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StPO I: Durchsuchungsgrundlage anonymer Hinweis, oder: Abwarten bis zur richterlichen Entscheidung

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Und heute dann dreimal StPO, und zwar fünf Entscheidungen, zwei aus dem Ermittlungsverfahren, zwei aus dem Bereich der Hauptverhandlung und eine zum Urteil.

Ich beginne mit den beiden Entscheidungen aus dem Ermittlungsverfahren. Beide betreffen die Durchsuchung. Zu beiden stelle ich aber nur die Leitsätze vor, da die Fragen schon häufiger Gegenstand der Berichterstattung waren. Hier sind dann:

1. Eine anonyme Anzeige über ein Hinweisgebersystem kann eine für die Anordnung einer Durchsuchung gemäß § 102 StPO ausreichende Verdachtsgrundlage bieten.
2. Eine derartige Anzeige muss von beträchtlicher sachlicher Qualität sein oder es muss mit ihr zusammen schlüssiges Tatsachenmaterial vorgelegt worden sein.
3. In diesen Fällen müssen die Eingriffsvoraussetzungen des § 102 StPO besonders sorgfältig geprüft werden.

1. Eine noch nicht erlassene Durchsuchungsanordnung kann zeitlich vor ihr liegende Rechtseingriffe nicht rechtfertigen. Grundlage der Maßnahmen ist eine indes eigene Anordnung der Ermittlungspersonen, die diese im Rahmen der Eilzuständigkeit aus §§ 103, 105 Abs. 1 S. 1 HS 2 StPO gegenüber dem Beschwerdeführer getroffen haben.
2. Es entspricht ggf. dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, eine Durchsuchung zunächst nicht durchzuführen, sondern sich bis zu einer richterlichen Entscheidung auf weniger eingreifende Sicherungsmaßnahmen in eigener Kompetenz zu beschränken.
3. Auf diese Weise kann die Beachtung des Richtervorbehalts aus § 105 Abs. 1 S. 1 StPO trotz gegebener Gefahr im Verzug gewahrt bleiben.

Einstellung des Bußgeldverfahrens wegen Verjährung, oder: Klare Worte zum „Regel-Ausnahme-Verhältnis

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Die zweite Entscheidung, der LG Trier, Beschl. v. 30.05.2023 – 1 Qs 24/23, behandelt auch die Frage der Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Staatskasse, wenn das Bußgeldverfahren wegen Verjährung eingestellt wird. Auch hier klare Worte zum Regel-Ausnahme-Verhältnis – wie im AG Büdingen, Beschl. v. 30.05.2023 – 60 OWi 48/23:

„Sie ist auch begründet. Das Amtsgericht hat die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu Unrecht nicht der Staatskasse auferlegt.

Nach dem Grundsatz des § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO fallen die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse zur Last, soweit das Verfahren gegen ihn eingestellt wird.

Als Ausnahme hiervon kann das Gericht nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er wegen einer Ordnungswidrigkeit nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Bei Hinwegdenken dieses Verfahrenshindernisses – hier der eingetretenen Verfolgungsverjährung – muss feststehen, dass es mit Sicherheit zu einer Verurteilung gekommen wäre (BGH, NStZ 1995. 406, 407). Als Ausnahmevorschrift ist diese eng auszulegen (OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.11.2014 – 2 Ss 142/14, BeckRS 2015, 337 Rn. 4 m.w.N.).

Eine solche Schuldspruchreife kann nur nach vollständig durchgeführter Hauptverhandlung und dem letzten Wort des Betroffenen eintreten (BGH. NJW 1992, 1612, 1613; dem folgend Niesler, in: BeckOK StPO. 45. Edition, Stand: 01.10.2022, StPO § 467 Rn. 11; siehe auch BGH. Beschl. v. 19.06.2008 – 3 StR 545/07, Rn. 17 – juris).

