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Beim Elektroroller explodiert die ausgebaute Batterie, oder: Haftet der Halter?

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Und heute dann zwei zivilgerichtliche Entscheidungen.

Zunächst hier das zu BGH, Urt. v. 23.01.2023 – VI ZR 1234/20 – zur Haftun des Halters eines Elektrorollers, wenn dessen ausgebaute Batterie bei einer Inspektion während des Aufladens explodiert und eine Werkstatt in Brand setzt. Geklagt hatte hier der Gebäudeversicherer gegen die Haftpflichtversicherung des Elektrorollers. Der Halter hatte den zur Inspektion in die Werkstatt gebracht, die bei der Klägerin versichert war. Ein Mitarbeiter des Werkstattinhabers hatte die Batterie aus dem Rollen genommen, um sie aufzuladen. Dabei erhitzte sich diese so stark, dass er sie vom Stromnetz trennen musste und sie zur Abkühlung auf den Boden der Werkstatt legte. Kurz darauf explodierte dann der Akku und setzte das Gebäude in Brand.

LG und OLG haben die Klage abgewiesen. Die Revision hatte dann beim BGH keinen Erfolg:

„1. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Batterie nicht im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG bei dem Betrieb des Elektrorollers explodierte.

a) Voraussetzung des § 7 Abs. 1 StVG ist, dass eines der dort genannten Rechtsgüter „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ verletzt bzw. beschädigt worden ist. Dieses Haftungsmerkmal ist entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, das heißt, wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist. Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, das heißt, die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (vgl. Senatsurteile vom 20. Oktober 2020 – VI ZR 319/18, VersR 2021, 597 Rn. 7; – VI ZR 374/19, DAR 2021, 87 Rn. 7; – VI ZR 158/19, NJW 2021, 1157 Rn. 7 mAnm Makowsky, JR 2021, 386; jeweils mwN).

b) Zwar ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts der Umstand, dass sich der Elektroroller und die Batterie zur Inspektion in einer Werkstatt befanden, für die Frage der Haftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG unerheblich. Denn dass Dritte durch den Defekt einer Betriebseinrichtung eines Kraftfahrzeuges an ihren Rechtsgütern einen Schaden erleiden, gehört zu den spezifischen Auswirkungen derjenigen Gefahren, für die die Haftungsvorschrift des § 7 StVG den Verkehr schadlos halten will. Dabei macht es rechtlich keinen Unterschied, ob der Brand unabhängig vom Fahrbetrieb selbst vor, während oder nach einer Fahrt eintritt. Wollte man die Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG auf Schadensfolgen begrenzen, die durch den Fahrbetrieb selbst und dessen Nachwirkungen verursacht worden sind, liefe die Haftung in all den Fällen leer, in denen unabhängig von einem Betriebsvorgang allein ein technischer Defekt einer Betriebseinrichtung für den Schaden eines Dritten ursächlich geworden ist. Bei der gebotenen wertenden Betrachtung ist das Schadensgeschehen jedoch auch in diesen Fällen durch das Kraftfahrzeug selbst und die von ihm ausgehenden Gefahren entscheidend (mit)geprägt worden. Hierzu reicht es aus, dass der Brand oder dessen Übergreifen in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht (vgl. die nach Verkündung des Berufungsurteils ergangenen Senatsurteile vom 20. Oktober 2020 – VI ZR 319/18, VersR 2021, 597 Rn. 8 [schwer beschädigtes und nicht fahrbereites Fahrzeug in Lagerhalle]; – VI ZR 374/19, DAR 2021, 87 Rn. 8 ff. [in Werkstattgebäude zur Reparatur aufgebockter LKW]; – VI ZR 158/19, NJW 2021, 1157 Rn. 13 ff. [zur TÜV-Untersuchung in Werkstattgebäude abgestellter LKW]).

c) Allerdings ist nicht festgestellt – und die Revision zeigt dazu auch keinen übergangenen Vortrag auf -, dass die Erhitzung und die nachfolgende Explosion der Batterie bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG standen. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Batterie bereits aus dem Elektroroller ausgebaut und hatte zu diesem keine Verbindung mehr. Bei dieser Sachlage besteht kein Unterschied zu der Situation, in der eine zuvor nicht im Elektroroller befindliche Batterie dort eingebaut werden soll und zu diesem Zweck vorher aufgeladen wird. In diesen Fällen ist die Batterie nicht mehr bzw. noch nicht Teil der Betriebseinrichtung.

