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„Richtervorbehaltsdämmerung“ aus Niedersachsen

Ich glaube, es hatte neulich schon ein Kollege den Begriff der „Richtervorbehaltsdämmerung“ gebraucht – kann ich im Moment im Zug nicht richtig überprüfen, jedenfalls verwende ich ihn (auch) für die nachfolgende Meldung zum Richtervorbehalt nach § 81a Abs. 2 StPO:

„Richtervorbehalt bei Blutproben soll entfallen – Niedersachsen kündigt Gesetzesinitiative an

Blutentnahmen zur Alkohol- und Drogenkontrolle im Straßenverkehr sollen künftig ohne vorherige richterliche Anordnung möglich sein. Niedersachsen wird einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundesrat einbringen. Das hat die Landesregierung in ihrer Sitzung am 05.10.2010 beschlossen.

Der Richtervorbehalt sei ein hohes Gut. Sein Sinn und Zweck bestehe darin, eine vorbeugende Kontrolle durch eine unabhängige und neutrale Instanz zu gewährleisten. Er dürfe aber kein Selbstzweck sein, sagte Justizminister Bernd Busemann nach dem Kabinettsbeschluss. Die richterliche Anordnung ergehe zurzeit meist allein aufgrund telefonisch mitgeteilter Informationen. Der für die Anordnung zuständige Richter müsse sich dabei auf die Angaben des Polizeibeamten vor Ort verlassen. Er habe so gut wie keinen Entscheidungs- oder Ermessenspielraum. Nach den geltenden Regelungen laufe der Richtervorbehalt bei der Blutentnahme leer. Der Richter mag zwar nicht zum reinen Befehlsempfänger der Polizei werden, seine Einbindung als reine Formalie werde jedoch zur Farce. Wenn es nur darum gehe, die Blutentnahme abzunicken, werde der Richtervorbehalt insgesamt entwertet, so Busemann weiter.

Fahrten unter Alkohol- und Betäubungsmitteleinfluss seien Straftaten mit einem erheblichen Gefährdungspotential. Von alkoholisierten oder unter Betäubungsmitteleinfluss stehenden Fahrzeugführern gingen erhebliche Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer und die Sicherheit des Straßenverkehrs aus. Der Einfluss von berauschenden Mitteln in Form von Alkohol, Drogen und Medikamenten sei im Straßenverkehr eine der Hauptursachen für Verkehrsunfälle mit schweren, oft tödlichen Folgen. Deshalb gelte es, den verfassungsrechtlichen Grundsatz einer effektiven Strafverfolgung umzusetzen. Das sei unter den aktuellen Voraussetzungen jedenfalls nicht sicher gewährleistet. Die strafrechtliche Praxis spreche sich nahezu einheitlich für die Abschaffung des Richtervorbehaltes aus.

Das Richteramt und die richterliche Kontrolle solle aufgewertet und gestärkt werden. Der Deutsche Richterbund, der Deutsche Verkehrsgerichtstag, die Innenministerkonferenz, der Strafrechtsausschuss der Justizministerkonferenz und die Generalstaatsanwältinnen und Generalstaatsanwälte unterstützt das Anliegen, so Busemann abschließend.“

Wie man damit „den verfassungsrechtlichen Grundsatz einer effektiven Strafverfolgung“ umsetzt, bleibt m.E. offen bzw. im Dunklen. Man wird sehen,  was daraus wird.

Quelle: Niedersachsen, Justizministerium
Pressemitteilung vom 05.10.2010

Und es bewegt sich doch was: Beweisverwertungsverbot, wenn aufgrund genereller Anordnung gehandelt wird

Da ist mal wieder ein OLG, das zu einem Beweisverwertungsverbot bei Verletzung des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO) kommt, und zwar das OLG Brandenburg in seinem Beschl. v. 13.08.2010 – (2) 53 Ss 40/10.