Selbst wenn man der Gegenansicht folgt, wonach von der Auslagenerstattung durch die Staatskasse bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgesehen werden kann. wenn nämlich ein auf die bisherige Beweisaufnahme gestützter erheblicher Tatverdacht besteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei Fortführung der Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellen würden (so etwa BGH. NStZ 2000, 330, 331; siehe auch die insoweit kritische Anmerkung von Hilger, a.a.O.), führt dies im vorliegenden Fall zu keiner anderen Beurteilung. Denn es begründet insofern durchgreifende Bedenken, dass die Verteidigung des Betroffenen insofern beeinträchtigt war, als ihm die Bußgeldstelle – entgegen der gerichtlichen Entscheidung nach § 62 OWiG – die Baumusterprüfbescheinigung des verwendeten Messgeräts und die verkehrsrechtliche Anordnung der maßgeblichen Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht zur Verfügung gestellt hat.

Nach diesen Erwägungen war die Verurteilung des Betroffenen – auch wenn keine Verfolgungsverjährung eingetreten wäre – nicht derart sicher gewesen, dass von der Ausnahmevorschrift des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO Gebrauch zu machen gewesen wäre, zumal die unterlassene Überlassung bestimmter Unterlagen an die Verteidigung auch bei Ausübung des von dieser Vorschrift eingeräumten Ermessens zu würdigen ist. Vielmehr hatte es bei dem Grundsatz der Tragung der notwendigen Auslagen des Betroffenen durch die Staatskasse zu bleiben.“

Rücknahme des Strafantrags, oder: Wer trägt die Auslagen des Angeklagten?

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Und als zweite Entscheidung dann ein kostenrechtlicher Beschluss zu einer Vorschrift, die häufiger übersehen wird. Nämlich § 470 StPO, der die Kostentragungspflicht bei Zurücknahme des Strafantrags regelt. Dazu hat das LG Trier im LG Trier, Beschl. v. 05.10.2020 -1 Qs 65/20 – Stellung genommen.

Hier hatte die Geschädigte Strafantrag gestellt, die Staatsanwaltschaft hatte Anklage wegen Beleidigung erhoben. Das AG hatte das Hauptverfahren eröffnet, die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und Termin zur Hauptverhandlung bestimmt. Dann hatte die Geschädigte, nachdem die Angeklagten sich bei ihr entschuldigt hatten, ihren Strafantrag zurückgenommen. Das AG hat das Verfahren nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt. Die Kosten des Verfahrens hat es gemäß § 467 Abs. 1 und 3 Nr. 2 StPO der Staatskasse überbürdet, die notwendigen Auslagen der Angeklagten wurden diesen auferlegt. Mit Schreiben vom 24.09.2020 hat einer Angeklagten über seinen Verteidiger sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung eingelegt. Die hatte Erfolg:

„Prozessual führt die Rücknahme zur Kostenlast für den Zurücknehmenden gemäß § 470 StPO. Nach der Eröffnung des Hauptverfahrens richtet sich die Kostenentscheidung nach der Regelung des § 470 S. 2 StPO, wonach in Abweichung von der Regel des Satz 1 die Kosten und Auslagen auch dem Angeklagten auferlegt werden können, soweit er sich zur Übernahme bereit erklärt hat. Der Angeklagte A. war zur Übernahme der Kosten nicht bereit, so dass die Kostenentscheidung insoweit schon aufzuheben ist.

Jedoch kommt eine Belastung der Staatskasse in Betracht, wenn es unbillig wäre die Beteiligten damit zu belasten. Im Rahmen dieser Kostenentscheidung aufgrund richterlichen Ermessens darf die Staatskasse jedoch gleichwohl nur ausnahmsweise – belastet werden, wenn anerkennenswerte Gründe vorliegen, die es unbillig erscheinen lassen würden, die Anzeigeerstatterin mit den Kosten und Auslagen zu belasten (Meier-Goßner/Schmitt, StPO 63. Aufl., § 470 Rdnr. 6).

