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beA II: Owi-Antrag auf gerichtliche Entscheidung, oder: Richtige Rechtsmittelbelehrung?

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Und als zweite Entscheidung dann ein Beschluss des AG Aschersleben, und zwar der AG Aschersleben, Beschl. v. 18.07.2023 – 6 OWi 139/23, noch einmal zur richtigen Rechtsmittelbelehrung.

Es geht um einen Wiedereinsetzungsantrag. Der Betroffene hatte gegen einen Bußgeldbescheid per E-Mail Einspruch eingelegt, der von der Behörde als formwidrig verworfen worden ist. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das AG zurückgewiesen:

„1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, denn er ist nicht fristgerecht eingegangen. Nach Zustellung des Verwerfungsbescheides am 06.05.2023 lief die zweiwöchige Frist des § 69 Abs. 1 S. 2 OWiG am 22.05.2023 ab, weil der 20.05.2022 ein Sonnabend war. Der Betroffene stellte erst am 23.05.2023 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, da es auf den Zeitpunkt des Ausdrucks der E-Mail ankommt (BGH NJW 2019, 2096 (2097); OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 10324; Thüringer Oberlandesgericht Beschluss vom 10. November 2017 – 1 OLG 145 SsBs 49/16). Anders als für den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eröffnete die Behörde hier keinen zusätzlichen Übertragungsweg.

2. Dem Betroffenen war für diese Fristversäumung keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da die Rechtsmittelbelehrung unter dem Verwerfungsbescheid vom 03.05.2023 – anders als die Rechtsmittelbelehrung unter dem Bußgeldbescheid vom 21.03.2023 (AG Aschersleben Beschl. v. 2.1.2023 – 6 OWi 301/22, BeckRS 2023, 1, beck-online) – richtig ist und der Betroffene keine Gründe für eine unverschuldete Versäumung der Frist geltend gemacht hat.

Die Verwaltungsbehörde war nicht gehalten, in die Rechtsbehelfsbelehrung zusätzlich aufzunehmen, dass auch die elektronische Übersendung nach § 32a Abs. 2, Abs. 3 StPO i.V.m. § 110c OWiG möglich ist. Die Belehrung muss nur enthalten, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde oder schriftlich eingelegt werden muss, §§ 69 Abs. 1 S. 2, 62 Abs. 2 S. 2 OWiG i.V.m. § 306 Abs. 1 StPO. Die Behörde muss nicht darüber belehren, wie diese Schriftform einzuhalten ist. Seit dem 01.01.2022 muss die Verwaltungsbehörde zwar auch den Zugang nach § 32a Abs. 2, Abs. 3 StPO i.V.m. § 110c OWiG eröffnen. Darüberhinausgehende Zugangsmöglichkeiten stehen in ihrem Belieben (BeckOK OWiG/Gertler, 31. Ed. 1.7.2021, OWiG § 67 Rn. 69). Der Wortlaut von § 32a Abs. 3 StPO gestaltet jedoch keine neue Formvorschrift, sondern definiert die Umstände, unter denen ein elektronisches Dokument schriftlich abgefasst ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, erfüllt das Dokument die Schriftform. Es wird gerade keine neue Form geschaffen (was im Einklang mit BGH NJW 2019, 2096 (2097) steht), über die dann zu belehren wäre.

Auch wenn die Arten, Dokumente „schriftlich“ bei den Gerichten und Behörden einzureichen, damit noch unübersichtlicher werden und die „Schriftlichkeit“ kaum noch etwas mit dem gemeinen Wortsinn zu tun hat, ist es Aufgabe des Rechtsbehelfsführers, sich über die konkrete Art der Schriftform selbst zu informieren (BeckOK OWiG/A. Bücherl, 38. Ed. 1.4.2023, OWiG § 50 Rn. 16.1).

Gemessen daran erfüllt die oben dargestellte Rechtsbehelfsbelehrung unter dem Verwerfungsbescheid die Anforderungen der §§ 69 Abs. 1 S. 2, 62 Abs. 2 S. 2 OWiG i.V.m. § 306 Abs. 1 StPO.

