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Rechtsschutzversicherung und Deckungsprozess, oder: Ist eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig?

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Heute RVG-Tag. Dazu vorab: Derzeit sind gebühren-/kostenrechtliche Entscheidungen bei mir knapp. Wer also Material 🙂 hat, kann es mir gern schicken. Manches schlummert ja im Verborgenen.

Ich beginne dann die Berichterstattung mit einer Entscheidung des OLG Schleswig zur Rechtsschutzversicherung. Die verhält sich zu der Frage, ob im Deckungsprozess eine (vorweggenommene) Beweiswürdigung zulässig ist. Es geht um eine Verfahren betreffend „Abschaltautomatik“/Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages.

Das OLG hat im OLG Schleswig, Beschl. v. 12.05.2022 – 16 U 53/22 – eine teilweise Beweiswürdigung bejaht. Es handelt sich um einem gem. § 522 Abs. 2 ZPO ergangenen Hinweisbeschluss, der dann zur Berufungsverwerfung durch OLG Schleswig, Urt. v. 21.06.2022 – 16 U 53/22 geführt hat.

Hier die Leitsätze (aus dem Urteil):

    1. In der Rechtsschutzversicherung, in der die Deckung unter anderem davon abhängt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (etwa § 18 Abs. 1 b) ARB 2010), ist wie im Prozesskostenhilferecht eine vorweggenommene Beweiswürdigung in eng begrenztem Rahmen zulässig.
    2. Die Deckung kann versagt werden, wenn die Gesamtwürdigung aller schon feststehenden Umstände und Indizien eine positive Beweiswürdigung zugunsten des Versicherungsnehmers als ausgeschlossen erscheinen lässt und eine vernünftig und wirtschaftlich denkende Partei, die die Kosten selbst bezahlen müsste, wegen des absehbaren Misserfolgs der Beweisaufnahme von einer Prozessführung absehen würde.
    3. So liegt es, bezogen auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife im November 2021, in Ansehung der beabsichtigten Klage auf Rückabwicklung des Erwerbs eines Kraftfahrzeuges mit einem Euro5-Diesel-Motor vom März 2015, wenn das Fahrzeug keinem Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes unterlag oder unterliegt, ein Software-Update nicht vorgesehen war oder ist, im Klagentwurf gegen die Feststellungen des Kraftfahrtbundesamtes eine Prüfstanderkennung behauptet und im Übrigen lediglich auf ein sog. Thermofenster sowie auf Messwerte im Realbetrieb verwiesen wird.
    4. Bei der Entscheidung, ob bezogen auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife Deckung zu gewähren gewesen wäre, sind künftige denkbare im Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehende Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zu der Frage unerheblich, ob Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der RL 2007/46/EG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 eine drittschützende Wirkung zukommen kann.

Leistungsausschluss in der RSV wegen Vorsatztat, oder: Klärung im Deckungsprozess

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Heute stelle ich im „Kessel Buntes“ zunächst das BGH, Urt. v. 20.05.2021 – IV ZR 324/19 – vor.

Es geht um eine Klage gegen eine Rechtsschutzversicherung (RSV). Die Klägerin begehrt von der Beklagten, einem Schadenabwicklungsunternehmen, für ihren mitversicherten Lebensgefährten Deckungsschutz aus einer RSV für die Kosten eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Es macht nämlich der Arbeitgeber des Versicherten gegen diesen Schadensersatzansprüche in Höhe von über 2 Millionen EUR geltend, weil dieser an einer betrügerischen Abrechnung externer Dienstleistungen, die tatsächlich nicht erbracht wurden, zum Nachteil seines Arbeitgebers beteiligt gewesen sein soll. Der Versicherte bestreitet die Vorwürfe.