Eine Überbürdung der notwendigen Kosten des Angeklagten auf die Anzeigenerstatterin und Geschädigte wäre vorliegend aber nicht sachgerecht. So hat nicht nur die Staatsanwaltschaft Trier das öffentliche Interesse bejaht und Anklage erhoben, statt die Anzeigenerstatterin auf den Privatklageweg zu verweisen. Das Amtsgericht hatte die Anklage bereits zugelassen und Hauptverhandlungstermin bestimmt. Die Anzeigenerstatterin hat den Strafantrag erst zurückgenommen, nachdem die Angeklagten sich bei ihr entschuldigt hatten und das Jugendamt, welches ihre Anzeige unterstützt hatte, der Rücknahme zugestimmt hatte. Das Amtsgericht erachtete es als angemessen, dass die Staatskasse die Kosten des Verfahrens trägt. Damit bestehen mehrere anerkennenswerte Gründe, die es ausnahmsweise rechtfertigen, der Staatskasse auch die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers aufzuerlegen.“

OWi III: Wiederaufnahme im Bußgeldverfahren, oder: Was sind neue Tatsachen

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Und als dritte Entscheidung dann ein Bereich, in dem man als Verteidiger im OWi-Verfahren wahrscheinlich nicht so häufig zu tun hat: Wiederaufnahme des Verfahrens. Es handelt sich um den LG Trier, Beschl. v. 20.05.2020 – 1 Qs 34/20 -, über den der Kollege Gratz auch schon berichtet hat.

Zur Last gelegt wurde dem Betroffenen mit dem Bußgeldbescheid eine Geschwindigkeitsüberschreitung. Das AG hatte auf den Einspruch des Betroffenen Hauptverhandlung bestimmt. Zur Hauptverhandlung am 15.07.2019 erschien lediglich der Verteidiger, der Betroffene nicht. Das AG hat den Einspruch des Betroffenen verworfen.Ein Wiedereinsetzungsantrag des Betroffenen blieb erfolglos. Durch Beschluss des OLG Koblenz ist auch die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des AG als unbegründet verworfen wordne..

Und dann:

„Mit Schreiben vom 8. April 2020 hat der Verurteilte über seine Verteidigerin beantragt, das gegen ihn geführte Bußgeldverfahren wiederaufzunehmen und ihn freizusprechen. Es lägen neue Tatsachen bzw. Beweismittel vor, dass er das Fahrzeug nicht geführt habe. Hierzu benennt er die Zeugen pp, pp und pp und gibt die Zeugenaussagen wieder. Zudem liege eine Bescheinigung seiner Arbeitgeberin (pp) vor, dass er gemäß Auswertung seiner Einloggdaten seines elektronischen Chips am 11. Oktober 2018 von 17:47 Uhr bis 05:56 Uhr im Dienst gewesen sei. Das Schreiben könne als Urkunde verlesen und die zuständige Mitarbeiterin der Personalabrechnung Frau pp, als Zeugin gehört werden. Schließlich sei auch seine Einlassung, dass er sich in der Zeit im Dienst befunden habe, als neue Tatsache zu werten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Antragsschreiben Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat den Antrag des Betroffenen auf Wiederaufnahme des Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch Beschluss vom 27. April 2020 als unzulässig verworfen, da kein geeignetes Beweismittel angeführt worden sei. Der Betroffene sei der ihm obliegenden gesteigerten Darlegungspflicht nicht nachgekommen. Es sei nicht ersichtlich, warum er die Tatsachen und Beweismittel nicht schon gegenüber der Verwaltungsbehörde bekannt gegeben habe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Betroffenen, die am 4. Mai 2020 beim Amtsgericht eingegangen ist. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt der Beschwerde Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat den Wiederaufnahmeantrag im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts fehlt es jedoch bereits an „neuen Tatsachen oder Beweismitteln“.

Im Fall des § 359 Nr. 5 StPO (i.V.m. § 85 Abs. 1 OWiG) ist auf Grund des Urteils oder des sonstigen Akteninhalts die Neuheit der Tatsachen bzw. Beweismittel zu prüfen. Tatsachen sind nicht deshalb neu, weil sie in dem Urteil nicht erwähnt sind. Ergeben sie sich aus den Akten, so spricht das dafür, dass sie dem Gericht bekannt waren (KK-StPO/Schmidt, 8. Aufl. 2019, StPO § 368 Rn. 8 mwN).

