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So kann man sich irren…, oder einen Verein werden wir nicht gründen können.

Tja, so kann man sich irren, habe ich gedacht, als ich den Beschl. des OLG Saarbrücken v. 19.01.2010 – 2 Ws 228/09 -, den ich bereits vor einiger Zeit auf meiner Homepage eingestellt hane, jetzt noch einmal gelesen habe; ein Kollege hatte mich in anderem Zusammenhang auf diesen Beschluss noch einmal hingewiesen.

Das OLG behandelt die Frage der Abrechnung der Tätigkeit des Verteidigers als Zeugenbeistand, die es m.E. ebenso falsch wie einige anderes OLGs nur nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG honoriert (ein Schelm, wer Böses dabei denkt). Dazu will ich aber gar nichts mehr schreiben, da die Argumente ausgetauscht sind und die Rechtsprechung teilweise einfach nicht erkennen will, dass ihre Argumentation falsch ist.

Interessant(er) sind in dem Beschluss die Ausführungen des OLG zur Frage der Beiordnung eines Zeugenbeistandes nach § 68b Abs. 2 StPO, die ich bisher in der Schärfe nicht gesehen hatte. Dazu schreibt das OLG am Ende seiner Ausführungen:

„Hervorzuheben ist, dass die Tätigkeit eines gemäß § 68b StPO (a.F. und n.F.) für die Dauer der Vernehmung beigeordneten Zeugenbeistands „nur“ mit der Gebühr nach Nr. 4301 VV RVG unabhängig davon zu vergüten ist, ob derselbe Rechtsanwalt den Zeugen zuvor in demselben oder einem anderen Verfahren bereits verteidigt hat. Auch belegen die Materialien zu § 68b Abs. 2 StPO in der Fassung des 2. Opferrechtsreformgesetzes – anders als der Beschwerdeführer meint – dass die Beiordnung nach dieser Vorschrift absoluten Ausnahmecharakter haben sollte, weil es in erster Linie Sache des Vernehmenden ist, die Rechte und Befugnisse eines Zeugen während dessen Vernehmung zu wahren. Mit dem Entfallen des Antragserfordernisses wird zugleich verdeutlicht, dass es Sache des für die Bestellung zuständigen Gerichts ist, die engen Voraussetzungen des § 68b Abs. 2 StPO unabhängig von einem gestellten Beiordnungsantrag von Amts wegen zu prüfen.“

Wenn man das liest, könnte man einen Schreikrampf bekommen, denn.

  1. Ausnahmecharakter. Mitnichten. Denn der Gesetzgeber hat mit dem 2. OpferRRG gerade eine Stärkung der Stellung des Zeugen beabsichtigt. Dafür spricht schon der offizielle Name des Gesetzes – Gesetz zur Stärkung… Zudem hat man die Voraussetzungen für die Beiordnung erleichtert, nicht verschärft. Kann man m.E. – mit ein bißchen gutem Willen – alles in der BT-Drucks. 16/12098 nachlesen.
  2. Geradezu auf den Kopf gestellt wird die Praxis aber, wenn darauf hingewiesen wird, dass „es in erster Linie Sache des Vernehmenden ist, die Rechte und Befugnisse eines Zeugen während dessen Vernehmung zu wahren„. Wer – bitte schön – ist denn schon mal ohne Antrag als Zeugenbeistand beigeordnet worden? Und wie sieht die Praxis der Gerichte beim Zeugenbeistand aus? Ein „schönes“ Beispiel bringt die Entscheidung des BVerfG in 2 BvR 941/09. Die Gerichte sind doch froh, wenn ein Zeugenbeistand ihnen die Arbeit nicht schwer macht. Ich wage daher die Behauptung: Wenn wir einen „Verein der ohne Antrag vom Gericht beigeordneten Zeugenbeistände e.V.“ gründen wollten, werden wir die sieben erforderlichen Gründungsmitglieder nicht zusammen bekommen.

