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StGB II: Polizeibeamter liefert „Knöllchengeld“ nicht ab, oder: Untreue oder Unterschlagung?

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Die zweite Entscheidung des Tages, das BayObLG, Urt. v. 28.09.2022 – 206 StRR 157/22 – hat auch einen „Untreuefall“ zum Gegenstand. Es handelt sich um einen sicherlich nicht alltäglichen Sachverhalt. Denn es geht um einen Polizeibeamten, der vereinnahmte Verwarnungsgelder nicht abgeliefert hat.

Nach den vom LG getroffenen Feststellungen war der Angeklagte im Tatzeitraum als Polizeibeamter bei einer Verkehrspolizeiinspektion tätig. Seine Aufgabe bestand in der Kontrolle, Verfolgung und Ahndung von Verkehrsverstößen. Als solcher war er zur Erteilung von gebührenpflichtigen Verwarnungen ermächtigt. Dazu wurden ihm von der Verkehrspolizeiinspektion sogenannte „Barverwarnungsblöcke“ ausgehändigt. Werden diese verwendet, zahlt der betroffene Verkehrsteilnehmer ein Verwarnungsgeld in Höhe von 5 bis 55 EUR in bar an den Polizeibeamten und erhält dafür eine handschriftliche Quittung, die aus dem Barverwarnungsblock herausgetrennt wird. Ein Block umfasst 25 Quittungen. Ein Abschnitt mit dem jeweils berechneten Verwarnungsgeld verbleibt im Barverwarnungsblock, zudem wird in einer Übersichtsliste das jeweilige Barverwarnungsgeld eingetragen. Nach Vereinnahmung von 250,00 EUR, jedenfalls aber einmal im Monat und spätestens mit der Ausgabe eines neuen Blocks war nach den dienstlichen Vorschriften der alte Block an den dafür zuständigen Kassenwart der Verkehrspolizeiinspektion zurückzugeben und musste das vereinnahmte Geld abgerechnet und abgeliefert werden. Jedenfalls die Einhaltung der beiden erstgenannten Abrechnungsverpflichtungen wurde auf der Dienststelle nicht kontrolliert. Ob die vorbezeichnete Verpflichtung, vor Ausgabe eines neuen Blocks jeweils über den verbrauchten Block abzurechnen, kontrolliert wurde, ist vom LG nicht ausdrücklich festgestellt.

In der Zeit vom 18.05.2015 bis 11.01.2018 vereinnahmte der Angeklagte unter Verwendung 26 verschiedener Barverwarnungsblöcke in 587 Einzelfällen Verwarnungsgelder in Höhe von insgesamt 13.065 EUR, die er nicht an den Kassenwart seiner Dienststelle weiterleitete, obwohl er von seiner diesbezüglichen Verpflichtung wusste, sondern behielt das Geld für sich.

Das AG hat den Angeklagten der Untreue in 26 Fällen schuldig gesprochen und gegen ihn deswegen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr 10 Monaten verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat es die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 13.175,00 EUR angeordnet. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das LG das Urteil des AG aufgehoben. Es hat den Angeklagten der veruntreuenden Unterschlagung (§ 246 StGB) in 26 Fällen schuldig gesprochen, ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, sowie die Einziehung von Wertersatz für das Erlangte in Höhe von 13.065 EUR angeordnet. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das LG verworfen.

Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Sie macht geltend, tatsächlich sei der Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) verwirklicht. Zudem dränge sich auf, dass nicht lediglich 26, sondern aufgrund eines jeweils gesonderten Tatentschlusses 587 Einzelfälle verwirklicht seien. Feststellungen dazu habe die Strafkammer nicht getroffen.

Nach Auffassung des BayObLG war der festgestellte Sachverhalt  „jedenfalls wegen weiterer besonderer Umstände des Einzelfalls rechtlich als Untreue gemäß § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB zu würdigen.“  An einer entsprechenden Änderung des Schuldspruchs hat sich das BayObLG jedoch wegen lückenhafter Feststellungen zur Anzahl der Untreuefälle gehindert gesehen. Es hat aufgehoben und zurückverwiesen.