Die Entscheidung über die Frage der Neuheit setzt einen Vergleich voraus zwischen dem, was Gegenstand des ursprünglichen Bußgeldverfahrens war, und dem, was nun für das Wiederaufnahmeverfahren an Tatsachen und Beweismitteln vorliegt. Entscheidender Zeitpunkt, ab dem sich Neuheit ergeben kann, ist der Erlass des Urteils, soweit es in Rechtskraft erwächst. Bei Beschlüssen ohne vorangegangene Hauptverhandlung sowie bei Strafbefehlen ist der Akteninhalt entscheidender Anknüpfungspunkt, wobei auch erkennbar unberücksichtigte Akteninhalte als neu anzusehen sind (BeckOK StPO/Singelnstein, 36. Ed. 1.1.2020, StPO § 359 Rn. 24-28). Gleiches gilt für Bußgeldbescheide.

Neu sind solche Tatsachen, die bei der Überzeugungsbildung des erkennenden Gerichts nicht berücksichtigt wurden. Der Grund der Nichtberücksichtigung ist dabei grundsätzlich unerheblich. Es kommt daher nicht darauf an, ob das Gericht die Tatsachen aus dem Akteninhalt hätte kennen und berücksichtigen müssen oder ob der Angeklagte die Tatsache zwar kannte, aber (ggf. sogar absichtlich) nicht vorgebracht hat (BeckOK StPO/Singelnstein, 36. Ed. 1.1.2020, StPO § 359 Rn. 24-28).

Beweismittel sind neu, wenn sie vom Gericht erkennbar nicht berücksichtigt wurden. Dies kann jedoch nicht schon daraus geschlossen werden, dass eine Auseinandersetzung mit Beweisergebnissen im Urteil nicht stattgefunden hat (BeckOK StPO/Singelnstein, 36. Ed. 1.1.2020, StPO § 359 Rh. 24-28).

Zwar weist die Verteidigerin zutreffend darauf hin, dass bei Bußgeldbescheiden, die ohne Hauptverhandlung rechtskräftig werden, für die Frage der Neuheit grundsätzlich der Zeitpunkt des Erlasses des Bußgeldbescheides maßgeblich ist. Zu diesem Zeitpunkt waren die benannten Beweismittel nicht bekannt.

Vorliegend hat der Betroffene jedoch gegen den Bußgeldbescheid rechtzeitig Einspruch eingelegt und anschließend vor dem Einspruchstermin die Fahrereigenschaft bestritten und den Zeugen … als Fahrer benannt. Zudem hat er als weitere Zeugen … und … benannt. Das Amtsgericht hat dies auch zur Kenntnis genommen und die Zeugen … und … zum Einspruchstermin geladen.

Die Zeugen wurden zwar letztlich nicht gehört. Dies jedoch nur deshalb nicht, da der Angeklagte zum Einspruchstermin unentschuldigt nicht erschienen ist.

Für einen solchen Fall muss für die Frage der Neuheit der Zeitpunkt der Verwerfung des Einspruchs maßgeblich sein, auch wenn die Zeugen im Termin nicht gehört wurden. Anderenfalls könnten die Vorschriften über das – zeitlich begrenzte – Wiedereinsetzungsverfahren durch das – zeitlich grundsätzlich unbegrenzte – Wiederaufnahmeverfahren umgangen werden.

Was das Bestreiten der Fahrereigenschaft angeht, so stellt dies ohnehin keinen neuen Tatsachenvortrag im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO dar und wäre entsprechend in dem originär vorgesehenen Rechtsbehelf, des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid vorzubringen und zu prüfen gewesen. Das nachträgliche Bestreiten der dem Bußgeldbescheid zugrundeliegenden Tatsachen vermag einen Wiederaufnahmeantrag nicht zu rechtfertigen, da ansonsten das Wiederaufnahmeverfahren zu einer zeitlich unbefristeten Rechtsbeschwerde umfunktioniert würde (LG Köln Beschl. v. 21.3.2017- 105 Qs 36/17, BeckRS 2017, 112849 Rn. 2).

Damit bleibt für die Frage der Neuheit nur das Schreiben der als Zeugin benannten Mitarbeiterin der Personalabrechnung, Frau pp.

