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KCanG I: Nochmals zur neuen „nicht geringen Menge“, oder: Alter Wein in neuen Schläuchen

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Und in die 27. Woche – die erste Juli-Woche 2024 – geht es mit KCanG-Entscheidungen.

Zunächst hier noch einmal etwas vom BGH, und zwar der BGH, Beschl. v. 24.04.2024 – 4 StR 50/24. In ihm äußert sich nun auch der 4. Strafsenat des BGH zum Grenzwert für die neue „nicht geringe Menge“:

„3. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird bei der gebotenen Prüfung, ob die Voraussetzungen eines besonders schweren Falles nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG gegeben sind, das Folgende zugrunde zu legen haben:

a) Der Grenzwert der nicht geringen Menge im Sinne der Vorschrift liegt bei 7,5 g THC. Der Senat sieht weder Anlass noch Möglichkeit, den bislang unter der Geltung des BtMG für Cannabisprodukte anerkannten Grenzwert abweichend festzusetzen (so bereits BGH, Beschluss vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24 Rn. 11 ff.; Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24; HansOLG Hamburg, Beschluss vom 9. April 2024 – 5 Ws 19/24).

aa) Der Gesetzgeber hat – nicht anders als im Bereich des Betäubungsmittelgesetzes – die Bestimmung des konkreten Wertes einer nicht geringen Menge der Rechtsprechung überlassen. Soweit er hierzu ausgeführt hat, dass dieser Wert „abhängig vom jeweiligen THC-Gehalt des Cannabis (…) aufgrund der geänderten Risikobewertung zu entwickeln“ sei, man „im Lichte der legalisierten Mengen“ an der bisherigen Definition „nicht mehr festhalten“ könne und der Grenzwert „deutlich höher“ angesetzt werden müsse (BT-Drucks. 20/8704, S. 132), kann dem zwar entnommen werden, dass dem Gesetzgeber ein höherer Grenzwert vor Augen stand, als er bisher von der Rechtsprechung unter der Geltung des BtMG für Cannabis angenommen worden ist. Der Senat vermag aber weder in tatsächlicher Hinsicht noch unter normativen Gesichtspunkten einen belastbaren Anknüpfungspunkt für eine von dem bisherigen Grenzwert abweichende Bestimmung zu finden.

bb) Bei der herkömmlichen Bestimmung des Grenzwertes der nicht geringen Menge für Cannabisprodukte hat sich der Bundesgerichtshof in tatsächlicher Hinsicht an der durchschnittlichen Konsumeinheit für einen Rauschzustand orientiert und diese gestützt vor allem auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse auf 15 Milligramm THC festgelegt. Das Vielfache der so bestimmten Konsumeinheit hat er mit der Maßzahl 500 bestimmt. Hiermit sollte die wesentlich geringere Gefährlichkeit von Cannabisprodukten im Verhältnis zu Heroin abgebildet, aber auch – angesichts der gegenüber § 29 Abs. 1 BtMG „außerordentlichen“ Verschärfung der Strafrahmen in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und insbesondere in § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG – den Unsicherheitsfaktoren bei der Bestimmung des THC-Gehalts einer durchschnittlichen Konsumeinheit Rechnung getragen werden. Auf dieser Grundlage errechnet sich die nicht geringe Menge als 500 Konsumeinheiten zu je 15 Milligramm, was 7,5 Gramm THC entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8 ff.). Dies hat der Bundesgerichtshof unter ausführlicher Auseinandersetzung mit neueren Erkenntnissen zur Gefährlichkeit von Cannabis insoweit bestätigt gesehen und am Grenzwert festgehalten (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24 Rn. 11 ff., 14; Beschluss vom 20. Dezember 1995 – 3 StR 245/95, BGHSt 42, 1 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 – 2 BvL 43/92, BVerfGE 90, 145).

