Archiv für den Monat: Mai 2010

Lenkzeitenüberschreitung – Geldbußen-Übernahme kein Arbeitslohn

Bei einem Speditionsunternehmen fand eine Betriebsprüfung vom Rentenversicherungsträger statt. Dieser wertete die von dem Speditionsunternehmen bezahlten Geldbußen u.a. wegen Lenkzeitüberschreitungen der bei ihm beschäftigten Kraftfahrer als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt der jeweiligen Fahrer. Diese haben sich dagegen an die Sozialgerichte gewandt. Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat in seinem Urteil vom 20.01.2010 – L 6 R 381/08 den Standpunkt vertreten,  dass die Übernahme von Verwarnungsgeldern durch eine Spedition für ihre LKW-Fahrer kein beitragspflichtiger Arbeitslohn sei. Im Vordergrund der Übernahme der Geldbußen durch den Arbeitgeber hätten dessen eigenbetriebliche Interessen gestanden. Er hatte die Fahrer angewiesen, unter Außerachtlassung güterverkehrsrechtlicher Bestimmungen, die mit den Kunden vereinbarten Liefertermine unbedingt einzuhalten. Für die Beurteilung der betriebsfunktionalen Zielsetzung der Zuwendungen sei ohne Belang, ob das Verhalten des Arbeitgebers von der Rechtsordnung zu billigen sei.

(Quelle PM vom 10.05.2010); Volltext hier.

Wochenspiegel für die 18.KW – oder wir schauen mal wieder über den Tellerrand

In der 18. KW waren folgende Beiträge interessant:

  1. Der Beck-Blog weist als Lesetipp auf den Aufsatz von Deutscher zum Fahrverbot in NZV 2010, 175 hin; der Link führt aber leider ins „Nirwana“.
  2. Mit der geplanten Erscheinenspflicht für Zeugen für Aussagen/Vernehmungen bei der Polizei und der Stellungnahme des DAV befasst sich ebenfalls der Beck-Blog, und zwar hier.
  3. Die „schönsten“ oder zumindest skurilsten Fälle schreibt immer das Leben; über einen solchen kann man hier nachlesen.
  4. Nach dem Lesen dieses Beitrags wird man sich das Trinken von Mate-Tee überlegen. 🙂
  5. Mit der Frage der Fluchtgefahr bei Bischof Mixa befasst sich der Beitrag: „Fluchtgefahr bei dem doch nicht„.
  6. In Berlin hat man besser Plastikgeld bei sich, denn sonst bekommt man im Verwarnungsfall Probleme mit dem Bezahlen, weil bar nicht mehr gern gesehen ist, vgl. dazu hier.
  7. Der Beck-Blog weist auf einige Entscheidungen des OLG Hamm zur Videomessung hin, über die wir z.T. auch schon berichtet hatten; vgl. zu den Volltexten hier, hier und hier. Eine Zusammenstellung der Rechtsprechung – Stand etwa Anfang 03/2010 – ist hier eingestellt.
  8. Eine heftige Diskussion (vgl. hier mit weiteren Nachweisen) hat es um die Länge oder zu lange Revisionsbegründungen gegeben, in die sich dann auch noch die Kollegin Braun eingeschaltet hat, mit der zutreffenden Feststellung: „Ob lang oder kurz, richtig sollte es sein„; vgl. auch noch hier.

BVerfG-Entscheidung m.E. an sich nach dem 2. OpferRRG überholt – Kommentar zu Kollegen Ferners Posting: „Zeugenbeistand: BVerfG stärkt Zeugenrecht auf Rechtsanwalt“

Der Kollege Ferner weist in seinem Blog gerade auf die Entscheidung des BVerfG v. 10.03.2009 – 2 BvR 941/09 – hin, in der das BVerfG zur Frage/Zulässigkeit des anwaltlichen Zeugenbeistandes Stellung genommen hat. Ich finde beim Kollegen Ferner leider die Kommentarfunktion nicht, daher möchte/muss ich hier eine Anmerkung zu dem Beschluss und dem Posting des Kollegen einstellen (vielleicht bin ich auch nur zu unerfahren, um die Funktion zu finden :-)).

Also: Man darf den Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung, die dem Beschluss des BVerfG zugrunde liegt, nicht übersehen: Das war der 06.03.2009, also die Zeit vor Inkrafttreten des 2. OpferRRG und dadurch erfolgten Änderung des § 68b StPO. Der sieht in seinem Abs. 1 Satz 1 jetzt das ausdrückliche Recht des Zeugen vor, (immer) einen Beistand beizuziehen. In § 68b Abs. 1 Satz 3 StPO ist die vom BVerfG angemahnte Ausschlussregelung, die das BVerfG schon im Jahr 2006 gefordert hatte, enthalten (kann man alles z.T. hier oder in den Neuauflagen meiner beiden Handbücher nachlesen (vgl. dazu hier, das war jetzt Werbung :-)).

Der Beschluss des BVerfG ist also an sich durch die gesetzliche Neuregelung überholt (was micht wundert ist, dass das BVerfG darauf nicht deutlicher hinweist). Nichts desto trotz ist er erwähnenswert. Der Beschluss bietet natürlich auch für die gesetzliche Neuregelung noch eine schöne Argumentationsmöglichkeit. Denn wenn schon zum alten Recht kein Ausschluss mit der im Beschluss des BVerfG mitgeteilten Begründung des AG, dann erst Recht nicht zum neuen.

BGH: Absprache/Verständigung, Rechtsmittel, Rücknahme – ist zulässig und kein „Umgehungsgeschäft“

Nach der Neuregelung des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO werden auf einer Absprache nach § 257c StPO beruhende Urteile grds. erst nach einer Woche rechtskräftig, da ein Rechtsmittelverzicht in diesen Fällen ausdrücklich unzulässig ist. Das ist in der Praxis manchmal misslich, so z.B., wenn der Angeklagte ggf. schnell aus der U-Haft in Strafhaft überstellt werden möchte.

Aus diesem „Dilemma“ zeigt jetzt die Entscheidung des BGH v. 14.04.2010 – 1 StR 64/10 einen Ausweg. Es kann Rechtsmittel eingelegt und dieses noch vor Ablauf der Rechtmittelfrist wieder zurückgenommen werden. Das sieht der BGH nicht als eine Umgehung des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO an, die unzulässig wäre.

Aber Vorsicht: Diese Vorgehensweise kann nicht zum Gegenstand der Verständigung gemacht werden. Das wäre – so der BGH – als eine Umgehung anzusehen.

Nichts Neues aus Hamm zur Videomessung; aber lesenswert aus anderem Grund.

Inzwischen hat sich auch der 5. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm in seinem Beschl. v. 11.03.2010 – III 5 RBs 13/10 geäußert. M.E. nichts Neues, sondern nur die Wiederholung der sattsam bekannten Argumente der übrigen OLG-Rechtsprechung, warum § 100h StPO Ermächtigungsgrundlage sein kann/darf. Und wohl auch, wenn der öffentlichen Hand die Einnahmen nicht verloren gehen sollen – auch wohl „muss“. Insoweit nicht so lesenswert, aber: Lesenswert wegen der Behandlung und der Ausführungen zu den Beweisanträgen, die der Verteidiger gestellt hatte. Daraus kann man lernen.