Weiter ist nicht festgestellt – und die Revision zeigt auch dazu keinen übergangenen Vortrag auf -, dass die Explosion der Batterie in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang stand (vgl. dazu Senatsurteil vom 26. März 2019 – VI ZR 236/18, NJW 2019, 2227 Rn. 9). Allein der Umstand, dass sich die Batterie zuvor im Elektroroller befand und in diesem entladen wurde, begründet nicht den erforderlichen Zurechnungszusammenhang.

2. Es bedarf daher keiner Klärung, ob die von der Revision angegriffenen Erwägungen des Berufungsgerichts zur möglichen Verursachung des Brandes durch ein schadhaftes Ladegerät und zur bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit des Elektrorollers revisionsrechtlicher Prüfung standhalten würden.“

OWi I: Gibt es eine Halterhaftung beim E-Scooter?, oder: AG Frankfurt/Main versus AG Hamburg-Altona

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Am Dienstag heute ist OWi-Tag.

Zum Warmwerden beginne ich mit zwei AG-Entscheidungen zur Halterhaftung nach § 25a StVG, und zwar: Halterhaftung beim E-Scooter?

Bei der einen Entscheidung handelt es sich um den schon etwas älteren AG Frankfurt am Main, Beschl. v. 12.08.2022 – 971 OWi 51/21. Da lag der Bescheid gegen ein bundesweit agierendes Unternehmen, das u. a. E-Scooter Dritten für einen spontanen Gebrauch zur eigenverantwortlichen Nutzung mittels App überlässt, zugrunde. Ein E-Scooter war verbotswidrig abgestellt worden. Das AG Frankfurt am Main hat eine „Haftung“ des Unternehmens abgelehnt. Bei einem E-Scooter handele es sich nach § 1 Abs. 1 eKFV  um ein sog. Elektrokleinstfahrzeuge. Für die gelte nach § 9 eKFV die StVO nach Maßgabe von §§ 10 bis 13 eKFV. Nach  § 11 Abs. 5 eKFV gelten für das Abstellen von Elektrokleinstfahrzeugen damit  die für Fahrräder geltenden Parkvorschriften entsprechend. Damit sei zugleich die Anwendung der für Kraftfahrzeuge im Übrigen geltenden Parkvorschriften der §§ 12 und 13 StVO ausgeschlossen.

Demgegenüber hat das AG Hamburg-Altona im AG Hamburg – Altona, Beschl. v. 23.01.2023 – 327b OWi 1/23,  die Anwendbarkeit bejaht. Das hat es damit begründet, dass es spezielle Parkvorschriften für Fahrräder nicht gibt. Für Fahrräder komme allein ein Verstoß gegen § 1 Abs.2 StVO, also das allgemeine Rücksichtnahmegebot in Betracht. Nur dieses könne der Gesetzgeber mit seinem Verweis auf die „Parkvorschriften für Fahrräder“ also gemeint haben. In dem Falle stelle daher ein Verstoß gegen § 1 Abs.2 StVO somit auch einen Halt- oder Parkverstoß im Sinne des § 25a StVG dar.

Die letztere Entscheidung dürfte im Hinblick darauf, dass es allgemeine Meinung ist, dass § 25a StVG auch in den Fällen des Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 StVO Anwendung findet, m.E. zutreffend sein.

Rechtzeitige Übersendung des Verwarnangebots? oder: Halterhaftung

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Heute dann Gebühren-/Auslagen-/Kostentag, und zwar zunächst mit dem AG Herne, Beschl. v. 15.08.2022 – 22 OWi 140/22 (b) – zur sog. Halterhaftung nach § 25a StVG.

Folgender Sachverhalt: Die Verwaltungsbehörde führte gegen den Betroffenen ein Verfahren wegen verbotswidrigen Parkens auf dem Gehweg in Tateinheit mit Parkens im absoluten Halteverbot am 25.01.2022 zwischen 16.15 und 16.49 Uhr. Die Mitteilung über den vorgeworfenen Parkverstoß ging am 28.01.2022 bei der Stadt Herne, Fachbereich öffentliche Ordnung ein. Am 28.02.2022 wurde ehe schriftliche Verwahrung erstellt. Diese wurde am 01.03.2022 ausgedruckt. Mit Schreiben vom 07.03.2022 meldete sich der Verteidiger für den Betroffenen und teilte mit, dass der Betroffene den Pkw am Tattage nicht geführt habe und im Übrigen von seinem Schweigerecht Gebrauch mache. Daraufhin stellte die Verwaltungsbehörde das Verfahren ein und erließ den Kostenbescheid gem. § 25a StVG. Dagegen dann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der Erfolg hatte:

„Weiterhin ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung auch begründet.

