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Verbot des Fahrens mit dem Fahrrad nach der FeV?, oder: Gibt es eine Ermächtigungsgrundlage?

entnommen openclipart.org

Die Fahrerlaubnisbehörden können das Führen von Fahrzeugen nach der FeV verbieten, wenn sich jemand – insbesondere durch Fahrten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss – als hierzu ungeeignet erweist. Umstritten ist dabei die Frage, unter welchen Voraussetzungen auch das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen untersagt werden kann. Der BayVGH hat dies im BayVGH, Urt. v. 17.04.2023 – 11 BV 22.1234 – jetzt dahingehend entschieden, dass das geltende Recht keine Grundlage für ein solches Verbot bietet.

Der als Grundlage für die Untersagung von der Fahrerlaubnisbehörde herangezogene § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV ist nach Auffassung des BayVGH zu unbestimmt. Die Regelung lässt weder für sich allein noch im Zusammenhang mit anderen Vorschriften erkennen, wann eine Person zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ungeeignet sei und wie man dies feststellen müsse. Anders als für das Führen von fahrerlaubnispflichtigen (Kraft-)Fahrzeugen gebe es hierfür auch keine ausreichenden Hinweise aus dem Gesetzgebungsverfahren oder andere konkretisierende Regelwerke. Eine Übertragung der Maßstäbe für das Führen von Kraftfahrzeugen auf das Führen von Fahrrädern oder E-Scootern sei wegen des unterschiedlichen Gefahrenpotentials nicht möglich. Das Fehlen rechtlicher Maßstäbe könne zu unverhältnismäßigen Verboten führen

Der VGH hat die Revision zugelassen, da die Frage, ob § 3 FeV eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage darstellt, grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) habe. Wir werden dazu also im Zweifel etwas vom BVerwG hören. Daher verweise ich auch nur auf den verlinkten Volltext.

Corona II: Ärztliche „Befreiung“ von der Maskenpflicht, oder: Der gemeinsame Aufenthalt von Mobiltelefonen

Bild von Wilfried Pohnke auf Pixabay

Und im zweiten Corona-Posting dann zunächst der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.04.2022 – 2 Rb 37 Ss 25/22 –, der zu den Anforderungen an eine ärztliche Bescheinigung zur Befreiung von der bußgeldbewehrten Maskenpflicht Stellung nimmt.

Das Amtsgericht hat die Betroffene mit Urteil vom 06.07.2021 wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit des Nichttragens einer nicht medizinischen Alltagsmaske oder einer vergleichbaren Mund-Nasenbedeckung entgegen der zur Tatzeit gültigen Corona-Verordnung in Baden-Würrtemberg verurteilt. Nach den vom AG getroffenen Feststellungen hielt sich die Betroffene am 12.12.2020 um 13:26 Uhr in den Geschäftsräumen eines Einkaufsmarktes auf, ohne die erforderliche Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Dabei habe die Betroffene gewusst, dass sie sich in einem Ladengeschäft aufhielt, in dem eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden muss. Dass der Betroffenen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen oder sonstigen zwingenden Gründen nicht möglich oder zumutbar gewesen sei, habe sie nicht glaubhaft gemacht. Das von ihr vorgelegte ärztliche Attest habe dazu nicht ausgereicht, weil sich aus ihm nicht nachvollziehbar ergebe, welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zu erwarten seien, woraus diese im Einzelnen resultieren, ob und wenn ja welche Vorerkrankungen vorliegen und auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gelangt sei. Die bloße Feststellung, dass die Betroffene aus medizinischen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen müsse, genüge insoweit nicht.

