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Vollstreckung II: Verzicht auf mündliche Anhörung?, oder: Schweigen auf Nachfrage ist kein Verzicht

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Und im Mittagsposting dann der OLG Braunschweig, Beschl. v. 05.10.2023 – 1 Ws 206/23 – (nochmals) zum Verzicht des Verurteilten auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen im Verfahren zur Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung.

Der Verurteilte ist wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden. Nach vollständiger Verbüßung dieser Strafe wird die Sicherungsverwahrung seit dem 23.08.2015 vollstreckt.

Zur Vorbereitung der Entscheidung über die weitere Fortdauer der SV holte die Strafvollstreckungskammer ein forensisch-psychiatrisches Gutachten eine Sachverständigen  ein. Dieses Sachverständigengutachten datiert vom 26.06.2023. Der Verurteilte sollte am 20.07.2023 durch die StVK persönlich angehört werden. Zu diesem Termin war zunächst – auch der Sachverständige geladen worden. Unter dem 12.07.2023 vermerkte ein Mitglied der StVK, dass der Verteidiger in einem Telefonat vom selben Tage auf eine Anhörung des Sachverständigen im Termin am 20.07.2023 verzichtet habe. Mit jeweiliger E-Mail vom selben Tage verzichteten auch die JVA und die StA auf eine Anhörung des Sachverständigen. Daraufhin lud die StVK den Sachverständigen vom Anhörungstermin ab. Der Verurteilte teilte mit Schreiben vom 19.07.2023 mit, dass er an der Anhörung am 20.07.2023 nicht teilnehmen wolle. Am 20.07.2023 wurde der Anhörungstermin ohne den Verurteilten und ohne den Sachverständigen durchgeführt. Im Anhörungstermin erklärte der Verteidiger, dass der Verurteilte auf seine Nachfrage, ob er auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen verzichte, nicht reagiert habe; aus seiner Sicht sei die mündliche Anhörung des Sachverständigen nicht erforderlich.

Die StVG hat die Fortdauer der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dagegen die sofortige Beschwerde, die Erfolg hatte:

„1. Die angefochtene Entscheidung leidet an einem wesentlichen Verfahrensfehler, der zu ihrer Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer zwingt. Denn der mit der Begutachtung des Beschwerdeführers beauftragte Sachverständige Dr. med. B. wurde unter Verstoß gegen §§ 463 Abs. 3 Satz 3, 454 Abs. 2 Satz 3 StPO am 20. Juli 2023 nicht mündlich zur Frage der Fortdauer der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angehört.

Die Verpflichtung zur mündlichen Anhörung dient nicht nur der Verwirklichung des Anspruchs des Verurteilten auf rechtliches Gehör, sondern soll vor allem die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vorbereiten und ihre materielle Richtigkeit (gestützt auf aktuelles, geprüftes Expertenwissen) gewährleisten (KG Berlin, Beschluss vom 16. September 2019, 2 Ws 144/19121 AR 205/19, juris, Rn. 4). Die mündliche Erörterung eines solchen Gutachtens in Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten gibt diesen Gelegenheit, das Sachverständigengutachten eingehend zu diskutieren, das Votum des Sachverständigen zu hinterfragen und zu dem Gutachten Stellung zu nehmen (KG Berlin, a.a.O. m.w.N.).

Zwar bietet § 454 Abs. 2 Satz 4 StPO die Möglichkeit, von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen abzusehen, wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft ausdrücklich darauf verzichten. Der erforderliche Verzicht muss aber eindeutig erklärt werden; das bloße Schweigen auf eine Zuschrift des Gerichts genügt nicht (KG Berlin, a. a. O., Rn. 8; KG Berlin, Beschluss vom 22. November 2013, 2 Ws 558/13141 AR 616/13, juris, Rn.10; OLG Hamm, Beschluss vom 30. August 2018, III-3 Ws 363/18, juris, Rn. 12).

Eine solche ausdrückliche Verzichtserklärung liegt hier nur von dem Verteidiger und der Staatsanwaltschaft vor. Die zudem notwendige ausdrückliche Verzichtserklärung des Verurteilten ist hingegen nicht erteilt worden.