Ich stelle auch hier nur die (amtlichen) Leitsätze zu der Entscheidung ein, den Rest bitte im verlinkten Volltext lesen:

    1. Ist ein Polizeivollzugsbeamter damit betraut, Verkehrsverstöße mittels Erteilung gebührenpflichtiger Verwarnungen zu ahnden, kann die Nichtablieferung und Verwendung eingenommener Verwarnungsgelder zu eigenen Zwecken den Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB erfüllen.
    2. Die Pflicht, über eingenommene Verwarnungsgelder abzurechnen und diese abzuliefern, begründet eine besonders qualifizierte Pflichtenstellung gegenüber dem Dienstherrn. Diese gehört zum Kernbereich der dem Beamten obliegenden Dienstpflichten.
    3. Die Verwirklichung des Treubruchstatbestandes des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB erfordert darüber hinaus, dass dem Täter Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit verbleibt Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Einhaltung bestehender dienstlicher Weisungen betreffend Aufbewahrung und Abführung der eingenommenen Verwarnungsgelder nicht kontrolliert wird, denn dies verschafft dem Polizeibeamten die faktische Möglichkeit, auf die ihm anvertrauten Fremdgelder zuzugreifen.

Interessant übrigens auch die Ausführungen des BayObLG zu den prozessualen Fragen, nämlich zu § 264 StPO und zum Verschlechterungsverbot des § 331 StPO.

StGB I: (Versuchter) Diebstahl mit Waffen und dann Verspeisen einer Wassermelone, oder: Subsidiarität

So, und heute dann mal ein wenig Diebstahl und Unterschlagung, also die große Gruppe der Zueignungsdelikte. Also StGB.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 03.02.2021 – 2 StR 417/20. Das LG hat hat den Angeklagten wegen versuchten Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen die Revision, die Erfolg hatte (na ja, wie man es nimmt 🙂 ):

„1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Der betäubungsmittelabhängige Angeklagte entschloss sich aus finanzieller Not, am 16. Juli 2018 die Wochenendeinnahmen eines Getränkemarkts zu stehlen. Er hatte zuvor in Erfahrung gebracht, dass eine Angestellte die Einnahmen in der Regel in einer Einkaufstasche transportierte. Als er sah, dass eine Angestellte des Getränkemarkts mit einem für den Transport der Einnahmen üblicherweise verwendeten Stoffbeutel den Parkplatz betrat, schoss er mit der von ihm mitgeführten Schreckschusswaffe in die Luft und löste damit einen lauten Knall aus.

Die Angestellte, die – wie vom Angeklagten beabsichtigt – weder ihn noch die Waffe gesehen hatte, ließ vor Schreck u.a. ihr Mobiltelefon fallen. Der Angeklagte entriss ihr in diesem Schreckmoment die Stofftasche mit den vermuteten Wochenendeinnahmen und rannte davon. Auf der Flucht bemerkte er, dass sich in der Tasche an Stelle des Geldes lediglich Zigaretten und Lebensmittel befanden. Eine Mini-Wassermelone, die er der Tasche entnahm, verspeiste er; im Übrigen warf er die Tasche nebst Inhalt weg, der später teilweise in Tatortnähe aufgefunden wurde.

2. Die Verurteilung wegen (tateinheitlicher) Unterschlagung der Mini-Wassermelone hat keinen Bestand, weil die Unterschlagung aufgrund der Subsidiaritätsklausel in § 246 Abs. 1 StGB hinter dem versuchten Diebstahl mit Waffen zurücktritt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte die Stofftasche lediglich deshalb an sich genommen, weil er darin Bargeld vermutete, das er für sich behalten wollte. Damit hat sich der Angeklagte jedoch (noch) nicht das Behältnis nebst übrigem Inhalt zugeeignet (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 494/12, NStZ-RR 2013, 309, 310 mwN). Zutreffend ist das Landgericht deshalb auch vom fehlgeschlagenen Versuch eines Diebstahls mit Waffen ausgegangen, weil sich in der Tasche – anders als vom Angeklagten erwartet – kein Bargeld befand (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Oktober 1989 – 3 StR 336/89, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Zueignungsabsicht 4). Dass sich der Angeklagte tatzeitnah aufgrund eines neuen Entschlusses einen Teil des Tascheninhaltes zugeeignet hat, erfüllt zwar den Tatbestand der Unterschlagung (vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 494/12, NStZ-RR 2013, 309, 310); wegen der Subsidiaritätsklausel, die für alle Delikte mit höherer Strafdrohung gilt, kommt ein dahin gehender Schuldspruch gleichwohl nicht in Betracht (vgl. auch Senat, Beschluss vom 16. Januar 2018 – 2 StR 527/17, NStZ-RR 2018, 118, 119; BGH, Beschluss vom 16. August 2017 – 4 StR 324/17, juris Rn. 3; Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 513/01, BGHSt 47, 243, 244 f.).“

