Folgender Sachverhalt: Beim OLG Düsseldorf ist gegen den Angeklagten ein Verfahren wegen des Vorwurfs der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland und der Begehung weiterer Delikte anhängig. Zum Pflichtverteidiger des seit dem 12.04.2022 in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten hatte der Ermittlungsrichter des BGH Rechtsanwalt K. bestimmt. Nachdem sich im Rahmen der Terminierung herausgestellt hatte, dass Rechtsanwalt K. lediglich an sieben der vom OLG vorgesehenen fünfzehn Hauptverhandlungstermine verfügbar ist, hat der Vorsitzende Rechtsanwalt K. entpflichtet und Rechtsanwalt Ka. zum Pflichtverteidiger bestellt. Zugleich hat er es abgelehnt, dem Angeklagten einen weiteren Pflichtverteidiger beizuordnen. Gegen diese Entscheidungen richtet sich die sofortige Beschwerde des Angeklagten. Sie hatte keinen Erfolg:
„1. Der Vorsitzende des Strafsenats hat Rechtsanwalt K. zu Recht entpflichtet.
a) Nach § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alternative 2 StPO ist die Bestellung des Pflichtverteidigers unter anderem dann aufzuheben und ein neuer Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist. Der Gesetzgeber hat damit einen in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Fall des Verteidigerwechsels normiert, der auf dem Gedanken der Sicherung einer sachgerechten Verteidigung beruht und bei dem es auf den Willen des Beschuldigten nicht ankommt (vgl. BT-Drucks. 19/13829 S. 48; LR/Jahn, StPO, 27. Aufl., § 143a Rn. 38 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 143a Rn. 24; krit. BeckOK StPO/Krawczyk, 44. Ed., § 143a Rn. 34; abl. Böhm, StV 2021, 196, 198 ff.). Insofern kann für die Frage, wann im Einzelnen das Fehlen einer angemessenen Verteidigung zu besorgen ist, auf die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2020 – StB 4/20, BGHR StPO § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Aufhebung 2 Rn. 6, 7 unter Verweis auf BT-Drucks. 19/13829 S. 48). Danach kommt nicht nur bei groben Pflichtverletzungen die Auswechslung eines beigeordneten Pflichtverteidigers in Betracht, sondern auch, wenn dieser aufgrund äußerlich veranlasster, von seinem Willen unabhängigen Umständen außerstande ist, eine angemessene Verteidigung des Angeklagten zu gewährleisten (vgl. HansOLG Hamburg, Beschluss vom 29. April 2021 – 2 Ws 36/21, juris Rn. 23). Denn der Zweck der Pflichtverteidigung besteht sowohl darin, dem Angeklagten (soweit gemäß § 140 StPO notwendig) rechtskundigen Beistand zu gewährleisten, als auch den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu sichern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. April 1975 – 2 BvR 207/75, BVerfGE 39, 238, 242).
In diesem Sinne steht die Verhinderung des Verteidigers an einem erheblichen Teil der (anberaumten oder anvisierten) Hauptverhandlungstermine einem ordnungsgemäßen Verfahrensablauf entgegen, wobei das Interesse des Angeklagten an einer Beibehaltung des bisherigen Pflichtverteidigers gegenüber dem insbesondere in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgebot unter Umständen zurücktreten muss, sodass eine Auswechslung eines bestellten, terminlich verhinderten Pflichtverteidigers im Einzelfall geboten sein kann. Auch wenn der Angeklagte in bestimmten Grenzen auf eine Verfahrensbeschleunigung verzichten können mag, darf der Fortgang einer Haftsache jedenfalls nicht erheblich verzögert werden (vgl. HansOLG Hamburg, Beschluss vom 29. April 2021 – 2 Ws 36/21, juris Rn. 25; OLG Hamm, Beschluss vom 2. März 2006 – 2 Ws 56/06, juris Rn. 10; OLG Koblenz, Beschluss vom 25. November 2014 – 2 Ws 614/14, juris Rn. 2 ff.; PfOLG Zweibrücken, Beschluss vom 31. Mai 2021 – 1 Ws 132/21, juris Rn. 16 ff.).