Dem bloßen Schweigen des Verurteilten auf die Nachfrage des Verteidigers, ob er auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen verzichte, kann eine solche ausdrückliche Verzichtserklärung nicht entnommen werden, da dieses – wie auch das ebenfalls unzureichende Schweigen auf eine gerichtliche Anfrage – bereits keine eindeutige Erklärung darstellt.

Auch die Mitteilung des Verurteilten vom 19. Juli 2023 kann nicht als Verzicht auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen aufgefasst werden. Der Verurteilte hat darin nur mitgeteilt, dass er nicht an der Anhörung am 20. Juli 2023 teilnehmen wolle. Zu der Anhörung ist der Verurteilte dann auch tatsächlich nicht erschienen. In der Ablehnung der Teilnahme an dem Anhörungstermin kann ein ausdrücklicher Verzicht auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen aber nicht erblickt werden (OLG Braunschweig, Beschluss vom 28. September 2023, 1 Ws 165/23, nicht veröffentlicht), da sie sich zu einer solchen gerade nicht ausdrücklich verhält. Dazu, ob er auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen verzichten wolle, ist der Verurteilte im Vorfeld der Anhörung nur seitens des Verteidigers befragt worden. Indes hat er auf diese Befragung, wie bereits dargetan, nicht reagiert. Auch vor diesem Hintergrund erscheint es mangels eindeutiger Reaktion des Verurteilten auf die Nachfrage des Verteidigers ausgeschlossen, seiner Weigerung zur Teilnahme an der – ohne den Sachverständigen stattfindenden – Anhörung die Erklärung eines Verzichts auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen zu entnehmen.

Da der Verteidiger seine Erklärung als Verfahrensbeteiligter und nicht im Namen des Verurteilten vorgenommen hat, kann auch dessen Erklärung jene des Verurteilten nicht ersetzen (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. März 2006, 1 Ws 105/06, juris, Rn. 13; Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 454 Rn. 64).“

Vollstreckung I: Erledigung der Unterbringung, oder: Bezug auf unbekannten Vermerk ist keine Begründung

entnommen wikimedia.org
Urhber: Hichhich – Eigenes Werk

Ich hoffe, alle haben das Osterfest gut überstanden, hier oben war es ein sehr regenreiches Fest. Nun ja, muss man durch.

Ich bringe heute dann drei OLG-Entscheidungen aus dem Strafvollstreckungverfahren. Die Thematik ist mal wieder dran.

Den Opener mache ich mit dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.02.2024 – III-1 Ws 31/24 -ergangen in einer Maßregelvollzugsache.

Das LG hatte den Verurteilten am 07.02.2022 wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Maßregel wird nach Untersuchungs- und Organisationshaft seit dem 9. Juni 2022 ivollzogen.

Nachdem die Klinik, in der der Verurteilte untergebracht ist,  zunächst über einen positiven Behandlungsverlauf berichtet hatte, regte sie vor dem Hintergrund eines Suchtmittelrückfalls des Verurteilten mit Kokain sowie synthetischen Cannabinoiden in einer Stellungnahme vom 06.09.2023 die Erledigung der Maßregel wegen „Aussichtslosigkeit“ an. Auf den der ärztlichen Anregung entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft hat die StVK  den Verurteilten mündlich angehört sowie am 12.12.2023 hierüber einen Vermerk verfasst und durch Beschluss vom gleichen Tage die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt erklärt, insoweit die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung abgelehnt, eine Rückführung des Verurteilten in den Strafvollzug nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses angeordnet  und ferner Begleitanordnungen zu der von Gesetzes wegen eintretenden Führungsaufsicht getroffen. Die Entscheidung zur Erledigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat die Strafvollstreckungskammer wie folgt gerechtfertigt:

„Die Kammer hat einen Anhörungstermin auf den 07.12.2023 bestimmt. Im Rahmen dieser Anhörung hat sich der Eindruck bestätigt, dass die Unterbringung für erledigt zu erklären sei. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den Vermerk der Anhörung verwiesen.“

