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Kipo I: Besitz kinder-/jugendpornografischer Inhalte, oder: Feststellungen, Strafzumessung, Tateinheit

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Ich stelle heute dann Entscheidungen zu sog. KiPo-Verfahren vor, und zwar einmal KG und zweimal LG.

Und ich starte mit dem KG, Beschl. v. 23.06.2025 – 3 ORs 28/25 – u.a. zum Umfang der Feststellungen bei einer Verurteilung wegen Besitzes kinder- und jugendpornografischer Inhalte nach §§ 184b Abs. 3, 184c Abs. 3 StGB. Das AG hat den Angeklagten zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Nach den vom AG  getroffenen Feststellungen wurden am 22.062022 anlässlich einer Vernehmung des Angeklagten auf dessen Mobiltelefon zwei Bilddateien und zwei Videodateien – jeweils mit entsprechend inkriminierten kinderpornografischen Inhalten – sichergestellt. Daneben verwahrte der Angeklagte am 06.102022 in seiner Wohnung auf einem Notebook und einem Tablet-PC nebst Speicherkarte drei kinderpornografische Bilddateien und eine jugendpornografische Bilddatei. Zum Schuldspruch hat das Amtsgericht ausgeführt, dieser stehe nach der geständigen Einlassung des Angeklagten fest; das Gericht habe keinerlei Anlass zu Zweifeln an diesen Angaben.

Dagegen die Revision des Angeklagten, die beim KG Erfolg hat. Dem gefällt u.a. die Feststellungen des AG nicht:

„1. Bereits die getroffenen Feststellungen erweisen sich als lückenhaft.

Um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob ein Angeklagter die Straftatbestände von § 184b Abs. 3 StGB oder 184c Abs. 3 StGB erfüllt hat, bedarf es hinreichend konkreter Feststellungen zum Inhalt der Abbildungen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2023 – 5 StR 245/23 -, juris; BeckRS 2018, 19227; OLG Brandenburg, Beschluss vom 5. Dezember 2024 – 2 ORs 26/24 -, juris; Fischer, StGB 72. Aufl., § 184b Rn. 10). Wird ein Angeklagter wegen mehrerer selbstständiger Straftaten verurteilt, so müssen die einzelnen Taten so präzise dargestellt werden, dass das Revisionsgericht in Bezug auf jede einzelne Tat in der Lage ist zu prüfen, ob sie den Straftatbestand in objektiver und in subjektiver Hinsicht erfüllt. Denn nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe im Falle einer Verurteilung die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, wobei es dem Gericht unbenommen bleibt, hinsichtlich von Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf bei den Akten befindliche Lichtbilder zu verweisen. Die bloße – wörtliche oder sinngemäße – Wiedergabe des Gesetzestextes genügt nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2007 – 2 StR 279/07 -, juris; BayObLG, Beschluss vom 16. Dezember 2024 – 203 StRR 589/24 -, juris; OLG Oldenburg, Beschluss vom 3. Mai 2023 – 1 ORs 85/23 -, juris; OLG Celle BeckRS 2024, 12389).

Diesen Anforderungen hält das angefochtene Urteil nicht stand. Es gibt lediglich sinngemäß die Gesetzestexte von § 184b Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 StGB und § 184c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB wieder. Zum Inhalt der Dateien der Fälle 1 und 2 wird im Sachverhalt lediglich abstrakt verallgemeinernd und jeweils gleichlautend dargelegt, dass „die Dateien ohne Bezug zu anderen Lebenssachverhalten und in einer den Menschen zum bloßen Objekt geschlechtlicher Begierde degradierenden Weise ausschließlich weibliche Kinder“ (Fall 1) und „ausschließlich weibliche Kinder und einen männlichen Jugendlichen (Fall 2) bei unnatürlichem Posieren unter besonderer Betonung von Geschlechtsteilen sowie weibliche Kinder bei sexuellen Aktivitäten an sich selbst zeigen“ (UA S. 2). Es fehlt die Mitteilung der konkreten Inhalte der Bilder. Das Urteil enthält – wegen der Einzelheiten – auch keine Bezugnahme auf bei den Akten befindliche Abbildungen nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Ebenso wenig werden Tatsachen mitgeteilt, die eine Differenzierung zwischen kinder- und jugendpornografischen Abbildungen ermöglichen.“

Das KG moniert außerdem die Beweiswürdigung, weil das AG nicht mitgeteilt hat, wie sich der Angeklagte eingelassen hat. Und außerdem:

„3. Die Rechtsfolgenentscheidung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung ebenso wenig stand.

a) Bereits die Wahl der für die Taten anzuwendenden Strafrahmen ist fehlerhaft.