Dem zur Entscheidung berufenen Vorsitzenden des zuständigen Spruchkörpers kommt insoweit ein Beurteilungsspielraum zu. Die Auswechslung eines Pflichtverteidigers aufgrund terminlicher Verhinderung setzt allerdings stets voraus, dass der Vorsitzende sich mit diesem in Verbindung setzt und ernsthaft versucht, dem Anspruch des jeweiligen Angeklagten, sich von dem Verteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen, Rechnung zu tragen. Überdies darf kein gegenüber der Entpflichtung des Verteidigers milderes Mittel zur Verfügung stehen (vgl. HansOLG Hamburg, Beschluss vom 29. April 2021 – 2 Ws 36/21, juris Rn. 26 ff.).
b) Nach diesen Grundsätzen ist die Entpflichtung von Rechtsanwalt K. nicht zu beanstanden.
Diesem wäre eine Teilnahme lediglich an sieben der fünfzehn vom Oberlandesgericht in Aussicht genommenen Hauptverhandlungstermine zwischen August und November 2022 möglich. Auch die von Rechtsanwalt K. angebotenen 37 Ausweichtermine in diesem Zeitraum eignen sich nicht, seine Verhinderung an einem wesentlichen Teil der Hauptverhandlung zu beseitigen. Denn zum einen ist er bereits an sechs dieser Termine in anderer Sache als Pflichtverteidiger geladen. Zum anderen sind in einer weiteren laufenden Sache, in der Rechtsanwalt K. ebenfalls zum Pflichtverteidiger bestellt ist, zusätzliche Terminierungen im in Rede stehenden Zeitraum zu erwarten. Schließlich steht der Durchführung der Hauptverhandlung an einer Vielzahl der angebotenen Ausweichtermine eine Verhinderung des mit der Sache befassten Strafsenats, etwa durch notwendige Vorbereitungszeiten, langfristig vorgeplante Erholungsurlaube, Fortbildungsteilnahmen oder ein anderweitiges Staatsschutzverfahren entgegen.
c) Keine abweichende Beurteilung gebietet § 144 Abs. 1 StPO nF, demzufolge zur Verfahrenssicherung bis zu zwei weitere Pflichtverteidiger bestellt werden können (aA KMR/Staudinger, StPO, 98. EL, § 143a Rn. 17). Denn eine Beiordnung nach § 144 StPO hat eigenständige, in den Umständen des Falles (Schwierigkeit oder Umfang des Prozessstoffes; außergewöhnlich lange Hauptverhandlungsdauer) selbst liegende, sachliche Voraussetzungen (vgl. HansOLG Hamburg, Beschluss vom 29. April 2021 – 2 Ws 36/21, juris Rn. 36); sie dient nicht der Entlastung des weitgehend verhinderten Pflichtverteidigers, zumal – von eng begrenzten Ausnahmen abgesehen – grundsätzlich jeder Pflichtverteidiger in der Hauptverhandlung anwesend zu sein hat (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. Dezember 2015 – 2 Ws 203/15, NStZ 2016, 436, 437).
2. Der Vorsitzende des Strafsenats hat es auch zu Recht abgelehnt, gemäß § 144 Abs. 1 StPO einen weiteren Pflichtverteidiger zu bestellen.
Auf die sofortige Beschwerde gegen diese Ablehnung prüft das Beschwerdegericht, ob der Vorsitzende die Grenzen seines Beurteilungsspielraums hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm eingehalten und sein Entscheidungsermessen („können“) fehlerfrei ausgeübt hat (BGH, Beschlüsse vom 31. August 2020 – StB 23/20, BGHSt 65, 129 Rn. 15; vom 13. April 2021 – StB 12/21, NStZ-RR 2021, 179).
Daran gemessen ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden. Der Vorsitzende des Oberlandesgerichts hat unter Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen angenommen, dass zur Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens die Hinzuziehung eines weiteren Verteidigers nicht erforderlich sei. Es handele sich um einen überschaubaren Verfahrensgegenstand, dessen Bearbeitung durch einen Pflichtverteidiger gewährleistet werden könne (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2021 – StB 12/21, NStZ-RR 2021, 179). Dieser Einschätzung schließt sich der Senat an.
Dies gilt auch eingedenk des Umstandes, dass das Oberlandesgericht bei Verfahrenseröffnung seine Besetzung mit fünf Richtern gemäß § 122 Abs. 2 Satz 2 GVG beschlossen hat. Denn während die genannte Vorschrift für das Erfordernis der Mitwirkung zweier weiterer Richter allein auf „Umfang oder Schwierigkeit der Sache“ abstellt, setzt § 144 Abs. 1 StPO für die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers zusätzlich voraus, dass „Umfang oder Schwierigkeit“ die „zügige Durchführung des Verfahrens“ zu beeinträchtigen drohen.“