Dagegen die sofortige Beschwerde des Verurteilten, die Erfolg hatte:

„1. Der angefochtene Beschluss ist entgegen § 34 StPO nicht begründet worden, sondern erschöpft sich hinsichtlich der „Begründung“ der Erledigung der Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt in einer Bezugnahme auf einen – weder dem Beschwerdeführer noch seiner Verteidigerin bekanntgemachten – Vermerk über die am 7. Dezember 2023 erfolgte Anhörung des Verurteilten. Damit ist die Strafvollstreckungskammer der ihr obliegenden Verpflichtung, eine eigenständige Prognoseentscheidung im Sinne der § 67d Abs. 5 i.A. § 64 Satz 2 StGB n.F. zutreffen, in keiner Weise gerecht geworden. So lässt die „Begründung“ bereits die rechtlichen Erwägungen (zu diesem Erfordernis MüKo-Valerius, StPO, 2. Auflage [2023], § 34 Rdnr. 9) nicht erkennen, auf denen die Entscheidung beruht. Die Entscheidung lässt jegliche Subsumtion des Sachverhalts unter die in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften vermissen. Ferner sind auch das in Bezug genommene Anhörungsprotokoll sowie das Bemerken der Kammer, „[i]m Rahmen dieser Anhörung hat sich der Eindruck bestätigt, dass die Unterbringung für erledigt zu erklären sei“, letztlich inhaltsleer, denn weder sind insofern eigene prognostische Erwägungen der Kammer erkennbar noch wird der von der Kammer im Rahmen der mündlichen Anhörung gewonnene – offenbar als mitentscheidungserheblich erachtete – persönliche Eindruck von dem Beschwerdeführer in einer für den Senat nachvollziehbaren Weise dargestellt. Zuletzt setzt sich der Beschluss auch nicht ansatzweise mit der in dem Anhörungsprotokoll angedeuteten aktuellen Lebenssituation des Verurteilten sowie der in diesem Zusammenhang geäußerten Argumentation seiner Verteidigerin auseinander. Dies lässt zudem Zweifel daran aufkommen, ob das Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör, dessen Verwirklichung die mündliche Anhörung dienen soll, gewahrt wurde. Die Ausführungen der Kammer verfehlen damit gänzlich die an eine Entscheidung nach § 67d Abs. 5 StGB zu stellenden Begründungserfordernisse. Sie lassen jegliche Auseinandersetzung mit der Frage vermissen, ob bei der gebotenen Gesamtschau des bisherigen Behandlungsverlaufs eine mit therapeutischen Mitteln des Maßregelvollzugs nicht mehr aufbrechbare Behandlungsunwilligkeit oder Behandlungsunfähigkeit des Verurteilten vorliegt (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss 1 Ws 304/19 vom 22. Januar 2020 in: BeckRS 2020, 16399 Rdnr. 19).

2. Der vorbezeichnete Verfahrensfehler zwingt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung über die Erledigung des Maßregelvollzugs mangels Erfolgsaussicht. Hierdurch werden die weiteren Anordnungen im angefochtenen Beschluss gegenstandslos. Dies gilt auch für die Ablehnung der Aussetzung der Vollstreckung der noch offenen Reststrafe zur Bewährung (Nr. 6 des angefochtenen Beschlusses), denn auch insoweit kann erst dann eine Entscheidung getroffen werden, wenn feststeht, dass die nach § 67 Abs. 1 StGB vorab zu vollziehende Maßregel nicht weiter zu vollstrecken ist.

