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Der pensionierte Richter als Rechtsanwalt – ich war es nicht

© fotodo - Fotolia.com

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An verschiedenen Stellen ist ja schon über den VG Münster, Beschl. v. 10.11.2015 – 4 L 1081/15 – berichtet worden. In dem Beschluss geht es um den Bescheid eines OLG-Präsidenten, der einem ehemaligen Richter, untersagt hatte, bis zum 31. 12.. 2019 vor seinem ehemaligen Dienstgericht, als Rechtsanwalt aufzutreten. Grundlage waren § 71 DRiG, 4 Abs. 1 Satz 1 LRiG NRW, wonach Ruhestandsbeamtinnen und ?beamte sowie frühere Beamtinnen und Beamte mit Versorgungsbezügen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder sonstigen Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes, die mit der dienstlichen Tätigkeit innerhalb eines Zeitraums im Zusammenhang steht und durch die dienstliche Interessen beeinträchtigt werden können, anzeigen müssen. Nach Bekanntwerden des Beschlusses hatten mich verschiedene Kollegen gefargt, ob ich der Antragsteller aus dem Verfahren gewesen sei.

Vorab: Nein, bin/war ich nicht. Erstens wäre die Untersagung, nachdem ich mit Ablauf des 15.10.2008 aus dem Dienst des Landes NRW ausgeschieden bin, jetzt dann doch ein wenig spät – obwohl die Mühlen der Justiz ja langsam mahlen. Und zweitens: Ich bin kein Ruhestandsbeamter, sondern ausgeschieden. Das ist etwas anderes. Für mich gilt diese Regelung nicht.

Zur Sache: Der OLG-Präsident hat mit seinem Bescheid beim VG Schiffbruch erlitten. Das VG sieht seinen Bescheid als offensichtlich rechtswidrig an, weil durch die Erwerbstätigkeit des ehemaligen Richters als Rechtsanwalt keine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen zu besorgen sei. Überdies verstosse die angeordnete Dauer des Verbots gegen § 52 Abs. 5 LBG NRW. Denn:

„…Der Antragsgegner hat nicht vorgebracht, dass das Auftreten des Antragstellers als Rechtsanwalt vor dem Landgericht N. eine solche Beeinträchtigung dienstlicher Interessen besorgen lässt. Er hat weder vorgetragen noch ist ersichtlich, dass er dadurch nachwirkende richterliche Dienstpflichten verletzt hat oder noch verletzen könnte. So fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller durch sein Auftreten als Rechtsanwalt vor dem Landgericht N. etwa das für ihn fortgeltende Beratungsgeheimnis (§ 43 DRiG) missachtet haben oder noch missachten könnte. Ebenso wenig sind Hinweise dafür benannt oder ersichtlich, dass der Antragsteller bereits während seiner aktiven Dienstzeit sein Amt mit Blick auf seine derzeitige Tätigkeit als Rechtsanwalt nicht entsprechend seiner richterlichen Dienstpflichten unparteilich und uneigennützig geführt haben könnte.

Allein der Umstand, dass der Antragsteller sein durch seine aktive Dienstzeit als Richter am Landgericht N. erworbenes Wissen um die von ihm bearbeiteten Rechtsmaterien in seine Tätigkeit als Rechtsanwalt einbringt und davon unter anderem auch bei seiner Prozessvertretung vor dem Landgericht N. Gebrauch macht, lässt eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen nicht besorgen….“

Und zur Dauer:

„Nach § 41 Satz 3 BeamtStG endet das Verbot spätestens mit Ablauf von fünf Jahren nach Beendigung des Beamtenverhältnisses. Nach § 52 Abs. 5 Satz 1 LBG NRW beträgt der Verbotszeitraum für Ruhestandsbeamte oder frühere Beame mit Versorgungsbezügen fünf Jahre, bei Eintritt in den Ruhestand nach § 31 Abs. 1 LBG NRW drei Jahre. Das Verbot endet „spätestens“ nach Ablauf dieser Fristen (§ 52 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 LBG NRW). Aus einer Gesamtschau dieser Vorschriften folgt, dass die zeitliche Obergrenze des Tätigkeitsverbots aus § 41 Satz 2 BeamtStG nach dem Ablauf von drei Jahren nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze erreicht ist. Damit darf das Tätigkeitsverbot gegenüber Beamten und Richtern, die vor dem Erreichen der regulären Altersgrenze in den Ruhestand treten, auf fünf Jahre, längstens aber nur bis zum Ablauf von drei Jahren nach Erreichen der Regelaltersgrenze befristet werden.“

Also: Mehr als deutlich – auch für das Hauptverfahren.

Für die Tätigkeit eines Assessors gibt es kein Geld; wirklich?

FragezeichenManche Entscheidungen muss ich zweimal lesen, um sicher zu sein, dass ich verstanden habe, um was es geht, bzw., um sicher zu sein, dass das Gericht es auch so meint, wie es da steht. So ist es mir auch beim LG Trier, Urt. v. 09.09.2015 – 5 O 259/14 – ergangen. Bei dem habe ich mich sogar noch bei einem Kollegen abgesichert, ob meine erste Einschätzung des Urteils: Höchst bedenklich/unzutreffend, richtig ist.