Gem. Ziff. 5.5 Satz 1 ARB-MPM 2009 ist der Rechtsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen ausgeschlossen, „soweit … ein ursächlicher Zusammenhang mit einer … vorsätzlich begangenen Straftat besteht. Stellt sich ein solcher Zusammenhang im Nachhinein heraus, sind Sie zur Rückzahlung der Leistungen verpflichtet, die wir für Sie erbracht haben.“

Nach Ziffer 27.2 Satz 1 ARB gelten die den Versicherungsnehmer betreffenden Bestimmungen sinngemäß für die mitversicherte Person. Zu den versicherbaren Leistungsarten ist in Ziffer 4 ARB unter anderem geregelt:

„4.9 Straf-Rechtsschutz für die Verteidigung wegen des Vorwurfes 4.9.1 eines verkehrsrechtlichen Vergehens. Wird rechtskräftig festgestellt, dass Sie das Vergehen vorsätzlich begangen haben, sind Sie verpflichtet uns die Kosten zu erstatten, die wir für die Verteidigung wegen des Vorwurfes eines vorsätzlichen Verhaltens getragen haben; 4.9.2 eines sonstigen Vergehens, dessen vorsätzliche wie auch fahrlässige Begehung strafbar ist, solange Ihnen ein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wird. Wird Ihnen dagegen vorgeworfen, ein solches Vergehen vorsätzlich begangen zu haben, besteht rückwirkend Versicherungsschutz, wenn nicht rechtskräftig festgestellt wird, dass Sie vorsätzlich gehandelt haben.4.9.3 Es besteht also bei dem Vorwurf eines Verbrechens kein Versicherungsschutz; ebenso wenig bei dem Vorwurf eines Vergehens, das nur vorsätzlich begangen werden kann (z.B. Beleidigung, Diebstahl, Betrug). Dabei kommt es weder auf die Berechtigung des Vorwurfes noch auf den Ausgang des Strafverfahrens an.…“

Das ArbG hat Prozesskostenhilfe bewilligt. Ein Ermittlungsverfahren, u.a. wegen Computerbetrugs im besonders schweren Fall, ist gegen den Versicherten anhängig.

Die Beklagte lehnte den für die Abwehr der Schadensersatzansprüche erbetenen Deckungsschutz unter Bezugnahme auf den Risikoausschluss in Ziffer 5.5 ARB ab. Später berief sie sich nach Ziffer 23.1.1 ARB ergänzend darauf, dass die Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Das LG stellte die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Deckungsschutz unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall eines ursächlichen Zusammenhangs der Schadensersatzansprüche mit einer vorsätzlich begangenen Straftat fest. Das OLG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Versicherung könne nicht jede Leistung bis zur Klärung der Vorsatzfrage im Deckungsprozess verweigern. A

Auf die vom OLG zugelassene Revision des Versicherers hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen.

Er verweist darauf, dass umstritten sei, ob die Frage, ob der Vorwurf, der Versicherungsfall stehe in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer vorsätzlich begangenen Straftat, im Deckungsprozess zu klären ist und ob anderenfalls der Versicherer bis zu einer anderweitigen Klärung vorläufig leistungsfrei oder leistungspflichtig ist. Dazu der BGH:

„cc) Dagegen ist nach einer dritten Auffassung im Deckungsprozess über den vom Rechtsschutzversicherer erhobenen Vorwurf einer vorsätzlichen Straftat endgültig zu entscheiden (vgl. Schneider in van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht 7. Aufl. § 13 Rn. 238; Piontek in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. ARB 2010 § 3 Rn. 2, 110). Maßgeblich sei die objektive Sachlage, so dass weder ein Recht noch eine Pflicht des Versicherers zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bestehe (Piontek aaO; vgl . auch Schneider aaO). Der Versicherer sei für die Voraussetzungen des Risikoausschlusses beweispflichtig (Schneider aaO Rn. 240).

b) Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung insoweit an, als das Vorliegen einer vorsätzlichen Straftat als Voraussetzung des Leistungsausschlusses nach Ziffer 5.5 Satz 1 ARB im Deckungsprozess endgültig zu klären ist und eine vorläufige Leistungspflicht des Versicherers nicht besteht. Dabei ist der Versicherer für die Voraussetzungen des Risikoausschlusses darlegungs- und beweisbelastet, und der Risikoausschluss ist nicht bereits dann zu verneinen, wenn der Versicherungsnehmer die Begehung einer vorsätzlichen Straftat substantiiert bestreitet. Das ergibt die Auslegung der Klausel…..“

Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext. Hier noch die Leitsätze der BGH-Entscheidung:

  1. Ob die Voraussetzungen für den Leistungsausschluss nach Ziffer 5.5 S. 1 ARB-MPM 2009 vorliegen, insbesondere der Versicherungsnehmer oder Versicherte vorsätzlich eine Straftat begangen hat, ist im Deckungsprozess zu klären. Dabei besteht weder eine Bindung an die Ergebnisse eines gegen den Versicherungsnehmer oder Versicherten geführten Ermittlungsverfahrens oder des Ausgangsrechtsstreits noch ist der Rechtsschutzversicherer bis zu deren Abschluss vorläufig leistungspflichtig.

  2. Der Versicherer ist für die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach Ziffer 5.5 S. 1 ARB-MPM 2009 darlegungs- und beweisbelastet.

Deckungszusage gilt, oder: Treuwidriges Verhalten der Rechtsschutzversicherung

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Am heutigen „Gebührentag“ zunächst eine Entscheidung, die nicht unmittelbar etwas mit Gebühren zu tun hat, mittelbar aber dann doch. Behandelt wird im AG Köln, Urt. v. 04.06.2018 – 142 C 59/18 – die Klage einer Rechtsschutzversicherung, die von den beklagten Rechtsanwälten aus übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung verlangt hat.

Das AG hat die Klage wegen treuwidrigen Verhaltens der RSV abgewiesen. Nach dem Sachverhalt hatte der Versicherungsnehmer der RSV nach seiner Entlassung die Beklagten mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen vor den Arbeitsgerichten betraut. Diese haben den Versicherungsnehmer vor dem ArbG und dem LAG vertreten und hatten dort keinen Erfolg. Einer der beklagten Rechtsanwälte hat dann um Deckungsschutz für eine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BAG gebeten. Die Klägerin – die RSV – hatte sich mit der Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde einverstanden erklärt. Die daraufhin eingelegte und begründete Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BAG als unzulässig verworfen. Die Klägerin, die für sämtliche Instanzen die Rechtsverfolgungskosten vorab an die Beklagten gezahlt hatte, verlangte nun die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BAG zurück. Begründung: Die von den Beklagten erhobene Nichtzulassungsbeschwerde sei von Anfang an aussichtslos gewesen, da die Beklagten verkannt hätten, dass eine sog. Divergenzbeschwerde nicht mit einer unterschiedlichen Sachverhaltsbewertung zweier LAG begründet werden könne. Diese Verkennung stelle eine anwaltliche Pflichtverletzung dar, so dass der Klägerin gegen die Beklagten aus übergegangenem Recht des Versicherungsnehmers ein Schadenersatzanspruch in Höhe der verauslagten Kosten zustehe. Dazu das AG:

„Der Inanspruchnahme der Beklagten aus einem auf die Klägerin übergegangenem Schadenersatzanspruch wegen Anwaltspflichtverletzung gemäss § 280, 281 BGB steht bereits dem Grunde nach entgegen, dass sich die Inanspruchnahme der Beklagten als treuwidrig erweist.  Der Klägerin ist es verwehrt, sich auf einen Anwaltsfehler wegen fehlender Erfolgsaussicht zu berufen, da sie in Kenntnis des Sach- und Streitstandes vor Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde Deckungsschutz gewährte und damit einen Vertrauenstatbestand gemäss § 242 BGB schaffte.