3. Der Senat sieht abweichend von § 309 Abs. 2 StPO von einer eigenen Entscheidung ab und verweist die Sache an die Strafvollstreckungskammer zurück. Außerhalb der Hauptverhandlung ergangene Entscheidungen, die nicht nur mangelhaft, sondern — wie hier — überhaupt nicht begründet worden sind, unterliegen der Zurückweisung an das erstinstanzlich zuständige Gericht (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss 1 Ws 92/15 vom 6. Juli 2015 in: BeckRS 2015, 12793 Rdnr. 19; OLG Oldenburg NJW 1971, 1098, 1099; KK-Schneider-Glockzin, StPO, 9. Auflage [2023], § 34 Rdnr. 11). Die Inhaltsleere der „Beschlussbegründung“ gibt dem Senat nämlich Anlass zu der Besorgnis, dass die Kammer der ihr obliegenden Pflicht zur Anstellung einer eigenen Prognoseentscheidung nicht nachgekommen, sondern ohne eigene Sachprüfung der ärztlichen Anregung sowie dem Erledigungsantrag der Staatsanwaltschaft gefolgt ist. Bei dieser Sachlage ist der Senat an einer eigenen Sachentscheidung gehindert, denn diese würde im Ergebnis eine Kompetenzverlagerung darstellen und der Senat würde praktisch in erster Instanz tätig werden. Es versteht sich indes von selbst, dass eine derartige Kompetenzverlagerung nicht in Betracht kommen kann (vgl. hierzu OLG Gelle, Beschluss 2 Ws 18/20 vom 27. Januar 2020 Rdnr. 9 <juris>; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2011, 325, 326).“

StPO II: Sachverständige verhindert – Kammer verlegt, oder: Verteidiger hat Urlaub – Kammer verlegt nicht

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Nürnberg Beschl. v. 26.09.2023 – Ws 846/23. Der Beschluss ist schon etwas älter, was daran liegt, dass das OLG ihn jetzt erst veröffentlicht/versandt hat. Der Beschluss ist aber auf jeden Fall berichtenswert und ein schönes Osterei 🙂 . Denn es ght um eine Problematik, bei der es in der Praxis immer wieder Streit gibt. Nämlich: Terminsverlegung wegen Urlaubs des Verteidigers. So auch hier:

Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger. Der Angeklagte ist vom AG u.a. wegen Beleidigung  zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden. Dagegen die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft .

Die Vorsitzende der Berufungskammer bestimmt dann am 22.06.2023 Termin zur Hauptverhandlung auf den 26.09.2023. Der Gerichtsärztliche Dienst beim OLG Nürnberg teilt daraufhin mit Schreiben vom 06.07.2023 mit, dass der Sachverständige Dr. S. am 26.09.2023 im Urlaub sei und bat um vorherige Terminabsprache. Nach Absprache mit dem Sachverständigen Dr. S. verlegte die Vorsitzende der Berufungskammer mit Verfügung vom 06.07.2023 den Termin auf den 24.10.2023.

Daraufhin bittet der Verteidiger mit Schreiben vom 17.07.2023  um Terminsverlegung. Begründung: Er habe an diesem Tag bereits Urlaub eingetragen, da er gerne seinen Geburtstag feiern möchte. Er bestätigte auf telefonische Rückfrage der Geschäftsstelle vom 18.07.2023, dass er am 24.10. unter keinen Umständen zum Termin kommen könne.

Die Staatsanwaltschaft A. verweist zum Terminsverlegungsantrag offenabr nur auf die Kommentierung zu § 213 StPO in Meyer-Goßner/Schmitt unter Randnummer 7. Der Vorsitzende lehnt die beantragte Terminsverlegung ab. Dagegen wendete sich der Verteidiger nun mit Beschwerde. Und die hat beim OLG Erfolg

Das OLG sieht die Beschwerde als zulässig an, und zwar weil einer der Ausnahmefälle vorliege, da die Ermessenausübung des LG betreffend die Ablehnung der Terminsverlegung rechtsfehlerhaft sei und eine besondere selbständige Beschwer bewirke.

Zur Begründetheit führt das OLG dann u.a. aus:

„b) Die Ablehnung der begehrten Terminsverlegung erweist sich vorliegend als ermessensfehlerhaft.