Insoweit fehlt es jedoch an der für ein Wiederaufnahmeverfahren erforderlichen Beweiseignung, denn der Umstand, dass der elektronische Chip des Verurteilten zur Tatzeit an der Arbeitsstelle eingeloggt war, bedeutet nicht zwingend, dass der Verurteilte tatsächlich zur Tatzeit dort anwesend war. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass eine andere Person den Verurteilten mit dem Chip eingeloggt hat, um etwa eine unentschuldigte Abwesenheit zu vertuschen. Zum anderen könnte sich der Verurteilte auch nach dem Einloggen für eine gewisse Zeit wieder entfernt haben, ohne sich zwischendurch auszuloggen, oder regulär in dieser Zeit eine dienstliche Fahrt vorgenommen haben, denn auch in diesem Fall hätte sich der Verurteilte „im Dienst“ befunden. Eine Angabe über den Ort der Dienstausübung ist damit nicht verbunden. Bei einem Wachdienst ist es sogar üblich, dass die Arbeitgeber sich nicht ständig am Firmensitz aufhalten.

Hier hätte der Betroffene näher darlegen müssen, warum aus dem Umstand, dass er sich im Dienst befand, gefolgert werden soll, dass er nicht am Tatort gewesen sein kann. Dies ist nicht geschehen. Auf seine gesteigerte Darlegungspflicht war er durch das Amtsgericht auch bereits hingewiesen worden.

Nach alledem ist die sofortige Beschwerde als unbegründet mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 S.1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG zu verwerfen.“

Wenn die Hauptverhandlung um 08.00 Uhr beginnt, oder: Nicht so schlimm, muss der Verteidiger eben früh aufstehen

entnommen wikimedia.org
Urheber Bass2001

Als zweite Entscheidung stelle ich den LG Trier, Beschl. v. 22.03.2018 – 5 Qs 21/18 – vor. Die ist vor einiger Zeit schon in der NZV „gelaufen“. Ich habe Sie mir vom Kollegen Dr. Fromm aus Koblenz, der sie erstritten – besser „erlitten“ hat – besorgt und stelle sie heute vor.

Entschieden hat das LG über einen Terminsverlegungsantrag des Kollegen. Das AG Wittlich hatte nach fernmündlicher Abstimmung mit dem Büro des Kollegen Termin zur Hauptverhandlung auf den 29.03.2018 bestimmt und den Terminsbeginn auf 8:00 Uhr festgelegt. Nach Erhalt der Ladung stellt der Kollege den Antrag, den für den 29.03.2018, 8:00 Uhr anberaumten Termin aufzuheben und neuen Termin zu bestimmen. Zur Begründung hat er vorgetragen, er müsse von seinem Wohnsitz in Dieblich bereits vor 6:00 Uhr abfahren, um pünktlich bei Gericht zu sein. Die erfolgte Terminierung stelle deshalb eine solche zur „Unzeit“ dar und müsse aufgehoben werden.

Den Antrag hat das AG abgelehnt. Dagegen das Rechtsmittel, das beim LG keinen Erfolg hatte:

„Ob die vorliegende Beschwerde gegen die Ablehnung der Verlegung des auf den 29.03.2018, 8:00 Uhr, anberaumten Termins zur Hauptverhandlung überhaupt ein statthaftes Rechtsmittel gegen die angefochtene Entscheidung darstellt, kann vorliegend dahinstehen, da die Beschwerde im Ergebnis jedenfalls unbegründet und daher zu verwerfen ist.

Die Beschwerde gegen die Bestimmung oder Aufhebung eines Hauptverhandlungstermins, insbesondere die Ablehnung des Antrags auf Terminverlegung, ist nämlich grundsätzlich gem. § 305 Satz 1-StPO der bestimmt, dass Entscheidungen des erkennenden Gerichts nicht der Beschwerde unterliegen, ausgeschlossen (Meyer-Goßner, StPO, 60. Aufl., § 213 Rdz. 8). Sie kann aber nach einer verbreiteten Ansicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung dann ausnahmsweise als zulässig angesehen werden, wenn sie darauf gestützt ist, dass die Entscheidung des Gerichts rechtswidrig sei, wozu auch die fehlerhafte Ausübung seines Ermessens gehören soll. Die Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Entscheidung soll nach dieser Ansicht allerdings dem Beschwerdegericht entzogen sein (OLG Celle, NJW 2012, 246; OLG Dresden NJW 2004, 3196; OLG Frankfurt StV 1995, 9; OLG Hamburg StV 1995,11). Prüfungsmaßstab ist damit allein die Vertretbarkeit der Entscheidung.
Da diese Nachprüfung durch die Beschwerdekammer vorliegend ergibt, dass eine fehlerhafte Ausübung des dem Amtsgericht Wittlich zustehenden Ermessens nicht gegeben ist, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet.

