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Anwalt III: Terminverlegung wegen Anwaltsurlaub?, oder: Nicht beim Kurzurlaub „ins Blaue“

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Und dann als drittes Posting heute etwas aus einem finanzgerichtlichen Verfahren. Ok, ok, aber das, was der BFH im BFH, Beschl. v. 22.04.2024 – III B 82/23 – ausführt, kann auch in anderen Verfahren von Bedeutung sein/werden. Es geht nämlich um eine Terminverlegung wegen eines (Kurz)Urlaubs des Rechtsanwalt „ins Blaue“

Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang. Im ersten Rechtsgang hatte der Bundesfinanzhof (BFH)  die Vorentscheidung aufgehoben und das Verfahren gemäß § 116 Abs. 6 FGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, da das FG trotz eines dargelegten und glaubhaft gemachten wichtigen Grundes für eine Terminsverlegung in der Sache verhandelt und entschieden hatte.

Im zweiten Rechtsgang stellte der Kläger/Beschwerdeführer zunächst erfolgreich zwei weitere Anträge auf Terminsverlegung. Bei der streitgegenständlichen dritten Ladung im zweiten Rechtsgang (der vierten Ladung unter Berücksichtigung des ersten Rechtsgangs) wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 22.02.2023 – Aschermittwoch – bestimmt. Der ordnungsgemäß geladene Prozessbevollmächtigte, ein selbständiger Einzelanwalt mit Kanzleisitz in Sachsen, nicht in Köln 🙂 , beantragte mit Schreiben vom 31.01.2023 Terminsverlegung mit der Begründung, dass er sich vom 16.02.2023 bis zum 22.02.2023 im Urlaub befinde.

Das FG lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 03.02.2023 unter Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 16.10.2020 – VI B 13/20 (BFH/NV 2021, 434) ab, da der Prozessbevollmächtigte nicht dargetan ? ?und erst recht nicht glaubhaft gemacht ?? habe, dass der Klägervertreter infolge eines bereits vor Anberaumung des Termins geplanten Urlaubs ortsabwesend sei.

Weder der Kläger noch der Prozessbevollmächtigte erschienen zur mündlichen Verhandlung. Das FG verhandelte in Abwesenheit der Klägerseite und wies die Klage ab. In den Urteilsgründen legte es die hierfür maßgeblichen Gründe dar. Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision (§ 116 Abs. 1 FGO), die er mit einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) und damit mit einem Verfahrensfehler im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründet. Die Beschwerde Antrag hatte keinen Erfolg:

„Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann das Vorgehen des FG, die mündliche Verhandlung in Abwesenheit der Klägerseite durchzuführen und eine verfahrensabschließende Entscheidung zu treffen, nicht beanstandet werden. Der rechtskundig vertretene Kläger hat gegenüber dem FG schon keinen erheblichen Grund im Sinne des § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO dargelegt, der eine Terminsverlegung gerechtfertigt hätte, obwohl er hierzu Anlass hatte.

a) Der Kläger hat vor der mündlichen Verhandlung weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass die Urlaubsplanung des Prozessbevollmächtigten bereits vor Zugang der Ladung so ausgestaltet war, dass diesem unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls die Wahrnehmung des gerichtlichen Termins während dieser Zeit nicht zumutbar ist.

Der Vortrag im Schreiben vom 08.02.2023, der Prozessbevollmächtigte habe sich vor Zugang der Ladung mit seiner Frau darauf verständigt, am Sitzungstag Urlaub zu machen, sie wüssten aber nicht, wohin die Reise gehen solle, genügt nicht, um eine Terminsverlegung zu erreichen. Bei einem derartigen Urlaub „ins Blaue“ liegt die Erheblichkeit des Grundes im Sinne des § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht auf der Hand, sondern kann sich nur unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls ergeben.

b) Weitere zu seinen Gunsten zu berücksichtigende Umstände hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen und erst recht nicht glaubhaft gemacht, obwohl das FG mit Schreiben vom 03.02.2023 deutlich gemacht hatte, dass es den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht (ein weiteres Mal) wegen eines nicht näher präzisierten Urlaubs verlegen werde und obwohl sich aus diesem Schreiben in Zusammenschau mit dem vorangegangenen Schriftwechsel ergab, dass das FG auch eine Glaubhaftmachung der erheblichen Gründe verlangt. Dies war dem Prozessbevollmächtigten auch klar, denn er kritisiert, dass der Richter durchwegs Nachweise haben wollte, ob seine (des Prozessbevollmächtigten) Aussagen wahr seien.