Die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung ist ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, durch welche ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird. Durch sie werden Einwendungen und Einreden ausgeschlossen, die dem Rechtsschutzversicherer bei Abgabe der Zusage bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnen musste. Ausweislich des § 17 Abs. 2 Satz 1 ARB ist der Versicherer verpflichtet den Umfang des bestehenden Versicherungsschutzes zu bestätigen (van Bühren/Plote/Hillmer-Möbius, ARB Rechtsschutzversicherung, 3. Aufl. 2013, § 17 ARB, Rn. 30). Über den Wortlaut von § 17 Abs. 2 Satz 1 ARB hinaus muss die Ablehnung schriftlich erfolgen (BGH r+s 2003, 363; OLG Frankfurt a. M., r+s 1997, 420;OLG Düsseldorf, r+s 2001, 198 (199);OLG Karlsruhe, r+s 2004, 107). Die Ablehnung der Deckungszusage muss unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern erfolgen. Teilt der Rechtsschutzversicherer seinen Willen zur Ablehnung der Deckungszusage nicht unverzüglich mit, verliert er das Recht, sich auf fehlende hinreichende Erfolgsaussicht, Mutwilligkeit oder andere Ablehnungsgründe zu berufen (BGH, r+s 2003, 363 (365); OLG Karlsruhe, r+s 2004, 107). Der Rechtschutzversicherer legt sich somit bei Erteilung der Deckungszusage in der Bewertung der ihm bei Prüfung bekannten Umstände in dem Umfang fest wie er dies schriftlich niederlegt. Verbleiben ihm Zweifel hat er dies durch Vorbehalte zum Ausdruck zu bringen. Auch wenn die Deckungszusage in erster Linie das Verhältnis zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer betrifft und damit vor allem den Versicherungsnehmer in dessen Vertrauen schützt, erstreckt sich dieser Vertrauensschutz auch auf den Anwalt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Kommunikation in aller Regel zwischen Rechtsschutzversicherer und Anwalt erfolgt. Es ist der Anwalt, der die zur Prüfung der Erfolgsaussicht relevanten Unterlagen bei der Versicherung einreicht und seine rechtliche Bewertung mitteilt. Erteilt die Versicherung aufgrund einer anwaltlichen Stellungnahme dem Versicherungsnehmer Deckungsschutz, steht dies einer Zustimmung des Mandanten zu einer Prozessführung gleich. Genauso wenig wie sich der Mandant nach erfolgter Aufklärung über die Erfolgsaussichten auf einen Anwaltsfehler berufen darf, kann dies die Versicherung, wenn sie in Kenntnis aller tatsächlichen Umstände und einer rechtlichen Bewertung Deckungsschutz gewährt. Alleine der gesetzliche Übergang der Ansprüche nach § 86 VVG kann nicht dazu führen, dass sich an dem einmal begründeten Vertrauenstatbestand etwas ändert. Entgegen der Ansicht der Klägerin wird die Rechtsschutzversicherung dadurch zu keiner Schadensversicherung zum Vorteil des vom Versicherungsnehmer beauftragten Rechtsanwalts und die Annahme eines auch zugunsten des Anwaltes wirkenden Vertrauenstatbestandes führt auch zu keiner „Entlastung“ des Anwalts von seinen bei der anwaltlichen Beratung zu beachtenden Sorgfaltspflichten (so OLG Koblenz, NJW-RR 2011, 761); denn der Anwalt kann an dem in der Person seines Mandanten durch die Deckungszusage begründeten Vertrauenstatbestandes nur insoweit partizipieren, wie die Deckungszusage reicht, insbesondere nur insoweit wie dem Versicherer alle relevanten Umstände mitgeteilt wurden, auf deren Grundlage er eine Prüfung vornehmen konnte. Beruht die Deckungszusage auf einer unzureichenden Darstellung der Tatsachen durch den Anwalt, kann er sich auf das in der Person des Mandanten entstandene Vertrauen in die Deckungszusage nicht berufen. Liegt der Deckungszusage indes eine fehlerhafte rechtliche Bewertung der Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung durch den Anwalt zugrunde, besteht der Vertrauensschutz hingegen; denn die Rechtschutzversicherung kann – bevor sie Deckungsschutz gewährt – selbst eine rechtliche Prüfung vornehmen und sofern sie Zweifel an der Erfolgsaussicht hat, den Deckungsschutz nach § 3 a ARB versagen. Bei der Frage nach dem Vertrauensschutz sind weiter die Rechtsgedanken zu berücksichtigen, die die Rechtsprechung veranlasst hat, im Wege der ergänzenden Auslegung des Versicherungsvertrags zwischen dem Versicherungsnehmer als Vermieter und dem Gebäudeversicherer einen Regressverzicht des Gebäudeversicherers gegenüber dem Mieter anzunehmen. Die Annahme eines Regressverzichtes beruht hier darauf, dass dem Vermieter für den Versicherer erkennbar daran gelegen ist, seinen Mieter in den Schutz des Gebäudeversicherers mit einzubeziehen. Er hat nämlich ein Interesse daran, dass der Mieter, auf den er in der Regel die Kosten der Versicherung abwälzt, in seiner Erwartung, er sei bei fahrlässiger Schadensverursachung durch die Versicherung geschützt, nicht enttäuscht wird (BGH, NJW 2015, 699). Auch wenn es im Verhältnis Rechtschutzversicherung, Mandant und Anwalt zu keiner Kostenbeteiligung des Anwaltes an den von dem Mandanten zu zahlenden Versicherungsprämien kommt und der Anwalt, der über einen eigene Haftpflichtversicherung verfügt, nicht erwartet, dass er an dem Deckungsschutz partizipiert, so wird doch das Mandatsverhältnis, dem ein besonderes Vertrauensverhältnis zugrunde liegt und dass oftmals auch über längere Zeit besteht, belastet, wenn die Rechtsschutzversicherung trotz erteilter Deckungszusage den Anwalt in Regress nimmt, obwohl der Mandant mit dessen Vorgehen einverstanden war. Der Versicherungsnehmer wird wie der Vermieter gegenüber dem Mieter in einen Interessenkonflikt gezwungen, da er ggfs. auf Seiten der Versicherung gegen seinen Anwalt, zu dem er auf wechselseitigem Vertrauen gründende vertragliche Beziehungen unterhält und auch weiter unterhalten will, Stellung beziehen muss. Hieraus resultiert ein schützenswertes Vertrauen des Mieters, dass die Versicherung jedenfalls in den Fällen, in denen sie selbst nach Prüfung eine Deckungszusage erteilte, das Mandatsverhältnis nicht durch Regressforderungen gegen den Anwalt belastet, die auf einer fehlenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung gestützt sind.

