Archiv für den Monat: März 2010

Entziehung der Fahrerlaubnis nach Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad

Vor einiger Zeit ist in der allgemeinen Presse über eine Entscheidung des BayVGH berichtet worden, nach der dieser keine Bedenken hatte gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG nach einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad und nicht beigebrachtem MPU-Gutachten und einem Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen. Ich hatte je erst Zweifel, aber: Der Beschl. v. 08.02.2010 – 11 C 09.2200 ist eindeutig und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Anordnung der Beibringung des Gutachtens war zwingend, Gutachten war nicht beigebracht, daher Entziehung der FE und auch Verbot fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen. Ich bin selbst ein wenig überrascht. Verwaltunsgrecht ist nicht unbedingt mein Metier. Aber man lernt ja nie aus.

Zu der Problematik passt dann ganz gut die Entscheidung des VG Karlsruhe v. 09.02.2010 – 9 K 3681/09. Danach gelten die vom BVerwG im Urteil vom 21.05.2008 (– 3 C 32/07 –, BVerwGE 131, 163) aufgestellten Maßstäbe, unter welchen Voraussetzungen ein Fahrerlaubnisinhaber, der nur als Fahrradfahrer alkoholisiert am Straßenverkehr teilgenommen hat, zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist, auch nach der zum 30. 10. 2008 in Kraft getretenen Änderung von Nr. 8.1. der Anlage 4 FeV. Also: Aufgepasst!

Zu (blitz)schnell – Simone Thomalla behält aber Führerschein

Nach einer dpa-Meldung vom 16.03.2010 darf die „Tatort-Kommissarin“ Simone Thomalla ihren Führerschein behalten. In der Meldung heißt es: Die 44-Jährige war am 20. Januar 2009 an der berüchtigten Radarfalle auf der A2 am Bielefelder Berg geblitzt worden, sie war 41 Stundenkilometer zu schnell. Zunächst sollte sie 100 Euro Geldbuße zahlen und den Führerschein für vier Wochen abgeben. Sie hatte eingewandt, möglicherweise sei ihre Tochter gefahren, und Widerspruch eingelegt. Vor rund sechs Wochen gab sie nun zu, selbst gefahren zu sein. Das Amtsgericht Bielefeld verurteilte sie mit Urteil vom 16.03.2010, Az.: 37 OWi 628/09 nur zu einer erhöhten Geldbuße von 400 Euro, erließ der viel beschäftigten Akteurin jedoch das Fahrverbot.

Die Begründung der Amtsrichterin: Mit Tempo 141 war die 44-Jährige nur mit einem Stundenkilometer im Bereich des Fahrverbots. Zudem lag der Tempoverstoß schon mehr als ein Jahr zurück. Die Richterin machte für die schleppende Bearbeitung die Fülle der Bußgeldverfahren im Bereich dieser Blitzanlage verantwortlich. Die Anlage ist erst seit Dezember 2008 in Betrieb und gilt bereits als erfolgreichste Radarfalle Deutschlands. In den ersten zwölf Monaten seit der Inbetriebnahme im Dezember 2008 blitzte es dort rund 260 000 Mal. Zum dem Rekordblitzer hier: https://blog.burhoff.de/2010/02/rekordblitzer-auf-der-bab-a-2-nettoeinnahme-7-mio-ejahr/

Unter den Geblitzten ist auch die Dressur-Olympiasiegerin Isabell Werth. Die 41-Jährige war am 22. Dezember 2008 mit Tempo 137 in die Radarfalle geraten. Sie muss jetzt 150 Euro zahlen und einen Monat lang auf den Führerschein verzichten. Ihre Verhandlung sollte ebenfalls am Dienstag sein, sie zog aber den Widerspruch vorher zurück. (Az.: 37 OWi 675/09)

Zuvor war der Maler und Bildhauer Markus Lüpertz (68) zu zwei Monaten Fahrverbot und einem Bußgeld von insgesamt 410 Euro verurteilt worden. Lüpertz war gleich zweimal mit seinem 400 PS starken Maserati geblitzt worden. Die Fernsehköchin Cornelia Poletto («Polettos Kochschule») musste 240 Euro zahlen und vier Wochen auf ihr Auto verzichten. Weiteres prominentes Opfer ist der Sänger Peter Maffay.

 Ich habe meine Zweifel, ob das Urteil beim 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm halten wird. Allerdings: Interessant für Verteidiger ist der Hinweis auf  die schleppende Arbeitsweise.

Jörg Kachelmann – warum eigentlich ein Interview mit dem Leiter der JVA Mannheim bei Antenne Münster?

Zum Fall Jörg Kachelmann ist ja schon einiges geschrieben und über den Ticker gelaufen. Bei den Blogs hier ist es heute sicherlich „das Thema“ (vgl. nur  Stell Dir vor es ist „Internationaler Tag der Meteorologie“ und (Jörg) „Kachelmann (ist) im Knast“ (BILD)“  oder „Verteidigung durch einen Medienrechtler„, wobei m.E. gar nicht klar ist, ob er „wirklich verteidigen will“ oder nur beigezogen ist, oder auch der Beitrag zum Leiter der JVA Mannheim „Kachelmann – „Haftgrund Vergewaltigung“ und Antrittsbesuche„.