Dem Halter eines Kraftfahrzeugs können gem. § 25a Abs. 1 StVG die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, wenn in einem Bußgeldverfahren wegen eines Halt- oder Parkverstoßes der Führer des Kraftfahrzeugs, der den Verstoß begangen hat, nicht vor Eintritt der Verfolgungsverjährung ermittelt werden kann oder seine Ermittlung einen unangemessenen Aufwand erfordern würde.

Ein unverhältnismäßiger Ermittlungsaufwand liegt vor, wenn die Nachforschungen außer Verhältnis zur Bedeutung des Verstoßes stehen. Die Verwaltungsbehörde braucht grundsätzlich keine weiteren Ermittlungen anzustellen, wenn der Halter — wie hier – den Verstoß bestreitet, ohne nähere Angaben zum verantwortlichen Fahrzeugführer zu tätigen. Erforderlich ist in diesen Fällen jedoch, dass die Verwaltungsbehörde alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Ermittlung des Fahrzeugführers ergriffen hat (vgl. Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/ Hühnermann, Straßenverkehrsrecht, § 25a StVG, Rn. 3c, 27. Auflage 2022, m.w.N.). Hierzu zählt nach h.M. die umgehende Übersendung eines schriftlichen Verwarnangebots, ggf. mit Anhörungsbogen (vgl. Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/ Hühnermann, a.a.O.; Haus/Krumm/Quarch/ Sandherr, Gesamtes Verkehrsrecht, § 25a StVG, Rn. 11 3. Auflage 2021; Münchener Kommentar zum StVR/ Weidig, § 25a StVG, Rn. 15, 1. Auflage 2016, jeweils m.w.N.). Dabei muss die Übersendung des Verwarnangebots, bzw. der nicht zwingend innerhalb einer Frist von 2.Wochen erfolgen. Die Verwaltungsbehörde muss jedoch jedenfalls innerhalb einer Frist tätig werden, innerhalb deren es dem Betroffenen möglich und zumutbar ist, sich an den Fahrzeugführer des entsprechenden Tages zu erinnern. Dabei kann auch darauf abgestellt werden, ob ggf. ungewöhnlichen Umstände (Parkverstoß in einer entfernt liegenden Stadt, etc.) hinzutreten, anhand derer es dem Halter auch nach längerer Zeit sehr wahrscheinlich noch erinnerlich sein dürfte, wem er sein Kraftfahrzeug zur Tatzeit überlassen hat. Hier liegen keine ungewöhnlichen Umstände vor, sondern der vorgeworfene Parkverstoß fand direkt an der Wohnanschrift des Betroffenen statt.

Insoweit kann nicht von einer umgehenden und rechtzeitigen Übersendung des Verwarnangebots ausgegangen werden. Zwischen dem vorgeworfenen Parkverstoß vom 25.01.2022 und dem Ausdrucken und dem – wie gerichtsbekannt ist – daran anschließenden Versendens des Verwarnangebots am 01.03.2022 liegen genau 5 Wochen. Ohne hinzutreten besonderer Umstände, kann nach Ablauf dieser Frist nicht sicher davon ausgegangen werden, dass sich der Halter eines an seiner Anschrift geparkten Fahrzeugs noch sicher daran erinnert, ob das Fahrzeug von ihm oder einer anderen Person, wie zum Beispiel einem Angehörigen geführt wurde. Zudem lässt sich aus der Akte auch kein im Verfahren liegender Grund erkennen, aus dem das Verwarnangebot erst 5 Wochen nach der vorgeworfenen Tat erstellt wurde.“

OWi I: Die Kosten-/Halterhaftung nach § 25a StVG, oder: Scheibenwischerwarnung reicht nicht

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Heute dann ein OWi-Tag mit drei Entscheidungen aus Bayern, zweimal AG Straubing und einmal BayObLG.

Ich beginne mit dem AG Straubing, Beschl. v. 23.08.2021 – 9 OWi 441/21 –, ergangen zur Halterhaftung nach § 25a StVG.

Folgender Sachverhalt:

„….Im Hinblick auf einen mit dem Fahrzeug der Halterfirma begangenen Parkverstoß am 31.03.2021 wurde am Tattag am Tatfahrzeug eine sog. Scheibenwischerverwarnung mit Verwarnungsgeldangebot angebracht.