Als Rechtsanwalt musste dem Prozessbevollmächtigten bekannt sein, dass er in einem derartigen Fall zusätzlich zu dem angegebenen Verlegungsgrund –dem beabsichtigten Urlaub– Umstände vortragen und glaubhaft machen muss, wonach die Wahrnehmung des gerichtlichen Termins nach den Gesamtumständen des Einzelfalls als nicht zumutbar erscheint. Auch dem BFH-Beschluss vom 16.10.2020 – VI B 13/20 (BFH/NV 2021, 434, dort insbesondere Rz 28), auf den sich das FG bezogen hatte, ließ sich dies entnehmen.

c) Auch aus den Akten ergeben sich keine Umstände, wonach sich dem FG die Unzumutbarkeit der Terminswahrnehmung geradezu aufdrängen musste.“

StPO II: Sachverständige verhindert – Kammer verlegt, oder: Verteidiger hat Urlaub – Kammer verlegt nicht

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Nürnberg Beschl. v. 26.09.2023 – Ws 846/23. Der Beschluss ist schon etwas älter, was daran liegt, dass das OLG ihn jetzt erst veröffentlicht/versandt hat. Der Beschluss ist aber auf jeden Fall berichtenswert und ein schönes Osterei 🙂 . Denn es ght um eine Problematik, bei der es in der Praxis immer wieder Streit gibt. Nämlich: Terminsverlegung wegen Urlaubs des Verteidigers. So auch hier:

Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger. Der Angeklagte ist vom AG u.a. wegen Beleidigung  zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden. Dagegen die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft .

Die Vorsitzende der Berufungskammer bestimmt dann am 22.06.2023 Termin zur Hauptverhandlung auf den 26.09.2023. Der Gerichtsärztliche Dienst beim OLG Nürnberg teilt daraufhin mit Schreiben vom 06.07.2023 mit, dass der Sachverständige Dr. S. am 26.09.2023 im Urlaub sei und bat um vorherige Terminabsprache. Nach Absprache mit dem Sachverständigen Dr. S. verlegte die Vorsitzende der Berufungskammer mit Verfügung vom 06.07.2023 den Termin auf den 24.10.2023.

Daraufhin bittet der Verteidiger mit Schreiben vom 17.07.2023  um Terminsverlegung. Begründung: Er habe an diesem Tag bereits Urlaub eingetragen, da er gerne seinen Geburtstag feiern möchte. Er bestätigte auf telefonische Rückfrage der Geschäftsstelle vom 18.07.2023, dass er am 24.10. unter keinen Umständen zum Termin kommen könne.

Die Staatsanwaltschaft A. verweist zum Terminsverlegungsantrag offenabr nur auf die Kommentierung zu § 213 StPO in Meyer-Goßner/Schmitt unter Randnummer 7. Der Vorsitzende lehnt die beantragte Terminsverlegung ab. Dagegen wendete sich der Verteidiger nun mit Beschwerde. Und die hat beim OLG Erfolg

Das OLG sieht die Beschwerde als zulässig an, und zwar weil einer der Ausnahmefälle vorliege, da die Ermessenausübung des LG betreffend die Ablehnung der Terminsverlegung rechtsfehlerhaft sei und eine besondere selbständige Beschwer bewirke.

Zur Begründetheit führt das OLG dann u.a. aus:

„b) Die Ablehnung der begehrten Terminsverlegung erweist sich vorliegend als ermessensfehlerhaft.