Die ab dem 1. Juli 2021 geltende Fassung des § 184b Abs. 3 StGB sah als Strafrahmen Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren vor. In der seit dem 28. Juni 2024 geltenden Fassung reicht der Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Dieser Strafrahmen wäre als das mildere Gesetz im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB auf die abgeurteilten Taten anzuwenden gewesen. Der vom Amtsgericht demgegenüber zugrunde gelegte Strafrahmen (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren) hat deshalb keine gesetzliche Grundlage.

b) Die Strafzumessung erweist sich als lückenhaft. Das Amtsgericht hat zu Lasten des Angeklagten den Weg berücksichtigt, auf dem dieser die Bilder erlangt hat, ohne mitzuteilen, wie dies geschehen ist. Dem Senat ist daher die Prüfung versagt, ob es sich dabei um eine rechtlich zulässige Strafzumessungserwägung handelt.“

Und dann gibt es noch folgende „Segelanweisung“:

„Zur weiteren Sachbearbeitung weist der Senat auf Folgendes hin:

Sollte sich das Amtsgericht nach erneut durchzuführender Beweisaufnahme die Überzeugung verschaffen, dass der Angeklagte die in der Anklage der Staatsanwaltschaft vom 31. Januar 2025 aufgeführten Taten begangen hat, wäre der Angeklagte nicht wegen Besitzes kinder- und jugendpornografischer Inhalte in zwei Fällen zu verurteilen, sondern wegen Besitzes kinderpornografischer Inhalte in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz jugendpornografischer Inhalte gemäß §§ 184b Abs. 3, 184c Abs. 3, 52, 53 StGB. Der gleichzeitige Besitz kinder- und jugenpornografischer Inhalte stellt eine Tat im Sinne von § 52 Abs. 1 Satz 1 StGB dar (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2025 – 1 StR 494/24 -, juris und NStZ 2024, 669).“

Alles in allem: Gehe zurück auf Start und beginne neu…..

StGB I: Besitz und Drittbesitzverschaffung von Kipo, oder: Tatmehrheit oder Tateinheit?

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Heute stelle ich dann drei StGB-Entscheidungen vor.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 11.12.2024 – 3 StR 334/24. Das LG hat den Angeklagten wegen „des Unternehmens der Drittbesitzverschaffung von kinderpornographischen Schriften in vier Fällen und ihres Besitzes“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision, die zu einer Änderung des Schuldspruchs und zum Entfall der Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten, die wegen des – als tatmehrheitlich begangen abgeurteilten – Besitzes kinderpornographischer Schriften verhängt worden ist:

„Insoweit hat der Generalbundesanwalt das Folgende ausgeführt:

„Indes bedarf der Schuldspruch der Korrektur dahin, dass der ausgeurteilte Besitz kinderpornographischer Schriften nicht rechtlich selbständig (§ 53 StGB) neben den Drittbesitzverschaffungen steht, sondern tateinheitlich mit diesen zusammentrifft (§ 52 StGB). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, inwiefern den vier Fällen der Weitergabe jeweils dieselbe Datei des fraglichen Videos zugrunde lag (vgl. UA S. 6 [‚mehrfach unter verschiedenen Dateibezeichnungen gespeichert‘]; S. 11 [‚jeweils verschickten identischen vier Dateien des Videos‘]); es genügt, dass der Angeklagte im gesamten Tatzeitraum über sämtliche Dateien verfügte (vgl. UA S. 7 oben).

