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Wenn es ums Geld geht, Augen auf, oder: Zurechnung des Verschuldens

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Auch wenn es bitte ist: Nach der unzulässigen Erinnerung im BFH, Beschl. v. 19.05.2016 (vgl. dazu Und nochmals: Finger weg von Emails beim Rechtsmittel) noch ein unzulässiges Rechtsmittel; m.E. kann man Fehler nur dann vermeiden, wenn man Gefahren kennt. Es geht jetzt um den OLG Celle, Beschl. v. 21.06.2016 – 1 Ws 287/16, der auch eine Fristversäumungsproblematik zum Gegenstand hat. Rechtsmittel war eingelegt im Verfahren über eine sofortige Beschwerde gegen eine Kosten- und Auslagenentscheidung (§ 464 Abs. 3 StPO). Das Rechtsmittel ist dort die sofortige Beschwerde, die also fristgebunden ist. Der Verteidiger des Angeklagten hatte ein Rechtsmittel gegen die nach Freispruch seines Mandanten ergangene Kosten- und Auslagenentscheidung (zunächst) nicht eingelegt, weil er (zunächst) davon ausgegangen war, dass die ergangene Entscheidung korrekt war. Als er dann später sofortige Beschwerde einlegt und Wiedereinsetzung beantragt, sagt ihm das OLG: Wiedereinsetzung gibt es nicht. Denn die setzt eine Fristversäumung voraus. Die liegt hier aber nicht vor, weil eine Rechtsmittelfrist im Sinne des § 44 Satz 1 StPO nur derjenige „versäumt „, der das Rechtsmittel einlegen wollte, die dafür gesetzlich vorgesehene Frist jedoch nicht eingehalten hat. Wer dagegen von einem Rechtsbehelf bewusst keinen Gebrauch gemacht hat, versäumt das Rechtsmittel nicht. Und:

„Dieses fehlerhafte Vorgehen des Landgerichts hat der Verteidiger des Angeklagten (zunächst) nicht erkannt. Er hat mithin die rechtliche Konsequenz der verkündeten Kosten- und Auslagenentscheidung nicht erfasst und deshalb von deren Anfechtung abgesehen.

Dieses „Verschulden“ seines Verteidigers muss sich der Beschwerdeführer zurechnen lassen, so dass er sich nicht darauf berufen könnte, selbst schuldlos eine – fristgerechte – Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht veranlasst zu haben. Denn der Grundsatz, dass einem Angeklagten ein Verteidigerverschulden nicht zuzurechnen ist, gilt im Verfahren der Anfechtung einer Kostenentscheidung nicht (BGH, Beschluss vom 6. Mai 1975 –5 StR 139/75, BGHSt 26, 126; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Januar 1989 – 2 Ws 1/89; OLG Koblenz, Beschluss vom 15. Januar 1988 – 1 Ws 37/88; OLG Celle, Beschluss vom 9. Juni 1959 – 2 Ss 140/59, NJW 1959, 1932; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 44 Rn. 19, § 464 Rn. 21).

Unerheblich ist, dass der Verteidiger in seiner Beschwerdebegründung vorträgt, er gehe davon aus, dass seine sofortige Beschwerde nicht verfristet sei, weil ihm das schriftliche Urteil noch nicht zugestellt worden sei, also geltend macht, sich auch über den Zeitpunkt des Fristbeginns für die Einlegung einer Kostenbeschwerde geirrt zu haben und weiter zu irren. Denn er hätte, wie seine oben angeführte Erklärung zeigt, auch dann nicht innerhalb einer Woche nach Verkündung des Urteils Beschwerde gegen die Kostenentscheidung erhoben, wenn er gewusst hätte, dass eine sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung eines Urteils innerhalb einer Woche nach Urteilsverkündung einzulegen ist.

