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Schon wieder Vollmacht: Wirksamkeit der nachträglichen Berufungsbeschränkung

Vollmachtsfragen spielen immer wieder eine Rolle. In dem Zusammenhang spielt der § 302 StPO in der Praxis eine nicht unerheblich Rolle. Der verlangt für die Rechtsmittelrücknahme eine ausdrückliche Ermächtigung für den Verteidiger. Das gilt – so das OLG Stuttgart in seinem Beschl. v. 26.10.2010 – 2 Ss 618/10 auch für die nachträglichen Berufungsbeschränkung.

An die ganze Problematik muss man als Verteidiger denken, wenn man erst später ins Verfahren kommt und es um die Wirksamkeit einer (Teil)Rücknahme eines früheren Verteidigers geht. Manchmal ist an der Stelle dann noch etwas zu retten, wen dieser keine ausdrückliche Genehmigung hatte.

Wochenspiegel für die 46. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Wir berichten:

  1. Über die Strafanzeige gegen einen Richter, vgl. hier.
  2. Über den Richtervorbehalt und den Textbaustein wurde hier berichtet, vgl. auch noch hier.
  3. Nochmals zur Beförderungserschleichung hier.
  4. Vollmachtsfragen sind immer interessant, vgl. hier und hier, über manche Formulierung kann man streiten.
  5. Immer wieder, wenn ich das so aufgeschrieben habe…, vgl. hier.
  6. Das Internetportal zur Richterbewertung, vgl. hier.
  7. Zum Fest der Sachbeschädigung 🙂 hier ein Beitrag.
  8. Zu der Entscheidung BGH 1 StR 351/10 dann noch einmal hier.
  9. Über ein Verfahren gegen Marihuana-Züchter wird hier berichtet.
  10. Nochmals die Winterreifenpflicht, vgl. hier.

BGB-AT meets Strafverfahren, oder: Die vom Verteidiger selbst unterzeichnete Vollmacht, zulässig oder nicht

Der Kollege Feltus hat gestern berichtet, dass er sich in einem Verwaltungsverfahren selbst eine schriftliche Vollmacht ausgestellt hat, nachdem die Verwaltungsbehörde die Vorlage einer solchen angefordert hatte (vgl. hier den Beitrag und auch hier den des Kollegen Melchior). Im Anschluss an seinen Beitrag ist in den Kommentaren eine heiße Diskussion entbrannt, ob das zulässig ist.

M.E. ja, die Regelungen des BGB-AT stehen m.E. nicht entgegen und m.E. gilt auch für den dort einschlägigen § 14 Abs. 1. Satz 2 VerwfG nicht anderes als im Strafverfahren. Ich mache es mir einfach und zitiere zum Strafverfahren aus dem eindeutigen Beschluss des BayObLG (länger ist es also schon her) v. 07.11.2001 – 5 St RR 285/01 – (BayObLGSt 2001, 153 = VRS 101, 436 = wistra 2002, 160 =  NZV 2002, 199 = NStZ 2002, 277). Das LG hatte die Berufung der nicht erschienenen Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen. Nach Auffassung des LG lagen die Voraussetzungen, unter denen sich die Angeklagte durch einen Vertreter vertreten lassen konnte, nicht vor, weil der Verteidiger nur eine unterzeichnete Vollmachtsurkunde vorlegte, die er aufgrund mündlich erteilter Vollmacht der Angeklagten für diese mit seinem Namen unterzeichnet hatte. Das BayObLG führt aus:

Ist das Verfahren, wie hier, durch einen Strafbefehl eingeleitet worden, so kann sich der Angeklagte nach § 411 Abs. 2 Satz 1, § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO auch in der Berufungsverhandlung durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen. Ein solcher Vertretungsfall lag hier vor.

Daß die dem Gericht vorgelegte Vollmacht aufgrund mündlich erteilten Auftrags der Vollmachtgeberin vom Bevollmächtigten für die Angeklagte mit seinem Namen unterzeichnet worden war, ist unschädlich. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß die Vollmachtsurkunde nach mündlicher Ermächtigung durch den Angeklagten auch von einem Dritten unterzeichnet werden kann (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl. § 234 Rn. 5). Dabei macht es keinen rechtlich bedeutsamen Unterschied zur vorliegenden Fallgestaltung, daß bei der in den Urteilsgründen zitierten Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 20.11.1962 (Bay 62, 282) eine Büroangestellte, mithin eine Dritte, vorliegend aber der zur Vertretung Bevollmächtigte selbst die schriftliche Vollmacht unterzeichnet hat. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist, daß der Vollmachtgeber einen anderen ermächtigen kann, für ihn, den Vollmachtgeber, die Vollmachtsurkunde zu unterzeichnen, und daß eine derartige Ermächtigung, die grundsätzlich keiner besonderen Form bedarf (§ 167 BGB), auch mündlich erteilt werden kann.

Es schadet auch nicht, daß Assessor Jürgen Z. die Vollmachtsurkunde nicht mit dem Namen der Angeklagten, sondern mit seinem Namen für die Angeklagte unterzeichnet hat; denn die von ihm gewählte Unterzeichnung „Für Tania Z.: Jürgen Z.“ läßt zweifelsfrei erkennen, daß der Unterzeichner aufgrund der ihm erteilten Ermächtigung der Angeklagten für diese nicht als bloßes Werkzeug, sondern als Vertreter im Willen handelte.