Dass sich die wissenschaftlichen Grundlagen zur Einschätzung der Gefährlichkeit von Cannabis maßgeblich geändert hätten, lässt sich weder der Gesetzesbegründung entnehmen (vgl. zu den – fortbestehenden – gesundheitlichen Risiken vielmehr BT-Drucks. 20/8704, S. 68; siehe dazu auch HansOLG Hamburg, Beschluss vom 9. April 2024 – 5 Ws 19/24, juris Rn. 30) noch legen dies gutachterliche Stellungnahmen, die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens von ärztlichen Verbänden und Gesellschaften abgegeben wurden, nahe (vgl. insbesondere die Stellungnahmen der Bundesärztekammer vom 30. Oktober 2023 [BT – Ausschuss f. Gesundheit, Ausschussdrucks. 20(14)154(11)], der Bundespsychotherapeutenkammer vom 19. Oktober 2023 [Ausschussdrucks. 20(14)154(1)], des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärztinnen vom 20. Oktober 2023 [Ausschussdrucks. 20(14)154(4)], der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. vom 2. November 2023 [Ausschussdrucks. 20(14)154(30)], der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. vom 2. November 2023 [Ausschussdrucks. 20(14)154(27)] sowie die gemeinsame Stellungnahme mehrerer kinder- und jugendmedizinischer, -psychiatrischer und -psychotherapeutischer Fachverbände und -gesellschaften vom 2. November 2023 [Ausschussdrucks. 20(14)154(29)]).

cc) Auch unter normativen Gesichtspunkten bieten weder der Gesetzestext noch der den Gesetzesmaterialien entnehmbare Wille des Gesetzgebers einen Anhaltspunkt für eine abweichende Festsetzung des Grenzwertes (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24 Rn. 21). Soweit darauf abgehoben wird, dass der Erwerb von Cannabis im illegalen Handel wegen des unbekannten THC-Anteils oder möglicher „giftige(r) Beimengungen“ mit erhöhten Gesundheitsrisiken verbunden sei (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 1 und 68) und deshalb ein verantwortungsvoller Umgang mit Cannabis auf der Grundlage eines (mengenlimitierten) Eigenanbaus oder eines nicht gewerblichen gemeinschaftlichen Anbaus mit kontrollierter Weitergabe erleichtert werden solle, kann dem lediglich ein Strategiewechsel in Bezug auf den angestrebten Schutz der Volksgesundheit vor den Gefahren des Cannabiskonsums entnommen werden.

Vor diesem Hintergrund haben auch die den Eigenanbau rechtlich erst ermöglichenden und auf Rohmengen oder Pflanzenzahlen bezogenen Besitz- und Anbauerlaubnisse in § 3 Abs. 1 und 2 sowie § 9 Abs. 1 KCanG keine weitergehende Aussagekraft. Die sich daraus ergebenden sog. legalisierten Mengen sind unabhängig von ihrem THC-Anteil. Zugleich wird der Umgang mit ihnen – über die mengenmäßige Limitierung hinaus – weiter in personaler (Volljährigkeit) und sachlicher Hinsicht (Eigenkonsum, räumliche Beschränkungen, partielle Konsumverbote, Schutzmaßnahmengebote etc.) eingegrenzt, wobei diese Einhegungen partiell in einer Abhängigkeit zur Mengendefinition stehen (vgl. § 3 Abs. 1 und 2 KCanG). Normative Anknüpfungspunkte für die Bewertung von Cannabis, das diesem Schutzregime entzogen worden ist, weil es zum Beispiel nicht für den Eigenkonsum angebaut (§ 34 Abs. 1 Nr. 2 b) KCanG) oder illegal weitergegeben wurde (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, 7, 8, 9 und 10 KCanG), enthalten sie nicht (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24 Rn. 19; Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24 Rn. 21; HansOLG Hamburg, Beschluss vom 9. April 2024 – 5 Ws 19/24, juris Rn. 28 ff.). Dies gilt im Ergebnis auch für den – hier vorliegenden – Anbau zum Eigenkonsum, der allein die dafür vorgesehenen Umfangs- und Mengenvorgaben verletzt. Angesichts der eindeutigen gesetzlichen Vorgabe, wonach ersichtlich eine nicht geringe Menge zu bestimmen ist, bleibt für die Annahme einer insoweit abweichenden Definition, etwa im Sinne einer Bestimmung anhand der Bruttomenge (vgl. dazu Sobota, NJW 2024, 1217 Rn. 12 ff.), kein Raum.