Von daher: Die Entscheidung des OLG Saarbrücken macht mich jetzt nachträglich noch mal ärgerlich, und zwar über die falsche Entscheidung der gebührenrechtlichen Frage hinaus.

Hat das Kosteninteresse jetzt noch etwas mit der Beiordnung des Pflichtverteidigers zu tun? Ja, aber…

Durch das 2. OpferRRG ist § 142 Abs. 1 StPO geändert worden. Der beizuordnende Pflichtverteidiger muss jetzt nicht mehr „ortsansässig“ sein. Ein kleiner (hoffentlich :-)) Wermutstropfen hat aber die Freude über diese Neuregelung beeiträchtigt. Nach der Gesetzesbegründung ist nämlich das „Kosteninteresse“ immer auch noch ein Punkt, der bei der Auswahl des Pflichtverteidigers von Bedeutung sein kann. Ich hatte befürchtet, dass über diese Formulierung durch die „Hintertür“ das Kosteninteresse und die damit zusammenhängende Frage der „Ortsansässigkeit“ letztlich doch wieder eine Bedeutung bekommen, die sie nach der Intention des Gesetzgebers nicht mehr haben sollten.

Diese Sorge wird jetzt ein wenig gemildert durch die Entscheidung des OLG Oldenburg v. 21.04.2010 – 1 Ws 194/10 in der sich das OLG mit der Frage der kostenneutralen Auswechslung und des Verzichts des „neuen Pflichtverteidigers“ auf Gebühren auseinandersetzt. Die Richtigkeit der Ausführungen dazu und die Frage, ob man sich dem anschließen kann, lasse ich mal dahinstehen. Interessant ist, dass das OLG in dem Zusammenhang aber auch zu den Kriterien des § 142 Abs. 1 StPO n.F. Stellung nimmt und ausführt:

Seit der Neufassung von § 142 Abs. 1 StPO durch das 2. Opferrechtsreformgesetz ist zudem die frühere gesetzliche Anordnung der vorrangigen Bestellung eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwaltes als solche entfallen. Den im Gesetzgebungsverfahren vom Bundesrat – gerade auch unter Kostengesichtspunkten – geäußerten Bedenken (vgl. BTDrucksache 16/12812, S. 10) hat der Gesetzgeber keine Rechnung getragen.
Die Entfernung des Anwaltssitzes vom Gerichtsort bleibt aber gleichwohl einer der Gesichtspunkte, die bei der im Rahmen der Auswahlentscheidung des Vorsitzenden gebotenen Abwägung zu berücksichtigen sind, vgl. BTDrucksache 16/12098 S. 20, 21.“

Stimmt, und weiter:

Eine solche Entfernung kann mithin auch nach der jetzigen Rechtslage im Einzelfall den Verfahrensablauf in einer Weise beeinträchtigen, dass dies der Bestellung des auswärtigen Rechtsanwaltes entgegensteht. Dergleichen wird hier vom Strafkammervorsitzenden aber nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. „

Da kann man nur sagen: Uff, Glück gehabt, dass da das Wort Einzelfall auftaucht und das OLG m.E. damit zu erkennen gibt, dass für den Senat das Kosteninteresse wohl nicht im Vordergund steht. Was nach der Gesetzesbegründung auch richtig ist.

BVerfG-Entscheidung m.E. an sich nach dem 2. OpferRRG überholt – Kommentar zu Kollegen Ferners Posting: „Zeugenbeistand: BVerfG stärkt Zeugenrecht auf Rechtsanwalt“

Der Kollege Ferner weist in seinem Blog gerade auf die Entscheidung des BVerfG v. 10.03.2009 – 2 BvR 941/09 – hin, in der das BVerfG zur Frage/Zulässigkeit des anwaltlichen Zeugenbeistandes Stellung genommen hat. Ich finde beim Kollegen Ferner leider die Kommentarfunktion nicht, daher möchte/muss ich hier eine Anmerkung zu dem Beschluss und dem Posting des Kollegen einstellen (vielleicht bin ich auch nur zu unerfahren, um die Funktion zu finden :-)).