Aber – so viel zum „Erfolg“:

„3. Die Änderung des Schuldspruches lässt den Strafausspruch unberührt. Unbeschadet dessen, dass die Verwirklichung des zurücktretenden Tatbestands bei der Strafzumessung erschwerend berücksichtigt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2002 – 2 StR 477/02, juris Rn. 1; BGH, Urteile vom 20. Juli 1995 – 4 StR 112/95, NStZ-RR 1996, 20, 21, und vom 14. Januar 1964 – 1 StR 246/63, BGHSt 19, 188, 189 jeweils mwN), hat das Landgericht die tateinheitliche Begehung einer Unterschlagung bei der Bemessung der Freiheitsstrafe hier nicht zum Nachteil des Angeklagten gewertet. Die Strafzumessung hält auch im Übrigen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts rechtlicher Nachprüfung stand.“

StGB I: Diebstahl oder Unterschlagung, oder: Hatte der Geschädigte noch Gewahrsam?

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Nach dem Pflichtverteidigungsmarathon am gestrigen Tag heute dann mal wieder materielles Recht.

Und in dem Zusammenhang stelle ich den BGH, Beschl. v. 28.07.2020 – 2 StR 229/20 – vor.

Das LG hatte die Angeklagten S. und Se. jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten S. mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hatteErfolg. Es hat zur Aufhebung des Urteils geführt, die auf den Angeklagten Se. zu erstrecken war.

Grundlage der Verurteilung des LG waren folgende Feststellungen des LG:

„1. Der Angeklagte S. wohnte im Jahr 2016 für einige Zeit bei der früheren Freundin des Zeugen M. ; das führte zu verbalen Auseinandersetzungen. Am 16. Februar 2017 war der Angeklagte S. bei dem Angeklagten Se. zu Besuch und führte seinen Rottweiler-Rüden mit. Anwesend war auch der Zeuge Sc. ; später kam die Zeugin O. hinzu. Der Angeklagte S. vernahm, dass sich der Zeuge M. wegen der Streitigkeiten an seinen körperbehinderten Vater wenden wollte, was ihn erboste. Zur Aggressionsentladung schlug er den Angeklagten Se. . Dann forderte er die Zeugin O. auf, ein Treffen zwischen ihr und M. zu vereinbaren; dadurch sollte dieser in eine Falle gelockt werden, in der ihm eine d„Abreibung“ erteilt werden sollte. Treffpunkt sollte der Innenhof des M. stifts in A. sein. Die Zeugen O. und Sc. trafen zuerst dort ein und begegneten dem Zeugen M. . Gegen 18 Uhr kamen die Angeklagten S. und Se. hinzu. Sie führten ein Streitgespräch mit dem Zeugen M. , wobei dieser einige Schritte zurückwich und stürzte; am Boden liegend wurde er von den Angeklagten S. und Se. getreten und geschlagen. Dann hetzte der Angeklagte S. seinen Hund auf den Geschädigten, der mehrfach gebissen wurde. Der Angeklagte Se. entfernte sich, um sich von dem Angriff mit dem Hund zu distanzieren. Der Angeklagte S. forderte den Geschädigten noch auf, sich „nackt zu machen“. Dann war ein „Martinshorn“ zu hören und der Zeuge Sc. zog den Angeklagten S. von dem Geschädigten fort.

Im Rahmen des Tatgeschehens verlor M. zwei Armbänder sowie seine Uhr. „Vor Verlassen des Tatortes nahm der Angeklagte Se. das dicke Gliederarmband und der Angeklagte S. die Armbanduhr und das Pandora-Armband an sich“. „Der Geschädigte konnte sich trotz seiner Verletzungen in den nahegelegenen dm-Drogeriemarkt begeben und dort um Hilfe bitten“.

Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten S. als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 StGB , diejenige des Angeklagten Se. als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB gewertet. Ferner hat es beide wegen tateinheitlich begangenen Diebstahls verurteilt, eine Verurteilung aber besonders schweren Raub ausgeschlossen, weil ein finaler Zusammenhang zwischen der Anwendung von Gewalt und der Wegnahme der Sachen des Geschädigten nicht festzustellen sei.

Dem BGH gefällt auch die Verurteilung wegen Diebstahls nicht, er beanstandet eine ausreichende Abgrenzung Tatbestand der Unterschlagung (§ 246 StPO).

„1. Diebstahl begeht gemäß § 242 Abs. 1 StGB, wer eine fremde bewegliche Sache in der Absicht wegnimmt, sich oder einem Dritten dieselbe rechtswidrig zuzueignen. Unter Wegnahme wird der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams durch den Täter verstanden. Der Gewahrsam ist ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis einer Person über eine Sache, das von deren Herrschaftswillen getragen ist. Dafür ist die Sachherrschaft wesentlich, der unter Ausschluss fremder Einwirkungsmöglichkeiten kein Hindernis entgegenstehen darf (vgl. Senat, Urteil vom 28. Oktober 1955 – 2 StR 171/55 , BGHSt 8, 273, 274 f. ). Der einmal begründete Gewahrsam bleibt als tatsächliches Verhältnis, das dem Inhaber die Sachherrschaft ermöglicht, solange bestehen, bis dessen tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit verloren geht (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 1953 – 4 StR 787/52 , BGHSt 4, 210, 211 ). Selbst der Gewahrsam eines Verletzten an seinen neben ihm liegenden Sachen ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil er nicht mehr fähig ist, etwas zu deren Schutz zu unternehmen (vgl. Senat, Urteil vom 20. März 1985 – 2 StR 44/85 , NJW 1985, 1911). Jedoch endet der Gewahrsam mit einem Verlieren der Sache (vgl. Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 242 Rn. 28; SK-StGB/Hoyer, 9. Aufl., § 242 Rn. 36; NK-StGB/Kindhäuser, StGB, 5. Aufl., § 242 Rn. 40; SSW-StGB/Kudlich, 4. Aufl., § 242 Rn. 22; Matt/Renzikowski/Schmidt, StGB, 2. Aufl., § 242 Rn. 14; MüKoStGB/Schmitz, 3. Aufl., § 242 Rn. 52; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 66).

2. Daran gemessen hat das Landgericht den Gewahrsam des Geschädigten zurzeit der Zueignung der Armbänder und der Uhr durch die Angeklagten nicht ausreichend begründet. Die Urteilsgründe sind insoweit lückenhaft.

Nach der Einlassung des Angeklagten Se. lagen die Gegenstände am Boden, „nachdem der Geschädigte den Tatort verlassen hatte“; dann habe er ein Armband an sich genommen, während der Angeklagte S. das andere Armband und die Uhr eingesteckt habe. Danach kommt in Betracht, dass der Geschädigte den Gewahrsam an den Sachen vor der Zueignung durch die Angeklagten verloren hatte.

Dieser Ablauf steht allerdings in Widerspruch zu der Feststellung der Strafkammer, der Angeklagte Se. habe den Tatort zur Distanzierung von dem weiteren Geschehen bereits verlassen, als der Angeklagte S. seinen Hund auf den Geschädigten hetzte. Der Geschädigte hat demgegenüber bekundet, einer der Angeklagten habe ihm „das Pandora-Armband und die Uhr von seinem Handgelenk gelöst“; nach der Tat hätten ihm aber „definitiv drei Gegenstände gefehlt“. Die Strafkammer hat die Widersprüche zwischen diesen Aussagen nur dahin aufgelöst, dass dem Geschädigten nach ihrer Überzeugung „3 Schmuckstücke abhandengekommen sind und die Angeklagten diese eingesteckt haben“. Das reicht jedoch nicht aus, um Raub oder Diebstahl rechtsfehlerfrei von Unterschlagung abzugrenzen.