Auch die Regelung des § 44 Satz 2 StPO vermag dem Wiedereinsetzungsantrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zwar ist ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls rechtsfehlerhaft eine Belehrung nach § 35a StPO über das Rechtsmittel der Kostenbeschwerde und die dafür vorgesehene Frist unterblieben, dies führt jedoch nur dazu, dass nach § 44 Satz 2 StPO eine Versäumung der Rechtsmittelfrist als unverschuldet anzusehen wäre (BGH, Beschluss vom 16. August 2000 – 3 StR 339/00, NStZ 2001, 45; OLG Bamberg, Beschluss vom 1. Juli 2014 – 3 Ss 84/14, NStZ-RR 2014, 376; KK-StPO-Gieg, 7. Aufl. 2014, § 44 Rn. 36; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 44 Rn. 22). Hierauf kommt es vorliegend indes nicht an, weil – wie dargelegt – bereits kein Fristversäumnis im Sinne des § 44 Satz 1 StPO vorliegt, so dass die Frage eines etwaigen Verschuldens hinsichtlich einer Fristversäumung irrelevant ist.“

Also: Augen auf und gerade in den Fällen eines potentiellen Rechtsmittels gegen eine Kosten- und Auslagenentscheidung die ergangene Entscheidung sorgfältig prüfen. Zurücklehnen ist gefährlich, da eben dem Mandanten hier ein Verschulden des Verteidigers zugerechnet wird. Und dann kann eine Menge Geld aus der Staatskasse verloren gehen.

Zurechnung der Betriebsgefahr beim Sicherungseigentümer?

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Im LG Stuttgart, Urt. v. 24.02.2016 – 13 S 46/15 geht/ging es um die Frage der Zurechnung der Betriebsgefahr. Der Kläger hat nach einem Verkehrsunfall die Beklagten auf Zahlung weiteren Schadenersatzes in Anspruch genommen. Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Halter und Anwartschaftsberechtigter des an die L. sicherungsübereigneten beschädigten Fahrzeugs. Das  AG hat der Klage nur teilweise stattgegeben. In seiner Begründung führte das AG aus, dass dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz von 50 % seines unfallbedingten Schadens zustehe. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme könne der Unfallhergang nicht aufgeklärt und ein Verschulden nicht festgestellt werden, da nicht geklärt werden könne, ob zuerst die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs ihren Abbiegevorgang oder der Beklagte Ziff. 1 seinen Überholvorgang eingeleitet habe. Daher sei von einer 50-prozentigen Haftung auszugehen. Mit der Berufung wird geltend gemacht, dass das AG bei sämtlichen Schadenspositionen von einer hälftigen Haftungsverteilung ausgegangen ist und nicht berücksichtigt hat, dass die L. als Sicherungseigentümerin nicht Halterin des klägerischen Fahrzeugs ist.

Das sieht das LG auch so:

„Das Amtsgericht hat in seinem Urteil festgestellt, dass der Hergang des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls nicht aufklärbar und daher ein Verschulden der unfallbeteiligten Fahrzeugführer nicht feststellbar ist. An diese Feststellungen des Amtsgerichts, welche ausdrücklich mit der Berufung nicht angegriffen wurden, ist die Kammer gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Unter Zugrundelegung dieses Sachverhalts scheidet -mangels festgestelltem Verschulden des Unfallgegners- ein deliktischer Anspruch gemäß § 823 BGB aus, sodass lediglich Schadenersatzansprüche aus der Gefährdungshaftung gemäß § 7 StVG bestehen.

2.1. Die Sicherungsnehmerin muss sich als Eigentümerin des Fahrzeugs, deren Ansprüche der Kläger vorliegend geltend macht, die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs, mangels anwendbarer Zurechnungsnorm, nicht zurechnen lassen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10.07.2007, VI ZR 199/06; OLG Karlsruhe, Urteil vom 02.12.2013, 1 U 74/13).