Eine Zahlung des Verwarnungsgeldes erfolgte nicht.

Am 15.04.2021 und 06.05.2021 gingen zwei Fahrerermittlungen mit einfachem Brief an die Halterfirma. Die Schreiben enthielten jeweils zugleich einen Hinweis auf die Kostentragungspflicht nach § 25a StVG.

Eine Rückantwort bzw. Zahlung der Halterfirma blieb aus.

Am 09.06.2021 erging sodann gegen die Halterfirma ein Kostenbescheid gemäß § 25a StVG. Der Bescheid wurde am 16.06.2021 per Postzustellungsurkunde zugestellt.

Mit Schreiben vom 17.06.2021 beantragte die anwaltlich vertretene Halterfirma eine gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG hinsichtlich des Kostenbescheides vom 09.06.2021.“

Der Antrag hatte beim AG dann Erfolg:

„2. Der Antrag ist begründet.

Der angefochtene Kostenbescheid erging nicht rechtmäßig, da die Voraussetzungen für den Erlass des Kostenbescheides nach § 25a StVG nicht vorlagen.

Die Kostenfolge des § 25a Abs. 1 StVG setzt voraus, dass die Ermittlungen des Täters nicht mit angemessenem Aufwand möglich sind. Zu einem angemessenen Aufwand der Täterermittlung gehört auch die rechtzeitige Befragung des Halters.

Eine solche rechtzeitige Halterbefragung liegt hier nicht vor.

Eine Anhörung des Halters ist nicht bereits in der sogenannten Scheibenwischerverwarnung zu erblicken. Sinn und Zweck des § 25a StVG ist die sichere Feststellung, dass der Halter die Möglichkeit hatte, den Fahrzeugführer zu benennen.

Gemessen an diesen Voraussetzungen genügt die Scheibenwischerverwarnung nicht, um von einer sicheren Feststellung auszugehen. Es ist nicht hinreichend gewährleistet, dass die Scheibenwischerverwarnung zur Kenntnis des Halters gelangt. Hierbei sind lebensnah vielfältige Ursachen, angefangen von bloßem Vergessen bis zur Nichtwahrnehmung des Zettels, möglich. Auch ist im Hinblick auf die Begrifflichkeiten des eingetragenen Halters, der nicht zwingend immer die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug hat, für den Fahrer nicht zu überblicken bzw. einsehbar, wer als Halter zu benachrichtigen ist (NZV 2020, 504).

Auch die seitens der Stadt pp. am 15.04.2021 und 06.05.2021 an den Halter versandte Anhörung genügt nicht dem vorgenannten Rechtzeitigkeitsgebot. In Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 31a StVZO ist die Rechtzeitigkeit am Zwei-Wochen-Maßstab zu messen. Nur bei einer solchen kurzen Zeitspanne ist ein Erinnerungsvermögen des Halters für die Frage, wer am Tattag das Fahrzeug hatte, realistisch (NZV 2020, 504, vgl. auch AG Berlin-Tiergarten, Beschluss vom 27.04.2016 – 290 OWi 389/16 (LSK 2016, 132258, beck-online). Vorliegend erfolgte die Absendung des Anhörungsbogens erst nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist. Hier sind keine Gründe ersichtlich, dass der Anhörungsbogen nicht innerhalb von zwei Wochen hätte versandt werden können. Die Tatsache, dass die Osterfeiertage in den Zeitraum der 2 Wochen fallen, rechtfertigt keine Verlängerung der Frist. Erinnerungen an den Fahrer sind im Gedächtnis eines Halters nicht deswegen länger verhaftet, weil kurz nach der Tat Feiertage folgen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass gerade Feiertage dazu führen können, dass durch Abschalten vom Alltagstrubel die Erinnerung eher verblasst. Gerade bei Feiertagen ist daher die Frist von 2 Wochen strikt einzuhalten. Im Übrigen fallen durch die Osterfeiertage für die Stadt lediglich 2 Werktage (Karfreitag und Ostermontag) als Arbeitstage weg.

Entgegen des Vorbringens der Stadt pp. ist es auch nicht belegt, dass die Scheibenwischerverwarnung bereits innerhalb von 14 Tagen in den Verantwortungsbereich des Halters gelangt ist.

Ein weiteres Argument, dass die Scheibenwischerwarnung nicht als rechtzeitige Befragung anzusehen ist, ist der Hinweis der Stadt pp. im Anhörungsschreiben. Insofern geht die Stadt pp. selbst davon aus, dass erst dieses Schreiben als Anhörung des Betroffenen zu werten ist, was durch den Hinweis auf § 55 OWiG untermauert wird.

