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Magdeburger Landrecht zur Akteneinsicht – gewährt das der StA Schützenhilfe?

Erstaunen, Erstaunen macht sich breit, wenn man die Entscheidung des LG Magdeburg v. 26.08.2010 – 25 Qs 334 Js 39757/09 (77/10) liest. Beim Beschuldigten wird durchsucht. Der Verteidiger geht in die Beschwerde, hatte aber noch keine Akteneinsicht. Das LG erkennt richtig, dass es für seine Entscheidung – lassen wir dahingestellt, welches die richtige wäre – keine dem Beschuldigten nicht bekannten Daten verwenden darf. Aber was macht das LG? Es entscheidet nicht über die Beschwerde, sondern beschließt die Aussetzung des Verfahrens für drei Monate mit der Begründung:

„Das Rechtschutzinteresse der Beschuldigten an einer Beschwerdeentscheidung kann insofern mit dem öffentlichen Interesse an der Durchführung weiterer Ermittlungen dadurch in Einklang gebracht werden, dass die Beschwerdeentscheidung zunächst aufgeschoben wird, um der Staatsanwaltschaft zum einen die Möglichkeit zu weiteren Ermittlungen zu geben und zum anderen anschließend vor einer Beschwerdeentscheidung den Anspruch der Beschuldigten auf rechtliches Gehör durch Gewährung von Akteneinsicht über den Verteidiger Genüge zu tun. Vor diesem Hintergrund ist es angemessen, die Beschwerdeentscheidung für die Dauer von drei Monaten aufzuschieben.“

Die Argumentation erschließt sich mir aus der StPO nicht. Möglichkeit der weiteren Ermittlungen für die StA, also Schützenhilfe? Wo steht das denn? Und das, obwohl die StA die AE noch nicht einmal unter Hinweis auf § 147 Abs. 2 StPO verweigert hat. Also doch wohl die „Magdeburger StPO“?

Was tun? Ich habe dem Kollegen, der mir die Entscheidung geschickt hat, geraten, weitere Beschwerde einzulegen mit der Begründung, dass das LG eine weitere selbständige Entscheidung getroffen hat.

Mal sehen, was passiert. So geht es m.E. nicht

Sicherungsverwahrung: Mal was anderes als Altfälle…

Gestern hat das BVerfG auf seiner HP einen Beschluss zur Sicherungsverwahrung veröffenlicht (Beschl. v. 08.07.2010 – 2 BvR 1771/09).

In der Sache geht es aber mal nicht um die Frage der Anwendung der Entscheidung des EGMR v. 17.12.2009 auf sog. Altfälle, sondern um das Verfahren bei der Prüfung der Frage der Aussetzung der Sicherungsverwahrung. Der Untergebrachte war 1997 wegen Missbrauchs von Kindern in 11 Fällen zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach Strafverbüßung wurde aufgrund eines externen Sachverständigengutachtens die nachträgliche SV angeordnet. In 2009 wurde dann die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet, und zwar nur aufgrund des eigenen Eindrucks, den die StVK über die Gefährlichkeit des Untergebrachten hatte. Ein neues externes Gutachten wurde nicht angefordert. Und zwar obwohl das alte Gutachten inzwischen acht Jahre zurück lage und der Untergebrachte 62 Jahre alt. Hinzu kamen einige Äußerungen, die der StVK sauer aufgestoßen sind.

Das BVerfG hielt die Vorgehensweise für unzulässig, hat den Beschluss des LG und die Beschwerdeentscheidung des OLG Koblenz aufgehoben und der StVK aufgegeben, nach acht Jahren Sicherungsverwahrung durch einen externen Gutachter prüfen zu lassen, ob sich der Untergebrachte verändert hat.

Hätte m.E. die Kammer auch selbst drauf kommen können. Sicher, die Angaben des Verurteilten waren schon „etwas komisch“, aber acht Jahre sind eine lange Zeit. Das sollte man doch besser einen Sachverständigen nach Änderungen fragen.

