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Drogenfahrt: Wie wird die Fahruntüchtigkeit festgestellt?

In BGH, Beschl. v. 21. 12. 2011 – 4 StR 477/11 hat der für Verkehrsstrafsachen zuständige 4. Strafsenat nun noch einmal bestätigt, dass bei der sog. Drogenfahrt i.S. der §§ 316, 315c StGB der Nachweis rauschmittelbedingter Fahruntüchtigkeit auch weiterhin nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden könne. Das ist schon seit Anfang der 90er Jahre Rechtsprechung des BGH gewesen. Zwischenzeitlich sah es m.E. so aus, als ob der BGH davon abrücken könnte. Das ist nun wohl nicht Fall.

Der 4. Strafsenat weist ausdrücklich darauf hin, dass es neben einem positiven Blutwirkstoffbefund noch weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen bedürfe, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des betreffenden Kraftfahrzeugführers soweit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen sei, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern (vgl. dazu z.B. BGH VRR 2008 313 = NZV 2008, 528, 529).

Aber fahren konnte er noch…

Gerade in der Tagespresse hier in Münster gelesen, vgl. z.B. aber auch hier: „Schlangenlinienfahrt mit 4,4 Promille„. Gehen und Sprechen ging bei dem Kraftfahrzeugführer nicht mehr, Pusten war kaum möglich, aber mit dem Auto fahren, das ging noch. Ich bin über solche „Glanzleistungen“ immer wieder überrascht. 4,4 Promille, das reicht ja für viermal absolut fahruntüchtig.

Wie besoffen darf ich in einem Krankenfahrstuhl sein?

Die Antwort: An sich gar nicht :-), aber ab 1,1 Promille wird es richtig gefährlich. Denn das OLG Nürnberg hat in seinem Beschl. v. 13.12.2010 – 2 St OLG Ss 230/10 festgestellt: Der Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit von Fahrern motorisierter Krankenfahrstühle (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FeV), die nach dem Pflichtversicherungsgesetz zu versichern und mit einem Versicherungskennzeichen gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (FZV – in der Fassung vom 16.7.2009) zu versehen sind, beträgt 1,1 Promille.

Darüber wird/ist es dann – auch ohne Fahrfehler – ein § 316 StGB. Muss man im Alter dran denken. 🙂

Und täglich grüßt das Murmeltier – einige AG lernen es einfach nicht….

An sich sollte es sich inzwischen auch bei den AG herumgesprochen haben: Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach derjenige, der eine erhebliche Menge Alkohol getrunken hat, seine Fahruntüchtigkeit kennt. Deshalb kann auch bei einem weit über der Grenze zur absoluten Fahruntüch­tigkeit liegenden Blutalkoholgehalt nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände auf ein vorsätzliches Handeln geschlossen werden, auch wenn dieses nahe liegen mag, so dass allein mit der Begründung nicht eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB erfolgen kann. Das wiederholen die OLG gebetsmühelnartig (so z.B. zuletzt das OLG Stuttgart im Beschl. v. 04.05.2010 – 5 Ss 198/10); die AG scheint es aber nicht weiter zu stören. Folge: Die Revisionen sind dann ein Selbstläufer…

Si tacuisses – vermutlich wäre dann überhaupt nichts passiert

Es gibt ja doch skurile Entscheidungen bzw. Verfahrenssituationen. Der Angeklagte wird bei einer „Trunkenheitsfahrt“ erwischt und räumt dann im Verfahren ein, dass er fahruntüchtig war. Die entnommene Blutprobe sieht das LG aber als unerwertbar an, weil ein Verstoß gegen § 81a StPO vorgelegen hat. Das LG kommt aber dennoch zu § 316 StGB und stützt sich dabei u.a. auf das Geständnis des Angeklagten – sowie auf Angaben der Polizeibeamten, die den Angeklagten angetroffen haben (nur nach § 325 StPO verlesen). Es wäre sicherlich besser gewesen, den Angeklagten schweigen zu lassen. Dann wäre das Indiz für Fahruntüchtigkeit weg gewesen. Nachzulesen im Urt. des LG Dresden v. 13.01.2010 – 10 Ns 704 Js 14903/09. Und das ist kein Aprilscherz 🙂