Ein weiteres Argument gegen die Gleichsetzung von Scheibenwischerverwarnung und Anhörung des Halters ist auch, dass, selbst bei Erhalt der Verwarnung, der Halter nicht davon ausgehen muss, dass die Verwarnung zugleich als Aufforderung zu verstehen ist, den wahren Fahrer zu benennen. Es ist für einen rechtsunkundigen Laien nicht zweifelsfrei zu erkennen, dass zugleich eine Anhörungsmöglichkeit eröffnet ist.“

Beschädigen des eigenen Pkw beim Ausparken mit fremdem Pkw, oder: Enthaftung wegen Gefälligkeit?

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Und als zweite Entscheidung stelle ich das BGH, Urt. v. 12.01.2021 – VI ZR 662/20. Entschieden hat der BGH über den  Haftung des Halters eines Kraftfahrzeuges nach § 7 Abs. 1 StVG, wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Kraftfahrzeuges tätig wa. Grundlage war folgender Sachverhalt:

Der Kläger wollte mit dem bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Fahrzeug des Beklagten zu 2), das behindertengerecht umgebaut ist und bei dem Gas- und Bremsfunktion im Handbetrieb betätigt werden, rückwärts aus einer abschüssigen Parklücke ausparken, um dem Beklagten zu 2), der auf den Rollstuhl angewiesen ist, das Einsteigen in sein Fahrzeug zu ermöglichen. Dabei verlor der Kläger die Kontrolle über den Pkw und beschädigte u.a. sein eigenes, ebenfalls auf dem Parkplatz abgestelltes Fahrzeug. Der Kläger verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldner Ersatz des durch die Beschädigung seines Fahrzeuges entstandenen Schadens.

Das AG hat zunächst die Hälfte des geltend gemachten Schadens erstattet. Das LG hat auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen. Dies mit der Begründung, dass der Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 2 StVG greife und ein Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB daran scheitere, dass eine unrichtige Einweisung des Klägers durch den Beklagten zu 2) in die Funktionsweise des Fahrzeugs ebensowenig festgestanden habe wie eine – allerdings nicht auszuschließende – abweichend von den Einweisungen fehlerhafte Bedienung des Fahrzeugs durch den Kläger. Das bestätigt der BGH:

„1. Der Kläger kann die Beklagten nicht nach den gesetzlichen Bestimmungen zur Halterhaftung in Anspruch nehmen. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass entsprechende Ansprüche gegen den Beklagten zu 2 aus § 7 Abs. 1 StVG bzw. gegen die Beklagte zu 1 aus § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG, § 7 Abs. 1 StVG gemäß § 8 Nr. 2 StVG ausgeschlossen sind.

a) Nach der Regelung in § 8 Nr. 2 StVG gelten die Vorschriften des § 7 StVG nicht, wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig war. § 8 Nr. 2 StVG erfasst Personen, die durch die unmittelbare Beziehung ihrer Tätigkeit zum Betrieb des Kraftfahrzeugs den von ihm ausgehenden besonderen Gefahren stärker ausgesetzt sind als die Allgemeinheit, auch wenn sie nur aus Gefälligkeit beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig geworden sind (Senatsurteile vom 5. Oktober 2010 – VI ZR 286/09, VersR 2010, 1662 Rn. 23 mwN; vom 16. Dezember 1953 – VI ZR 131/52, NJW 1954, 393). Auch wenn die Vorschrift als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist (Senatsurteil vom 5. Oktober 2010 – VI ZR 286/09, aaO), ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, dass der Kläger als Führer des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Schadenseintritts unzweifelhaft bei dessen Betrieb im Sinne des § 8 Abs. 2 StVG tätig geworden ist (vgl. Senatsurteile vom 5. Oktober 2010 – VI ZR 286/09, aaO; vom 18. Oktober 1988 – VI ZR 223/87, VersR 1989, 54, 55 f., juris Rn. 15, mwN; Greger in Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 19 Rn. 11; Laws/Lohmeyer/Vinke in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand: 06.06.2019, § 8 StVG Rn. 17 mwN zur obergerichtlichen Rechtsprechung). Sollte der Kläger entsprechend seiner Behauptung das Fahrzeug nach den Anweisungen des Beklagten zu 2 in Betrieb gesetzt haben, würde dies entgegen der Ansicht der Revision an seiner Eigenschaft als Fahrzeugführer nichts ändern, da er selbst die wesentlichen Einrichtungen des Fahrzeugs bedient hat, die für dessen Fortbewegung bestimmt sind, und die tatsächliche Gewalt über das Steuer hatte (vgl. zum Begriff des Kraftfahrzeugführers etwa BGH, Urteil vom 23. September 2014 – 4 StR 92/14, BGHSt 59, 311 Rn. 11 mwN; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 21 StVG Rn. 10; Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl., § 18 StVG Rn. 3).

b) Der Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 2 StVG erfasst auch den vom Kläger geltend gemachten Schaden aufgrund der Beschädigung seines Pkw.