Nach alledem steht vorliegend dem Regress der Klägerin § 242 BGB entgegen. Der Beklagte zu 2.) hat mit Schreiben vom 20.07.2016 der Klägerin seine Gründe benannt, warum eine Nichtzulassungsbeschwerde für aussichtsreich erachtet. Dieses Schreiben setzt sich der Beklagte zu 2.) mit dem Urteil des LAG Köln auseinander und spricht auch das Urteil des LAG Sachsen an, weiter werden rechtliche Kritikpunkte an den Entscheidungen erörtert. Dass in diesem Schriftsatz unzutreffende tatsächliche Angaben gemacht werden, ist nicht ersichtlich und trägt die Klägerin auch nicht vor. Auf dieser Grundlage hat die Klägerin mit Schreiben vom 27.07.2016 Deckungsschutz gewährt. Hierbei wurde kein Vorbehalt erklärt, es wurde auch keine weitere Erläuterung angefordert, inwieweit die Nichtzulassungsbeschwerde den Anforderungen an die Darstellung einer Divergenz gemäss  § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG entspricht. Auch wurde kein Entwurf einer Nichtzulassungsbeschwerde zur weiteren Prüfung und Abklärung verlangt. Ausgehend von dieser umfassend erteilten Deckungszusage durfte der Versicherungsnehmer und mit ihm die Beklagten darauf vertrauen, dass die von Mandant und Anwalt geteilte Auffassung, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht auch von der Klägerin getragen wird. Mit der nunmehr erhobenen Regressforderung setzt sich die Klägerin aber in Widerspruch zu der eigenen Deckungszusage und verletzt das schützenswerte Vertrauen ihres Versicherungsnehmers und der diesen vertretenen Beklagten.“

Also: Deckungszusage gilt….

(K)eine Frage, oder: Die RSV muss auch das zweite Sachverständigengutachten im OWi-Verfahren zahlen

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Die zweite Entscheidung ist eine erfreuliche, die allerdings die Rechtsschutzversicherungen nicht so freuen wird. Es handelt sich um das AG Saarlouis, Urt. v. 01.02.2107 – 28 C 845/16 (70) -, das auch schon in der zfs 2017 veröffentlicht worden ist und auf das der Kollege Gratz im VerkehrsrechtsBlog ja auch schon hingewiesen hat. Ich wollte daraus an sich ein „RVG-Rätsel“basteln, das hat sich dann aber erledigt.

