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Strafzumessung III: Geldbuße im OWi-Verfahren über 250 €, oder: Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen

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Die dritte Entscheidung des Tages stammt dann nicht aus dem Strafbereich, sondern aus einem OWi-Verfahren. Das OLG Schleswig hat im OLG Schleswig, Beschl. v. 17.12.2018 – 2 SsOWi 206/18 (135/18) – zum erforderlichen Umfang der Feststellungen betreffend die Geldbuße, wenn die 250 € übersteigt, Stellung genommen.

„…..Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs hat die Rechts-beschwerde auf die allgemeine Sachrüge hin jedoch – vorläufigen – Erfolg.

Zum einen ist ausweislich der im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen nicht erkennbar, ob und auf welche Weise das Amtsgericht Feststellungen zu den Vermögensverhältnissen des Betroffenen getroffen hat. Bei der Bemessung einer Geldbuße von mehr als 250,– € besteht eine Verpflichtung des Gerichts zur Aufklärung der Vermögensverhältnisse des Betroffenen, so dass außergewöhnlich schlechte oder gute wirtschaftliche Verhältnisse in die Zumessungserwägungen aufzunehmen sind (Senat, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 2 SsOWi 191/10 (150/10) – NZV 2011, 410 f; auch bei juris).“

An der Stelle ist das OLG Schleswig (immer noch) recht streng, während andere OLG das weiter sehen (vgl. z.B. OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.01.2017 – 2 Ss OWi 1029/16) und auch bei Geldbußen über 250 € nicht unbedingt Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen verlangen. Aber: Eine Vorlage zum BGH war nicht erforderlich, denn das OLG hat noch ein weiteres „Haar in der Suppe“ gefunden, was zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs geführt hat:

„Zum anderen mag – wie die Formulierung „entspricht dem Regelsatz“ in den Entscheidungsgründen verdeutlicht – dem Amtsgericht noch bewusst gewesen sein, dass bei der Verhängung eines Fahrverbots vom Regelfall durchaus nach oben oder unten abgewichen werden kann. Allerdings fehlen Ausführungen dazu, die dem Senat ermöglichen würden, es zu überprüfen, ob das Amtsgericht sich der Wechselwirkung der Bemessung des Fahrverbots und der Geldbuße bewusst gewesen ist. Insbesondere hat es weder die Frage geprüft, ob wegen Vorliegens einer außergewöhnlichen Härte von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann, noch hat es sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob nicht von der Verhängung eines Fahrverbots bei gleichzeitiger Erhöhung der festgesetzten Geldbuße abgesehen werden konnte, weil bei dem Betroffenen der mit dem Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt auch auf eine solche Weise erreicht werden kann (Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2010 a. a. O.).“

Geldbuße III: Schlechte wirtschaftliche Verhältnisse, oder: Reduzierung der Geldbuße

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Nach Geldbuße I und Geldbuße II (vgl. zu Geldbuße I hier: Geldbuße I: Gesamtgeldbuße? und zu Geldbuße II hier: Geldbuße II: Geldbuße gegen eine juristische Person, oder: Wirtschaftlicher Vorteil?) dann noch eine amtsgerichtliche Entscheidung, und zwar den AG Herford, Beschl. v. 14.12.2016 – 11 OW 665/16. Die Betroffene ist wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 24a Abs. 1 StVG verurteilt worden. Es wird aber nicht die Regelgeldbuße von 1.000 € festgesetzt, sondern die wird, nachdem das AG festgestellt hat, dass die Betroffene arbeitslos ist und Leistungen nach SGB XII in Höhe des Regelsatzes, abzüglich eines Rentenbetrags von 42,75 € und zuzüglich der Unterkunftskosten, erhält, auf 500 € reduziert.

Aufgrund der wirksamen Einspruchsbeschränkung ist davon auszugehen, dass die Betroffene gegen § 24a Abs. 1 StVG verstoßen und damit fahrlässig das Fahrzeug mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,43 mg/l im Straßenverkehr geführt hat. Dabei handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, für die nach dem Bußgeldkatalog bei einem vorherigen Verstoß gegen § 24 a StVG im Regelfall eine Geldbuße von 1.000,00 € und ein Fahrverbot von 3 Monaten vorgesehen ist (Ziff. 241.1 BKat; Tatbestandsnummer 424613).