1. Der zeitgleiche Besitz von verbreiteten bzw. öffentlich zugänglich gemachten sowie darüber hinausgehenden kinderpornografischen Schriften verknüpft den unerlaubten Besitz kinderpornografischer Schriften mit jeder Verbreitungshandlung zu einer einheitlichen Tat. Insoweit gilt: Zwar verdrängen die Tathandlungsvarianten des Verbreitens bzw. des öffentlichen Zugänglichmachens kinderpornografischer Schriften grundsätzlich diejenige des unerlaubten Besitzes solcher Schriften als subsidiären Auffangtatbestand. Dies betrifft jedoch ausschließlich den Zeitraum der Zugänglichmachung, nicht jedoch die Zeit danach, und nur die zugänglich gemachten Dateien. Geht der Besitz kinderpornografischer Schriften in zeitlicher oder quantitativer Hinsicht über den für das Verbreiten bzw. öffentliche Zugänglichmachen erforderlichen Besitz derartiger Schriften hinaus, tritt das Dauerdelikt des verbotenen Besitzes kinderpornografischer Schriften tateinheitlich neben das jeweilige Verbreitungsdelikt. Dabei liegt dem verbotenen Besitz mehrerer kinderpornografischer Schriften ein einheitlicher Verstoß gegen § 184b Abs. 3 Alt. 2 StGB zugrunde. Bei gleichzeitigem Besitz von verbreiteten bzw. öffentlich zugänglich gemachten kinderpornografischen Schriften und weiterem, darüberhinausgehend gespeicherten verbotenem Material bleibt danach kein Raum für eine tatmehrheitliche Verurteilung (s. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 – 2 StR 321/19, juris Rn. 18 f.; s.a. Beschlüsse vom 25. Januar 2022 – 1 StR 424/21, juris Rn. 6; vom 3. Mai 2019 – 3 StR 86/19, juris Rn. 6; vom 14. Juni 2018 – 3 StR 180/18, juris Rn. 15; abweichend womöglich BGH, Beschluss vom 1. September 2022 – 1 StR 248/22, juris Tenor und Rn. 3 f. unter Verneinung eines Besitzes, der ‚in zeitlicher oder quantitativer Hinsicht über den für das Verbreiten erforderlichen Besitz hinausgeht‘, obgleich ‚der Angeklagte das Video zuvor und danach in Besitz hatte‘). Da es sich bei der Drittbesitzverschaffung gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB um eine dem Verbreiten und öffentlich Zugänglichmachen nach § 184b Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 und Var. 2 StGB gleichgestellte Tatbestandsvariante handelt, kann insoweit nichts Anderes gelten (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2022 – 1 StR 424/21, juris Rn. 6; s.a. Beschluss vom 28. Juni 2023 – 3 StR 123/23, juris Rn. 19, wobei die dortige Ablehnung des Besitztatbestandes wohl der mangelnden Feststellung einer über die Momente der Drittbesitzverschaffung hinausgehenden Verfügungsgewalt geschuldet gewesen sein dürfte).

2. Gemessen daran – und entgegen der Würdigung des Landgerichts (UA S. 17) – steht der durchgängig verwirklichte und einheitlich (im Sinne einer Tat) gegen § 184b Abs. 3 StGB verstoßende Besitz nicht in Tatmehrheit mit den Taten der Drittbesitzverschaffung (die ihrerseits erst durch die Besitzausübung ermöglicht wurden), sondern mit diesen jeweils in Tateinheit. Denn nach der ersten Drittbesitzverschaffung sowie vor und nach jeder weiteren Versendung kam dem Besitz wieder eigenständige Bedeutung zu, wobei er andererseits nicht in der Lage ist, die Drittbesitzverschaffungen zu verklammern (vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 2022 – 1 StR 248/22, juris Rn. 3 f.; SK-StGB/Greco, 10. Aufl. 2024, § 184b Rn. 48). Zudem begründet der zumindest teilweise im Bundesgebiet ausgeübte Besitz insgesamt die deutsche Strafgewalt (§ 3 StGB), ohne dass es darauf ankommt, von wo aus die Dateiversendungen erfolgt sind (vgl. UA S. 8, 12 und dazu BGH, Urteil vom 24. November 2022 – 3 StR 64/22, BGHSt 67, 177, juris Rn. 21 ff.).

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „des Unternehmens der Drittbesitzverschaffung von kinderpornographischen Schriften in vier Fällen und ihres Besitzes“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs und zum Entfall der Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten, die wegen des – als tatmehrheitlich begangen abgeurteilten – Besitzes kinderpornographischer Schriften verhängt worden ist.