Es geht um eine Freistellungsklage gegenüber einer RSV. Dem Kläger wurde im Bußgeldverfahren eine Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last gelegt. Zur Überprüfung der Messung holte seine Verteidigerin ein Sachverständigengutachten ein. Die Beklagte, mit dem der Kläger einen Rechtsschutzversicherungsvertrag abgeschlossen hat, der u. a. Versicherungsschutz für Ordnungswidrigkeitenverfahren umfasste, hat Deckungszusage für das Verfahren erster Instanz erteilt und die Kosten für das Sachverständigengutachten übernommen. Im gerichtlichen Verfahren hat das AG dann ebenfalls einen Sachverständigen mit der Überprüfung der Messung beauftragt. Nachdem der gerichtlich bestellte Sachverständige sein Gutachten erstattet hatte, hat die Verteidigerin erneut den von ihr bereits beauftragten Sachverständigen mit der Überprüfung des Gerichtsgutachtens beauftragt. Die Übernahme der dadurch entstandenen Kosten hat die beklagte Rechtsschutzversicherung abgelehnt. Die Freistellungsklage des Klägers hatte Erfolg:

„Unstreitig besteht zwischen den Parteien ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, der auch den Versicherungsschutz für Ordnungswidrigkeiten umfasst (6-9 GA).

Nach den diesem Vertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung pp.  trägt der Versicherer u.a. die übliche Vergütung einer rechtsfähigen technischen Sachverständigen –Organisation im Falle der Verteidigung in verkehrsrechtlichen Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren.

Die Üblichkeit der unter dem 21. 08. 2015 mit vorgenanntem Betrag von 577,02 € berechneten ergänzenden Stellungnahme des von dem Kläger beauftragten Sachverständigenbüros steht nicht im Streit. Die Gutachtenprüfung stellt auch inhaltlich ein Gutachten im Sinne der vorzitierten Allgemeinen Versicherungsbedingungen dar.

Zu Recht weist der Kläger auch darauf hin, dass weder die Versicherungsbedingungen – noch die erteilte Deckungszusage – eine zahlenmäßige Beschränkung auf nur ein Gutachten vorsehen.

Zwar regelt § 1 der Versicherungsbedingungen, dass der Versicherer zur Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers lediglich erforderliche Leistungen erbringt. Die Erforderlichkeit ist jedoch aus Sicht des Versicherungsnehmers zu bestimmen.

Hierbei ist vorliegend zu berücksichtigen, dass im Laufe des Gerichtsverfahrens durch das Gerichtsgutachten eine andere Bewertung der Geschwindigkeitsmessung als im zuvor von dem Kläger eingeholten Privatgutachten erfolgte und nunmehr aus Sicht der Verteidigung aufgrund  dieser unterschiedlichen Bewertungen des Messverfahrens durch Sachverständige und hieraus sich ergebenden divergierenden Ergebnissen  wohl zulasten ihres Mandanten, aber auch aufgrund der Komplexität der Materie eine ergänzenden Stellungnahme des Privatgutachters geboten schien. Von der Erforderlichkeit durfte der Kläger hierbei auch deshalb ausgehen, als die Beklagte einschränkungslos  die Kosten des vorzitierten Erstgutachten erstattete, sich hierbei nicht darauf berief, dass aus Schadensminderungsgesichtspunkten die Erstellung dieses Privatgutachtens zur Überprüfung des Messverfahrens vorgerichtlich nicht notwendig sei und in ihrer Deckungszusage, die auf ausdrücklichen Hinweis der ehemaligen Bevollmächtigten des Klägers, wonach um Prüfung und Kostenzusage auch für die einzuholende gutachterliche Bewertung gebeten wird, uneingeschränkte Deckung zusagte.