Bedenken dahingehend, daß bei einer Unterzeichnung der Vollmachtsurkunde durch die mit der Verteidigung zu beauftragende Person diese sich im Wege eines Insichgeschäfts die Verteidigervollmacht selbst erteilt, greifen nicht durch. Zutreffend weist die Revision insoweit darauf hin, daß zwischen der Erteilung der Vollmacht und der hierüber zu erstellenden Vollmachtsurkunde zu unterscheiden ist. Der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht, die das Gesetz in den §§ 234, 411 Abs. 2 Satz 1 StPO verlangt, kommt nur eine Nachweisfunktion gegenüber dem Dritten, demgegenüber die Vertretung stattfinden soll, zu. Dieser Nachweis ist im Fall des § 411 Abs. 2 Satz 1, § 329 Abs. 1 StPO gegenüber dem für die Entscheidung zuständigen Berufungsgericht zu erbringen. Dagegen ist die Erteilung der Vollmacht selbst, wie allgemein nach § 167 BGB, formfrei. Dies gilt grundsätzlich auch für die Beauftragung des Wahlverteidigers (Kleinknecht/Meyer-Goßner Vor § 137 Rn. 9), wobei im vorliegenden Fall noch hinzukommt, daß Assessor Z bereits durch Beschluß des Amtsgerichts Landsberg a. Lech vom 1.10.1999 gemäß § 138 Abs. 2 StPO mit Genehmigung des Gerichts, die sich auf das ganze Verfahren erstreckt (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 138 Rn. 14), zum Verteidiger der Angeklagten bestellt worden war.

Wie die Verteidigerbestellung selbst, ist auch die davon zu trennende Ermächtigung zur Ausstellung der schriftlichen Vollmacht des § 411 Abs. 2 Satz 1 StPO für den urkundlichen Nachweis der Vertretungsvollmacht formfrei. Sie konnte daher, wie geschehen, Assessor Z. auch mündlich erteilt werden.“

M.E kann man es deutlicher (und schöner) nicht schreiben: Das Unterzeichnen der schriftlichen Vollmacht durch den bereits Bevollmächtigten ist zulässig.

Wochenspiegel für die 30. KW, oder wir schauen mal wieder über den Tellerrand

Wir berichten über:

  1. Darf man die Parkscheibe auf die nächste halbe Stunde stellen?
  2. Ein Update zur Fahreignung und Gutachtenanordnung gab es hier.
  3. Immer wieder gerne genommen: Vollmachtsfragen.
  4. Zum Fahrverbot beim atypischen Roltichtverstoß verweist der Beck-Blog auf eine Entscheidung des KG, über die wir am 12.07.2010 hier auch schon berichtet hatten.
  5. Zum Bußgeld beim Fahren mit Fix-Fahrrädern hier.
  6. Echter Schumi, falscher Schumi, hier.
  7. Über eine POMin Schneidig berichtet man hier.

Was häufig übersehen wird, ist…

…dass auch der Pflichtverteidiger für die Vertretung des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung (des Strafbefehlsverfahren) eine besondere Vertretungsvollmacht benötigt, wenn er den Angeklagten verteidigen will. Die dem Verteidiger ggf. zuvor als Wahlanwalt erteilte Vertretungsvollmacht ist durch die Pflichtverteidigerbestellung erloschen. Das hatte das OLG Hamm im Verfahren 2 Ss 427/95 schon 1995 entschieden und dazu hat gerade das OLG München in seinem Beschluss v. 14.07.2010 – 4 StRR 93/10 Stellung genommen.

Nach dem Sachverhalt hatte das AG gegen die Angeklagte wegen gemeinschaftlichen Erschlei­chens eines Aufenthaltstitels Strafbefehl erlassen. Die Angeklagte war anwaltlich verteidigt; die dem Wahlverteidiger erteilte Vollmacht er­mächtigte diesen für den Fall der Abwesenheit zur Vertretung nach § 411 Abs. 2 StPO mit der ausdrücklichen Ermächtigung auch nach §§ 233 Abs. 1, 234 StPO. Auf Ein­spruch der Angeklagten ermäßigte das Amtsgericht den Tagessatz. In der Hauptver­handlung vor dem Amtsgericht wurde der Wahlverteidiger der Angeklagten am Sit­zungstag als Pflichtverteidiger beigeordnet. Gegen das Urteil des Amtsgerichts legte die Angeklagte Berufung ein. Die Berufungshauptverhandlung fand in Abwesenheit der Angeklagten statt. Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Angeklagten mit der Maßgabe als unbegründet, dass die Tagessatzhöhe ermäßigt wurde. Hiergegen hat die Angeklagte Revision eingelegt und neben anderen Verfahrens- und Sachrügen mit der Verfahrensrüge die Verletzung der §§ 411 Abs. 2, 230 Abs. 1 StPO vorgetragen, weil rechtsfehlerhaft in ihrer Abwesenheit verhandelt worden sei und sich hieraus der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO ergäbe. Die Die Revision hatte Erfolg.