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Leistungsausschluss in der RSV wegen Vorsatztat, oder: Klärung im Deckungsprozess

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Heute stelle ich im „Kessel Buntes“ zunächst das BGH, Urt. v. 20.05.2021 – IV ZR 324/19 – vor.

Es geht um eine Klage gegen eine Rechtsschutzversicherung (RSV). Die Klägerin begehrt von der Beklagten, einem Schadenabwicklungsunternehmen, für ihren mitversicherten Lebensgefährten Deckungsschutz aus einer RSV für die Kosten eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Es macht nämlich der Arbeitgeber des Versicherten gegen diesen Schadensersatzansprüche in Höhe von über 2 Millionen EUR geltend, weil dieser an einer betrügerischen Abrechnung externer Dienstleistungen, die tatsächlich nicht erbracht wurden, zum Nachteil seines Arbeitgebers beteiligt gewesen sein soll. Der Versicherte bestreitet die Vorwürfe.

Gem. Ziff. 5.5 Satz 1 ARB-MPM 2009 ist der Rechtsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen ausgeschlossen, „soweit … ein ursächlicher Zusammenhang mit einer … vorsätzlich begangenen Straftat besteht. Stellt sich ein solcher Zusammenhang im Nachhinein heraus, sind Sie zur Rückzahlung der Leistungen verpflichtet, die wir für Sie erbracht haben.“

Nach Ziffer 27.2 Satz 1 ARB gelten die den Versicherungsnehmer betreffenden Bestimmungen sinngemäß für die mitversicherte Person. Zu den versicherbaren Leistungsarten ist in Ziffer 4 ARB unter anderem geregelt:

„4.9 Straf-Rechtsschutz für die Verteidigung wegen des Vorwurfes 4.9.1 eines verkehrsrechtlichen Vergehens. Wird rechtskräftig festgestellt, dass Sie das Vergehen vorsätzlich begangen haben, sind Sie verpflichtet uns die Kosten zu erstatten, die wir für die Verteidigung wegen des Vorwurfes eines vorsätzlichen Verhaltens getragen haben; 4.9.2 eines sonstigen Vergehens, dessen vorsätzliche wie auch fahrlässige Begehung strafbar ist, solange Ihnen ein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wird. Wird Ihnen dagegen vorgeworfen, ein solches Vergehen vorsätzlich begangen zu haben, besteht rückwirkend Versicherungsschutz, wenn nicht rechtskräftig festgestellt wird, dass Sie vorsätzlich gehandelt haben.4.9.3 Es besteht also bei dem Vorwurf eines Verbrechens kein Versicherungsschutz; ebenso wenig bei dem Vorwurf eines Vergehens, das nur vorsätzlich begangen werden kann (z.B. Beleidigung, Diebstahl, Betrug). Dabei kommt es weder auf die Berechtigung des Vorwurfes noch auf den Ausgang des Strafverfahrens an.…“

Das ArbG hat Prozesskostenhilfe bewilligt. Ein Ermittlungsverfahren, u.a. wegen Computerbetrugs im besonders schweren Fall, ist gegen den Versicherten anhängig.

Die Beklagte lehnte den für die Abwehr der Schadensersatzansprüche erbetenen Deckungsschutz unter Bezugnahme auf den Risikoausschluss in Ziffer 5.5 ARB ab. Später berief sie sich nach Ziffer 23.1.1 ARB ergänzend darauf, dass die Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Das LG stellte die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Deckungsschutz unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall eines ursächlichen Zusammenhangs der Schadensersatzansprüche mit einer vorsätzlich begangenen Straftat fest. Das OLG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Versicherung könne nicht jede Leistung bis zur Klärung der Vorsatzfrage im Deckungsprozess verweigern. A

Auf die vom OLG zugelassene Revision des Versicherers hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen.

Er verweist darauf, dass umstritten sei, ob die Frage, ob der Vorwurf, der Versicherungsfall stehe in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer vorsätzlich begangenen Straftat, im Deckungsprozess zu klären ist und ob anderenfalls der Versicherer bis zu einer anderweitigen Klärung vorläufig leistungsfrei oder leistungspflichtig ist. Dazu der BGH:

„cc) Dagegen ist nach einer dritten Auffassung im Deckungsprozess über den vom Rechtsschutzversicherer erhobenen Vorwurf einer vorsätzlichen Straftat endgültig zu entscheiden (vgl. Schneider in van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht 7. Aufl. § 13 Rn. 238; Piontek in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. ARB 2010 § 3 Rn. 2, 110). Maßgeblich sei die objektive Sachlage, so dass weder ein Recht noch eine Pflicht des Versicherers zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bestehe (Piontek aaO; vgl . auch Schneider aaO). Der Versicherer sei für die Voraussetzungen des Risikoausschlusses beweispflichtig (Schneider aaO Rn. 240).

b) Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung insoweit an, als das Vorliegen einer vorsätzlichen Straftat als Voraussetzung des Leistungsausschlusses nach Ziffer 5.5 Satz 1 ARB im Deckungsprozess endgültig zu klären ist und eine vorläufige Leistungspflicht des Versicherers nicht besteht. Dabei ist der Versicherer für die Voraussetzungen des Risikoausschlusses darlegungs- und beweisbelastet, und der Risikoausschluss ist nicht bereits dann zu verneinen, wenn der Versicherungsnehmer die Begehung einer vorsätzlichen Straftat substantiiert bestreitet. Das ergibt die Auslegung der Klausel…..“

Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext. Hier noch die Leitsätze der BGH-Entscheidung:

  1. Ob die Voraussetzungen für den Leistungsausschluss nach Ziffer 5.5 S. 1 ARB-MPM 2009 vorliegen, insbesondere der Versicherungsnehmer oder Versicherte vorsätzlich eine Straftat begangen hat, ist im Deckungsprozess zu klären. Dabei besteht weder eine Bindung an die Ergebnisse eines gegen den Versicherungsnehmer oder Versicherten geführten Ermittlungsverfahrens oder des Ausgangsrechtsstreits noch ist der Rechtsschutzversicherer bis zu deren Abschluss vorläufig leistungspflichtig.

  2. Der Versicherer ist für die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach Ziffer 5.5 S. 1 ARB-MPM 2009 darlegungs- und beweisbelastet.