Die Polizeibeamten hatten sich bei der Blutentnahme auf einen Erlass des Ministeriums des Innern bezogen, der die Anweisung enthielt, dass der vor Ort befindliche Polizeibeamte auf Grund eigener Eilkompetenz wegen der Geschwindigkeit des Alkoholabbaus im Blut die Ent­nahme einer Blutprobe selbst anzuordnen habe. Das OLG sagt, die Verwaltung handelt willkürlich, wenn sie solche Anweisungen herausgibt, da die Frage der Zuständigkeit für die Anordnung der Blutentnahme eine Einzelfallentscheidung ist. Ebenso bereits in der Vergangenheit das OLG Karlsruhe (StRR 2009, 262 = VRR 2009, 273) und das OLG Oldenburg (VRR 2009, 438 = StRR 2009, 467).  Auch das BVerfG hatte ja in seinem Beschluss v. 11. 6. 2010 (VRR 2010, 309 = StRR 2010, 302) die Erforderlichkeit einer Einzelfallprüfung und – entscheidung betont.

Erwähnenswert ist die Entscheidung des OLG Brandenburg auch deshalb, weil das OLG im Grunde die Frage gar nicht hätte entscheiden müssen, weil bereits die Sachrüge zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils führte.

Also: Alle Achtung. Allerdings hat das OLG sich damit dann aber auch eine weitere Revision erspart.

Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg

Der Beschl. des LG Düsseldorf v. 22.07.2010 – 11 Qs 86/10 ist Anlass, noch einmal darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn wegen eines Verstoßes gegen § 81a StPO bei der Blutentnahme ein Beweisverwertungverbot angenommen wird, zwar eine Schlacht gewonnen ist, aber noch nicht der Krieg. Denn natürlich kann ggf. aus anderen Beweisanzeichen auf Fahrunsicherheit des Beschuldigten geschlossen werden. Das hat das LG Düsseldorf – ebeno wie vor einiger Zeit das OLG Celle und auch das LG Berlin- getan. Wird leider häufig übersehen.

M.E. muss der Verteidiger den Beschuldigten über diese Möglichkeit aufklären, wenn andere Beweismittel vorliegen. Denn dann nützt die Schlacht um das Beweisverwertungsverbot nicht viel.

Nichts Neues aus dem Südwesten zum Beweisverwertungsverbot bei der Blutentnahme – oder doch ein bißchen?

Der Verteidiger des Betroffenen im Verfahren 1 SsBs 2/10 hat mir gerade den Beschluss des OLG Zweibrücken vom 16.08.2010 geschickt, in dem das OLG Zweibrücken erstmals zum Beweisverwertungsverbot bei Verletzung des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO) Stellung genommen hat.

Das OLG lehnt eine Beweisverwertungsverbot ab, im Grunde weitgehend mit der schon aus anderen OLG-Beschlüssen bekannten Argumentation. Insoweit also nichts Neues. Interessant ist aber der Hinweis des OLG darauf, dass man in Zukunft nach dieser Entscheidung anders entscheiden könnte. Ähnlich hatte ja vor einiger Zeit schon das KG argumentiert.

Und: Das OLG weist – m.E. zutreffend – darauf hin, dass es eine Vorlage zum BGH wohl kaum geben wird. Es handelt sich bei diesen Verfahren um Einzelfallentscheidungen. Da scheidet eine Vorlage aus.

OLG Zweibrücken, Beschl. v. 16.08.2010 – 1 SsBs 2/10

Nur zur Abrundung…

…weise ich heute auf den Beschluss des 2. Strafsenats des OLG Hamm v. 11.05.2010 – 2 RVs 29/10 hin. Über die Fragen der Blutentnahme und den Richtervorbehalt mag man ja kaum noch schreiben. Leitsatz lautet wie folgt:

Zwar ist bei einer hohen Atemalkoholkonzentration grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Zuwarten bis zur Erreichbarkeit eines Richters möglich ist, da ein Beweismittelverlust bei einem nicht in einem Grenzwertbereich liegenden Wert nicht zu befürchten ist. Jedoch ist auch in solchen Fällen ein Beweisverwertungsverbot nur dann anzunehmen, wenn der Polizist objektiv willkürlich handelt. Willkür liegt aber nicht vor, wenn der Polizeibeamte allein wegen des Zeitablaufs eine Verschlechterung des Untersuchungserfolges befürchtet und wegen der bekannten Nichterreichbarkeit des ermittlungsrichterlichen Notdienstes zur Nachtzeit von einem Versuch, diesen anzuwählen, absieht.“

Wie gesagt: Nur zur Abrundung. Hätte man m.E. anders entscheiden müssen. Aber: Interessant wegen der Frage der Begründung der Verfahrensrüge.