Innerhalb kurzer Zeit hat der BGH jetzt zum dritten Mal zu Fragen der konkreten Gefahr i.S. des § 315c StGB bzw. des § 315b StGB, wo die Frage ebenso eine Rolle spielt, und zum Begriff des „Beinaheunfalls“ Stellung genommen (vgl. BGH StRR 2010, 71 = VRR 2010, 70 = VA 2010, 29 und BGH VRR 2010, 29 = StRR 2010, 72) (jetzt Beschl. v. 10.12.2009 – 4 StR 503/09). Das zeigt, welche Bedeutung die Fragen in der Praxis haben und welche Fehler hier nicht selten von den Tatgerichten gemacht werden. In der Regel mangelt es an ausreichenden Feststellungen, dass der Unfall gerade noch hat vermieden werden können. Da bieten sich gute Verteidigungsansätze (siehe dazu der BGH in StRR 2010, 71 = VRR 2010, 70 = VA 2010, 29).
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Videomessung: OLG Dresden sagt: § 100h kann nur Ermächtigungsgrundlage sein, wenn anlassbezogen gemessen wird
Im Moment flattern nur so die Beschlüsse der OLG zur Videomessung im Straßenverkehr ins Haus. Jetz hat auch das OLG Dresden entschieden. Es geht in seiner Entscheidung vom 02.02.2010 – SS (OWi) 788/09 davon aus, dass § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO Rechtsgrundlage für eine Videoaufzeichnung im Straßenverkehr nur sein, kann, wenn die Aufzeichnung anlassbezogen und lediglich zur Identifizierung des Betroffenen als Verdächtigen erfolgte. Etwas anderes gelte, wenn der Messbeamte die Videoaufzeichnung ununterbrochen durchlaufen lässt, so dass auch eine Vielzahl von sich verkehrsgerecht verhaltenden Fahrern erfasst würde, um dann diejenigen herauszufiltern, die verdächtig sind, eine Ordnungswidrigkeit begangen zu haben. Für den Fall will sich das OLG der Auffassung des OLG Oldenburg anschließen und wohl von einem Beweisverwertungsverbot ausgehen. Da sich diese Vorgaben aus dem amtsgerichtlichen Urteil (AG Meissen) nicht nachvollziehn ließen, hat das OLG aufgehoben und zurückverwiesen.
Halterhaftung auch für den fließenden Verkehr? Ist das noch verfassungsgemäß?
Immer wieder was Neues: Jetzt – nach der Frage: Kommt die Maut? – die Einführung der Halterhaftung für Zuwiderhandlungen im fließenden Straßenverkehr. Unsere Regierung schiebt es natürlich auf die EU und die entsprechende Richtlinie des Europäischen Parlaments. M.E. hat der DAV Recht, wenn er die „Halterhaftung“ wegen Verstoßes gegen den Grundsatz, dass es keine „Strafe ohne Schuld“ geben darf, als verfassungswidrig ansieht. In der Tat besteht die Gefahr, dass es die Einführung zu Entwicklungen führ, bei denen sich die Behörden nicht einmal mehr die Mühe machen würden festzustellen, wer ein Verstoß begangen hat, sondern bevorzugt eben – weil es so einfach ist – den Halter heranziehen. Man muss sich das mal vorstellen: Ich verleihe meinen Pkw und hafte dann für alle OWis, die der Entleiher damit begangen hat. Und wenn es ein Familienangehöriger ist: Habe ich dann ein Zeugnisverweigerungsrecht? Oder schaffen wir das auch gleich ab.
Neues, aber nichts Ungewöhnliches zum Mobiltelefon im Straßenverkehr aus Jena
Neues zum Mobiltelefon aus Jena. Das dortige OLG hat jetzt – wie in der Vergangenheit schon das OLG Rostock – entschieden, dass das Führen des Kraftfahrzeuges mit überhöhter Geschwindigkeit und das teils zeitgleiche Benutzen eines Mobiltelefons i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO im Konkurrenzverhältnis der Tateinheit i.S.d. § 19 OWiG stehen. Was auch sonst, fragt man sich, denn das Fahren bzw. das Führen des Kfz ist ja Voraussetzung für den Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO. Bei stehendem und abgeschaltetem Pkw darf ich telefonieren. Die AG tun sich damit aber schwer und kommen – so auch hier – dann zu überhöhten Geldbußen. Der Verteidiger muss auf die Frage schon in der Hauptverhandlung achten. Denn sonst muss er sich später um die Zulassung der Rechtsbeschwerde bemühen. Und das ist i.d.R. so schwierig wie im Lotto einen „Sechser“ zu erzielen.
OLG Köln: Handyverbot gilt nicht für Festnetz-Mobilteil
Das OLG Köln teilt in einer PM mit:
„Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln hat entschieden, dass die Benutzung eines Festnetz-Mobilteils während der Fahrt nicht unter das sog. Handyverbot fällt. Eine anderslautende Entscheidung der Vorinstanz, die ein Bußgeld von 40,- € verhängt hatte, wurde aufgehoben; der Betroffene wurde freigesprochen (Beschluss vom 22.10.2009, Az. 82 Ss-OWi 93/09).
Ein Bonner Autofahrer war etwa 3 km von seinem Haus entfernt, als in seiner Tasche das Mobilteil seines Festnetz-Telefons piepte. Er nahm es heraus, schaute es an und hielt es an sein Ohr. Normalerweise ist ab 200m Entfernung vom Haus keine Kommunikation mit der Basisstation mehr möglich. Das Bonner Amtsgericht hielt auch das Mobilteil einer Festnetzanlage für ein Mobiltelefon im Sinne von § 23 Abs. 1 a StVO.
Dieser Auslegung hat sich der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln nicht angeschlossen. Schnurlostelefone bzw. deren „Mobilteile“ bzw. „Handgeräte“ könnten nach dem allgemeinen Sprachverständnis nicht als Mobiltelefone im Sinne des sog. Handyverbots angesehen werden. Für den Einsatz während der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr seien sie aufgrund ihres geringen räumlichen Einsatzbereichs praktisch auch gar nicht geeignet. Der Verordnungsgeber habe bei Schaffung der Verbotsvorschrift nur die an die gemeinhin als „Handy“ bezeichneten Geräte für den Mobilfunkverkehr gedacht und deren Gebrauch während des Fahrens beschränken wollen. Der Senat sah auch keinen Anlass, den Anwendungsbereich des Handyverbots zu erweitern: Eine Ablenkung des Fahrers durch Gespräche mit dem Schnurlostelefon könne nicht als ernsthafte Gefahr angesehen werden, weil sie wegen der allseits bekannten Sinnlosigkeit des Vorgangs schon kurz nach Fahrtantritt in der Praxis nicht in nennenswertem Umfang vorkomme. Der Vorgang sei so ungewöhnlich, dass kein Regelungsbedarf bestehe.“