b) Bei der Prüfung, ob und in welchem Maß sich die Tathandlung auf eine in diesem Sinn nicht geringe Menge bezogen hat, wird – ebenso wie in den weiteren Fällen des straffreien Umgangs mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 12 KCanG) – derjenige Teil der Gesamtmenge, mit dem der jeweilige Umgang straffrei wäre, außer Betracht zu bleiben haben und erst die die Grenze zur Strafbarkeit überschreitende Stoffmenge daraufhin zu untersuchen sein, ob und inwieweit sie ihrem Wirkstoffgehalt nach den Grenzwert von 7,5 g THC erreicht bzw. überstiegen hat.

Dieses Verständnis des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG ergibt sich zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut der Norm, denn dieser lässt offen, ob unter der auf eine nicht geringe Menge bezogenen „Handlung“ das gesamte Verhalten des Straftäters oder lediglich derjenige Teil desselben zu verstehen ist, durch das er die Schwelle zur Strafbarkeit überschreitet (also beispielsweise das Einpflanzen von vier Setzlingen oder nur das die Straftat begründende Einpflanzen des vierten). Auch der Gesetzesbegründung ist eine eindeutige Aussage dazu, ob die in § 34 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 a) und Nr. 12 KCanG genannten Stoffgewichte bzw. Pflanzenmengen gleichsam strafrechtliche Freibeträge oder lediglich strafrechtliche Freigrenzen darstellen, nicht zu entnehmen. Allerdings dürften die Ausführungen in der Gesetzesbegründung zu § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG (BT-Drucks. 20/8704, S. 132) hier eher für Ersteres sprechen, wenigstens aber dafür, dass diejenigen Mengen, die selbst einem verwaltungsrechtlichen Verbot nicht unterliegen, bei der Prüfung der nicht geringen Menge unberücksichtigt zu bleiben haben. Denn dort wird der Zweck der Strafrahmenerhöhung mit den Risiken gerade des illegalen Umgangs mit nicht geringen Mengen erklärt.

Maßgeblich gegen die Auslegung des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG als bloße Freigrenze – bei der jegliche Bruttomenge, die die Werte des straffreien Besitzes, Anbaus, Erwerbs oder der Entgegennahme überschreitet, als Ganzes der Prüfung auf einen die Voraussetzungen des besonders schweren Falles erfüllenden Wirkstoffgehalt unterläge – sprechen aber Systematik und Zweck der Norm. Die in ihr geregelten Höchstmengen straffreien Umgangs mit Cannabis sind jeweils durch eine Bruttomenge an Pflanzen oder ein Bruttogewicht an Pflanzenmaterial definiert. Demgegenüber bestimmt sich die nicht geringe Menge – wie ausgeführt – nach dem Wirkstoffgehalt (so auch BT-Drucks. 20/8704, S. 132). Wären die Teilmengen, mit denen der jeweilige Umgang straffrei ist, bei der Ermittlung der nicht geringen Menge im Sinne des Regelbeispiels nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG mit zu berücksichtigen, so könnte diese gesetzliche Regelungstechnik dazu führen, dass bereits eine äußerst geringfügige Überschreitung der straffreien Bruttostoffmenge das Regelbeispiel eröffnen würde. Besäße beispielsweise jemand 61 g Haschisch mit einem THC-Gehalt von 20 % (vgl. zur Entwicklung der durchschnittlichen Wirkstoffgehalte von Cannabis-Produkten Patzak/Dahlenburg, NStZ 2022, 146, 147) in seiner Wohnung, so wäre regelmäßig ein besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 b) KCanG gegeben, wohingegen der Besitz einer um ein Gramm geringeren Menge straflos und einer um 11 g geringeren Menge trotz jeweils deutlichen Überschreitens eines Wirkstoffgewichts von 7,5 g THC sogar erlaubt wäre. Mit dem in der Gesetzesbegründung niedergelegten Zweck der Strafrahmenerhöhung, den – besonderen – Gefahren des illegalen Umgangs mit nicht geringen Mengen an THC zu begegnen, wäre dies kaum zu vereinbaren.