Darüberhinausgehende Gründe, die für eine unverschuldete Fristversäumung sprächen, hat der Betroffene nicht dargetan. In seinem Schreiben vom 26.06.2023 wendet er sich inhaltlich im Wesentlichen gegen den Bußgeldbescheid, wenn er ausführt, dass die Geschwindigkeitstafeln keine Geschwindigkeitsbegrenzung angezeigt hätten. Das wäre erst nach zulässigem Einspruch zu prüfen gewesen. Dem Betroffenen ist zwar zuzustimmen, dass wir im Digitalzeitalter leben. Die Grenzen der Digitalisierung werden jedoch durch die Gesetze gezogen. Bei rechtzeitigem und formwirksamen Antrag auf gerichtliche Entscheidung wäre seinem konkludenten Antrag auf Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist auch entsprochen worden, weil die Rechtsbehelfsbelehrung unter dem Bußgeldbescheid wie in AG Aschersleben Beschl. v. 2.1.2023 – 6 OWi 301/22, BeckRS 2023, 1, beck-online dargestellt irreführend ist. Da er jedoch auch gegen den Verwerfungsbescheid nicht formgerecht Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellte und die Rechtsbehelfsbelehrung hier richtig ist, musste ihm der Erfolg versagt werden.

§ 110c OWiG i.V.m. § 32a Abs. 6 StPO ist nicht anzuwenden, weil sich dieser nur auf die Möglichkeit der Bearbeitung des eingereichten Dokuments, nicht jedoch auf die Einreichungsmodalitäten bezieht.“

 

OWi III: Nochmals Wirksamkeit des Bußgeldbescheides, oder: Genügen die Angaben zum Tatort?

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Und als dritte Entscheidung zum Tagesschluss dann noch der AG Rockhausen, Beschl. v. 03.04.2023 – 2a OWi 6070 Js 1673/23. Der hat auch eine Verjährungsfrage zum Gegenstand, nämlich die Wirksamkeit des wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung erlassenen Bußgeldbescheides. Das AG hat sie wegen ungenügender Angaben zum Tatort verneint:

„Es besteht ein Verfahrenshindernis hinsichtlich des Betroffenen, §§ 46 Abs 1 OWiG, 206a StPO. Die vorgeworfene Ordnungswidrigkeit vom 05.07.2022 war bereits bei Eingang der Akten am 27.01.2023 verjährt.

Weder die mit Verfügung vom 30.08.2022 angeordnete Anhörung des Betroffenen, noch der Bußgeldbescheid vom 04.11.2022 waren geeignet, die Verjährung zu unterbrechen. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass das Tatgeschehen hinreichend konkretisiert, also einwandfrei klar ist, welcher Lebensvorgang dem Betroffenen vorgehalten wird und dieser von denkbaren ähnlichen oder gleichartigen Sachverhalten unterscheidbar ist (BeckOK OWiG/Gertler, 37. Ed. 1.1.2023, OWiG § 33 Rn. 179 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Sowohl in der Anhörung als auch im Bußgeldbescheid ist als Tatort „67304 Eisenberg, Ostring, FR Eisenberg“, angegeben. Eine konkretisierende Angabe, wo der Verstoß begangen wurde, ist hiermit nicht verbunden. Der Ostring in Eisenberg verläuft über eine Strecke von etwa 1,7 Km von der Ramsener Straße bis zur Einmündung Westring. Maßgeblich ist, dass die Tat — auch hinsichtlich des Begehungsorts — so genau bezeichnet wird, dass sie sich als unverwechselbar mit anderen denkbaren Taten desselben Täters darstellt und ein Bewusstsein des Täters für den ihm vorgeworfenen Verstoß bilden kann. Gerade bei Verkehrsverstößen, die sich in relativ kurzen Zeiträumen relativ häufig zu wiederholen vermögen, sind insoweit problematisch und müssen von der Bußgeldbehörde präzise konkretisiert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 8. 10. 1970 – 4 StR 190/70, NJW 1970, 2222). Ausreichend ist im Einzelfall auch die Angabe eines markanten Punktes (Parkplatz, Hausnummer, Gebäude etc.), (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 22.03.2021 – 2 Owi 6 SsBs 20/21). Ausreichende Angaben enthalten weder die Anhörung, noch der Bußgeldbescheid. Weder die Anhörung noch der Bußgeldbescheid sind mangels hinreichender Bestimmtheit geeignet die Verjährung zu unterbrechen.“

Nichts Besonderes, aber der Beschluss ruft noch einmal ins Gedächtnis, worauf man (auch) achten muss.