Zutreffend hat der Verteidiger bereits selbst darauf hingewiesen, dass er zwar als Verteidiger kein Recht auf vorherige Terminsabsprache hat, dass aber eine Terminsverfügung dann prozessordnungswidrig sein kann, wenn das Recht des Angeklagten auf freie Wahl des Verteidigers dadurch eingeschränkt wird, dass dieser die Termine wegen anderer Verteidigungen oder Verhinderung durch Urlaub nicht wahrnehmen kann, ohne dass er Einfluss auf die Terminsanberaumung hätte nehmen können (s.a. OLG Dresden a.a.O., Rn. 10). Dies ist vorliegend der Fall. Während die Verlegung des ursprünglich anberaumten, mit den Verfahrensbeteiligten zuvor nicht abgestimmten Termins vom 26.09.2023 wegen vorgetragenen Urlaubs des Sachverständigen ohne Weiteres vorgenommen wurde, lehnte die Vorsitzende den bereits frühzeitig vom Verteidiger gestellten und mit seinem Urlaub begründeten Antrag vom 17.07.2023 auf Verlegung des (nicht mit ihm abgestimmten) Termins vom 24.10.2023 mit Verfügung vom 27.07.2023 ohne weitere Begründung ab. Auch die Begründung in der Nichtabhilfeentscheidung trägt dem Recht der Angeklagten, durch den Verteidiger ihres Vertrauens, der sie schon seit mehreren Jahren vertritt, in der Hauptverhandlung vertreten zu werden, nicht genügend Rechnung. Das Verfahren unterliegt nicht dem besonderen Beschleunigungsgebot. Es ist nicht erkennbar und auch nicht in der Nichtabhilfeentscheidung dargetan, dass einer erneuten Terminsfindung nach dem 24.10.2023 außergewöhnliche Schwierigkeiten entgegenstehen würden. Der Verteidiger hatte bereits zum Zeitpunkt seines Terminsverlegungsantrags für den 24.10.2023 einen vollständigen Tag Urlaub geplant und in der Kanzlei eingetragen. Die Nichtabhilfeentscheidung lässt keinen nachvollziehbaren Grund erkennen, der einen Verzicht des Verteidigers auf zumindest einen halben Urlaubstag gebietet. Dabei muss es grundsätzlich zunächst dem Verteidiger überlassen bleiben, wie er seinen lange geplanten Urlaubstag verbringt und wann er mit der Feier seines Geburtstags und dem Empfang von Gratulanten beginnt.

c) Die angefochtene Verfügung ist nach alledem aufzuheben. Weil nach dem Vorstehenden nur eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, nämlich die Aufhebung des für den 24.10.2023 anberaumten Termins in Betracht kommt, kann der Senat als Beschwerdegericht diese Entscheidung auch selbst treffen (OLG Dresden a.a.O. Rn. 13)….“

Man fragt sich wirklich, was eine solche Vorgehensweise soll – und das OLG legt ja auch den Finger in die (große) Wunde: Der Terminsverlegungsantrag des Sachverständigen geht ohne Probleme durch und der Verteidigers wird ohne Begründung abgeschmettert. Das ist nicht nachvollziebar. Und die Staatsanwaltschaft als „objektivste Behörde der Welt“ (?). Die sagt dazu offebar nichts, sonder verweist nur auf eine Kommentierung, die die Entscheidung des Vorsitzenden nun wahrlich nicht trägt. Schon schlimm. Beides.

OWi III: Terminsverlegung nach Glatteiswarnung?, oder: Nicht bei mir, sagt das AG Germersheim

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Und dan als dritte Entscheidung des Tages ein AG-Beschluss, den mir der Kollege Gratz aus Bous geschickt hat.

Die Entscheidung hat ihren Ausgang in den Schlechtwetterwarnungen für das Saarland und Rheinland-Pfalz wegen starker Glätte, und zwar Mitte Januar u.a. auf allen Smartphones in der Region durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe wegen „extremem Glatteis“. Das nimmt der Kollege zum Anlass die Verlegung einer Hauptverhandlung in einem Bußgeldverfahren zu beantragen, in dem, wie der Kollege mitteilt, dem Betroffenen, der mehr als 100 km vom AG entfernt wohnt, ein Bußgeldvon 160 EUR droht.

Das AG entscheidet dann mit dem AG Germersheim, Beschl. v. 17.01.2024 – 1 OWi 7282 Js 8075/23. Es lehnt den Antrag ab:

„Das Erscheinen ist für den Betroffenen nicht unzumutbar.