Zutreffend hat der Verteidiger bereits selbst darauf hingewiesen, dass er zwar als Verteidiger kein Recht auf vorherige Terminsabsprache hat, dass aber eine Terminsverfügung dann prozessordnungswidrig sein kann, wenn das Recht des Angeklagten auf freie Wahl des Verteidigers dadurch eingeschränkt wird, dass dieser die Termine wegen anderer Verteidigungen oder Verhinderung durch Urlaub nicht wahrnehmen kann, ohne dass er Einfluss auf die Terminsanberaumung hätte nehmen können (s.a. OLG Dresden a.a.O., Rn. 10). Dies ist vorliegend der Fall. Während die Verlegung des ursprünglich anberaumten, mit den Verfahrensbeteiligten zuvor nicht abgestimmten Termins vom 26.09.2023 wegen vorgetragenen Urlaubs des Sachverständigen ohne Weiteres vorgenommen wurde, lehnte die Vorsitzende den bereits frühzeitig vom Verteidiger gestellten und mit seinem Urlaub begründeten Antrag vom 17.07.2023 auf Verlegung des (nicht mit ihm abgestimmten) Termins vom 24.10.2023 mit Verfügung vom 27.07.2023 ohne weitere Begründung ab. Auch die Begründung in der Nichtabhilfeentscheidung trägt dem Recht der Angeklagten, durch den Verteidiger ihres Vertrauens, der sie schon seit mehreren Jahren vertritt, in der Hauptverhandlung vertreten zu werden, nicht genügend Rechnung. Das Verfahren unterliegt nicht dem besonderen Beschleunigungsgebot. Es ist nicht erkennbar und auch nicht in der Nichtabhilfeentscheidung dargetan, dass einer erneuten Terminsfindung nach dem 24.10.2023 außergewöhnliche Schwierigkeiten entgegenstehen würden. Der Verteidiger hatte bereits zum Zeitpunkt seines Terminsverlegungsantrags für den 24.10.2023 einen vollständigen Tag Urlaub geplant und in der Kanzlei eingetragen. Die Nichtabhilfeentscheidung lässt keinen nachvollziehbaren Grund erkennen, der einen Verzicht des Verteidigers auf zumindest einen halben Urlaubstag gebietet. Dabei muss es grundsätzlich zunächst dem Verteidiger überlassen bleiben, wie er seinen lange geplanten Urlaubstag verbringt und wann er mit der Feier seines Geburtstags und dem Empfang von Gratulanten beginnt.

c) Die angefochtene Verfügung ist nach alledem aufzuheben. Weil nach dem Vorstehenden nur eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, nämlich die Aufhebung des für den 24.10.2023 anberaumten Termins in Betracht kommt, kann der Senat als Beschwerdegericht diese Entscheidung auch selbst treffen (OLG Dresden a.a.O. Rn. 13)….“

Man fragt sich wirklich, was eine solche Vorgehensweise soll – und das OLG legt ja auch den Finger in die (große) Wunde: Der Terminsverlegungsantrag des Sachverständigen geht ohne Probleme durch und der Verteidigers wird ohne Begründung abgeschmettert. Das ist nicht nachvollziebar. Und die Staatsanwaltschaft als „objektivste Behörde der Welt“ (?). Die sagt dazu offebar nichts, sonder verweist nur auf eine Kommentierung, die die Entscheidung des Vorsitzenden nun wahrlich nicht trägt. Schon schlimm. Beides.

StPO I: Einspruchsbeschränkung beim Strafbefehl, oder: Ausreichende Feststellungen getroffen?

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Es ist Ostermontag, hier geht es aber heute normal weitern. Feiern war gestern. Ich stelle dann zwei StPO-Entscheidungen vor.