Im Hinblick auf die aus Sicht des Klägers zu bestimmende Erforderlichkeit und der vorstehenden Erwägungen kann die Beklagte sich deshalb auch nicht auf die Regelungen in § 17 ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen berufen, wonach kostenauslösende Maßnahmen mit dem Versicherer abzustimmen sind und dieser für eine Minderung des Schadens zu sorgen hat, zumal eine ausdrückliche Aufzählung der Beispielsfälle zur Schadenminderung nicht gegeben ist.

(So im Ergebnis auch: Amtsgericht Kirchhain in Zfsch 2015,449).“

Die Entscheidung ist m.E. nicht nur für das Bußgeldverfahren, wo allerdings wohl ihr Hauptanwendungsbereich liegen dürfte, sondern auch für das Strafverfahren von Bedeutung. Denn es kommen damit ggf. die Kosten von drei Sachverständigengutachten auf sie zu. Für den Betroffenen ist es günstig, denn er braucht sich – zumindest nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung und Fassung der Versicherungsbedingungen – um seine Verteidigungsstrategie keine Gedanken zu machen.

M.E. ist der Ansatz des AG auch zutreffend. Denn was soll ich mit einem Sachverständigengutachten mit einem für mich günstigen Ergebnis, wenn ich ein Gegengutachten mit ungünstigem Ergebnis nicht überprüfen können soll.

Verfahrenserledigung der besonderen Art II: Rechtsschutzversicherung zahlt Bußgeld

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Und hier dann der zweite Versuch der Verfahrenserledigung der besonderen Art (zum ersten hier: Verfahrenserledigung der besonderen Art I, oder: Rührende Fürsorge). Dieser zweite Versuch stammt von einem Kollegen, der ungenannt bleiben möchte. Übersandt hat er mir das anonymisierte Schreiben einer Rechtsschutzversicherung, das ihn bzw. den Mandanten in einer Bußgeldsache erreicht hat. Da heißt es:

Sehr geehrter Herr ppp.
in dieser Bußgeldsache besteht grundsätzlich Versicherungsschuiz im Rahmen des abgeschlossenen Versicherungsvertrages und der ihm zu Grunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen.

Zur allseitig schnellen und wirtschaftlichen Erledigung bieten wir deshalb an, das Bußgeld und die Verfahrenskosten zu übernehmen, wenn dieser Rechtsschutzfall damit für uns kostenmäßig erledigt ist.

Eine vereinbarte Selbstbeteiligung werden wir für den Fall der Annahme dieses Angebotes nicht in Abzug bringen_

Sofern bereits eine anwaltliche Vertretung vorliegt, sind wir zusätzlich bereit, die Grundgebühr und eine Verfahrensgebühr (jeweils Mittelgebühren) sowie die Auslagen zu übernehmen.

Mit Zahlung dieser Beträge sind sämtliche Ansprüche in dieser Angelegenheit uns gegenüber abgegolten.

Sofern noch nicht geschehen, übersenden Sie uns bitte eine Kopie des Anhörungsbogens bzw. des Bußgeldbescheids,
Zum Zeichen ihres Einverständnisses bitten wir Sie, uns dieses Schreiben unterzeichnet zurückzusenden. Bitte teilen Sie uns vorsorglich die vollständigen Bankdaten mit. Nach Erhalt werden wir den Betrag unverzüglich auszahlen.
 
Bitte beachten Sie, dass wir zwar die angedrohte bzw. verhängte Geldbuße begleichen können,
eine mögliche Androhung bzw. Verhängung von Punkten oder eines Fahrverbots bleibt davon unberührt.“

Auch irgendwie rührend, nicht wahr? Lassen wir mal die rechtliche Zulässigkeit außen vor, die habe ich jetzt nicht geprüft – zu § 153a StPO gab/gibt es eine Diskussion, wenn der Arbeitgeber die vereinbarte Geldbuße erstattet. Aber: Ist es Aufgabe einer RSV so zur Verfahrenserledigung beitragen zu wollen? Auch hier: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Immerhin hat man aber erkannt, dass Punkte und ggf. ein Fahrverbot beim Betroffenen bleiben, wenn er sich das Verfahren abkaufen lässt. Wäre ja sonst auch schlecht für den Sachbearbeiter.

Auch das kommt in „Amüsantes“.