Archiv für den Monat: November 2009

Videomessung: OLG Bamberg antwortet kurz und zackig…..

Da ist die erste Antwort aus Bayern vom OLG Bamberg auf die mit der Videomessung zusammenhängenden Fragen. Das OLG Bamberg hat jetzt zu einem Beschluss des AG Erlangen Stellung genommen (vgl. Beschl. v. 15.10.2009 – 2 Ss 1169/09). In dem kurzen Beschluss – er enthält nicht mehr als einen Zusatz – heißt es:

„Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil erfolgte die Bildaufnahme im Zuge der Ermittlung der dem Betroffenen angelasteten Abstandsunterschreitung verdachtsabhängig. Rechtsgrundlage hierfür ist § 100 h Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG. Die damit verbundene Einschränkung des Rechts des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung ist aus Gründen der Ver­kehrssicherheit und damit aus überwiegendem Allgemeininteresse auch und gerade nach Maßgabe der von der Verteidigung geltend gemachten Entscheidung des Bun­desverfassungsgerichts vom 11.82009, Az. 2 BvR 94:1108, gerechtfertigt (s. dort ins­besondere Abschnitt 17).“

Mich überrascht der Beschluss nicht, allerdings habe ich Schwierigkeiten mit der Ermächtigungsgrundlage. Die scheint mir für andere Fälle „gemacht“ zu sein.

OLG Hamm repariert Fehlentscheidung. Gott sei Dank.

Weitgehend einhellig geht die h.M. zum Anfall des sog. Haftzuschlags nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG davon aus, dass es für dessen Gewährung nur darauf ankommt, dass sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß befindet, nicht aber darauf, ob die Unfreiheit aus dem gegenständlichen oder einem anderen Verfahren resultiert (Burhoff/Burhoff, RVG a.a.O., Vorbem. 4 Verteidiger Rn. 89 f., 87; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG 18. Aufl., VV Vorb. 4 Rn. 46; AnwKomm-RVG/N.Schneider, 4. Aufl. Vorbemerkung 4 RVG Rn 46; Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 14. Aufl. 2009, Vorbemerkung 4 Rn, 22, jew. m.w.N.).

Lediglich das OLG Hamm hatte in seinem Beschl. v. 6. 6. 2005 (2 (s) Sbd. VIII 110/05, JurBüro 2005, 535 f.) – einer offensichtlichen Fehlentscheidung – darauf abgestellt, dass der Haftzuschlag aus Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG nur in Betracht komme, wenn der  Beschuldigte in dem Verfahren inhaftiert ist, in dem er von dem Rechtsanwalt verteidigt wird. Gegen diese Rechtsprechung waren nicht nur von der o.a. Literatur, sondern auch von Instanzgerichten Bedenken geltend gemacht worden (vgl. u.a. LG Bochum, Beschl. v. 10. 6. 2009, 1 Qs 49/09; AG Bochum RVGprofessionell 2009, 80 = StRR 2009, 280 = AGS 2009, 325).

Die Kritik hat jetzt dazu geführt, dass das OLG Hamm im Beschl. v. 13. 10. 2009 (2 Ws 185/09) seine (abweichende/falsche) Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben hat. In Übereinstimmung mit der h.M. wird jetzt für die Gewährung des (Haft-)Zuschlages nur noch darauf abgestellt, ob sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß befunden, nicht aber darauf, in welchem Verfahren. Ein anderes Verständnis dieser Regelung gebe – so das OLG (a.a.O.) – deren Wortlaut nicht her. Es sei auch mit Sinn und Zweck der Vorschrift, den durch eine Inhaftierung des Beschuldigten grundsätzlich auftretenden Mehraufwand des Verteidigers bei der Abwicklung des Mandates auszugleichen, unvereinbar.

Ich kann nur sagen: Gott sei Dank. Endlich repariert.

OLG Schleswig: Beweisverwertungsverbot bei rechtswidriger Blutentnahme

Bei der Frage nach einem Beweisverwertungsverbot, wenn eine Blutentnahme unter Verstoß gegen § 81a Abs. 2 StPo erfolgt ist, geht es anders als bei dem Lied „10 kleine Negerlein“. Dort werden es immer weniger Negerlein, hier werden  es immer mehr „Negerlein“/Stimmen/OLG, die ein Beweisverwertungsverbot annehmen, wenn die Blutentnahme unter Verstoß gegen § 81a Abs. 2 StPO erfolgt ist.