Insoweit hat der Generalbundesanwalt das Folgende ausgeführt:

„Indes bedarf der Schuldspruch der Korrektur dahin, dass der ausgeurteilte Besitz kinderpornographischer Schriften nicht rechtlich selbständig (§ 53 StGB) neben den Drittbesitzverschaffungen steht, sondern tateinheitlich mit diesen zusammentrifft (§ 52 StGB). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, inwiefern den vier Fällen der Weitergabe jeweils dieselbe Datei des fraglichen Videos zugrunde lag (vgl. UA S. 6 [‚mehrfach unter verschiedenen Dateibezeichnungen gespeichert‘]; S. 11 [‚jeweils verschickten identischen vier Dateien des Videos‘]); es genügt, dass der Angeklagte im gesamten Tatzeitraum über sämtliche Dateien verfügte (vgl. UA S. 7 oben).

1. Der zeitgleiche Besitz von verbreiteten bzw. öffentlich zugänglich gemachten sowie darüber hinausgehenden kinderpornografischen Schriften verknüpft den unerlaubten Besitz kinderpornografischer Schriften mit jeder Verbreitungshandlung zu einer einheitlichen Tat. Insoweit gilt: Zwar verdrängen die Tathandlungsvarianten des Verbreitens bzw. des öffentlichen Zugänglichmachens kinderpornografischer Schriften grundsätzlich diejenige des unerlaubten Besitzes solcher Schriften als subsidiären Auffangtatbestand. Dies betrifft jedoch ausschließlich den Zeitraum der Zugänglichmachung, nicht jedoch die Zeit danach, und nur die zugänglich gemachten Dateien. Geht der Besitz kinderpornografischer Schriften in zeitlicher oder quantitativer Hinsicht über den für das Verbreiten bzw. öffentliche Zugänglichmachen erforderlichen Besitz derartiger Schriften hinaus, tritt das Dauerdelikt des verbotenen Besitzes kinderpornografischer Schriften tateinheitlich neben das jeweilige Verbreitungsdelikt. Dabei liegt dem verbotenen Besitz mehrerer kinderpornografischer Schriften ein einheitlicher Verstoß gegen § 184b Abs. 3 Alt. 2 StGB zugrunde. Bei gleichzeitigem Besitz von verbreiteten bzw. öffentlich zugänglich gemachten kinderpornografischen Schriften und weiterem, darüberhinausgehend gespeicherten verbotenem Material bleibt danach kein Raum für eine tatmehrheitliche Verurteilung (s. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 – 2 StR 321/19, juris Rn. 18 f.; s.a. Beschlüsse vom 25. Januar 2022 – 1 StR 424/21, juris Rn. 6; vom 3. Mai 2019 – 3 StR 86/19, juris Rn. 6; vom 14. Juni 2018 – 3 StR 180/18, juris Rn. 15; abweichend womöglich BGH, Beschluss vom 1. September 2022 – 1 StR 248/22, juris Tenor und Rn. 3 f. unter Verneinung eines Besitzes, der ‚in zeitlicher oder quantitativer Hinsicht über den für das Verbreiten erforderlichen Besitz hinausgeht‘, obgleich ‚der Angeklagte das Video zuvor und danach in Besitz hatte‘). Da es sich bei der Drittbesitzverschaffung gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB um eine dem Verbreiten und öffentlich Zugänglichmachen nach § 184b Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 und Var. 2 StGB gleichgestellte Tatbestandsvariante handelt, kann insoweit nichts Anderes gelten (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2022 – 1 StR 424/21, juris Rn. 6; s.a. Beschluss vom 28. Juni 2023 – 3 StR 123/23, juris Rn. 19, wobei die dortige Ablehnung des Besitztatbestandes wohl der mangelnden Feststellung einer über die Momente der Drittbesitzverschaffung hinausgehenden Verfügungsgewalt geschuldet gewesen sein dürfte).