JM lässt sich 2 Jahre mit der Entscheidung Zeit – Aussetzung der Sicherungsverwahrung dann ggf. auch ohne ausreichende Vollzugslockerungen

Der 4. Strafsenat des OLG Hamm hatte sich vor kurzem in seinem Beschl. v. 12.05.2010 – 4 Ws 114/10 mit der Aussetzung einer Sicherungsverwahrung zu befassen. Das LG hatte die Ausssetzung beschlossen. Dagegen die Beschwerde der StA, die damit begründet worden ist, dass der Verurteilte noch nicht ausreichend durch Vollzugslockerungen erprobt sei. Das OLG dazu: Der Umstand fehlender Erprobung könne bei der Entscheidung über die Aussetzung einer Strafe zwar grundsätzlich nicht unberücksichtigt bleiben. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn die Versagung von Vollzugslockerungen ersichtlich rechtswidrig war. Davon ist das OLG m.E. zu Recht ausgegangen. Dem JM NRW war es nämlich über zwei Jahre nicht gelungen, eine Entscheidung über die Lockerungen zu treffen.

Im zweiten Teil der Entscheidung befasst sich das OLG dann mit den Auswirkungen der Entscheidung des EGMR v. 17.12.2009 und schließt daraus: Nach Rechtskraft der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009 (Az.: 19359/04) am 11.05.2010 verstosse die Vollstreckung von Sicherungsverwahrung über den 10-Jahres-Zeitpunkt hinaus sowohl gegen Art. 5 EMRK als auch gegen Art. 7 EMRK.

Nur Berufung (Nr. 4125 VV RVG) oder auch Strafvollstreckung (Nr. 4205 VV RVG)

Ein ganz interessantes Abgrenzungsproblem ist in den vergangenen Tagen an mich in dem gebührenrechtlichen Forum auf meiner Homepage herangetragen worden. Der Kollege stellt folgende Frage:

Mdt. hat mich aus der JVA heraus beauftragt. Gegen ihn ist eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt worden.

Im Rahmen der gewährten Akteneinsicht stellte sich heraus, dass ein Einspruch gegen einen Strafbefehl verworfen wurde, weil der Angeklagte nicht zu HV erschienen war. Des Weiteren ließ die Akte erkennen, dass sowohl die Zustellung der Ladung zur HV als auch des den Einspruch verwerfenden Urteils an schweren, nicht heilbaren Mängeln litt.

Ich habe sodann Berufung eingelegt und beantragt, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auszusetzen.

Das Berufungsgericht hat zunächst durch Beschluss die Strafvollstreckung als derzeit unzulässig erklärt.

In der Berufungshauptverhandlung ist das erstinstanzliche Urteil des AG aufgehoben und die Strafsache zur Verhandlung über den Einspruch gegen den Strafbefehl an das AG zurückverwiesen worden.

Frage: Rechtfertigt die Tätigkeit im Rahmen der Vollstreckung (Antrag auf Aussetzung) den Anfall der Gebühr nach Nr. 4205 VV RVG oder ist diese Tätigkeit durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 4125 VV RVG mit abgegolten?

Habe leider in diversen Kommentaren nichts gefunden; wahrscheinlich auch deshalb, weil es eine nicht alltägliche Konstellation ist.

Zunächst: Der Kollege hat Recht. In den Kommentaren findet man zu der Frage nichts; wird sich dann demnächst bei der Neuauflage unseres RVG-Kommentars ändern :-).

Zur Sache: Ich habe dem Kollegen geantwortet, dass er m.E. nur die Nr. 4125 VV RVG geltend machen kann und nicht auch noch die Nr. 4205 VV RVG. Er hat Berufung eingelegt. Damit geht es um den Bestand des Strafbefehls. Das ist aber Berufungsverfahren und nicht Strafvollstreckung. Der Aussetzungsantrag ist durch die Verfahrensgebühr mit abgegolten. Als Wahlanwalt muss der Kollege die Tätigkeiten im Rahmen des § 14 RVG gebührenerhöhend geltend machen.