So jetzt auch das OLG Schleswig in einem Beschluss Urteil vom 26.10.2009, 1 Ss OWi 92/09 (129/09), den uns der Kollege Strüwe aus Essen freundlicherweise im Forum bei LexisNexis Strafrecht zur Verfügung gestellt hat. Das OLG Schleswig macht aus dem Quartett der OLG, die ein Beweisverwertungsverbot annehmen – Hamm, Celle, Dresden, Oldenburg -, nun ein Quintett. Der entschiedene Sachverhalt ist ein Allerweltsfall. Und das OLG stellt auch nur kurz und trocken fest: 45 Minuten reichen, um eine richterliche Anordnung zu erlangen (das reicht wirklich allemal) und: Wenn die Polizeibeamten das nicht mal versuchen, „weil sie es ja schon immer nicht getan haben“, ist das Willkür und führt zu einem BVV. Alles bezogen auf Sommer 2008.

M.E. richtig. Und: Die Karawane zieht weiter. ich bin gespannt, wie lange es noch dauert, bis die Rufe nach der Abschaffung des Richtervorbehalts gehört werden.

LG Leipzig: Was schert mich die herrschende Meinung, oder Gebührenrecht light

Es gibt immer wieder Entscheidungen, die mich schlicht ärgerlich machen. Das gilt insbesondere für gebührenrechtliche Entscheidungen, denen man dann auch noch anmerkt, dass sich das Gericht mit bestimmten Fragen nicht auseinander gesetzt hat oder das nicht wollte. So jetzt auch bei einem Beschluss des LG Leipzig (Beschl. v. 24.09.2009 – 1 Qs 262/09),  der einfach die gesamte h.M. in einer Frage und vor allem auch den Wortlaut des Gesetzes ignoriert und schlicht sagt: Wir machen es eben anders. Kann man ja machen, dann muss man seine abweichende Auffassung aber bitte auch begründen.

Kurz zur Sache: Es ging um die Höhe der Befriedungsgebühr Nr. 5115 VV RVG. Der Rechtsanwalt hatte geltend gemacht: Festgebühr: Das LG  schreibt dazu einfach: “

„Entgegen der Auffassung des Verteidigers ist die Mittelgebühr keineswegs als zwingende Festgebühr zu bewerten, da anderenfalls der Gebührenrahmen keinen Sinn haben könnte. Insoweit ist daher die Mittelgebühr weiterhin als der Maßstab zu sehen, bei dem ein durchschnittliches Verfahren auch entsprechende Gebühren auslöst.“

Das ist alles. Von einer Strafkammer darf man aber wohl erwarten, dass Sie sich mit der Literatur, die das anders sieht auseinander setzt. Mitnichten. Warum auch. Ist ja nicht mein Geld.

Im Übrigen: Wer den Beschluss liest, wird auch an einigen anderen Stellen „aufmerken“: Grundgebühr 25 € (!!!), Verfahrensgebühr 40 € !!!!. Auch insoweit keinerlei Auseinandersetzung mit der veröffentlichten Rechtsprechung.

Fazit: So bitte nicht.

BGH verbietet Aufrechnung des Staates gegen Entschädigungsanspruch des Strafgefangenen wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen

Die öffentlichen Kassen müssen wirklich leer sein. Sonst würde eine Justizverwaltung (hoffentlich) nicht auf die Idee gekommen sein, gegenüber dem Anspruch eines Strafgefangenen auf Geldentschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen mit einer Gegenforderung auf Erstattung offener Kosten des Strafverfahrens aufzurechnen. Das hat der BGH jetzt gestoppt. Die Aufrechnung sei der Justizverwaltung unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) grundsätzlich verwehrt.

Recht so. Denn es kann doch nicht sein, dass man zunächst nicht für menschenwürdige Unterbringung sorgt, dann aber aufrechnet.

BGH, Urteil v. 1.10.2009 – III ZR 18/09