Unbestritten sind die Ausführungen des Verteidigers in seinem Schriftsatz vom 16.01.2024 hin-sichtlich Wetterwarnungen. Diese sind jedoch nicht maßgeblich. Maßgeblich sind vielmehr die tatsächlich herrschenden Verhältnisse, welche sich am Verhandlungstag nach eigener Wahrnehmung des Gerichts – welches ebenfalls aus der Region des Betroffenen an den Verhandlungsort anreiste – als leichten bis mittelmäßigen Schneefall und leichte bis mittelmäßige Glätte einzuordnen sind. Eine enorme Vielzahl an weiteren Reisenden und Arbeitenden war es ohne Beeinträchtigungen ebenfalls möglich – wie dem Gericht auch – die hier in Rede stehende Strecke ohne Wei-teres zu befahren, insbesondere da Räumdienste die Straßen problemlos befahrbar machten. Die mithin in den Wetterwarnungen ausgegebenen Befürchtungen hinsichtlich starken Beeinträchtigungen des Verkehrs sind erst gar nicht eingetreten. Es wäre dem Betroffenen ohne Weiteres möglich gewesen – bei Beachtung der tatsächlich herrschenden Verhältnisse – zu erkennen, dass eine Anreise ohne Weiteres möglich gewesen ist. Dies ist selbstverständlich dann nicht möglich, wenn – ohne den konkreten Verhältnissen Beachtung zu schenken – eine Wetterwarnung vom vorigen Tag als unüberprüften Verhinderungsgrund Glauben bzw. Argumentationsgrundlage geschenkt wird. Somit sind die vorgebrachten Tatsachen nicht geeignet eine Verhinderung zu begründen.

Im Übrigen wäre hierdurch auch keinerlei Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör zu erkennen, da der Betroffene offenkundig durch den Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen – welchem das Gericht nachkommt – verbunden mit der Durchführung des Termins keinerlei Nachteile insoweit erleidet.“

M.E. eine bemerkenswerte Begründung und Diktion, die man kurz auch so fassen könnte: Interessiert mich nicht, ich weiß es besser. Ich lasse das mal so stehen.

Im Übrigen: Ich habe auch Bedenken, ob die Argumentation hinsichtlich des rechtlichen Gehörs so zutreffend ist. Ok, der Betroffene hat den Antrag gestellt. Aber durch die Entbindung hat er doch nicht sein Recht, am Hauptverhandlungstermin teilzunehmen „verwirkt“? oder doch? Jedenfalls offenbar beim AG Germersheim.

StPO III: Terminierung ohne Terminsabsprache, oder: Terminsverlegung ist die Folge

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Und als dritte Entscheidung dann noch etwas zur Terminsverlegung. Der LG Wuppertal, Beschl. v. 24.11.2023 – 23 Qs 130/23 – kommt zwar in einem Bußgeldverfahren ergangen, die vom LG entschiedene Problematik spielt aber nicht nur dort, sondern auch in Strafsachen – beim AG – eine Rolle.

Der Verteidiger hatte Terminsverlegung beantragt, weil er an dem bestimmten Termin durch eine anderer Hauptverhandlung verhindert war. Das AG lehnt ab, das LG Wuppertal gibt dem Verteidiger im Beschwerdeverfahren Recht:

„Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht § 305 Satz 1 StPO nicht entgegen, da die Ablehnung, den Hauptverhandlungstermin vom 30.11.2023 (10.20 Uhr) zu verlegen, eine über die bloße Ablehnung hinausgehende selbständige Bedeutung entfaltet, Denn dadurch wird das Recht des Betroffenen, sich von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, berührt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, Aufl., § 213 Rz, 9 mwN). An dem anberaumten Hauptverhandlungstermin ist der Wahlverteidiger des Betroffenen, Rechtsanwalt pp., an der Wahrnehmung des Termins aufgrund eines zeitgleichen (bereits um 10.15 Uhr beginnenden) Termins, den er aufgrund älterer Ladung vor dem Amtsgericht Hattingen wahrzunehmen hat, gehindert.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Generell hat ein Betroffener – wie ein Angeklagter im Strafverfahren (vgl. §§ 137 StPO, 46 Abs. 1 OWIG) – das Recht, sich von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Zwar folgt daraus nicht, dass bei Jeder Verhinderung des gewählten Verteidigers eine Hauptverhandlung gegen den Betroffenen nicht durchgeführt werden könnte. Der Vorsitzende hat indes über die Terminierung (§ 213 StPO) und Anträge auf Verlegungen bzw. Aufhebungen nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminsplanung, der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten, namentlich also auch des Rechts des Betroffenen, sich von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, zu entscheiden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 213 Rz. 7 f,), Zwar ist der Vorsitzende nicht verpflichtet, einen Termin vor dessen Anberaumung mit sämtlichen Verfahrensbeteiligten abzustimmen. Hat eine Terminsabsprache nicht stattgefunden, muss sich der Vorsitzende Jedoch bei substantiierten Verlegungsanträgen eines Verteidigers, der das Vertrauen des Betroffenen genießt, Jedenfalls ernsthaft bemühen, dessen nachvollziehbarem Begehren im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten des Spruchkörpers Rechnung zu tragen. Im Beschwerdeverfahren ist lediglich zu überprüfen, ob der Vorsitzende bei seiner Entscheidung sämtliche relevanten Gesichtspunkte eingestellt und rechtsfehlerfrel gegeneinander abgewogen hat oder ob er sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat; die Zweckmäßigkeit seiner Entscheidung ist hingegen der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht entzogen (s. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 213 mwN).