Dagegen der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Das OLG hat zugelassen, das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und die Betroffene frei gesprochen. Das OLG nimmt ausführlich zu den Anforderungen an die ärztliche Befreiuung und an die Glaubhaftmachung Stellung. Ich stelle hier nur die Leitsätze des Beschlusses ein, den Rest bitte selbst lesen:

  1. Das Infektionsschutzgesetz enthielt mit den in den §§ 28, 28a, 32, 73 Abs. 1a Nr. 24 getroffenen Regelungen eine ausreichende, verfassungskonforme Ermächtigung für die in § 3 Abs. 1 Nr. 4 CoronaVO vom 30. November 2020 angeordnete Beschränkung (Pflicht zum Tragen einer nicht-medizinischen Alltagsmaske oder einer vergleichbaren Mund-Nasen-Bedeckung in und im Warte- und Zugangsbereich von Einkaufzentren und Ladengeschäften) und deren Bußgeldbewehrung in § 19 Nr. 2 CoronaVO.
  2. Auch ein verwaltungsrechtlicher Erlaubnistatbestand, den eine Straf- oder Bußgeldvorschrift in Bezug nimmt (wie die Bußgeldbewehrung eines Verstoßes gegen die in § 3 Abs. 1 CoronaVO geregelte Maskenpflicht in § 19 Nr. 2 CoronaVO, sofern keiner der Ausnahmetatbestände nach § 3 Abs. 2 CoronaVO vorliegt), unterliegt jedenfalls dann den strengen Beschränkungen des Art. 103 Abs. 2 GG, wenn er zur Ausfüllung der straf- oder bußgeldrechtlichen Blankettnorm herangezogen und damit selbst zum Teil der Straf- bzw. Bußgeldnorm wird.
  3. Allein aus der Verwendung des Begriffs „ärztliche Bescheinigung“ in § 3 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO ist – auch in Verbindung mit dem jedenfalls durch gefestigte Rechtsprechung konkretisierten Begriff der „Glaubhaftmachung“ – für den Normadressaten nicht erkennbar, welche inhaltlichen Anforderungen an eine solche Bescheinigung zu stellen sind.
  4. Eine Auslegung des in § 3 Abs. 2 Nr. 2 CoronaVO verwandten Begriffs „ärztliche Bescheinigung“ dahingehend, dass die Vorlage eines qualifizierten ärztlichen Attests mit Angaben dazu erforderlich sei, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zu erwarten sind und woraus diese im Einzelnen resultieren, ob und ggf. welche relevanten Vorerkrankungen bestanden und auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gelangt ist, stellt eine vom Willen des baden-württembergischen Verordnungsgebers offensichtlich abweichende Auslegung der Ausnahmevorschrift dar und verletzt damit das im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht besondere Geltung beanspruchende Bestimmtheitsgebot aus Ar.t 103 Abs. 2 GG, das die Legislative von Verfassungs wegen verpflichtet, die Grenzen der Strafbarkeit selbst zu bestimmen.

Und als zweite Entscheidung dann noch der AG Dilligen, Beschl. v. 18.02.2022 – 303 OWi 106 Js 123156/21 jug. Den Betroffenen – vier Minderjährige, drei Heranwachsende – ist in dem Verfahren zur Last gelegt worden, am 27.04.2021 um 17:35 Uhr an einem Gemeindeweiher mit mehr als 3 Personen aus verschiedenen Haushalten zusammengekommen zu sein und öffentlich gefeiert zu haben und dadurch gegen die damals geltenden Vorschriften der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmen-VO verstoßen zu haben. Gegen sie waren Bußgelder zwischen 400,- EUR und 600,- EUR festgesetzt worden. Das AG hat das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt.

„Die Verfahren waren allesamt gem. § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen.

Es bestehen Zweifel, ob sich gegen die Betroffenen ein Tatnachweis würde führen lassen. Der Vorwurf fußt im Wesentlichen nicht auf dem Umstand, dass man vor Ort die Betroffenen selbst angetroffen hat, sondern dass ihre jeweiligen Mobiltelefone am Steg des Weihers durch die Polizei sichergestellt und über die Rufnummer den Betroffenen in der Folge zugeordnet wurden.

Es stellt sich freilich die Frage, wie die Telefone ihren Weg an den Weiher gefunden haben. Die Betroffenen lassen sich jedoch – berechtigt – zur Sache nicht ein und bestreiten ihre Anwesenheit.

Im Rahmen der Betroffenenvernehmungen durch die Polizei wurden nicht in jedem Fall die Erziehungsberechtigten der Betroffenen hinzugezogen, was aber jedenfalls bei den jugendlichen Betroffenen geboten gewesen wäre.