2. Gemessen daran – und entgegen der Würdigung des Landgerichts (UA S. 17) – steht der durchgängig verwirklichte und einheitlich (im Sinne einer Tat) gegen § 184b Abs. 3 StGB verstoßende Besitz nicht in Tatmehrheit mit den Taten der Drittbesitzverschaffung (die ihrerseits erst durch die Besitzausübung ermöglicht wurden), sondern mit diesen jeweils in Tateinheit. Denn nach der ersten Drittbesitzverschaffung sowie vor und nach jeder weiteren Versendung kam dem Besitz wieder eigenständige Bedeutung zu, wobei er andererseits nicht in der Lage ist, die Drittbesitzverschaffungen zu verklammern (vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 2022 – 1 StR 248/22, juris Rn. 3 f.; SK-StGB/Greco, 10. Aufl. 2024, § 184b Rn. 48). Zudem begründet der zumindest teilweise im Bundesgebiet ausgeübte Besitz insgesamt die deutsche Strafgewalt (§ 3 StGB), ohne dass es darauf ankommt, von wo aus die Dateiversendungen erfolgt sind (vgl. UA S. 8, 12 und dazu BGH, Urteil vom 24. November 2022 – 3 StR 64/22, BGHSt 67, 177, juris Rn. 21 ff.).

3. § 265 StPO steht der beantragten Schuldspruchberichtigung nicht entgegen, weil sich der insoweit geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

Mit der Korrektur des Schuldspruchs einher geht der Wegfall der Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten, die wegen des (als rechtlich selbständig zur Verurteilung gelangten) Besitztatbestandes verhängt wurde (UA S. 19 f.; vgl. dazu BGH, Beschluss vom 21. Juni 2022 – 4 StR 460/21). Die weiteren Einzelstrafen und die Gesamtstrafe wiederum können bestehen bleiben.“

Dem tritt der Senat bei.“

KCan I: Neufestsetzung von Strafe und Bewährung, oder: Verwertung von „alten“ ANOM-Daten

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In die 35 KW. geht es dann mit KCanG-Entscheidungen. Allerdings habe ich heute nicht ganz so viel wie sonst. Das verwundert sicherlich, wenn man die Homepage des BGH im Auge hat und verfolgt, was sich dort zu den Fragen tut. Derzeit gibt es reichlich Entscheidungen des BGH, allerdings letztlich immer zu denselben Fragen, wie vor allem: Milderes Gesetz und Neufestsetzung der Strafe. Die kann man nicht alle vorstellen. Ich stelle hier heute allerdings auch einige Entscheidungen zur Neufestsetzung der Strafe vor.

Im Einzelnen:

Der OLG Schleswig, Beschl. v. 01.08.2024 – 1 Ws 123/24 äußert sich noch einmal zur Zuständigkeit für die Neufestsetzung einer Strafe oder die Neufestsetzung einer Gesamtstrafe nach Art. 316p, Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB mit folgendem Leitsatz:

1. Für die Neufestsetzung einer Strafe oder die Neufestsetzung einer Gesamtstrafe nach Art. 316p, Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB ist das erkennende Gericht zuständig.
2. Eine Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammern folgt nicht aus der Verweisung in Art. 313 Abs. 5 EGStGB, da § 462a StPO auch nach der Einführung des Konsumcannabisgesetzes von dieser Verweisung nicht erfasst wird.

Auch der OLG Saarbrücken, Beschl. v. 08.08.2024 – 1 Ws 101/24 – nimmt zur Frage der Neufestsetzung der Strafe Stellung, und zwar im Hinblick auf Strafaussetzung zur Bewährung:

Eine nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 4 Satz 1 EGStGB veranlasste Neufestsetzung der Strafe erfordert bei Festsetzung einer aussetzungsfähigen Strafe auch eine neue Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung.

Und dann habe ich den AG Mannheim, Beschl. v. 06.08.2024 – 2 Ls 302 Js 14819/21 -, auch zur Neufestsetzung mit folgendem Leitsatz:

Mit der Formulierung „zugleich“ in Art. 313 Abs. 3 Satz 1 EGStGB ist (lediglich) Tateinheit, nicht aber Handlungseinheit gemeint.