Dieser eingeschränkten Nachprüfung hält die angefochtene Verfügung des Amtsrichters vom 02.11.2023, mit der er den Terminsverlegungsantrag des Verteidigers abgelehnt hat, nicht stand. Die Entscheidung Ist ermessensfehlerhaft! Sie orientiert sich letztlich daran, dass der Termin bereits zuvor einmal wegen einer, Verhinderung des Verteidigers verlegt worden war, nachdem dieser die Verhinderung durch einen anderen Gerichtstermin, zu dem er früher geladen worden war, mitgeteilt hatte, und dass nach derzeitigem Stand keine Verhinderungen der als Zeugen geladenen Polizeibeamten bestünden. Der zugleich vorgetragenen Bitte das. Verteidigers, einen Ausweichtermin abzustimmen, ist der Amtsrichter nicht nachgekommen, sondern hat den Termin auf den 30,11.2023 verlegt. Da der Versuch einer Terminsabsprache nicht stattgefunden hat, hätte sich der Amtsrichter indes bei einem wie hier substantiierten Verlegungsantrag Jedenfalls ernsthaft bemühen müssen, dessen nachvollziehbarem Begehren im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten des Spruchkörpers Rechnung zu tragen (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 312), zumal die in Rede stehenden Rechtsfolgen (700,- Euro Geldbuße, dreimonatiges Fahrverbot) belangvoll sind. Dass die Kapazitäten dem durchgreifend entgegenstünden, belegt jedenfalls der formelhafte Hinweis in der Nichtabhilfeentscheidung nicht, zumal die Terminierung mit zeitlichem Vorlauf erfolgt und das Verlegungsgesuch zeitnah angebracht und substantiell begründet worden ist.“

Mit der Entscheidung kann man etwas anfangen – das LG hat im Übrigen ja schon mal ähnlich entschieden.

OWi III: Verwerfung nach Terminsverlegungsantrag, oder: Anforderungen an das Verwerfungsurteil

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Und im letzten Posting zu den OWi-Entscheidungen dann etwas Verfahrensrechtliches, nämlich noch einmal etwas zu den Urteilsgründen eines nach § 74 Abs. 2 OWiG ergangenen Verwerfungsurteils. Es handelt sich um den BayObLG, Beschl. v. 02.02.2023 – 201 ObOWi 1555/22. Das ist ja eine Stelle, an der immer wieder Fehler gemacht werden.

So war es auch hier, was zur Aufhebung der Verwerfungsentscheidung geführt hat:

„Die im Zulassungsantrag sowie zur Begründung der Rechtsbeschwerde erhobene Gehörsrüge genügt den formellen Anforderungen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG. Es ist geboten, die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2 OWiG wegen Versagung rechtlichen Gehörs zuzulassen.

1. Der formgerecht erhobenen Verfahrensrüge liegt folgender, durch die Prozessakten bewiesener Verfahrensgang zugrunde:

Das Amtsgericht Kelheim bestimmte mit Verfügung vom 11.05.2022 (erstmals) Hauptverhandlungstermin auf den 24.06.2022, wobei die Ladungen dem Betroffenen am 13.05.2022 und seinem Verteidiger am 16.05.2022 zugegangen sind.

Mit Schriftsatz vom 16.05.2022, beim Amtsgericht per beA eingegangen am selben Tag, beantragte der Verteidiger Terminsverlegung mit der Begründung, er befinde sich in der Zeit vom 14.06.2022 bis 28.06.2022 im Urlaub. Eine Entscheidung über das Terminsverlegungsgesuch ist nicht erfolgt

Zum Hauptverhandlungstermin am 24.06.2022 erschienen weder der Betroffene noch der Verteidiger. Das Amtsgericht verwarf deshalb den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid vom 02.03.2022 nach § 74 Abs. 2 OWiG. Das Urteil enthielt lediglich den Hinweis auf § 74 Abs. 2 OWiG, ansonsten aber keinerlei Entscheidungsgründe.

Dementsprechend fand auch der Terminsverlegungsantrag keine Erwähnung.

2. Nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ist die Aufhebung eines Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs dann veranlasst, wenn es sich — wie hier — nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängt, dass das Urteil einer einschlägigen Verfassungsbeschwerde nicht standhalten würde. Die Gewährung des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass das Gericht Anträge und Ausführungen des Betroffenen zur Kenntnis nimmt und diese insbesondere auch in seine Entscheidungen einbezieht. Diesbezüglich bestehen vorliegend durchgreifende rechtliche Bedenken, da das Amtsgericht weder das Terminsverlegungsgesuch durch Beschluss verbeschieden hat noch dieses in den Urteilsgründen erwähnt hat.

Insbesondere genügt die Urteilsbegründung nicht den Anforderungen, die an den notwendigen Inhalt eines gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ergangenen Verwerfungsurteils zu stellen sind, Danach muss ein Urteil, das den Einspruch des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG verwirft, sich grundsätzlich mit möglichen Entschuldigungsgründen auseinandersetzen (vgl. Beck0K/Bär 37. Ed. 01.01.2023 OWiG § 80 Rn. 26). Der Richter hat mit einer die rechtliche Nachprüfung eröffnenden Begründung darzulegen, weshalb er trotz beachtlicher Hinweise für eine genügende Entschuldigung des Betroffenen diese Anhaltspunkte für ein entschuldigtes Ausbleiben als nicht ausreichend bewertet (vgl. KK/Senge OWiG 5. Aufl. § 74 Rn. 40 m.w.N.). In diesem Zusammenhang muss sich der Tatrichter auch mit einem Terminsverlegungsantrag des Verteidigers auseinandersetzen und ggf. darlegen, warum er diesem Gesuch nicht entsprochen hat (vgl. BayObLG DAR 2002, 463f.). Bei Zurückweisung eines Terminsverlegungsantrages bedarf es einer Darlegung im Urteil, warum das Interesse an möglichst reibungsloser Durchführung des Verfahrens Vorrang vor den Verteidigungsinteressen des Betroffenen hat (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 25.06.2015 —111-3 RBs 200/15 bei juris). Dem Betroffenen ist es nämlich im Regelfall nicht zuzumuten, den Termin in Abwesenheit des Verteidigers wahrzunehmen (vgl. Göhler/Seitz/Bauer OWiG 18. Aufl. § 74 Rn. 30a m.w.N.). Eine Erörterung, aus welchen Gründen dem Terminsverlegungsgesuch nicht entsprochen wurde, war insbesondere nicht deshalb entbehrlich, weil der Verlegungsantrag von vorneherein unbegründet oder mutwillig gewesen wäre; vielmehr liegt nahe, dass ihm in Hinblick auf Art. 6 Abs. 3 c) EMRK hätte entsprochen werden müssen (vgl. BayObLG 201 ObOW 1555/22 a.a.O.). Es entspricht zudem der Übung der Amtsgerichte, dass (zumindest) einem mit Sacher-wägungen begründeten ersten Terminsverlegungsgesuch des Verteidigers entsprochen wird.

In dieser Nichtberücksichtigung bzw. Nichterörterung des geschilderten Entschuldigungsgrundes (Terminsverlegungsantrag des Verteidigers) liegt bereits nicht nur ein Verstoß gegen einfaches Verfahrensrecht, sondern zugleich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BayObLG a.a.O.; OLG Köln NZV 1999, 264; KK/Hadamitzky OWiG 5. Aufl. § 80 Rn. 41e). Durch die vom Gesetz nicht gedeckte Verfahrensweise der Tatrichterin blieb zudem das bei Durchführung der Hauptverhandlung zur Sache seitens der Verteidigung angekündigte Vorbringen des Betroffenen zur Richtigkeit des gegen ihn erhobenen Schuldvorwurfs rechtsfehlerhaft unberücksichtigt. Auch mit der Verwerfung des Einspruchs des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG wurde deshalb nicht nur gegen einfaches Verfahrensrecht verstoßen, sondern insbesondere auch dem Betroffenen das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in der Sache selbst unzulässigerweise beschnitten (vgl. BayObLG, Beschl. v. 11.01.2001, Az. 2 ObOWi 607/00 bei juris).

3. Auf den Antrag des Betroffenen war daher dessen Rechtsbeschwerde gegen das Verwerfungsurteil des Amtsgerichts Kelheim vom 24.06.2022 zuzulassen (§ 80 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2 OWiG) und diese erweist sich aus denselben Erwägungen als begründet.“