Archiv für den Monat: Juni 2014

Versagung von PKH – Beschwerde des Nebenklägers zulässig?

ParagrafenNach § 397a Abs. 3 Satz 3 StPO a.F. waren Entscheidungen über die Prozesskostenhilfe beim Nebenkläger unanfechtbar. Was häufig übersehen wird. Diese Regelung ist durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) vom 26.06.2013 (BGBl. I, S. 1805) mit Wirkung vom 01. 09.2013 aufgehoben worden. Damit sind Beschwerden des Nebenklägers in diesem bereich zulässig. Darauf weist ausdrücklich der KG, Beschl. v. 06.03.2014 – 2 Ws 88/14 – hin. Danach war die Beschwerde der Nebenklägerin zwar zulässig, aber: Sie hatte in der Sache keinen Erfolg, und zwar:

„Es entspricht der überwiegenden Auffassung in der Literatur und Rechtsprechung (vgl. Lutz Meyer-Goßner, StPO 56. Auflage, § 397a Rdnr. 9 m.w.N.), dass in Fällen, in denen sich das Rechtsmittel des Angeklagten nur gegen den Strafausspruch richtet, in der Regel dem Nebenkläger keine Prozesskostenhilfe gewährt wird. Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte seine Berufung nicht nur allgemein auf den Strafausspruch, sondern konkret auf die Tagessatzhöhe der verhängten Geldstrafe und die Höhe des im Adhäsionsverfahren verhängten Schmerzensgeldes beschränkt, soweit es 1.300,00 Euro übersteigt. Gegenstand der Berufungsverhandlung wird daher lediglich die Frage sein, ob die Tagessatzhöhe und die Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes mit den derzeitigen Einkommensverhältnissen des Angeklagten vereinbar sind. Da darüber hinausgehende Fragen der Strafzumessung, insbesondere die Anzahl der Tagessätze nicht Gegenstand des Rechtsmittels und damit auch nicht Gegenstand der Erörterung in der Berufungshauptverhandlung sind, ist nicht ersichtlich, warum die Beschwerdeführerin ihre Interessen nicht selbst wahrnehmen kann oder ihr dies nicht zuzumuten ist, selbst wenn aufgrund der erheblichen Verletzungen, die die Beschwerdeführerin erlitten hat, von einer psychischen Betroffenheit durch die Tat auszugehen ist.“

Beides sollte man bedenken.

Nebenklage im JGG-Verfahren – geht das?

© froxx - Fotolia.com

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Nebenklage im JGG-Verfahren, geht das? Nun, das geht, nach § 80 Abs. 3 JGG aber nur in bestimmten Ausnahmefällen – i.d.R. bei bestimmten Verbrechen, nicht aber bei Vergehen. So weit, so gut. Es stellt sind dann aber die nächste Frage: Was ist in Verfahren gegen mehrere Beschuldigte, von denen zumindest (nur) einer Jugendlicher ist. Ist dann die Nebenklage, wenn die Anklage nur Vergehen zum Gegenstand hat, auch gegen mitangeklagte Heranwachsende oder Erwachsene jedenfalls dann ausgeschlossen?

Mit der Frage befasst sich der AG Ebersberg, Beschl. v. 07.05.2014 – 3 Ls 24 Js 3529/13 jug (2). Das AG hat sie bejaht.

In den §§ 79 ff JGG hat der Gesetzgeber den Ausschluss von Vorschriften des allgemeinen Verfahrensrechts für das Jugendgerichtsverfahren ausdrücklich geregelt und in § 80 Abs. 3 JGG n.F. die Nebenklage mit Ausnahme von Verbrechen nach wie als unzulässig ausgeschlossen. Anders als § 48 Abs. 3 JGG, der für Verfahren, in denen Heranwachsende oder Erwachsene mitangeklagt sind – in Abweichung vom Grundsatz der Nichtöffentlichkeit in Verfahren gegen Jugendliche – die Öffentlichkeit der Verhandlung vorsieht, trifft § 80 JGG eine vergleichbare Ausnahmeregelung nicht. Deshalb ist in Verfahren gegen mehrere Beschuldigte, von denen zumindest einer Jugendlicher ist, die Nebenklage auch gegen mitangeklagte Heranwachsende oder Erwachsene ausgeschlossen, jedenfalls wenn die Anklage Vergehen zum Gegenstand hat (vgl. Eisenberg, JGG, 12. Aufl., § 80 Rn. 13).