Die Entscheidung des Richters, wann Termin zur Hauptverhandlung anberaumt wird, steht grundsätzlich in seinem Ermessen. Das Gericht hat sich dabei insbesondere davon leiten zu lassen, dass das Verfahren beschleunigt durchgeführt werden kann (Meyer-Goßner,. a.a.O. § 213 Rdz.6). Neben der Belastung des Gerichts und der Reihenfolge des Eintritts der Rechtshängigkeit sind jedoch auch berechtigte Wünsche der Prozessbeteiligten zu berücksichtigen (BGH NStZ 1998, 311). Einen Anspruch auf Verlegung eines Termins haben diese jedoch nicht. Vielmehr hat der Richter auch über einen Terminverlegungsantrag nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung sowie der Terminplanung des Gerichts zu entscheiden (OLG Hamm, NStZ- RR 2001, 107). Ermessensfehlerhaft ist die Entscheidung lediglich dann, wenn sich das Gericht bei der Ablehnung der beantragten Terminverlegung von sachfremden und damit willkürlichen Beweggründen hat leiten lassen.

So verhält es sich vorliegend indes nicht.

So hat das Amtsgericht den Termintag als solchen mit dem Büro des Beschwerdeführers abgestimmt. Die – relativ frühe – Terminstunde hat das Gericht dagegen mit der gegenwärtigen Arbeitsbelastung und dem Beschleunigungsgebot vor dem Hintergrund drohender Verjährung und damit mit Umständen begründet, die nicht zu beanstanden sind. So hat das Gericht ausgeführt, es sei derzeit wegen gegenwärtigem hohen Geschäftsaufkommens gehalten, auch zu früheren Terminstunden zu terminieren. Zudem mache es die Kürze der geltenden Verjährungsfrist gem. § 26 Abs. 3 StVG erforderlich, die Hauptverhandlung im Anschluss an den Eingang der Sache bei Gericht binnen sechs Monaten zu terminieren. Dies sei aktuell nur unter zeitlicher Ausdehnung der vorhandenen Sitzungstage möglich. Sachfremde Erwägungen lassen diese Ausführungen jedenfalls nicht erkennen. Zu Recht weist das Amtsgericht außerdem darauf hin, dass die gebotene Rücksichtnahme auf die persönlichen Belange der Betroffenen nicht dazu führen kann, dass eine Terminierung innerhalb der Grenzen der Verjährungsvorschriften nicht mehr erfolgen kann. Hinzu kommt, worauf das Amtsgericht ebenfalls bereits richtigerweise hingewiesen hat, dass die Fahrstrecke Koblenz (Kanzleianschrift) – Wittlich ohne Weiteres in einer Stunde bewältigt werden kann, weshalb ein Fahrtantritt zur Nachtzeit gerade nicht erforderlich ist.“

Na ja. Ich erspare mir einen weiter gehenden Kommentar, der Kollege hat in seiner Anmerkung in der NZV dazu schon alles gesagt. Hier nur soviel: Das Ganze riecht nach Retourkutsche (wofür?) oder Druck zur Einspruchsrücknahme, dennw arum kann man nicht den Termin für den nicht ortsansässigen Kollegen verlegen? Und: Wie ist das noch mit der Rechtsprechung zur Übernahme der Übernachtungskosten, wenn der Rechtsanwalt vor 06.00 Uhr die Reise zum Termin antreten muss?

Ja, ich habe gelesen, dass das LG von der Kanzleianschrift ausgeht. Trotzdem für mich nicht nachvollziehbar die Entscheidung.