In § 17 Abs. 2 StVG ist ausdrücklich die Haftungsverteilung der Halter untereinander geregelt. Eine analoge Anwendung dieser Norm auf Ansprüche des Fahrzeugeigentümers, welcher nicht Halter ist, scheidet aus. Denn trotz der Änderungen in § 17 Abs. 3 StVG hat der Gesetzgeber, dem ein Auseinanderfallen von Halter- und Eigentümerstellung bewusst war, die Regelung in § 17 Abs. 2 StVG unverändert beibehalten. Eine Analogie scheidet daher sowohl mangels einer unbewussten Lücke als auch im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut aus (vgl. BGH, Urteil vom 10.7.2007, VI ZR 199/06). Etwas anderes kann, nach Ansicht der Kammer, auch nicht aus den Ausführungen den BGH in seinem Urteil vom 7.12.2010, VI ZR 288/09 entnommen werden. Zwar führt er aus, dass in dem Fall wenn „wegen nicht nachweisbaren Verschuldens nur Ansprüche des Leasinggebers aus Gefährdungshaftung im Sinne des § 7 StVG [bestehen, der Fahrzeugeigentümer] sich im Haftungssystem des Straßenverkehrsgesetzes das Verschulden des Fahrers des Leasingfahrzeugs bereits bei der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs gegen den Unfallgegner nach §§ 9, 17 StVG, § 254 BGB anspruchsmindernd zurechnen lassen“. Dies kann aber nur dann gelten, wenn zwar kein Verschulden des Unfallgegners jedoch ein Verschulden des Fahrers des Leasing- bzw. sicherungsübereigneten Fahrzeugs feststeht. Dies trifft jedoch für den streitgegenständlichen Verkehrsunfall gerade nicht zu.

Ebenfalls scheiden als Zurechnungsnormen § 9 StVG sowie § 254 BGB aus…….“

Bei der Nebenklage aufgepasst: Verschulden des Vertreters wird zugerechnet

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Eine „Selbstverständlichkeit“ ruft der OLG Hamm, Beschl. v. 27.08.2015 – 1 Ws 312/15 ins Gedächtnis, nämlich: Bei der Nebenklage wird dem Nebenkläger ein Verschulden seines Vertreters – anders als beim Verteidiger – zugerechnet.In der Entscheidung ging es um eine verfristete sofortige Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung. Das OLG hat Wiedereinsetzung (von Amts wegen) nicht gewährt:

„3. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft Hamm sieht der Senat keinen Anlass, der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen zu gewähren. Die Nebenklägerin muss sich ein etwaiges Verschulden ihres Vertreters – anders als ein Angeklagter im Verhältnis zu seinem Verteidiger – anrechnen lassen (vgl. BGH NJW 1982, 1544; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 1997,157). Wenn der Vertreter der Nebenklägerin und Adhäsionsklägerin nach Verkündung des Beschlusses des Landgerichts Dortmund vom 13.12.2013, der entgegen der §§ 464 Abs. 2, 472 S. 1 StPO keinen Ausspruch über die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin enthielt, dies hingenommen und kein Rechtsmittel eingelegt hat bzw. mangels hinreichender Information seinerseits über die Folgen dieser unterbliebenen Entscheidung für die Nebenklägerin die fristgerechte Einlegung der sofortigen Beschwerde unterlassen hat, gereicht ihm dies zum Verschulden (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.). Dem Nebenklagevertreter war nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls vom 13.12.2013 allerdings keine Rechtmittelbelehrung erteilt worden und aus den Akten lässt sich auch nicht entnehmen, dass in der Folgezeit eine solche übersandt worden ist. Gemäß § 44 S. 2 StPO ist die Versäumung einer Rechtsmittelfrist zwar als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach § 35 S. 1 StPO versäumt worden ist. Die gesetzliche Vermutung bei unterbliebener Rechtsmittelbelehrung hebt aber nur das Erfordernis des fehlenden Verschuldens des Rechtsmittelführers auf. Den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Belehrungsmangel und der Fristversäumnis setzt die Wiedereinsetzung aber auch bei einer solchen Fallgestaltung voraus (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 44 Rdnr. 22; OLG Karlsruhe a.a.O.). Aus der Beschwerdeeinlegungsschrift vom 17.01.2015 lässt sich aber weder aufgrund einer entsprechenden ausdrücklichen Behauptung noch konkludent entnehmen, dass gerade die unterbliebene Rechtsmittelbelehrung die Ursache dafür war, dass gegen die unterbliebene Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin nicht rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt worden ist. Vielmehr legen die Anbringung des Kostenfestsetzungsantrags, der den Erlass einer entsprechenden Kostengrundentscheidung voraussetzt, sowie die Ausführungen des Vertreters der Nebenklägerin in der Beschwerdeeinlegungsschrift, er habe erstmals durch die Mitteilung der Rechtspflegerin vom 09.01.2015 Kenntnis davon erhalten, dass der Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 13.12.2013 eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Nebenklage sowie über die Kosten des Adhäsionsverfahrens in der Berufungsinstanz nicht enthalte, was aufgrund seiner Anwesenheit in der Hauptverhandlung allerdings nicht zutrifft, die Annahme nahe, dass der Nebenklägervertreter den Beschluss vom 13.12.2013 in Bezug auf eine darin enthaltene Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin nicht weiter überprüft hat.“

