjährungsfrist jetzt immerhin sechs Monate beträgt. Und in der Zeit sollte man doch wohl einen Termin auf die Reihe bekommen, auch wenn der Amtsrichter noch 10 Wochen in Urlaub in 2010 abwicklen muss. Was das allerdings mit dem Recht des Betroffenen auf den Anwalt des Vertrauens zu tun hat, erschließt sich nun nicht so richtig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.