Also: Man darf den Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung, die dem Beschluss des BVerfG zugrunde liegt, nicht übersehen: Das war der 06.03.2009, also die Zeit vor Inkrafttreten des 2. OpferRRG und dadurch erfolgten Änderung des § 68b StPO. Der sieht in seinem Abs. 1 Satz 1 jetzt das ausdrückliche Recht des Zeugen vor, (immer) einen Beistand beizuziehen. In § 68b Abs. 1 Satz 3 StPO ist die vom BVerfG angemahnte Ausschlussregelung, die das BVerfG schon im Jahr 2006 gefordert hatte, enthalten (kann man alles z.T. hier oder in den Neuauflagen meiner beiden Handbücher nachlesen (vgl. dazu hier, das war jetzt Werbung :-)).

Der Beschluss des BVerfG ist also an sich durch die gesetzliche Neuregelung überholt (was micht wundert ist, dass das BVerfG darauf nicht deutlicher hinweist). Nichts desto trotz ist er erwähnenswert. Der Beschluss bietet natürlich auch für die gesetzliche Neuregelung noch eine schöne Argumentationsmöglichkeit. Denn wenn schon zum alten Recht kein Ausschluss mit der im Beschluss des BVerfG mitgeteilten Begründung des AG, dann erst Recht nicht zum neuen.

2. OpferrechtsRRG: Auch Änderung der Sichtweise bei den Reisekosten des Wahlanwalts

Das 2. Opferrechtsreformgesetz und die dadurch eingeführten Änderungen bei den Auswahlkriterien des (Pflicht)Verteidigers macht m.E. die Sichtweise/Argumentation an einer Stelle erforderlich, an die der ein oder andere gar nicht gedacht hat. Nämlich bei der Frage der Erstattung der Kosten des auswärtigen (Wahl)Verteidigers. Wenn der Gesetzgeber nämlich als Grundf für die Änderung in § 142 Abs. 1 StPO anführt, dass nach der Rechtsprechung für die Beiordnung das „Vertrauensanwaltsprinzip“ im Vordergrund stehen müsse, dann muss das m.E. auch für die Auswahl des Wahlverteidigers gelten und kann der Beschuldigte sich auch einen ortsansässigen Rechtsanwalt wählen. Dem kann dann im Rahmen von § 464a StPO hinsichtlich der Erstattung der Reisekosten nicht mehr entgegengehalten werden können: Hättest ja einen vor Ort nehmen können/müssen. So aber noch LG Bochum, Beschl. v. 15.10.2009 – 3 Qs 230/09. Insoweit ist der Beschluss des LG Bochum daher falsch. Ansonsten hinsichtlich der Kriterien des § 14 RVG: Nicht zu beanstanden.

2. OpferRRG: Änderungen beim Recht des Zeugenbeistands

Das 2. OpferRRG hat nicht nur Änderungen im Recht der Pflichtverteidigung oder bei der Nebenklage gebracht, sondern auch im Recht des Zeugenbeistands. Diese sind kurz zusammengefasst:

  1. In § 68b Abs. 1 Satz 1 StPO ist jetzt der allgemeine Zeugenbeistand anerkannt.
  2. In § 68b Abs. 2 StPO ist jetzt die Regelung zum sog. Vernehmungsbeistand (früher § 68b Satz 2 StPO) enthalten.
  3. In § 68b Abs. 1 Satz 3 StPO ist nun geregelt, dass ein Zeugenbeistand auch ausgeschlossen werden kann. m.E. eine Regelung, die, das die Ausschlußgründe zu unbestimmt sind und auch das „Ausschlussverfahren“ nicht geregelt ist, beim BVerfG in Karlsruhe wohl kaum Bestand haben wird.

Zu allem natürlich :-)) Näheres schon in meinen beiden Handbüchern und in meinem Beitrag im StRR-Heft 10/09.