Zwar liegt es im Wesen jedes rechtlichen Grenzwerts, dass selbst ein für sich genommen geringes Maß an Überschreitung desselben die hieran geknüpften Rechtsfolgen auslösen kann. Auch erscheint nach dem Regelungskonzept des Konsumcannabisgesetzes zwingend, dass die Grenze zwischen dem straflosen und dem strafbaren Umgang mit Cannabis allein von der Bruttomenge abhängt. Dies und die Konsequenz hieraus, dass deshalb der Besitz einer größeren Wirkstoffmenge straffrei sein kann, während – bei größerem Bruttogewicht – derjenige einer kleineren Wirkstoffmenge die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 KCanG erfüllen und damit (nach dem Normalstrafrahmen) strafbar sein kann, ist allerdings ersichtlich dem Umstand geschuldet, dass Wirkstoffgehalte für die Normadressaten nicht ohne weiteres erkennbar sind und daher als Orientierungsgröße wenig geeignet wären. Es ändert freilich nichts daran, dass es systemwidrig erschiene, könnte auch das – im Gegensatz zu der Strafbarkeitsschwelle des § 34 Abs. 1 KCanG – an die besondere Gefährlichkeit hoher Wirkstoffmengen anknüpfende Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG schon durch eine unter diesem Gesichtspunkt unerhebliche Differenz zu einer nicht strafbewehrten Besitzmenge (also beispielsweise 12 g THC bei 60 g Bruttostoffmenge und 12,2 g THC bei 61 g) eröffnet werden.

Hinzu kommt, dass auch die Begrifflichkeit des besonders schweren Falles gegen eine Auslegung spricht, in deren Folge schon bei durchschnittlichen Wirkstoffgehalten und nur ganz geringfügig oberhalb der Strafbarkeitsgrenze liegender Bruttomenge nicht mehr der Normalstrafrahmen, sondern regelmäßig der erhöhte Strafrahmen des § 34 Abs. 3 KCanG heranzuziehen wäre. Dies wäre aber jedenfalls in Teilen der in Frage kommenden Sachverhaltskonstellationen der Fall, würde man bei der Bestimmung der nicht geringen Menge die gesamte Stoffmenge und nicht lediglich den die straffreie Menge übersteigenden Anteil betrachten: Bei durchschnittlichen Wirkstoffgehalten von über 13 % (Cannabisblüten) und über 20 % (Haschisch) (vgl. Patzak/Dahlenburg, aaO) würde etwa in Fällen des durch Besitz dieser Cannabisprodukte verwirklichten Straftatbestandes des § 34 Abs. 1 Nr. 1 b) KCanG Raum für den Normalstrafrahmen nur noch in Fällen deutlich unterdurchschnittlicher Qualität der Bezugsobjekte bleiben (vgl. zum Erfordernis eines verbleibenden Anwendungsbereichs des Normalstrafrahmens – dort betreffend einen Fall von zur Veräußerung bestimmtem Cannabis – auch BGH, Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24 Rn. 19).