Und dann noch etwas Verfahrensrechtliches, und zwar mal wieder Verwertbarkeit von Daten, die durch die Überwachung von Messengerdiensten vor dem 01.04.2024 gewonnenen worden sind, nach dem 01.04.2024 – Stichwort: Katalogtat. Dazu äußert sich der OLG Saarbrücken, Beschl. v.  13.08.2024 – 1 Ws 152/24:

    1. Die Verwertbarkeit von Daten, die über den Kryptomessengerdienst ANOM gewonnen wurden, richtet sich nach denselben Grundsätzen (BGHSt 67, 29) wie die Verwertbarkeit von Daten des Anbieters EncroChat.
    2. Die Daten dürfen in einem Strafverfahren ohne Einwilligung der überwachten Person nur zur Aufklärung einer Straftat, aufgrund derer eine Maßnahme nach § 100b StPO hätte angeordnet werden können, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden. Die Straftat muss auch im Einzelfall besonders schwer wiegen und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos sein.
    3. Für die Prüfung, ob diese Voraussetzungen vorliegen ist auf den Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Verwertung der Beweisergebnisse abzustellen. Liegt demnach aufgrund der zum 1.4.2024 durch das Cannabisgesetz in Kraft getretenen Neuregelungen zum Verwertungszeitpunkt keine Katalogtat nach § 100b Abs. 2 StPO mehr vor, scheidet die Verwertbarkeit der ANOM-Chatprotokolle aus und dürfen diese zur Begründung eines dringenden Tatverdachts nicht herangezogen werden.

Verkehrsrecht II: Überschreiten der HU-Frist und FoF, oder: Strafklageverbrauch bei Zusammentreffen?

entnommen wikimedia.org
Urheber Sven Teschke, Buedingen

Und im Mittagsposting dann etwas Verfahrensrechtliches aus dem Verkehrsrecht, und zwar mal wieder Strafklageverbrauch.

Das AG hat dem Angeklagten im Strafbefehl vom 25.05.2023 zur Last gelegt, am 11.12.2022 in der Mennonitenstraße mit seinem PKW am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen zu haben, obwohl er wusste, dass er nicht im Besitz der für das Führen eines Kraftfahrzeugs erforderlichen Fahrerlaubnis war (Straftat gem. § 21 StVG.

Mit Urteil des AG vom 17.07.2023 ist der Angeklagte in einem Bußgeldverfahren zu einer Geldbuße von 60,00 € wegen fahrlässigen Überschreitens des Termins zur Vorführung seines Fahrzeuges zur Hauptuntersuchung verurteilt worden (Ordnungswidrigkeit gem. § 69a Abs. 2 Nr. 14 StVZO). Dieses Fahrzeug führte der Angeklagte bei der Fahrt am 11.12.2022. Die Vorführungsfrist für das Fahrzeug endete im Februar 2022; die Vorführung zur Hauptuntersuchung war im Dezember 2022 noch nicht erfolgt.

Das AG ist deshalb davon ausgegangen, dass durch die Verurteilung in der Bußgeldsache in der Strafsache Strafklageverbrauch eingetreten sei, und hat wegen des angenommenen Verfahrenshindernisses das Verfahren mit Prozessurteil vom 30.08.2023 eingestellt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der StA, die beim OLG Zweibrücken Erfolg hatte. das hat mit dem OLG Zweibrücken, Urt. v. 29.01.2024 – 1 ORs 1 SRs 16/23 – das Einstellungsurteil aufgehoben:

„2. Das in der Bußgeldsache ergangene Urteil des Amtsgerichts Kaiserslautern steht der Verfolgung des Vorwurfs des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht entgegen. Es ist kein Strafklageverbrauch eingetreten. Zwischen der vorliegenden Tat nach §§ 2, 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG und der Ordnungswidrigkeit nach §§ 29 Abs. 1 S. 1, 69a Abs. 2 Nr. 14 StVZO besteht weder materiell-rechtliche Tateinheit, noch liegt eine Tat im prozessualen Sinn (§ 264 StPO) vor.