In dem Verfahren ging es um die Klage eines Rechtsanwalts, der in seiner Kanzlei einen Assessor beschäftigt hat. Bei diesem handelte es sich um einen ehemaligen Rechtsanwalt, dem die Zulassung entzogen worden war. Die beklagte Mandantin hatte den Kläger mit der Vertretung in einem Scheidungsverfahren beauftragt. Dieses wurde zumindest teilweise durch den Assessor bearbeitet. Er führte die Gespräche mit der Beklagten, erarbeitete die Schriftsätze und unterschrieb einen. Der Kläger unterschrieb dagegen nur die restlichen Schriftsätze und trat in einer mündlichen Verhandlung auf. Der Kläger begehrte nun Zahlung des für die Tätigkeit fälligen Honorars. Das LG hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Begründung – kurz – zusammengefasst: Der Vertrag über die anwaltliche Geschäftsbesorgung, den die Parteien geschlossen haben, sei nach §§ 134 BGB in Verbindung mit § 3 RDG nichtig. Nach § 3 RDG sei die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das RDG oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Eine solche gesetzliche Erlaubnis, die die Tätigkeit des Assessors in der Bearbeitung des streitgegenständlichen Mandats abdecken würde, existiere nicht. Sinn und Zweck des Gesetzes sei es, den Rechtsverkehr vor Dienstleistern zu schützen, die die erforderlichen Mindestvoraussetzungen nicht erfüllen. Diese wiederum beschränken sich nicht auf die fachliche Eignung, die in der Person Assessors zweifellos gegeben ist. Der Begriff „selbständig“ ist deshalb nicht formal zu verstehen. Es komme nicht darauf an, ob der Leistungserbringer abhängig beschäftigt, also wie in dem hier zu entscheidenden Fall Arbeitnehmer ist. Es komme darauf an, wie die Tätigkeit des Leistungserbringers tatsächlich ausgeübt wird. Nach § 2 Abs. 1 RDG sei Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Selbständig würden die Rechtsdienstleistungen insbesondere dann erbracht, wenn diese rechtliche Prüfung die eigene geistige Leistung des Leistungserbringers ist, die im Einzelfall nicht von einer anderen Person angeleitet, überprüft, überwacht und verantwortet wird.

Na, da habe ich dann aber doch erhebliche Bedenken:

  1. Die Entscheidung steht für mich in Widerspruch zu § 5 RVG. Der sieht ausdrücklich vor, dass der Rechtsanwalt die Vergütung auch dann erhält, wenn ein bei ihm beschäftigter Assessor tätig wird. Auf dessen Selbständigkeit oder Abhängigkeit kommt es danach nicht an. Die Frage der Vergütung der Tätigkeiten eines Assessors, der in der Anwaltskanzlei tätig ist, war bis zum Inkrafttreten des RVG streitig und ist dann vom RVG in dem Sinne des § 5 RVG geregelt worden. Das würde unterlaufen, wenn dem nun das RDG entgegenstehen würde. Dieses hat zudem auch andere Fälle im Auge. Letztlich ist es in dem entschiedenen Fall auch immer noch die Leistung der Rechtsanwaltskanzlei, die von und für diese erbracht wird und für die diese auch haftet.
  2. Wäre die Auffassung des LG Trier zutreffend, müsste in der Praxis umgedacht werden. Die selbständige Tätigkeit eines Assessors wäre nicht mehr zulässig und müsste von einem Rechtsanwalt kontrolliert werden. Entsprechendes gilt für die anderen in § 5 RVG genannten Vertreter. Diese, insbesondere der Assessor, könnten/dürften z.B. nicht mehr an mündlichen Verhandlungen beim AG teilnehmen.
  3. Das LG hat die Klage insgesamt abgewiesen. Dabei nimmt es mit keinem Wort dazu Stellung, warum die Beklagte nicht zumindest insoweit zur Zahlung verpflichtet ist/sein soll, wie der Rechtsanwalt – teilweise – selbst tätig geworden ist.
  4. Auch das Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) scheint man in Trier nicht zu kennen.

Nun, vielleicht hören wir dazu ja demnächst was aus Koblenz. Oder übersehe ich was?

So kann man sich irren…, oder einen Verein werden wir nicht gründen können.

Tja, so kann man sich irren, habe ich gedacht, als ich den Beschl. des OLG Saarbrücken v. 19.01.2010 – 2 Ws 228/09 -, den ich bereits vor einiger Zeit auf meiner Homepage eingestellt hane, jetzt noch einmal gelesen habe; ein Kollege hatte mich in anderem Zusammenhang auf diesen Beschluss noch einmal hingewiesen.