Weiter bestärkt wird diese gesetzessystematische Erwägung durch die Vorschrift des § 35a KCanG. Nach dieser kann die Staatsanwaltschaft unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen von der Verfolgung von Vergehen nach § 34 Abs. 1, 2 oder 5 KCanG absehen (bzw. das Gericht das Verfahren einstellen), wenn der Täter nur zum Eigenverbrauch Cannabis in geringer Menge anbaut oder eine der weiteren aufgezählten Tathandlungen begeht. Da hiervon die Fälle, in denen straflose Cannabismengen geregelt sind (§ 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 a) u. 12 KCanG), nicht ausgenommen, sondern Anbau, Erwerb und Besitz sogar ausdrücklich erwähnt sind, kommt eine Auslegung, die der Vorschrift des § 35a KCanG in diesen Fällen ihren Anwendungsbereich wenigstens weitgehend nehmen würde, nicht in Betracht. So läge es aber, müsste die straffreie Menge mitgerechnet werden, sobald sie (auch nur geringfügig) überschritten ist. Denn dann wäre, wie ausgeführt, vielfach bereits eine nicht geringe Menge oder jedenfalls eine dieser nahekommende Gesamtmenge erreicht, was die Annahme einer geringen Menge im Sinne des § 35a KCanG ausschließen oder jedenfalls fernlegen würde.

4. Hiervon ausgehend wird das neue Tatgericht für die Wahl des Strafrahmens im vorliegenden Fall drei der Cannabispflanzen von der Gesamtmenge in Abzug bringen müssen. Da die Straffreiheit des Anbaus von nicht mehr als drei Pflanzen unabhängig von deren Wirkstoffgehalt ist, wird es hierfür zugunsten des Angeklagten gegebenenfalls diejenigen Pflanzen mit dem höchsten (aktuellen) THC-Gehalt auszuwählen und für die Prüfung der nicht geringen Menge allein die übrigen 49 Pflanzen in den Blick zu nehmen haben. Wie bereits im Anwendungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes wird insoweit nötigenfalls auf eine Schätzung zurückgegriffen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2021 – 3 StR 53/21, NStZ 2023, 46, 47 mwN), etwa durch Zugrundelegung des aus der festgestellten Gesamtzahl der Pflanzen und der festgestellten Gesamtwirkstoffmasse zu ermittelnden durchschnittlichen Wirkstoffgehalts je Pflanze für jede der drei Pflanzen unter Hinzurechnung jeweils eines angemessenen Sicherheitsaufschlags, der dem Gedanken Rechnung trägt, dass gerade die drei wirkstoffreichsten Pflanzen abzuziehen sind.“

Also: Wie gehabt. Nichts Neues aus Karlsruhe. Hätte mich inzwischen auch gewundert.

Neuigkeiten zum CanG/KCanG III: Einziehung, oder: Überschreiten der erlaubten nicht geringen Menge

entnommen wikimedia.org
Author H. Zell

Und dann habe ich hier noch eine Entscheidung zur Einziehung, und zwar den AG Bautzen, Beschl. v. 27.05.2024 – 47 Gs 409/24. In ihm geht es um den Umfang dr Einziehung (von Cannabispflanzen) bei Überschreitung der nicht geringen Menge.

Folgender Sachverhalt:

„Kurz vor dem 12.5.2024 baute der über 18 Jahre alte Beschuldigte in seiner Wohnung auf dem Anwesen pp..straße 21 in pp. vier weibliche Cannabispflanzen zum Eigenkonsum an, welche am 12.5.2024 in einem eigens dafür errichteten Anbauzelt in der Wohnung jeweils in einem Gefäß aufbewahrt wurden. Daneben bewahrte der Beschuldigte 47,494g Cannabisblüten in zwei Gläsern in einem Küchenschrank auf. Sowohl die vier Pflanzen als auch die beiden Gefäße mit den Cannabisblüten wurden durch die Polizei sichergestellt. Dem Beschuldigten war bewusst, dass er für den Anbau von mehr als 3 Cannabispflanzen eine Erlaubnis hatte.

Diese Handlungen strafbar als unerlaubter Anbau von Cannabis gemäß §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, 34 Abs. 1 Nr. 2a, 37 KCanG, 74 StGB.