In Abweichung hiervon ist es bei der Betroffenen angemessen, unter Berücksichtigung der unter Ziff. I, festgestellten wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 500,00 € festzusetzen. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Bei einer Geldbuße ab 250,00 € i.S.d. § 17 Abs. 3 S. 2 HS. 1 OWIG sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen zu berücksichtigen (BayObLG, DAR 2004, 593). Dabei können auch die in der BKatV vorgesehenen Regelsätze unterschritten werden, wenn ein Festhalten dazu führen würde, dass gegen den arbeitslosen Betroffenen eine unverhältnismäßige, weil von ihm nicht leistbare Sanktion festgesetzt wird (Göhler – Gürtler, OWiG, 15. Auflage, § 17 Rn. 21). Dies trifft hier zu. Aus den Leistungsbescheiden der Betroffenen geht hervor, dass diese im September 2016 Leistungen in Höhe von 794,98 erhalten hat sowie im Juli 2016 Leistungen in Höhe von 695,29 E. Davon entfällt jeweils ein Teilbetrag von 291,29 € auf Unterkunftskosten. Eine Geldbuße in Höhe von 1.000,00 nicht erbringbar und würde auch im Falle einer Ratenzahlung eine extreme Belastung der Betroffenen mit sich bringen. Daher ist davon auszugehen, dass die Betroffene von einer Geldbuße i.H.v. 500,00 ausreichend gewarnt ist. Bei der angesetzten Höhe der Geldbuße. wurde ebenfalls berücksichtigt, dass die Betroffene bereits eine einschlägige Voreintragung hat, auch wenn nicht außer Betracht bleiben darf, dass der vorherige Verstoß bereits einige Zeit zurückliegt.“

Und Ratenzahlung gibt es auch noch. Kann sich also „lohnen“, auch das AG mal zu einem Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandaten zu bewegen.

Geldbuße von mehr als 250 € – dann wollen wir wissen, ob du die bezahlen kannst

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Nichts wesentlich Neues bringt der OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.06.2015 – 2 Ss OWi 474/15, aber: Er ruft noch einmal in Erinnerung, dass die OLG i.d.R. ab einer Geldbuße von 250 € Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen erwarten. Denn: Sie wollen prüfen können, ob er zahlen kann und ihn die Geldbuße nicht zu stark trifft:

„Daneben kann das Rechtsbeschwerdegericht im vorliegenden Fall allerdings auch nicht überprüfen, ob das Amtsgericht die Verhängung einer deutlichen Erhöhung der Regelgeldbuße von 70,00 € auf 420,00 € zu Recht als angemessen erachtet hat, denn das Amtsgericht hat es hier rechtsfehlerhaft unterlassen, Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen zu treffen.

Gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG sind bei der Bußgeldbemessung auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen. Insoweit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei einer relativ hohen Geldbuße – ab einer die Geringfügigkeitsgrenze von 250,00 € (vgl. Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 17 Rn. 24; Senat – 2 Ss-OWi 486/11) – auch die Leistungsfähigkeit des Täters berücksichtigt werden muss, weil es von ihr abhängt, wie empfindlich und damit nachhaltig die Geldbuße den Täter trifft (ständige Rechtsprechung des angerufenen Senats, vgl. u.a. – 2 Ss-Owi 65/12; — 2 Ss-OWi 483/09; ebenso Göhler, a.a.O., § 17 Rn. 22 m. N.). Dies lässt sich vorliegend jedoch anhand der Urteilsgründe, denen sich keine Feststellungen zur familiären (Unterhaltsverpflichtungen?) beruflichen und finanziellen Situation des Betroffenen entnehmen lassen, nicht beurteilen. Insoweit wären daher ergänzende Feststellungen zu treffen, sofern das Amtsgericht im Rahmen der erneuten Verhandlung wieder die Verhängung einer Geldbuße von mehr als 250,00 € in Betracht ziehen sollte.“

Was haste im Portmonee? – das muss man den Betroffenen fragen…

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Nun, die Geldbuße und deren Höhe sind im OWi-Verfahren sicherlich ein Nebenkriegsschauplatz, aber ggf. doch mit Auswirkungen beim Fahrverbot. Denn werden bei der Bemessung der Geldbuße Fehler gemacht, die zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils durch das OLG Führen, kann der dadurch entstehende „Zeitgewinn“ in der neuen Hauptverhandlung dazu führen, dass ggf. dann wegen langen Zeitablaufs von einem Fahrverbot abgesehen wird/werden muss. Von daher darf/sollte man als Verteidiger die mit der Geldbuße zusammenhängenden Fragen nicht ganz aus den Augen verlieren. Deshalb zu der Problematik dann heute der Hinweis auf den OLG Oldenburg, Beschl. v.29.10.2014 –  2 Ss (0Wi) 278/14, in dem das OLG nicht ausreichende tatsächliche Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen beanstandet und deshalb aufgehoben und zurückverwiesen hat.

„Im Urteil fehlen jegliche Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen.

Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG kommen die wirtschaftlichen Verhältnisse für die Bemessung der Höhe der Geldbuße in Betracht. Bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten bleiben sie jedoch in der Regel unberücksichtigt.