a) Ausgangspunkt der Bewertung ist die materiell-rechtliche Betrachtung. Zwar ist der prozessuale Tatbegriff im Verhältnis zum materiellen Recht selbstständig (BGH, Beschluss vom 15.03. 2012, 5 StR 288/11, NStZ 2012, 461 m.w.N.). Jedoch sind materiell-rechtlich selbstständige Taten in der Regel auch prozessual selbstständig (BGH Urteil vom 16.03.1989, 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151, 154), falls nicht besondere Umstände die Annahme einer Tat i.S.d. § 264 Abs. 1 StPO rechtfertigen (BGH Urteil vom 16.03.1989, 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151 und vom 29.09.1987, 4 StR 376/87, BGHSt 35, 60, 64). Letzteres wird angenommen, wenn die Handlungen innerlich so verknüpft sind, dass nur ihre gemeinsame Würdigung sinnvoll und möglich ist, eine getrennte Würdigung sowie Aburteilung in verschiedenen Verfahren mithin als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würden (st. Rspr., vgl. BGH Beschluss vom 24.11.2004, 5 StR 206/04, BGHSt 49, 359, 362 m.w.N.).

b) Eine solche Konstellation ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Es besteht weder Tateinheit, was grundsätzlich voraussetzen würde, dass mehrere Strafgesetze durch eine einzige Handlung verletzt werden und sich die objektiven Ausführungshandlungen der mehreren Tatbestände decken (MüKoStGB/v. Heintschel-Heinegg, 4. Aufl. 2020, StGB § 52 Rn. 10), noch besteht eine über einen punktuellen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang hinausgehende innere Verknüpfung zwischen der Ordnungswidrigkeit und der Straftat.

aa) Bei dem bußgeldbewehrten Verstoß gegen das Gebot, ein zulassungspflichtiges Kraftfahrzeug in regelmäßigen Zeitabständen untersuchen zu lassen (§ 29 Abs. 1 Satz 1, § 69a Abs. 2 Nr. 14 StVZO, § 24 StVG), handelt es sich um eine Dauerordnungswidrigkeit durch Unterlassen (OLG Rostock, Beschluss vom 16.12.2014, 21 Ss OWi 208/14 (Z), juris, Rn. 7; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.11.1982, 1 Ws (B) 223/82 OWiG, NStZ 1983, 224; OLG Stuttgart, Be-schluss vom 08.05.1979, 3 ARs 82/79, juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20.02.1974, RReg 6 St 650/73 OWi, juris), die mit Ablauf der Vorführfrist beginnt und deren Beendigung eintritt, wenn der Handlungspflicht nachgekommen und damit der rechtswidrige Zustand beseitigt wird (KK-OWiG/Ellbogen, 5. Aufl. 2018, OWiG § 31 Rn. 25). Die Ordnungswidrigkeit hat somit im März 2022 begonnen und dauerte nach dem Urteil des Bußgeldrichters vom 17.07.2023 mehr als 8 Monate an, wobei sich aus dem Urteil nicht ergibt, wann das Fahrzeug konkret vorgeführt und die Dauerordnungswidrigkeit beendet wurde.

Bei der Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG handelt es sich zwar auch um eine Dauerstraftat für die Dauer der von vornherein geplanten Fahrt (BeckOK StVR/Bollacher StVG § 21 Rn. 71 f.), diese ist allerdings ein Begehungsdelikt.

bb) Ob eine echte Unterlassungstat mit einer gleichzeitig verwirklichten Begehungstat überhaupt in Tateinheit stehen kann, wird in der Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt, aber teilweise für möglich gehalten, wenn gerade die Begehung der einen Tat der Erfüllung des dem Unterlassungstatbestand zugrundeliegenden Handlungsgebots entgegensteht, also ein innerer Bedingungszusammenhang besteht (BGH, Beschluss vom 15.07.1986, 4 StR 301/86, NJW 1987, 199; Leipziger Kommentar/ Rissing-van Saan, StGB, 13. Auflage, § 52 StGB, Rn. 13).

Die objektiven tatbestandlichen Ausführungshandlungen der vorliegend zu betrachtenden beiden Delikte decken sich nicht einmal teilweise. Bei der Ordnungswidrigkeit hatte der Angeklagte in seiner Funktion als Halter eines Kraftfahrzeuges ab März 2022 den Entschluss gefasst, einer gesetzlichen Handlungspflicht nicht nachzukommen, während der Entschluss für das Fahren ohne Fahrerlaubnis auf einem gesondert gefassten Tatentschluss und einem entsprechenden Willensbetätigungsakt im Dezember 2022 beruht.