Der Beschuldigte hat die Herausgabe sämtlicher von der Polizei sichergestellten im Tenor bezeichneten Gegenstände verlangt.“

Dazu sagt das AG:

„1. Die Beschlagnahme war nach §§ 94, 98 Abs. 2 i.V.m. § 111b, 111c, 111j Abs. 2 StPO für eine Cannabispflanze richterlich zu bestätigen, da die (vierte) Cannabispflanze nebst Pflanztopf sowohl als Beweismittel dient, als auch der späteren Einziehung im Hauptverfahren nach § 37 KCanG, § 74 StGB unterliegt.

Die angeordnete Maßnahme steht auch im angemessenen Verhältnis zur Schwere der Tat sowie zur Stärke des Tatverdachtes und ist für die weiteren Ermittlungen und die Sicherung der Durchführung des Verfahrens notwendig.

2. Der weitergehende Antrag der Staatsanwaltschaft auf richterliche Bestätigung der Beschlagnahme der sichergestellten drei weiteren Cannabispflanzen und der beiden Glasbehälter mit den Cannabisblüten war indes abzulehnen, da keine gesetzliche Grundlage für diesen Eingriff in die nach Art. 2 Abs. 1, Art. 14 GG geschützten Freiheiten besteht.

a) Beschlagnahme als Einziehungsgegenstand:

Nach der mit dem CanG getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung zur Neuausrichtung im Umgang mit Cannabis sind in gewissen Grenzen unter anderem Besitz und Anbau von Cannabis erlaubt. Damit einhergehend stehen diese erlaubten Tätigkeiten auch nicht (mehr) unter Strafe. Konkret ist nach § 3 Abs. 2 Satz 1 KCanG der Besitz von bis zu 50 g Cannabis am Wohnsitz (Buchst. a) und der Besitz von bis zu drei lebenden Cannabispflanzen (Buchst. b) erlaubt. Das Additionsverbot von § 3 Abs. 2 Satz 2 KCanG erfasst nicht die Gegenstände und Mengen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a und b KCanG.

Anders als die Staatsanwaltschaft ist das Gericht nicht der Auffassung, dass sich die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat des unerlaubten Anbaus von Cannabis auf alle vier lebenden Cannabispflanzen bezieht und damit alle vier Pflanzen der Beschlagnahme (zur Sicherung der späteren Einziehung) unterliegen. Der Anbau von bis zu drei Cannabispflanzen gleichzeitig zum Eigenkonsum ist nicht nur gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 2 KCanG straflos, sondern nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG gesetzlich erlaubt. Die in diesem Rahmen erlaubte Tätigkeit wird nicht dadurch insgesamt zur unerlaubten Tätigkeit, da die erlaubte Menge (hier um eine lebende Cannabispflanze) überschritten wird. Eine derartige Auslegung wäre nach Auffassung des Gerichts contra legem. Gleiches gilt im Ergebnis beim Zusammentreffen des Besitzes der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG erlaubten Menge mit dem gleichzeitigen Anbau von bis zu drei lebenden Cannabispflanzen zum Eigenkonsum, da das Additionsverbot insoweit nicht eingreift.

Das Gericht ist sich durchaus bewusst, dass dies im Ergebnis dazu führen dürfte, dass die Ermittlungsbehörden die erlaubten Mengen Cannabis abwägen bzw. abzählen und beim Beschuldigten belassen oder an zurückgeben werden müssen.

b) Beschlagnahme als Beweisgegenstand:

Eine Beschlagnahme der drei weiteren Cannabispflanzen und der 47,494g Cannabisblüten nach §§ 94, 98 Abs. 2 StPO als Beweisgegenstand kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Staatsanwaltschaft hat bereits nicht vorgetragen, zu welchen Beweiszwecken diese Gegenstände im Strafverfahren Verwendung finden sollen. Es zeigt sich auch nicht als erforderlich, die Gegenstände als potentielle Beweismittel vorerst im staatlichen Gewahrsam zu belassen. Denn eine fotografische Sicherung der Gegenstände ist erfolgt. Nach den Ausführungen der Mitbeschuldigten besteht auch kein Zweifel daran, dass es sich jeweils um Cannabis bzw. Cannabispflanzen handelt. Auch hat der Beschuldigte dies dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er „sein Cannabis“ zurückgefordert hat.