Nachdem ich nun gerade bei Antenne Münster die aktuelle Nachrichtensendung gehört habe, frage ich mich, ob das (nicht die Blogbeiträge, sondern das Drum-Herum) wirklich sein musste: (Nochmals?) Das Interview mit dem Leiter der JVA, der haarklein beschreibt, wie groß die Zelle ist oder auch nicht, aber immerhin schon mit abgetrenntem Sanitärbereich, wie man in der JVA den Tag verbringt usw. und: Eine Vorankündigung für den morgigen Tag, an dem offenbar ein Haftprüfungstermin statt finden soll, alles schön aufbereitet, so als ob der Hörer den kleinen StPO-Schein erwerben soll. Im Übrigen: Wir füttern euch an, liebe Hörer, bleibt dran, bei uns erfahrt ihr es auch morgen aus der ersten Reihe.

Von der Unschuldsvermutung spricht kein Mensch im Radio mehr, oder: Warum eigentlich ein solches Medieninteresse bzw. warum macht man ihn kaputt. Die Mitteilung der ARD wird doch nicht mehr lange auf sich warten lassen, in der man mitteilt, dass man sich aufgrund der Vorkommnisse „im besten Einvernehmen“ getrennt hat. Was ich auch vermisse: Eine PM, dass irgendjemand aus dem JM Baden-Württemberg dem Leiter der JVA mal ganz gehörig auf die Füße getreten und einen Maulkorb verpasst hat. Aber wahrscheinlich ist es die Mischung: Promi und Vergewaltigung. Das bringt Zahlen.

Der Wochenspiegel für die 11. KW, oder: Wir schauen auch mal über den Tellerrand in andere Blogs

Der Wochenspiegel für die 11. KW, oder: Wir schauen auch mal über den Tellerrand, man könnte auch schreiben: Auch andere Mütter haben schöne Töchter, was hier im Reich der Blogs heißt: Auch andere Blogs haben interessante Themen, die man mal gelesen/gesehen haben sollte. Und darauf wollen wir jetzt und auch in Zukunft immer mal wieder hinweisen. Hier also dann die erste Auswahl:

  1. Interessant, weil aus dem täglichen juristischen Leben der Beitrag: Der Referendar und die Schulklasse, von „Strafverfahren – in Koblenz und anderswo“,
  2. Der Kollege Hoenig berichtet über „Mandanten Piraterie„, ein Phänomen, das ich aus meiner richterlichen Tätigkeit unter dem Begriff des „Zellenmolchs“ kenne :-). Das Problem wird zudem behandelt bei „Anwälte jagen sich Mandanten ab„.
  3. Allgemeine Lebenskunde betreibt LawBike.de in dem Beitrag „Eine “Anhörung im Bußgeldverfahren” flattert ins Haus – Wie verhält man sich da am besten?
  4. Mal was anderes ist der Hinweis des Kollegen Ferner auf eine Entscheidung des AG Bonn, wonach für die Schwarzfahrt eine Minderjähringen kein erhöhtes Beförderungsentgelt anfällt.
  5. Die „Gesetzeslücke: Ungültige Verkehrsschilder – Straffreiheit für Verkehrssünder?“ wird sicherlich auch den ein oder anderen interessieren.
  6. Auf eine schon etwas ältere Entscheidung weist der Beck-blog hin: Es ist wirklich „Der Traum aller Schüler: Lehrerin verbessert Abiturarbeiten – aber leider als Urkundenfälschung strafbar„, für die Lehrerin ist es aber wohl ein Alptraum geworden.
  7. Der Kollege Ratzka hat sich mit der Problematik „Schadensersatz nach § 153a StPO“ beschäftigt.
  8. Ob es sich in dem vom Kollegen Melchior geschilderten Fall um einen „Sieg des Rechtsstaates“ gehandelt hat, ist in der Tat fraglich.
  9. Mit der Frage, wie lange eine Geschwindigkeitsbegrenzung gilt, beschäftigt sich: „Kreisverkehr hebt Tempolimits“ auf, vgl. dazu auch: „Durch einen Kreisverkehr endet die Geschwindigkeitsbegrenzung„.
  10. Und schließlich: Die Steuer-CD hat jetzt auch das öffentliche Dienstrecht bzw. Beamtenrecht erreicht – warum eigentlich nicht. Dazu Näheres hier.

Naturgemäß eine persönlich gefärbte Auswahl, aber alles interessant mit manch schönem „Ansatz“ für den anwaltlichen Alltag. Also vielleicht doch mal lesen?

AG Eilenburg: § 100h StPO ist keine Ermächtigungsgrundlage; eigene Auslagen bleiben aber beim Betroffenen

Videomessung bzw. Messverfahren, immer wieder und immer wieder neu und anders. Das AG Eilenburg hat in dem Rechtsprechungsmarathon, der auf die Entscheidung des BVerfG v. 11.08.2009 zurückgeht, jetzt seine Rechtsprechung bestätigt und sich der Auffassung des OLG Düsseldorf, das in diesen Fällen § 100h StPO als Ermächtigungsgrundlage abgelehnt hatte, angeschlossen. Für eine Messung nach dem Verfahren ES 1.0 sei § 100h StPO nicht heranzuziehen. Durchgeführte Messungen seien unverwertbar. Was allerdings an dem Einstellungsbeschluss überrascht: Der Betroffene muss seine notwendigen Auslagen selbst tragen. Ei, warum denn das? Wenn ein BVV besteht, hätte er frei gesprochen werden müssen mit der Kostenfolge aus § 467 StPO. Und warum muss er dann bei der Einstellung seine Kosten tragen? Beschl. v. 16.03.2010 – 5 OWi 253 Js 1794/10.