Aufgepasst: (Gefährliche) Fristversäumung im Strafverfahren

Manchmal hört man in Strafsachen: Ach, eine Fristversäumung ist ja nicht so schlimm, mein (Rechtsanwalts)Verschulden wird dem Mandanten ja nicht zugerechnet. Nun, das ist nur bedingt richtig, und zwar grds. nur dann, wenn es sich um den Angeklagten oder im Bußgeldverfahren um den Betroffenen handelt. In anderen Fällen ist die Fristversäumung auch im Straf-/Bußgeldverfahren „gefährlich“ und kann zum Verlust eines Rechtsmittels führen.

AusrufezeichenDas gilt vor allem auch für den Bereich der Nebenklage, wie der BGH, Beschl. v. 28.08.2013 – 4 StR 336/13 – noch einmal verdeutlicht: Die Vertreterin der Nebenklägerin hatte fristgerecht gegen das landgerichtliche Urteil Revision eingelegt. Nachdem bis zum Ablauf der Frist des § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO eine Rechtsmittelbegründung nicht eingegangen war, hat das LG die Revision gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen. Hiergegen hat die Nebenklägerin auf Entscheidung des Revisionsgerichts angetragen und zugleich um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ersucht. Und hatte keinen Erfolg:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist unzulässig; dementsprechend erweist sich der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO als unbegründet.

1. Das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten ist dem Nebenklä-ger, der nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung beantragt, nach dem allgemeinen Verfahrensgrundsatz des § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 11. Dezember 1981 – 2 StR 221/81, BGHSt 30, 309; vom 17. März 2010 – 2 StR 27/10; weitere Nachweise bei Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 44 Rn. 19). Deshalb erfordert die Begründung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich eine genaue Darlegung und Glaubhaftmachung aller zwischen dem Beginn und Ende der versäumten Frist liegenden Umstände, die für die Frage bedeutsam sind, wie und gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zur Versäumung gekommen ist; zu dem erforderlichen Tatsachenvortrag gehört dabei auch, dass der Antragsteller einen Sachverhalt vorträgt, der ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Verschulden ausschließt (BGH, Beschluss vom 17. März 2010 – 2 StR 27/10 mwN).

2. Daran fehlt es.

Nach dem Vortrag der Nebenklägervertreterin oblag es ihrer Rechtsan-waltsgehilfin, Fristen zu überwachen und ihr die Akten rechtzeitig vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist vorzulegen. Dass hier – zum ersten Mal – die Revisi-onsbegründungsfrist versäumt wurde, habe daran gelegen, dass die Rechtsan-waltsgehilfin die Frist nicht eingetragen habe.

Damit ist ein Verschulden der Nebenklägervertreterin selbst nicht ausge-schlossen. Zwar darf ein Rechtsanwalt in einfach gelagerten Fällen die Feststel-lung des Fristbeginns und die Berechnung einer Frist gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büroangestellten überlassen (BGH, Beschlüsse vom 30. Mai 2000 – 1 StR 103/00, BGHR StPO § 44 Verschulden 7; vom 6. Juli 2004 – 5 StR 204/04, jeweils mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsanwalt aber schon das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung nur unterzeichnen und zurückgeben, wenn sicher-gestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (BGH, Beschluss vom 2. Februar 2010 – VI ZB 58/09, NJW 2010, 1080 mwN). Weist er seine Bürokraft im Einzelfall mündlich an, die Rechtsmittelfrist einzutragen, müssen ausreichende organisatorische Vorkehrungen dafür getroffen sein, dass diese Anweisung nicht in Vergessenheit gerät (BGH aaO S. 1080 f.; Beschluss vom 26. Januar 2009 – II ZB 6/08, NJW 2009, 1083).