Nach ihrem Wortlaut gilt die Vorschrift nicht nur für Personenschäden. Verletzter im Sinne des § 8 Nr. 2 StVG kann auch der Eigentümer oder Besitzer einer beschädigten Sache sein (Senatsurteil vom 3. Dezember 1991 – VI ZR 378/90, BGHZ 116, 200, 205, juris Rn. 16). Der Sinn und Zweck des gesetzlichen Haftungsausschlusses, den erhöhten Schutz der Gefährdungshaftung nicht demjenigen zuteilwerden zu lassen, der sich durch seine Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kraftfahrzeugbetriebs freiwillig aussetzt (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 2010 – VI ZR 286/09, VersR 2010, 1662 Rn. 23), steht im Streitfall – anders als die Revision meint – der Anwendung der Vorschrift ebenfalls nicht entgegen.

Allerdings soll nach einer in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansicht der Haftungsausschluss des § 8 Nr. 2 StVG gemäß seinem Gesetzessinn nicht eingreifen, wenn der Kraftfahrzeugführer mit einem fremden Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall seinen eigenen Pkw beschädigt. Begründet wird dies vor allem damit, dass in einem solchen Fall die beschädigte eigene Sache des Fahrzeugführers bei dem Betrieb keine Rolle gespielt habe und vom Geschädigten nicht freiwillig und bewusst den besonderen Gefahren des Betriebes des geführten Fahrzeuges ausgesetzt worden, sondern lediglich zufällig in dessen Gefahrenkreis geraten sei (vgl. z.B. Greger, NZV 1988, 108; ders. in Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 19 Rn. 10; König in Hentschel/ König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 8 StVG Rn. 4; Hohloch, VersR 1978, 19, 20; LG Dortmund, Urteil vom 28. September 2006 – 4 S 23/06, juris Rn. 20).

Diese Auffassung hält der Senat jedoch mit der Gegenansicht (vgl. etwa OLG Hamm, NZV 1997, 42; OLG Nürnberg, VersR 2004, 905; Kaufmann in Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kap. 25 Rn. 290; Kunschert, NZV 1989, 61, 62 und 1999, 516, 517; Walter in BeckOGK, Stand 01.09.2019, § 8 StVG Rn. 9.1) jedenfalls in Bezug auf den Streitfall für nicht überzeugend. Der Kläger hat mit dem von ihm geführten Fahrzeug schon nicht eine Sache beschädigt, die „zufällig“ in dessen Einwirkungsbereich geraten ist und der Betriebsgefahr dieses Fahrzeugs nicht in besonderem Maße ausgesetzt war. Vielmehr wollte der Kläger das Fahrzeug des Beklagten zu 2 für diesen aus der Parklücke fahren und hat durch das Manövrieren sein von ihm selbst auf demselben Parkplatz abgestelltes eigenes Fahrzeug bewusst der Betriebsgefahr des von ihm selbst geführten Kraftfahrzeugs ausgesetzt (vgl. OLG Nürnberg aaO). Insoweit macht es hier keinen Unterschied, ob sich die beschädigte Sache innerhalb oder außerhalb des vom Kläger geführten Fahrzeugs befand. Im vorliegenden Fall entspricht die Anwendung des Haftungsausschlusses daher der Intention des Gesetzes.

2. Soweit das Berufungsgericht eine deliktische Haftung der Beklagten mangels Nachweises einer fehlerhaften Einweisung des Klägers in die Bedienung des schadensursächlichen Fahrzeugs durch den Beklagten zu 2 abgewiesen hat, greift die Revision die hierzu getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht an. Aus Rechtsgründen ist nichts dagegen zu erinnern, dass das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen einen – unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten in Betracht zu ziehenden – Anspruch des Klägers nach § 823 Abs. 1 BGB (hinsichtlich der Beklagten zu 1 i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG) verneint hat.

…….“