Archiv für den Monat: März 2010

(Ehemalige) EKD-Ratsvorsitzende müsste man sein

dann geht es im Verfahren auch schnell. Im Rundfunk war heute zu hören, dass es im Fall der Trunkenheitsfahrt von Margot Käßmann offenbar schon eine Entscheidung gibt. Kann ja nur ein Strafbefehl sein, alles andere dauert länger. Der sieht als Sanktion auf die Trunkenheitsfahrt ein Monatsgehalt als Geldstrafe vor und eine Sperre von 10 Monaten. Dazu passt die Meldung im Newsticker. Also: Die Sanktion ist ja ok, darum geht es ja auch gar nicht. Aber: Als normaler Sterblicher muss man dann doch länger warten, bis man weiß, was auf einen zukommt. Oder? Wenn es doch nur immer so schnell ginge? Vgl. dazu auch So schnell kann das gehen oder Zweierlei Maß. Ein Gutes hat es natürlich: Nachdem gerade erst die Wellen hoch geschlagen sind um den Umstand der Trunkenheitsfahrt, interessiert das Ganze dann jetzt nicht schon wieder. In ein paar Monaten wäre das vielleicht anders.

Jura novit curia – gilt das nicht mehr?

Der Kollege Hoenig berichtet heute über einen Fall, in dem dem Angeklagten noch aufgegeben wird, den von ihm zu benennenden Pflichtverteidiger aus der Zahl der im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwälte zu benennen. Zu Recht moniert der Kollege, dass da wohl die Gesetzesänderungen durch das 2. OpferRechtsReformGesetz, die schon am 01.10.2009 (!!!) in Kraft getreten sind, am AG, zumindest aber an dem verwendeten Textbaustein vorbeigegangen sind. Hoffentlich ist es nur das und nicht völlige Unkenntnis von den gesetzlichen Neuerungen.

Zu dem Zweifel kommt man, wenn man den Bericht eines Kollegen im Forum bei Strafrecht-Online liest. Der Kollege berichtet Folgendes:

„Mdt. soll eine räuberische Erpressung mit Waffen begangen haben. Er hat keine Vorstrafen, gehört aber einem „kleinen“ Mopedclub an, über den in letzter Zeit auch viel berichtet wird. Nun wird in dem Haftbefehl sich auf Wiederholungsgefahr bezogen. Herangezogen wird ein weiteres Ermittlungsverfahren, welches im Haftbefehl nicht beim Namen genannt wird. Auch die Akteneinsicht wurde nur teilweise gewährt. Keine Observationsberichte, TKÜ und das weitere Ermittlungsverfahren. Im Haftprüfungstermin weise ich darauf hin, dass mir vollständige Akteneinsicht zu gewähren oder mein Mandant frei zu lassen ist. Es interessiert keinen. Ich weise in der Beschwerde auf die unvollständige Akteneinsicht hin. Es interessiert keinen, aber als Friedensangebot bekomme ich weitere Teile der Akte (das weitere Verfahren – ausgedünnt – wenige Seiten dick). Ich gebe ergänzend Stellung ab, beziehe mich auf § 147 Abs. 2 Satz 2 StPO (so wie vorher). Es interessiert keinen. Ich lege weitere Beschwerde ein. Bekomme die Stellungnahme der StA, die doch da auf zwei Seiten angibt, dass der von mir zitierte Paragraph nicht existent sei. DAs Landgericht schließt sich diesem an.“

Die Sache ist natürlich in der weiteren Beschwerde beim OLG Rostock. Man kann ja nur hoffen, dass wenigstens dort die Änderungen in § 147 StPO bekannt sind. Ich habe dem Kollegen geraten, vorsorglich die entsprechenden Passagen aus dem Handbuch EV zum neuen § 147 Abs. 2 S. 2 StPO beizulegen oder entsprechende Aufsätze aus StRR oder ZAP. Vielleicht auch einen aktuellen Gesetzestext.

Während des Studiums habe ich gelernt: Jura novit curia. Das scheint aber heute nicht mehr zu gelten. Mann glaubt es nicht, es ist aber leider wohl so.