Ich beginne hier mit einer Entscheidun aus dem Strafbefehlsverfahren, und zwar mit dem KG, Beschl. v. 31.01.2024 – 1 ORs 1/24 – 161 Ss 3/24 – zur Frage der ausreichenden Feststellungen in einem Strafbefehl im Hinblick auf die Wirksamkeit einer Einspruchbeschränkung. Dazu führt das KG da aus, was auch für eine Berufungsbeschränkung gilt: nämlich:

„a) Entgegen der Revisionsbegründung ist das Landgericht zu Recht von einer wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen. Die Wirksamkeit der Beschränkung hat das Rechtsmittelgericht, ungeachtet dessen, in welchem Verfahrensstadium diese vorgenommen worden ist, wegen der damit verbundenen Frage der (Teil-)Rechtskraft der Entscheidung stets vom Amts wegen zu prüfen. Dabei steht nicht jeder Fehler im nicht angefochtenen Teil der Entscheidung der Wirksamkeit der Beschränkung entgegen. Vielmehr hat das Rechtsmittelgericht im. Fall eines auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsmittels die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung grundsätzlich auf der Basis des Schuldspruchs des angefochtenen Urteils vorzunehmen, auch wenn dieser auf einer rechtsfehlerhaften Subsumtion und damit unzutreffenden rechtlichen Einordnung des Tatgeschehens beruht (vgl. BGH NStZ-RR 2022, 290; Schmitt in; Meyer-Goßner/Schmitt, 66. Aufl. 2023, § 318 Rn 17a; jew. m.w.N.). Erst wenn die dem Schuldspruch im angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so dürftig sind; dass sich Art und Umfang der Schuld nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maß bestimmen lassen oder unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat, ist die Beschränkung unwirksam (vgl. BGH NStZ 2018, 367 m.w.N.).

Art und Umfang der Schuld des Angeklagten sind in dem Strafbefehl in einem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maß bestimmt.“

Außerdem hat das KG dann u.a. noch zu den erfoderlichen Feststellungen bei der gefährlichen Körperverletzung Stellung genommen, und meint zum „gefährlichen Werkzeug“

Zu der Frage der Geeignetheit eines Gegenstandes zur Verletzung von Menschen, müssen nicht ausdrücklich zur Beschaffenheit usw. Feststellungen getroffen werden, wenn sich die Geeignetjeit bereits aus der hier festgestellten Art der konkreten Verwendung ergibt.

 

beA I: Wenn ein Sozietätskollege Schriftsatz signiert, oder: Zusatz „für“ nicht erforderlich!

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Und heute am Karsamstag im „Kessel Buntes“ zwei Entscheidungen zum beA.

Zunächst hier der BGH, Beschl. v. 28.02.2024 – IX ZB 30/23. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren, in dem der Kläger von dem beklagten Rechtsanwalt als seinem früheren Prozessbevollmächtigten Schadensersatz verlangt. Das AG hat der Klage stattgegeben. Gegen das dem Beklagten am 15.02.2023 zugestellte Urteil hat dieser mit am 23.02.2023 beim LG eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Dabei legitimierte sich für den Beklagten die Rechtsanwaltssozietät G., welcher der Beklagte selbst angehört. Das LG hat die zugleich beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.032023 gewährt.

Am 15.05.2023 ist eine auf denselben Tag datierte Berufungsbegründung als elektronisches Dokument beim LG eingegangen. Der Schriftsatz schließt am Ende mit dem maschinenschriftlich eingefügten Namen des Beklagten und dem Zusatz Rechtsanwalt ab. Der Schriftsatz ist zudem mit der qualifizierten elektronischen Signatur des ebenfalls der Sozietät des Beklagten angehörenden Rechtsanwalts J. versehen, über dessen besonderes elektronisches Anwaltspostfach der Schriftsatz an das Gericht übermittelt wurde.

Das LG hat die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde. Die hatte beim BGH Erfolg. Wer mag, kann die Einzelheiten der Begründung des BGH im verlinkten Volltext nachlesen. Hier stelle ich nur den (amtlichen) Leitsatz ein, nämlich:

Signiert ein Mitglied einer mandatierten Anwaltssozietät einen Schriftsatz, den ein anderes Mitglied der Anwaltssozietät verfasst und einfach elektronisch signiert hat, in qualifiziert elektronischer Form und reicht diesen Schriftsatz über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach bei Gericht ein, ist dies wirksam. Eines klarstellenden Zusatzes („für“) bei der einfachen Signatur des Schriftsatzverfassers bedarf es nicht.