OWi I: Verlesung des Messprotokolls in der HV, oder: Beschränkung des Einspruchs und Einspruch per Mail

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Heute dann mal wieder ein OWi-Tag, und zwar zunächst hier drei verfahrensrechtliche Entscheidungen, und zwar jeweils nur die Leitsätze.

1. Unabhängig von einem in § 77a Abs. 1, 2 und 4 OWiG geregelten Zustimmungserfordernis kann das Messprotokoll auf Anordnung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen werden.

2. Denn das Messprotokoll ist eine Urkunde i.S.v. § 256 Abs. 1 StPO, weil sie eine Erklärung über eine amtlich festgestellte Tatsache einer Ermittlungsmaßnahme ist und keine Vernehmung zum Gegenstand hat.

3. Das Messprotokoll gibt im Sinne des § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO auch Auskunft über repressives Handeln der Polizei. Denn die Geschwindigkeitsüberwachung dient auch der Verfolgung und Ahndung von Geschwindigkeitsverstößen.

1. Eine Beschränkung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid auf den Rechtsfolgenausspruch in seiner Gesamtheit ist möglich, sofern der Bußgeldbescheid den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG entspricht. Enthält der Bußgeldbescheid keine ausdrücklichen Angaben zur Schuldform, ist unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheiden, ob sich dem Bußgeldbescheid die Schuldform entnehmen lässt. Dabei kann auch Beachtung finden, dass die Zentrale Bußgeldstelle im Bay. Polizeiverwaltungsamt in der Regel im Rahmen der Erhöhung der Regelgeldbuße auf die vorsätzliche Tatbegehung hinweist.
2. Bei einem wirksam auf die Rechtsfolgen beschränkten Einspruch hat der Tatrichter den Schuldspruch so zu fassen, wie wenn er selbst entschieden hätte; die bloße Bezugnahme auf den Bußgeldbescheid genügt nicht.

Der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid kann nicht mittels einfacher E-Mail eingelegt werden.

StPO III: Wirksame Zustellung des Bußgeldbescheides, oder: Hatte der Verteidiger eine Zustellungsvollmacht?

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Die dritte StPO-Entscheidung kommt aus dem OWi-Verfahren :-). Thema: Wirksamkeit der Zustellung des Bußgeldbescheides und damit Unterbrechung der Verfolgungsverjährung?

Dazu das AG Landstuhl im AG Landstuhl, Beschl. v. 26.01.2023 – 2 OWi 4211 Js 13113/22 -, den mir der Kollege Gratz geschickt hat:

„Entgegen der Auffassung der Verwaltungsbehörde kommt es im vorliegenden Fall für die Unterbrechung der Verfolgungsverjährungsfrist nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG sowie für deren Verlängerung nach § 26 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 StVG auf einen Nachweis des Zugangs des Bußgeldbescheids beim Betroffenen an. Aus der von der Verwaltungsbehörde (der Sache nach) in Bezug genommenen Entscheidung des OLG Koblenz (Beschl. v. 31.03.2022, Az.: 1 OWi 32 SsBs 233/21 ? veröffentlicht u.a. in BeckRS 2022, 11004) ergibt sich nichts anderes, da sich die vorliegende Fallkonstellation von der dortigen Fallkonstellation unterscheidet. Selbst wenn man eine Heilung von Zustellungsmängeln auch dann als möglich erachten wollte, wenn der Zustellungswille der Verwaltungsbehörde auf eine Zustellung beim Betroffenen gerichtet war, ein anderer Zustellberechtigter das Schriftstück aber tatsächlich erhält, kommt eine Heilung vorliegend nicht in Betracht, da der Verteidiger – mangels nachgewiesener Vollmacht (§ 53 Abs. 3 S. 1 OWiG) – nicht zustellberechtigt ist. Eine entsprechende Zustellberechtigung derjenigen Person, die tat-sächlich Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück erhält, ist jedoch für die Bewirkung einer Heilung nach § 51 Abs. 1 S. 1 OWiG i.V.m. § 1 Abs. 1 u. 2 Nr. 4 LVwZG RP, § 8 VwZG zwingend erforderlich (so auch OLG Koblenz, a.a.O. (Rn. 7 f.)). Da vorliegend keine gesetzliche Zustellvoll-macht vorliegt und sich die Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Zustellvollmacht dem Akteninhalt nicht entnehmen lässt, kommt eine Heilung des Zustellmangels nicht in Betracht.

Der Aufwand, der für die Aufklärung der Frage des Zugangs des Bußgeldbescheids beim Betroffenen erforderlich werden würde, steht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache, zumal der Betroffene verkehrsrechtlich unvorbelastet ist und kein Regelfahrverbot verwirkt wurde. Die gem. § 47 Abs. 2 S. 1 OWiG für eine Einstellung außerhalb der Hauptverhandlung erforderliche Zustimmung der Staatsanwaltschaft ist erteilt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO. Hinsichtlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen hat das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, diese nicht der Staatskasse aufzuerlegen (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 4 StPO). Das Gericht hat dabei berücksichtigt, dass dem Betroffenen in diesem Verfahrensstadium noch keine bußgeldrechtliche Vorwerfbarkeit zugeschrieben werden kann; da er nach Aktenlage jedoch weiterhin dringend verdächtig ist, die ihm zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit (ungeachtet der Frage ihrer Verfolgbarkeit) begangen zu haben, ist es im vorliegenden Fall sachgerecht, seine notwendigen Auslagen ausnahmsweise nicht der Staatskasse aufzuerlegen.“

OWi II: Bußgeldbescheid mit zu weiter Belehrung , oder: Die Verwaltungsbehörde will mehr als der Gesetzgeber

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In der zweiten Entscheidung geht es um einen verspäteten Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid.

Gegen den Betroffenen ist ein Bußgeldbescheid wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes erlassen worden. Dieser Bescheid wurde dem Betroffenen am 05.11.2022 zugestellt. Der Bußgeldbescheid enthält in der Kopfzeile u.a. die folgenden Angaben:

„Rechtsbehelfsbelehrung

Der Bußgeldbescheid wird rechtskräftig und vollstreckbar, wenn Sie nicht innerhalb von zwei Wochen nach seiner Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift bei der im Briefkopf genannten Behörde Einspruch einlegen. Bei schriftlicher Erklärung ist die Frist nur gewahrt, wenn der Einspruch vor Ablauf der Frist dort eingeht. Die Erklärung muss in deutscher Sprache abgefasst sein.

Wichtige Hinweise bei einem Einspruch

Ein per E-Mail eingelegter Einspruch ist nur zulässig, wenn dieser bei mir unverzüglich mit Ihrer Unterschrift per Post oder Fax eingeht.“

Der Betroffene erhob mit E-Mail vom 09.11.2022 Einspruch gegen den Bußgeldbescheid. Diese E-Mail wurde durch die Zentrale Bußgeldstelle am 19.12.2022 ausgedruckt und in ausgedruckter Form zur Akte genommen. Mit Bescheid vom 25.11.2022 verwarf die Bußgeldstelle den Einspruch. Sie stützt diesen Bescheid darauf, dass eine Einlegung per E-Mail formwidrig sei. Die E-Mail wahre mangels Unterschrift nicht die von § 67 OWiG vorgesehene Schriftform.

Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Das Aschersleben hat im AG Aschersleben, Beschl. v. 02.01.2023 – 6 OWi 301/22 – aufgehoben und hat die Sache an die Bußgeldstelle zur Entscheidung über einen konkludent vom Betroffenen gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgegeben. Zu dme Antrag führt das AG aus, dass die Wiedereinsetzung zur gewähren sein dürfte:

„Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dürfte aller Voraussicht nach begründet sein, denn die verwendete Rechtsbehelfsbelehrung der zentralen Bußgeldstelle dürfte unrichtig sein.

§ 50 OWiG verlangt bei der Bekanntmachung eines Bescheides der Verwaltungsbehörde, der durch einen befristeten Rechtsbehelf angefochten werden kann, dass die Person, an die sich die Maßnahme richtet, über die Möglichkeit der Anfechtung und die dafür vorgeschriebene Frist und Form zu belehren ist.

Eine fehlende oder in einem wesentlichen Punkt unvollständige oder unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung beeinträchtigt die Wirksamkeit eines Bußgeldbescheides, seine Zustellung sowie den Beginn der Einspruchsfrist zwar nicht (BGH NStZ 1984, 181 und 329; BayObLG Beschl. v. 7.6.1984, DAR 1985, 248 [Rü]). Derartige Fehler sind jedoch in aller Regel Gründe für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 44 S. 2 StPO iVm § 52 Abs. 1 OWiG (KK-OWiG/Lampe, 5. Aufl. 2018, OWiG § 50 Rn. 20).

Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 02.11.2022 ist hinsichtlich der Einreichung als E-Mail unrichtig. Danach ist ein per E-Mail eingelegter Einspruch nur zulässig, wenn dieser bei der Bußgeldstelle unverzüglich mit der Unterschrift des Betroffenen per Post oder Fax eingeht.

aa) Der Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid ist nicht in der zuvor beschriebenen Weise per E-Mail an die Zentrale Bußgeldstelle übersandt worden und damit nicht in der von § 67 Abs. 1 S. 1 OWiG vorgesehenen Schriftform. Die Entscheidung darüber, ob eine E-Mail die Schriftform erfüllt hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung überlassen (BT-Drs. 15/4067, S. 44). Eine E-Mail erfüllt die Schriftform nur dann, wenn sie in der von der Behörde angegebenen Form übersendet wurde. Diese Gestaltungsfreiheit über die Zugangsart folgt daraus, dass die Behörde nur verpflichtet ist eine postalische Anschrift sowie eine Möglichkeit der Niederschrift vor Ort vorzuhalten. Jedenfalls seit dem 01.01.2022 muss die Verwaltungsbehörde auch den Zugang nach § 32a Abs. 2, Abs. 3 StPO i.V.m. § 110c OWiG eröffnen. Darüberhinausgehende Zugangsmöglichkeiten stehen in ihrem Belieben (BeckOK OWiG/Gertler, 31. Ed. 1.7.2021, OWiG § 67 Rn. 69).

Der Bußgeldbescheid vom 02.11.2022 enthielt, wie der Verwerfungsbescheid, eine E-Mail-Adresse. Diesen (unbeschränkten) Zugang für Einsprüche beschränkte die Bußgeldstelle jedoch prinzipiell zulässigerweise (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 10. November 2017 – 1 OLG 145 SsBs 49/16, Rn. 26, juris; KK-OWiG/Ellbogen, 5. Aufl. 2018, OWiG § 67 Rn. 65a m.w.N.; BeckOK OWiG/Gertler, 31. Ed. 1.7.2021, OWiG § 67 Rn. 69). Unter der Überschrift „Wichtige Hinweise bei einem Einspruch“ unmittelbar nach der Rechtsbehelfsbelehrung weist der Bußgeldbescheid darauf hin, dass ein per E-Mail eingelegter Einspruch nur zulässig ist, wenn dieser bei der Zentralen Bußgeldstelle unverzüglich mit der Unterschrift des Betroffenen per Post oder Fax eingeht.