c) Nicht geringe Menge:

Eine Beschlagnahme zu Beweiszwecken käme uneingeschränkt für alle Gegenstände dann in Betracht, wenn sich der Verdacht bestehen würde, dass der Beschuldigte eine nicht geringe Menge (§ 34 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 4 KCanG) besessen und angebaut hat. Ausgehend von der aktuellen Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 18.04.2024 – 1StR 106/24) liegt die nicht geringe Menge weiterhin bei 7,5 g THC. Die sichergestellte Menge erlaubt jedoch unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen THC-Gehalts von 10 % nicht den Schluss, dass die nicht geringe Menge vorliegend überschritten wurde. Einer solcher Verdachtsrichtung geht auch die Staatsanwaltschaft nicht nach.

Es kommt daher insoweit auch nicht auf die Frage an, ob im Falle einer nicht geringen Menge die gesamte Menge der Einziehung nach § 37 KCanG i.V.m. § 74 StGB und damit einer vorläufigen Beschlagnahme als potentieller Einziehungsgegenstand unterliegen würde oder ob die Einziehung sich nicht auf die Cannabisgegenstände beziehen kann, die keine nicht geringe Menge sind und deren Gewicht bzw. Zahl unterhalb der Freigrenzen nach § 3 Abs. 1 und 2 KCanG liegen.“

Neuigkeiten zum CanG/KCanG II: Strafzumessung u.a.: Neue Strafe, Gesamtstrafen(bildung), Mischfall

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Im zweiten Posting dann drei Entscheidungen zur Neubemessung/Neubewertung „alter“ Strafen. Auch insoweit stelle ich nur die Leitsätze der Entscheidungen vor. Rest dann bitte selbst lesen:

Im Cannabisgesetz ist gemäß Art. 316p, Art. 313 EGStGB eine über den Erlass von nicht vollstreckten Strafen für nach neuem Recht nicht mehr strafbares Verhalten hinausreichende Amnestieregelung nicht vorgesehen. Insoweit kommt auch eine Neubewertung bereits rechtskräftig verhängter Strafen wegen nach neuem Recht ebenfalls strafbarer Tathandlungen nicht in Betracht.

Bei einer Gesamtstrafenbildung nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes sind Einzelstrafen wegen Taten, die nach neuem Recht weder strafbar noch mit Geldbuße bedroht sind, nicht einzubeziehen, da sie gem. Art. 313 Abs. 1 S. 1 EGStGB als erlassen gelten.

Art. 313 Abs. 3 EGStGB erfasst nicht sog. „BtM-Mischfälle“, in denen neben Cannabis auch andere Betäubungsmittel besessen wurden.

 

 

Neuigkeiten zum CanG/KCanG I: Verfahrensrecht, oder: Wirksamkeit einer „alten“ Berufungsbeschränkung

Heu

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te gibt es hier dann „Neuigkeiten“ zum KCanG, also neue Entscheidungen. Da haben sich ein paar angesammelt, so dass es für einen ganzen Tag reicht.

Ich beginne mit einer verfahrensrechtlichen Problematik, nämlich der Frage nach der Wirksamkeit der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch und Schuldspruchänderung  bei Delikten mit Cannabis nach Inkrafttreten des CanG. Dazu gibt es zwei unterschiedliche OLG-Entscheidungen, von denen ich hier nur die Leitsätze vorstelle, und zwar.

1. Die Beschränkung eines Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch kann dann keinen Bestand haben, wenn es sich bei dem angewendeten Gesetz um eine nichtige oder – wie seit Inkrafttreten des CanG für Delikte mit Cannabis – nicht mehr geltende Strafvorschrift handelt. Das Revisionsgericht trifft gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO Verpflichtung und Befugnis, bei seiner Prüfung das erst im Laufe des Revisionsverfahrens in Kraft getretene (mildere) Recht anzuwenden. Dies führt dazu, dass die eingetretene Rechtskraft des Schuldspruchs zu durchbrechen ist.