Bei Geldbußen von mehr als 250,- € sind jedoch wegen Überschreitens dieser Geringfügigkeitsgrenze in der Regel nähere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen erforderlich (Göhler/Gürtler OWiG 16. Aufl. § 17 Rdn. 24). Einschränkungen dieses Grundsatzes sind aber bei Geldbußen wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten anzuerkennen, die den Regelsätzen der Bußgeldkatalogverordnung entsprechen (Thüringer Oberlandesgericht Beschluss vom 22.12.2004 1 Ss 282/04 juris; Göhler OWiG a.a.O.).

Im vorliegenden Fall beträgt die Geldbuße für die Geschwindigkeitsüberschreitung nach der Bußgeldkatalogverordnung 240,- E, für das Rechtsüberholen 100,- E. Da das Amtsgericht lediglich eine geringfügige Erhöhung der Regelgeldbuße für die Geschwindigkeitsüberschreitung um 25,- € für das Rechtsüberholen vorgenommen hat, darüber hinaus die Geldbuße lediglich 15,- über der Geringfügigkeitsgrenze liegt, sieht der Senat in Übereinstimmung mit der oben genannten zitierten Literatur und Rechtsprechung einen Sachverhalt als gegeben an, bei dem Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen nicht allein wegen der Höhe der Geldbuße erforderlich sind.

In Übereinstimmung mit dem OLG Hamm (Beschluss vom 13.06.2013 1 RBs 72/13 juris) hält der Senat Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen bei Festsetzung einer Regelgeldbuße von mehr als 250 aber nur dann für entbehrlich, wenn keine Anhaltspunkte für außergewöhnlich gute oder außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen vorhanden sind und dieser auch keine Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen macht. Das OLG Hamm hat dieses zutreffend damit begründet, dass das Gericht Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen nicht erzwingen könne und Aufklärungsmöglichkeiten, wie z. B. Durchsuchungen, vor dem Hintergrund der im Raum stehenden Sanktion als unverhältnismäßig erachtet werden müssten.

Dem angefochtenen Urteil lässt sich aber nicht entnehmen, ob der Betroffene Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hat. Insofern vermag der Senat nicht zu prüfen, ob eine Ausnahme vom Erfordernis, Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen zu treffen, vorliegt.

Aufgrund der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot führt die rechtsfehlerhafte Entscheidung über die verhängte Geldbuße zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruches insgesamt, ohne dass es darauf ankäme, ob die Beanstandungen der Generalstaatsanwaltschaft – soweit es die Verhängung des Fahrverbotes betrifft – durchgreifen würden.“

Schlechte wirtschaftliche Verhältnisse: Arbeitsloser: Ja, Rentner. Nein?

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Das OLG Hamm hat am 20.03.2012 zwei Beschlüsse erlassen, die für mich nicht miteinander in Einklang stehen. In beiden Verfahren hatten die AG jeweils Geldbußen von 1.000 € festgesetzt. In beiden Verfahren waren zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen keine näheren Feststellungen getroffen worden. In einem Verfahren hat das OLG die Rechtsbeschwerde verworfen. In dem anderen Verfahren hat es das amtsgerichtliche Urteil wegen Lücken in den Feststellungen aufgehoben und zurückverwiesen.

Der Unterschied:

  • In dem dem OLG Hamm, Beschl. v., 20.03.2012 – III 3 RBs 440/11 – zugrunde liegenden Verfahren handelte es sich bei dem Betroffenen um einen Rentner. Da sagt das OLG: Allein der Umstand lässt nicht auf außergewöhnliche schlechte Verhältnisse schließen, die besondere Feststellungen erfordert hätten.
  • In dem dem OLG Hamm, Beschl. v. 20.03.2012 – III 3 RBs 441/11 – zugrunde liegenden Verfahren handelte es sich bei dem Betroffenen um einen Arbeitslosen. Da sagt das OLG:Die Arbeitslosigkeit des Betroffenen ist regelmäßig als Anhaltspunkt für außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse anzusehen und erfordert tatsächliche Feststellungen zu der Frage.

M.E. passen die beiden Beschlüsse nicht zusammen: Es ist zwar richtig, dass allein der Umstand, dass der Betroffene Rentner ist nicht sofort auf außergewöhnliche schlechte wirtschaftliche Verhältnisse schließen lässt. Aber: Muss nicht der Umstand, dass es – wie es wohl allgemein bekannt ist – eine große Zahl Rentner gibt, die nur eine kleine Rente beziehen, die oft nicht oder nicht viel höher als Arbeitslosengeld ist, dazu führen, dass im Urteil dargelegt werden muss, welche Rente der betroffene Rentner erhält? Wenn ich das nicht weiß, muss man m.E. zugunsten des Betroffenen davon ausgehen, dass er nur eine kleine Rente bekommt und dann Feststellungen fehlen, wie er davon die Geldbuße von 1.000 € zahlen soll.

Ich hätte im zweiten Fall auch aufgehoben.