Das OLG behandelt die Frage der Abrechnung der Tätigkeit des Verteidigers als Zeugenbeistand, die es m.E. ebenso falsch wie einige anderes OLGs nur nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG honoriert (ein Schelm, wer Böses dabei denkt). Dazu will ich aber gar nichts mehr schreiben, da die Argumente ausgetauscht sind und die Rechtsprechung teilweise einfach nicht erkennen will, dass ihre Argumentation falsch ist.

Interessant(er) sind in dem Beschluss die Ausführungen des OLG zur Frage der Beiordnung eines Zeugenbeistandes nach § 68b Abs. 2 StPO, die ich bisher in der Schärfe nicht gesehen hatte. Dazu schreibt das OLG am Ende seiner Ausführungen:

„Hervorzuheben ist, dass die Tätigkeit eines gemäß § 68b StPO (a.F. und n.F.) für die Dauer der Vernehmung beigeordneten Zeugenbeistands „nur“ mit der Gebühr nach Nr. 4301 VV RVG unabhängig davon zu vergüten ist, ob derselbe Rechtsanwalt den Zeugen zuvor in demselben oder einem anderen Verfahren bereits verteidigt hat. Auch belegen die Materialien zu § 68b Abs. 2 StPO in der Fassung des 2. Opferrechtsreformgesetzes – anders als der Beschwerdeführer meint – dass die Beiordnung nach dieser Vorschrift absoluten Ausnahmecharakter haben sollte, weil es in erster Linie Sache des Vernehmenden ist, die Rechte und Befugnisse eines Zeugen während dessen Vernehmung zu wahren. Mit dem Entfallen des Antragserfordernisses wird zugleich verdeutlicht, dass es Sache des für die Bestellung zuständigen Gerichts ist, die engen Voraussetzungen des § 68b Abs. 2 StPO unabhängig von einem gestellten Beiordnungsantrag von Amts wegen zu prüfen.“

Wenn man das liest, könnte man einen Schreikrampf bekommen, denn.

  1. Ausnahmecharakter. Mitnichten. Denn der Gesetzgeber hat mit dem 2. OpferRRG gerade eine Stärkung der Stellung des Zeugen beabsichtigt. Dafür spricht schon der offizielle Name des Gesetzes – Gesetz zur Stärkung… Zudem hat man die Voraussetzungen für die Beiordnung erleichtert, nicht verschärft. Kann man m.E. – mit ein bißchen gutem Willen – alles in der BT-Drucks. 16/12098 nachlesen.
  2. Geradezu auf den Kopf gestellt wird die Praxis aber, wenn darauf hingewiesen wird, dass „es in erster Linie Sache des Vernehmenden ist, die Rechte und Befugnisse eines Zeugen während dessen Vernehmung zu wahren„. Wer – bitte schön – ist denn schon mal ohne Antrag als Zeugenbeistand beigeordnet worden? Und wie sieht die Praxis der Gerichte beim Zeugenbeistand aus? Ein „schönes“ Beispiel bringt die Entscheidung des BVerfG in 2 BvR 941/09. Die Gerichte sind doch froh, wenn ein Zeugenbeistand ihnen die Arbeit nicht schwer macht. Ich wage daher die Behauptung: Wenn wir einen „Verein der ohne Antrag vom Gericht beigeordneten Zeugenbeistände e.V.“ gründen wollten, werden wir die sieben erforderlichen Gründungsmitglieder nicht zusammen bekommen.

Von daher: Die Entscheidung des OLG Saarbrücken macht mich jetzt nachträglich noch mal ärgerlich, und zwar über die falsche Entscheidung der gebührenrechtlichen Frage hinaus.

Wochenspiegel für die 16. KW, – oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Zu berichten ist aus der vergangenen Woche über folgende Beiträge:

  1. Über die Zulässigkeit einer „Fahrtenbuchauflage nach erstmaligem Verkehrsverstoß“ berichtet Rechtslupe.
  2. Wer wissen will, ob das Rütteln an Polizeifahrzeugen strafbar ist, kann hier mal nachschauen.
  3. Mit der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis befasst sich dieser Beitrag.
  4. Die Spontanäußerung auf Nachfrage ist in der Tat eine Vernehmungssituation, von der man (leider) immer wieder hört.
  5. Eine Rechtsschutzversicherung zur Einsicht zur bringen ist wirklich nicht einfach; man fragt sich schon, welche Interessen vertreten werden.
  6. Man, jedenfalls ich, glaube es nicht, dass ein Richter vergisst, ein Urteil zu unterschreiben; soll es aber geben, wie man hier lesen kann.
  7. Tapfer, tapfer, die Amtsgerichte, die trotz der in der Rechtsprechung der OLG vorherrschenden Auffassung (immer noch) von einem Beweisverwertungsverbot bei der Videomessung wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage ausgehen, wie z.B. das AG Burg.
  8. Mit der interessanten Frage, wohin im Traktor eine Werkzeugkiste gehört, hat sich das OLG Hamm und das ein oder andere Blog befasst. Volltext der Entscheidung hier.

Und das war für mich der Hammer der Woche. :-(. Man glaubt es nicht. Noch nicht einmal der Klick auf den „Druckknopf“.

Viel Spaß beim Stöbern.