Übergebührliche Ungebühr einer angeklagten Rechtsanwältin, oder: Muss der Rechtsanwalt sich besonders gebührlich benehmen?

Die Ungebühr vor Gericht. Ein Thema, dass die Rechtsprechung immer wieder beschäftigt. So auch das OLG Köln in seinem Beschluss v. 3. 2. 2010 – 2 Ws 62/10, über den auch der Kollege Ferner berichtet. Wäre da nicht der Vorwurf  bzw. die Frage der angeklagten Rechtsanwältin gewesen, ob das Urteil schon geschrieben sei, dann könnte man m.E. über das Vorliegen von Ungebühr, an deren Vorliegen die Rechtsprechung an sich hohe Anforderungen stellt, streiten. M.E. kann man aber nicht darüber streiten, dass der Hinweis des OLG darauf, dass die Angeklagte als „Rechtsanwältin“ „Organ der Rechtspflege“ sei, in der Sache nicht zieht. Denn: Die Angeklagte wird als Angeklagte wegen ungebührlichen Verhaltens in Anspruch genommen. Da muss m.E. das „Organ der Rechtspflege“  außen vor bleiben. Anderenfalls würde man nämlich von einem angeklagten Rechtsanwalts ein besonders gebührliches Verhalten vor Gericht verlangen. Und da habe ich Probleme mit Art. 3 GG.

Keine Bindungswirkung der Kostenfestsetzung im Straf-/Bußgeldverfahren für die Zivilgerichte, oder Zum Behaltendürfen

 Die Verkehrsrechtsanwälte berichten in ihrem Newsletter gerade über eine interessante gebührenrechtliche Entscheidung des AG Charlottenburg. Das hat in seinem Urt. v. 03.03.2010 – 207 C 463/09 im Rahmen einer „Rückforderungsklage“ der RSV ausgeführt, dass, wenn von der Rechtsschutzversicherung ein Vorschuss (teilweise) zurückgefordert wird, für die Beurteilung der Angemessenheit der gesetzlichen Gebühren allein das vertragliche Verhältnis zwischen dem beklagten Rechtsanwalt und dessen Mandanten bzw. der klagenden Rechtsschutzversicherung und dem Mandanten, nicht jedoch die Beurteilung der Kostenhöhe durch das für das Bußgeld-/Strafverfahren zuständige Gericht, maßgeblich ist. Das AG Charlottenburg wendet die Rechtsprechung des BGH analog, nach der die RSV den Differenzbetrag zahlen muss, wenn ein Verteidiger von seinem Mandanten, für den er einen Freispruch erzielt hat, innerhalb des gesetzlichen Gebührenrahmens eine höhere Vergütung verlangen kann, als im Verfahren nach § 464b StPO gegenüber der erstattungspflichtigen Staatskasse festgesetzt worden ist. Der Rechtsanwalt muss aber seine Erwägungen, welche Kriterien er seinem Bestimmungs- und Ermessensausübungsrecht nach § 14 RVG zugrunde gelegt hat, in dem Gebührenprozess substantiiert vortragen.

Sind also die Gebühren zu niedrig festgesetzt, ist damit noch nicht endgülitg über das „Behaltendürfen“ entschieden.

Verschärfung der Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen im Bußgeldbescheid, so das OLG Hamm

Ganz interessant die Entscheidung des OLG Hamm v. 11.02.2010 – 3 Ss OWi 319/09. Danach ist die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch des Bußgeldbescheides beim Vorwurf der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG nur wirksam, wenn sich dem Bußgelbescheid entnehmen lässt, dass bei der dem Betroffenen zur Last gelegten Fahrt eine Konzentration eines berauschenden Mittels vorgelegen hat, die eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zumindest als möglich erscheinen lässt. Das OLG hat damit – soweit ersichtlich als erstes OLG – die Rechtsprechung der Obergerichte zum Umfang der Urteilsfeststellungen bei der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG auf den Bußgeldbescheid erstreckt. Man fragt sich allerdings, wieso das OLG für die im Grunde eindeutige Frage fast ein Jahr gebraucht hat. Jedenfalls ergeben sich aus dem Beschluss keine verfahrensrechtlichen Besonderheiten. Die Bußgeldbehörden werden sich darauf einstellen müssen.