3, § 4, 5 der 12. BayIfSMV untersagten zum fraglichen Zeitpunkt den gemeinsamen Aufenthalt und das Feiern mit mehreren Personen außerhalb des eigenen Hausstandes.

Der gemeinsame Aufenthalt von Mobiltelefonen mehrerer Personen war indes nicht bußgeldbewehrt.

Die weitere Aufklärung des Sachverhaltes erscheint unverhältnismäßig, zumal allen Beteiligten weiterhin ein umfassendes Schweigerecht zusteht, §§ 136, 163 StPO i.V.m. § 46 OWiG, und unmittelbare Tatzeugen nicht vorhanden sind.“

Wenn man es so liest, muss man schon ein wenig schmunzeln über den „gemeinsamen Aufenthalt von Mobiltelefonen mehrerer Personen„. Andererseits ist aber doch ein wenig erschrocken über die Höhe der angeordneten Geldbußen, freut sich dann aber über die „Einsicht“ des AG, das Verfahren einzustellen – und das mit einer „befürwortenden“ Staatsanwaltschaft. Was ist los in Bayern? 🙂

Entziehung der Fahrerlaubnis – durch die Hintertür?

© Spencer - Fotolia.com

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Ich hatte vorhin ja schon über die Führungsaufsicht und ihre Folgen berichtet (vgl. den KG, Beschl. v. 11.06.2015 – 2 Ws 124/15 und dazu Der Fernfahrer, der Berlin nicht verlassen darf – Berufsverbot?). In den Kontext passt dann auch der KG, Beschl. v. 22.06.2015 – 2 Ws 172/15, in dem es auch um Führungsaufsicht und die Weisung, Kfz. nicht zu führen, und die Folgen dieser Weisung geht. Ein Verurteilter hatte gegen eine solche Weisung geltend gemacht, dass sie einer (weiteren) Entziehung  der Fahrerlaubnis auf Umwegen gleich komme. Anders hat das das KG gesehen:

„Die Weisung findet ihre gesetzliche Grundlage in § 68b Abs. 1 Nr. 6 StGB. Es kann im Hinblick auf die letzte Verurteilung des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung der Vorstrafen des Verurteilten, die immer wieder auch Straßenverkehrsdelikte betrafen, kein Zweifel daran bestehen, dass der Verurteilte versucht sein könnte, Kraftfahrzeuge auch künftig zur Begehung von Straftaten zu verwenden. Die Weisung, dass der Beschwerdeführer keine Kraftfahrzeuge halten darf, hält sich nicht nur im Rahmen des Gesetzes, sie ist auch sachgerecht und verhältnismäßig, denn das Halten eines Kraftfahrzeuges erhöht die Gefahr, dass sich der Beschwerdeführer – verführt durch die sofortige Verfügbarkeit eines Fahrzeugs – dazu hinreißen lässt, erneut alkoholisiert mit einem Auto zu fahren.

Allerdings ist umstritten, ob darüber hinaus ein allgemeines Verbot Kraftfahrzeuge zu führen im Wege der Führungsaufsicht angeordnet werden kann. Auch das Kammergericht hat diesbezüglich in der Vergangenheit besorgt, eine solche allgemeine Weisung komme der Entziehung der Fahrerlaubnis gleich und unterlaufe damit die Regelung des § 69 StGB (vgl. u.a. KG, Beschluss vom 8. Oktober 1998 – 5 Ws 572/98 – [juris]). Entgegen der von Teilen des Schrifttums und der früher vom Kammergericht vertretenen Ansicht hat u.a. das OLG Frankfurt/M. die Auffassung vertreten, dass es weder verfassungs- noch einfachrechtlich ausgeschlossen sei, auf § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StGB auch solche Verbote zu stützen, die einer Entziehung der Fahrerlaubnis gleichkommen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. August 2010 – 3 Ws 423/10 – Rdn. 9 [juris]; Stree/Kinzig in: Schönke/Schröder, StGB 29. Aufl. § 68b Rdn. 11). Auf Wortlaut und -sinn der Vorschrift lasse sich eine eingrenzende Auslegung nicht stützen. § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StGB erlaubt es gerade zu verbieten, Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen zu halten oder zu führen. Daraus ergebe sich, dass neben einem begrenzten Verbot im Sinne von „Arten von Kraftfahrzeugen“ auch ein umfassendes Verbot im Sinne von alle „Kraftfahrzeuge“ möglich sei. Mithin lasse sich im Wortlaut des Gesetzes gerade keine Stütze für eine nur eingeschränkte Zulässigkeit der Anordnung von Fahrverboten finden (vgl. OLG Frankfurt/M. a.a.O.).