Hätte der Gesetzgeber eine andere Regelung gewollt, hätte er sie bei Neufassung des § 80 Abs. 3 JGG zweifelsohne getroffen. Die hier im Streit stehende Konstellation hat er aber erkennbar nicht geändert, was die Annahme rechtfertigt, dass der Gesetzgeber an der Regelung des § 80 Abs.3 JGG a. F. – dass die Nebenklage bei weniger schwerwiegenden Straftaten Jugendlicher (Vergehen) unzulässig ist – festhalten wollte….“

(Akten)Einsicht im Bußgeldverfahren – die Hürden in der Rechtsbeschwerde sind (zu) hoch

© M. Schuppich - Fotolia.com

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Nachdem die mit der (Akten)Einsicht im Bußgeldverfahren zusammenhängenden Fragen Rechtsprechung und Literatur – und auch dieses Blog 🙂 – lange beschäftigt haben, ist seit einiger Zeit einigermaßen Ruhe eingekehrt. Nur vereinzelt gibt es noch Entscheidungen, meist dann von den OLG, die sich mit Rechtsbeschwerdefragen befassen. So dann jetzt vor kurzem z.B. der OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.05.2014, 1 Ss (OWi) 34/14, der – wie andere OLG auch – die Hürden hoch legt. M.E. zu hoch, aber da nutzt das Lamentieren nicht, man muss als Verteidiger die Rechtsprechung der OLG kennen und umsetzen. Hier dann die Leitsätze der Entscheidung:

„1. Wird einem Betroffenen vom Tatrichter die Einsicht in die Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgeräts versagt, ist im Rechtsbeschwerdeverfahren regelmäßig vorzutragen, welche Tatsachen sich aus der Bedienungsanleitung hätten ableiten lassen und welche Konsequenzen sich für die Verteidigung hieraus ergeben hätten (§ 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO).

2. Sofern eine konkrete Benennung dieser Tatsachen mangels Zugriffs auf die Bedienungsanleitung nicht möglich ist, muss sich der Rechtsbeschwerdebegründung jedenfalls entnehmen lassen, welche Anstrengungen der Verteidiger bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge (= Rechtsbeschwerdebegründungsfrist) unternommen hat, um sich Einsicht in die Bedienungsanleitung zu verschaffen (Anschluss: OLG Celle, Beschluss vom 28.03.2013, 311 SsRs 9/13, zfs 2013, 412; OLG Celle, Beschluss vom 10.06.2013, 311 SsRs 98/13, zfs 2013, 652).“

Fahrspurbenutzungsverbot -ja, Geschwindigkeitsüberschreitung – nein, ggf. aber doch Fahrverbot?

© lassedesignen - Fotolia.com

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Wir kennen die Situation alle: Meist ist es eine BAB mit mehreren Fahrspuren, für die über eine Schilderbrücke unterschiedliche Geschwindigkeiten geschaltet werden können. So auch in einem OWi-Verfahren, das dann seinen Weg zum OLG Braunschweig gefunden hat. Da war bei einer dreispurigen Fahrbahn die zulässige Geschwindigkeit zur Tatzeit auf dem linken Fahrstreifen von drei Fahrstreifen durch Verkehrszeichen 274 auf 60 km/h. Über der mittleren und der rechten Fahrspur zeigte die Brücke hingegen „rote gekreuzte Schrägbalken“. Der Betroffene fuhr auf der mittleren Spur mit einer über 60 km/h liegenden Geschwindigkeit. Ergebnis: Bußgeldverfahren und Verurteilung nicht nur wegen des Verstoßes gegen das Fahrstreifenbenutzungsverbotes sondern auch wegen Geschwindigkeitsüberschreitung. Der OLG Braunschweig, Beschl. v. 27.05.2014 – 1 Ss (OWi) 26/14 – hebt wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung auf:

„Dem Betroffenen ist neben dem nach §§ 24 Abs. 1 StVG, 49 Abs.3 S. 2 StVO bußgeldbewehrten Verstoß gegen das Fahrstreifenbenutzungsverbot des § 37 Abs. 3 S. 2 StVO kein Verstoß gegen §§ 24 Abs. 1 StVG, 41 Abs. 1 StVO i. V. m. Zeichen 274 der Anlage 2 vorzuwerfen, weil auf der mittleren Fahrspur, die der Betroffene nach den Urteilsfeststellungen benutzte, keine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h angeordnet war. Das Verkehrszeichen 274 bezog sich, wie dies den VwV zu § 41 (dort Rn. 3) entspricht, ausdrücklich nur auf den linken Fahrstreifen.