Diesen Hinweis musste ein verständiger Durchschnittsadressat auch wahrnehmen. Allein aus dem Vorhandensein einer E-Mail-Adresse im Bescheidkopf kann der Betroffene noch nicht unmittelbar darauf schließen, dass dieser Zugangskanal auch ohne weiteres zur Einspruchserhebung eröffnet ist. Andernfalls würde auch die Telefonnummer einen unbeschränkten Zugang eröffnen, was jedoch ebenfalls von weiteren Voraussetzungen abhängig ist (tatsächliche Niederschrift erforderlich KK-OWiG/Ellbogen, 5. Aufl. 2018, OWiG § 67 Rn. 70). Er hat daher den gesamten Bußgeldbescheid aufmerksam und vollständig zu lesen. Dass die Beschränkung des Einspruchs per E-Mail nicht unmittelbar in der Rechtsbehelfsbelehrung enthalten ist, sondern in einem weiteren Zusatz, ist unschädlich. Neben der fettgedruckten Überschrift „Rechtsbehelfsbelehrung“ enthält der Bescheid eine unmittelbar im Anschluss daran ebenso fett gedruckte Überschrift „Wichtige Hinweise bei einem Einspruch“.

Die Rechtsprechung des Landgerichts Mosbach (Beschl. V. 30.08.2018 – 1 Qs 22/18) steht dieser Ansicht nicht entgegen. Auch nach hier vertretener Auffassung ist die Einspruchserhebung per E-Mail möglich. Die Zentrale Bußgeldstelle hat auch nicht, wie das Regierungspräsidium Karlsruhe im Fall des Landgerichts Mosbach, die inhaltlich möglichen Erklärungen des Betroffenen per E-Mail beschränkt.

bb) Der Ausdruck der E-Mail vom 09.11.2022 am 19.12.2022 konnte die Einspruchsfrist (BGH NJW 2019, 2096 (2097); OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 10324; Thüringer Oberlandesgericht Beschluss vom 10. November 2017 – 1 OLG 145 SsBs 49/16) nicht mehr wahren, da diese am 21.11.2022 ablief (der 19.11.2022 war ein Sonnabend).

cc) Die von der Behörde vorgenommene Beschränkung des E-Mail-Zugangs geht jedoch über das von § 110c OWiG i.V.m. § 32a Abs. 3 StPO vorgesehene Maß hinaus, was der Verwaltungsbehörde nicht zusteht. Dem Betroffenen wird suggeriert, er müsse den Einspruch zusätzlich per Post oder Fax mit Unterschrift übersenden, obwohl es jedenfalls seit 2022 ausreichend ist den Einspruch als elektronisches Dokument, wozu auch die E-Mail zählt (BT-Drs. 18/9416, 45), zu erheben. Der Betroffene muss sich danach lediglich eines sicheren Übermittlungsweges bedienen, § 110c OWiG i. V.m. § 32a Abs. 4 StPO.

dd) Die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist ist auch unverschuldet, § 44 S. 2 StPO, denn die Fristversäumung dürfte auch auf dem Belehrungsmangel beruhen (OLG Düsseldorf NStZ 1986, 233; OLG Koblenz NStZ 1991, 42; Krenberger/Krumm Rn. 10; KK-OWiG/Lampe Rn. 18; BeckOK OWiG/A. Bücherl, 36. Ed. 1.10.2022, OWiG § 52 Rn. 15).

Der Betroffene erklärte in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, dass er die fehlende Unterschrift übersehen habe und diese nachtragen hätte können. Er ging mithin davon aus, die strengen Anforderungen der Rechtsbehelfsbelehrung erfüllen zu müssen, welche er übersehen habe. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene bei richtiger Rechtsbehelfsbelehrung die – geringeren – Anforderungen des § 110c OWiG i.V.m. § 32a Abs. 3 StPO erfüllt hätte. Es kann gleichsam nicht angenommenen werden, dass der Betroffene auch die Hinweise einer unterstellten richtigen Rechtsbehelfsbelehrung nicht befolgt hätte.

Ob auf diese Fälle § 110c OWiG i.V.m. § 32a Abs. 6 StPO anzuwenden ist, kann offenbleiben.“