Der Senat stimmt dieser Auffassung zu. Er teilt ferner die Ansicht, dass sich aus dem Gesetzeszweck kein Gebot zur einengenden Auslegung der Vorschrift ableiten lässt (vgl. OLG Frankfurt/M. a.a.O., mit ausführlicher und überzeugender Darstellung)…….

Auch im Einzelfall ist die Anordnung des umfassenden Verbots zum Führen und Halten von Kraftfahrzeugen im Sinne des § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StGB nicht zu beanstanden. Abgesehen davon, dass der Verurteilte, der sich seit dem 19. September 2011 durchgehend in Haft befindet, zurzeit schon deshalb keine Kraftfahrzeuge führen darf, weil er keine Fahrerlaubnis besitzt, ist das weiterführende Verbot, während der Führungsaufsicht Kraftfahrzeuge zu führen auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn man berücksichtigt, dass die erteilte Weisung grundsätzlich zu einer faktischen Ausweitung der Sperre für die Erlangung einer Fahrerlaubnis bis zum Ende der Führungsaufsicht führt. Denn: Anders als bei der Maßregel nach § 69a StGB liegt der Sinn der Anordnung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StGB nicht bloß darin, einen ungeeigneten Verkehrsteilnehmer vom Führen eines Kraftfahrzeugs abzuhalten, sondern darin, zusätzlich weitere erhebliche Straftaten des Verurteilten unter Verwendung von Kraftfahrzeugen zu erschweren (wie z.B. gewerbsmäßige Kraftfahrzeugdiebstähle und Tankbetrügereien).

Die fragliche Weisung ist auch im Einzelfall nicht unverhältnismäßig……“

Kein Lohnwucher im Strafvollzug

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Mit einer für den Strafvollzug nicht unerheblichen Frage befasst sich der OLG Dresden, Beschl. v. 27.06.2012 – 2 Ws 132/12. Im Verfahren ging es nämlich um die für die Strafgefangenen häufig wichtige Frage der Voraussetzungen für ein Verbot der Aufnahme eines freien Beschäftigungsverhältnisses durch einen Strafgefangenen (§§ 11 Abs. 1 Nr. 1, 39 Abs. StVollzG). Im Raum stand die Frage der Arbeitsaufnahme bei möglicherweise vorliegendem Lohnwucher.

Dazu das OLG:

Einem Strafgefangenen darf die Aufnahme eines freien Beschäftigungsverhältnisses (§§ 11 Abs. 1 Nr. 1, 39 Abs. 1 StVollzG) nicht gestattet werden, wenn bereits der Abschluss des Arbeitsvertrages möglicherweise ein strafbares Verhalten begründen würde.

Und das gilt auch für Gefangene im Renten- und Pensionsalter.

Ich lege dich an die Kandare, oder: Autofahren verboten

Führungsaufsicht ist bei den Verurteilten mehr als unbeliebt, denn sie führt ja dazu, dass man weiterhin von der Führungsaufsichtsstelle/Bewährungshelfer überwacht wird. Erst recht unbeliebt wird die Führung, wenn als Weisung ein allgemeines Verbot der Haltung und Führung von Kraftfahrzeugen aufgenommen wird. Ob das geht, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Das OLG Frankfurt hat diese Weisung im Sommer zumindest dann als zulässig angesehen, wenn vom erkennenden Gericht die Voraussetzungen der Entziehung und Sperre der Fahrerlaubnis bejaht wurden und eine entsprechende Anordnung getroffen wurde (nachzulesen mi weiteren Nachweisen zum Streitstand im Beschl. v. 10.08.2010 – 3 Ws 423/10).