Diesen Anforderungen genügende Maßnahmen hat die Nebenklägerver-treterin nicht vorgetragen. Insbesondere hat sie weder dargelegt, dass sie ihre Angestellte ausdrücklich angewiesen hat, die Revisionsbegründungsfrist einzu-tragen, noch waren unter Zugrundelegung ihres Vortrags in der Kanzlei Vorkeh-rungen, z.B. durch eine allgemeine Weisung, Aufträge zur Eintragung von Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen sofort und vorrangig zu erle-digen, dagegen getroffen, dass die Ausführung einer entsprechenden mündlich erteilten Weisung unterblieb (BGH aaO mwN). Auch zu einer Überwachung der Fristennotierung durch ihre Angestellte fehlt jeglicher Vortrag.

Tja, das war es dann :-(.

Kraftprobe im Straßenverkehr

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Das OLG Celle, Urt. v. 25.04. 2012 – 31 Ss 7/12 – behandelt den Fall eine „Kraftprobe im Straßenverkehr mit tragischem Ausgang.

Folgender Sachverhalt:  Der Angeklagte fuhr mit seinem Pkw auf einer Bundesstraße. Er befand sich in einer Fahrzeugkolonne, an deren Spitze der später geschädigte A mit seinem Pkw fuhr, besetzt mit vier Mitfahrern. Nach Erreichen eines Ortsausgangsschildes beschleunigten der Angeklagte und die vor ihm fahrenden Fahrzeuge. Dem Angeklagten, dem die Geschwindigkeit der Kolonne zu gering war, gelang es, das Fahrzeug vor sich zu überholen und befand sich nunmehr direkt hinter dem Fahrzeug des A. Er scherte mit seinem Pkw aus, um A zu überholen. A, der dies im Rückspiegel bemerkt hatte, wollte es sich aber nicht bieten lassen, vom Angeklagten überholt zu werden und beschleunigte seinen Wagen ebenfalls. Der Angeklagte erkannte das Fahrmanöver des A, wollte aber unbedingt auch noch diesen Überholvorgang zu Ende bringen und beschleunigte deshalb weiter, um A noch vor der nächsten Linkskurve zu überholen. Da A im Kurvenbereich nicht rechtzeitig nach links lenkte, fuhr er mit seinem Pkw weiter geradeaus, sodass er mit seiner rechten Fahrzeughälfte mit einer Geschwindigkeit von 100 – 110 km/h gegen einen Baum stieß und diese komplett aufriss. Drei der Insassen starben sofort, A und ein weiterer Insasse wurden verletzt.

Das AG hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Auf seine Berufung hat das LG ihn lediglich wegen Straßenverkehrsgefährdung verurteilt. Auf die Revision der Nebenkläger hat das OLG den Schuldspruch dahin angeändert, dass der Angeklagte der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen schuldig ist, außerdem den Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und insoweit an das LG zurückverwiesen.

Entscheidend für den Ausgang des Verfahrens war die Frage der Zurechnung. Damit hatte das OLG keine Probleme. Diese könne allenfalls dann zweifelhaft sein, wenn eine Selbstgefährdung oder eine dieser ausnahmsweise gleichzustellende Fremdgefährdung vorliegen würde. Das sei nicht der Fall. Denn – so der Leitsatz der Entscheidung:

Verhalten sich bei einem Überholvorgang sowohl der überholende als auch der überholte Fahrzeugführer pflichtwidrig und veranstalten spontan eine einem illegalen Rennen zumindest vergleichbare „Kraftprobe“, so wird die Zurechnung der Folgen eines hierdurch verursachten Unfalls an den mittelbaren Verursacher nicht durch das sog. Verantwortungsprinzip ausgeschlossen, wenn die geschädigten Beifahrer des unmittelbaren Verursachers keinen beherrschenden Einfluss auf das Geschehen hatten.

Weiterführend zu dem Problem: BGHSt 53, 55.