2. Stellt das Revisionsgericht fest, dass die Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil nicht wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt war, kann es den Schuldspruch selbst ändern, wenn zweifelsfrei feststeht, dass das Berufungsgericht denselben Sachverhalt wie das Amtsgericht festgestellt hätte. Das ist vorliegend der Fall, denn die Feststellungen des Berufungsgerichts lassen die Erfüllung aller tatbestandlichen Voraussetzungen sowohl des damals maßgeblichen § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG als auch des nun anzuwendenden § 34 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) KCanG lückenlos erkennen.

1. Beim Handeltreiben mit Cannabis steht der Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung auf den Strafausspruch nicht das zwischenzeitliche Inkrafttreten des Cannabisgesetzes entgegen, wenn die Tat auch nach neuem Recht strafbar ist (entgegen BayObLG).

2. Bei der rechtlichen Beurteilung durch das Berufungsgericht findet jedoch § 354a StPO entsprechende Anwendung.

3. Bezüglich des Handeltreibens mit Cannabis sind die Regelungen im Konsumcannabisgesetz gegenüber den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes regelmäßig das mildere Gesetz im Sinn des § 2 Abs. 3 StGB.

 

Bewährung II: 2/3-Aussetzung ohne Einwilligung?, oder: Ohne Einwilligung des Verurteilten geht es nicht

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Und als zweite Entscheidung dann etwas aus dem Verfahren zur Reststrafenaussetzung, nämlich Aussetzung der Reststrafe ohne Einwilligung des Verurteilten. Das OLG Hamm sagt im OLG Hamm, Beschl. v. 02.05.2024 – 3 Ws 174/24: Ohne Einwilligung geht es nicht:

„Mit Beschluss vom 27. Februar 2024 hat die Strafvollstreckungskammer die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung und Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe angeordnet sowie weitere Regelungen für die Bewährung getroffen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde. Nach Mitteilung der JVA X ist der Verurteilte mit einer Bewährungsaussetzung nicht einverstanden. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und eine Bewährungsaussetzung abzulehnen.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Sie ist gem. §§ 454 Abs. 1, Abs. 3 StPO, 57 Abs. 1 StGB statthaft. Sie ist auch rechtzeitig innerhalb der Wochenfrist gem. § 311 Abs. 2 StPO eingelegt worden. Nach Auskunft der JVA X ist die angefochtene Entscheidung dem Verurteilten am 11. März 2024 zum Zweck der Zustellung ausgehändigt worden; an selben Tag ist seine Beschwerdeschrift beim Landgericht eingegangen.

Der Verurteilte ist durch die angefochtene Entscheidung auch beschwert. Gem. § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB setzt eine Aussetzung des Strafrests die Einwilligung des Verurteilten voraus. Deshalb ist anerkannt, dass eine Aussetzung ohne Einwilligung die verurteilte Person beschwert (OLG Celle, Beschluss vom 22. August 1977, 3 Ws 234/77, JR 1977, S. 337 f. mit zust. Anmerkung Stree; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage 2023, § 454, Rn. 44; Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 57, Rn. 20e). So verhält es sich im hier zu entscheidenden Fall: Mit Fax vom 11. März 2024 hat die JVA X eine schriftliche Erklärung des Verurteilten vom 7. Februar 2024 vorgelegt, nach der er auf seine vorzeitige Entlassung „verzichte“.

2. Aus den genannten Gründen hat das Rechtsmittel auch in der Sache Erfolg. Nachdem der Verurteilte mit einer bedingten Entlassung nicht einverstanden ist, sind die Voraussetzungen für eine Bewährungsaussetzung nicht erfüllt. Dies ist nach Auskunft der JVA Grund für die Rechtsmitteleinlegung des Verurteilten. Hinweise darauf, dass er es sich inzwischen anders überlegt hat, bestehen nicht.“

Auch nichts Neues, sonder nur Bestätigung der bekannten Rechtsprechung.