Diese Bewertung des Senats beruht auf dem Analogieverbot (vgl. hierzu: Gürtler in Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 3 Rn. 6) und führt nicht zu Verfolgungslücken. Vielmehr ist der Bußgeldrahmen bei einem Verstoß gegen das Fahrstreifenbenutzungsverbot ebenfalls § 24 Abs. 2 StVG (bei fahrlässiger Begehung gemindert nach § 17 Abs. 2 OWiG) zu entnehmen, so dass die jeweiligen Betroffenen, denen ein Verstoß gegen §§ 24 Abs. 1 StVG, 49 Abs.3 S. 2 StVO, § 37 Abs. 3 S. 2 StVO vorzuwerfen ist, mindestens ebenso hart bestraft werden können wie jene, die wegen Geschwindigkeitsüberschreitung zu verurteilen sind. § 25 StVG ermöglicht zudem, allein wegen eines Verstoßes gegen §§ 24 Abs. 1 StVG, 49 Abs.3 S. 2 StVO, § 37 Abs. 3 S. 2 StVO ein Fahrverbot zu verhängen.

Die Annahme einer Geschwindigkeitsbeschränkung für den mittleren Fahrstreifen ergibt sich insbesondere auch nicht aus einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 6. Mai 1981 (4 StR 530/79, juris). Durch diesen Beschluss ist zwar die Standspur, deren Benutzung ebenfalls regelmäßig verboten ist, der Fahrbahn zugeordnet (Rn. 9 ff.) und klargestellt worden, dass das Zeichen 274 auch auf diesem gilt (Rn. 21). Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs greift aber deshalb nicht ein, weil die Geschwindigkeitsbegrenzung durch Zeichen 274 vorliegend nur eingeschränkt, nämlich speziell für die linke Fahrspur, angeordnet wurde.“

Den (deutlichen) Hinweis wegen des Fahrverbotes wird der Verteidiger nicht gern gelesen haben. Allerdings wird das AG, wenn es denn ein Fahrverbot verhängen will, das, da es kein Regelfall ist, eingehend begründen müssen.

Das Sommerloch, mal wieder gefüllt vom Fahrverbot als Nebenstrafe

© sashpictures - Fotolia.com

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Es ist Sommer. Jetzt – endlich – nicht nur auf dem Kalender, sondern auch bei den Politikern. Warum? Nun, mit schöner Regelmäßigkeit tauchen nämlich im Sommer immer die Meldungen auf zum Fahrverbot als Neben-/Hauptstrafe. Früher war es der niedersächsische Justizminister Busemann (vgl. u.a. hier: Die Sommerlochfüller sind am Werk, oder: Alle Jahre/Monate wieder) nun scheint der  derzeitige Kollege aus NRW den Posten übernommen zu haben. Das Handelsblatt meldet (vgl. hier): „Fahrverbot für Steuersünder? Kreative Strafen für Steuersünder: NRW-Justizminister Thomas Kutschaty hält Geldbußen bei reichen Tätern für nicht effektiv genug. Deswegen fordert er, Steuerhinterziehern für einige Zeit den Führerschein abzunehmen.“ Näheres beim Handelsblatt, natürlich mit dem schönen Klischee: „Wenn der Zahnarzt sechs Monate seinen Porsche stehen lassen muss, trifft ihn das viel mehr als eine Geldstrafe“, sagte der SPD-Politiker der „Rheinischen Post“.“ Warum eigentlich immer der (Zahn)Arzt und immer der Porsche?

Ach so: Die GroKo hat das Fahrverbot als Hauptstrafe auch im Angebot/im Programm (vgl.: Ja haben wir denn Sommer? Das Fahrverbot als Hauptstrafe – oder “Kehrtwende”). Ob es sich bei der Forderung von Kutschaty also um ob etwas Neues handelt oder ob es nur ein Nachlegen in Sachen GroKo ist: Man/Ich weiß es nicht. Jedenfalls Sommerloch, das trotz Fußball offenbar groß ist.