Eine innere Verknüpfung beider Handlungen, die über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausgeht, gibt es ebenfalls nicht. Das bußgeldbewehrte Unterlassen des Angeklagten, das Kfz mit dem Kennzeichen zur Hauptuntersuchung vorzuführen, liegt auch dann vor, wenn er nicht als Führer eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnimmt. Die Verwirklichung des Ordnungswidrigkeitentatbestandes ist von der Benutzung oder Nichtbenutzung des Fahrzeuges im Straßenverkehr unabhängig und knüpft alleine an die Haltereigenschaft des Angeklagten an. Das Fahren ohne Fahrerlaubnis knüpft dagegen gerade an die Fahrereigenschaft des Angeklagten an, ohne dass der Angeklagte Halter sein muss. Die Taten stehen zueinander ohne erkennbare Beziehung oder einen Bedingungszusammenhang.“

StGB III: Übersendung/Empfang mehrerer KiPo-Dateien, oder : Tateinheit

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Und als dritte Entscheidung dann noch ein BGH-Beschluss, und zwar der BGH, Beschl. v. 19.07.2022 – 4 StR 167/22.

Das LG hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung, wegen Zugänglichmachens kinderpornographischer „Schriften“ in zwei Fällen sowie wegen Besitzes kinderpornographischer „Schriften“ in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer „Schriften“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.

Der BGH hat auf die Revision des Angeklagten den Schuldspruch gändert:

„1. Der Schuldspruch war abzuändern, weil die Annahme von zwei selbständigen, realkonkurrierenden Taten des Zugänglichmachens kinderpornographischer Inhalte i.S.v. § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB in den Fällen II.4.a und II.4.b der Urteilsgründe rechtlicher Prüfung nicht standhält; stattdessen war – jedenfalls in Anwendung des Zweifelssatzes – von nur einer Tat auszugehen.

a) Bei der Übersendung und dem Empfang mehrerer kinderpornographischer Bild- oder Videodateien über das Internet liegt nur eine Tat im materiell-rechtlichen Sinn vor, wenn der Täter mehrere Dateien während eines einheitlichen Kommunikationsvorganges herunterlädt oder versendet (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 ‒ 4 StR 258/13 Rn. 14, insoweit in BGHSt 59, 28, NJW 2013, 3528 und NStZ 2014, 34 nicht abgedruckt; Beschluss vom 10. Juli 2008 ‒ 3 StR 215/08, NStZ 2009, 208; MüKo-StGB/Hörnle, 4. Aufl., § 184b Rn. 61). Lassen sich dazu keine eindeutigen Feststellungen treffen, ist das Geschehen nach dem Zweifelsgrundsatz als eine Tat im materiell-rechtlichen Sinn zu beurteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 4 StR 342/14 Rn. 8).

b) Daran gemessen war nur eine Tat des Zugänglichmachens kinderpornographischer Inhalte anzunehmen.

Nach den Feststellungen übersandte der Angeklagte am 25. Mai 2021 unter Nutzung des Messenger-Dienstes Telegram einem anderen Nutzer ein kinderpornographisches Video (Fall II.4.a der Urteilsgründe). Am selben Tag etwa 30 Sekunden später übersandte der Angeklagte in gleicher Art und Weise ein anderes kinderpornographisches Video an denselben Empfänger (Fall II.4.b der Urteilsgründe). Weitere Feststellungen zur Dauer und zum Verlauf der TelegramKommunikation hat das Landgericht nicht getroffen.

Es bleibt daher offen, ob dem Versenden der kinderpornographischen Dateien nur ein einheitlicher oder mehrere getrennte Kommunikationsvorgänge zugrunde lagen. Angesichts des nur geringen zeitlichen Abstands zwischen den einzelnen Übertragungen ergibt sich die vom Landgericht angenommene materiell-rechtliche Selbständigkeit auch nicht von selbst. Vielmehr liegt nahe, dass die beiden Versendungen innerhalb eines einheitlichen Kommunikationsvorgangs erfolgten; daher ist in Anwendung des Zweifelssatzes lediglich von einer Tat des Zugänglichmachens kinderpornographischer Inhalte auszugehen.ten Freiheitsstrafe. Die Freiheitsstrafe von sechs Monaten für Fall II.4.a der Urteilsgründe bleibt als alleinige Einzelstrafe für die einheitliche Tat vom 25. Mai 2021 bestehen.“