Unterschlagung eines Handys, oder: Manifestation des Zueignungswillens

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Die 11. KW. eröffne ich mit dem BGH, Beschl. v. 28.10.2018 – 3 StR 440/18. Der passt ganz gut zu dem BGH, Beschl. v. 11.12.2018 – 5 StR 577/18 (StGB I: Wegnahme eines Handys, oder: Zueignungsabsicht, wenn “nur” Bilder gelöscht werden sollen…). Denn es geht auch um eine Straftat in Zusammenhnag mit einem Handy, und zwar um die Frage: Welche Feststellungen müssen im Urteil enthalten sein, wenn der Angeklagte wegen der Unterschlagung (§ 246 StGB) eines Handys verurteilt worden ist?

Das LG, das den Angeklagten u.a. wegen Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 StGB) verurteilt hatte, hatte dazu Folgendes festgestellt:

a) Nach den Feststellungen übergab der Geschädigte P. dem Angeklagten das Mobiltelefon seiner Mutter ohne deren Wissen im Oktober 2017. Dies sollte dem Angeklagten, der von dem Zeugen zu Unrecht Zahlung von 30 € für zwei geschenkte Zigaretten verlangte, als Pfand dienen; damit wollte P. den Angeklagten von weiteren Einschüchterungen abhalten. Der Angeklagte, der wusste, dass ihm kein Anspruch zustand, verweigerte die Herausgabe des Handys, auch gegenüber P.s Stiefvater; stattdessen forderte er weiterhin von P. die Zahlung von 30 €, andernfalls er das Telefon einbehalten werde. P. zahlte dennoch nicht. Nach der Festnahme des Angeklagten am 16. November 2017 übergab seine Mutter der Polizei das Mobiltelefon.“

Dazu der BGH, der den GBA „einrückt“:

„Mit Recht rügt die Revision im Falle der Nichtherausgabe des Mobiltelefons (Fall 7; UA S. 16) das Fehlen eines nach außen manifestierten Zueignungswillens. Unabhängig davon, ob die Feststellung, der Angeklagte habe nach eigenen Vorstellungen über das Mobiltelefon verfügen wollen, tragfähig belegt ist, begründet dieser Wille – auch verbunden mit dem Ignorieren des Herausgabeverlangens – kein nach außen erkennbares Verhalten, das den sicheren Schluss zulässt, der Angeklagte habe das Gerät unter Ausschluss des Berechtigten seinem eigenen Vermögen einverleiben wollen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 2012 – 3 StR 372/12, juris Rn. 10; StraFo 2017, 251; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 246 Rn. 9). Weder hatte der Angeklagte den Standort der Sache verheimlicht, noch die Sache in einer Weise gebraucht, durch die sie erheblich an Wert verloren hätte. Indessen tragen die Feststellungen die diesbezügliche Verurteilung wegen versuchter Erpressung gemäß § 253 Abs. 3, §§ 22, 23 StGB. Denn der Angeklagte forderte den Zeugen    P.     unter Hinweis darauf, dass dieser sonst das als Pfand einbehaltene Mobiltelefon nicht wiederbekomme, mehrfach zur Zahlung eines Geldbetrages von 30 € auf. Der Verzicht auf das Mobiltelefon wäre jedenfalls ein empfindliches Übel. Dabei wusste der Angeklagte, dass er keine die Einbehaltung eines Pfands oder die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts rechtfertigende Forderung hatte (UA S. 16).“

Diebstahl und Unterschlagung geht nicht, aber: Außer Spesen nichts gewesen

entnommen openclipart.org

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Viele BGH-Entscheidungen sind für die Praxis interessant. Zwar enthalten sie nicht immer bahnbrechend Neues, aber sie rücken häufig doch die ein oder andere Frage, die in der Praxis von Bedeutung ist/sein kann, wieder in den Fokus. So der BGH, Beschl. v. 09.06.2015 – 3 StR 113/15. Und der gleich in doppelter Hinsicht, nämlich sowohl wegen einer materiell-rechtlichen Fragestellung als auch wegen einer verfahrensrechtlichen Problematik. Zunächst zu der materiell-rechtlichen Problematik, die verfahrensrechtliche folgt dann nachher.

Das LG hat die Angeklagten jeweils wegen schweren Raubes in zwei Fällen sowie wegen Diebstahls in Tateinheit mit Unterschlagung verurteilt. Festgestellt worden ist, dass die Angeklagten und der ein weiterer Mitangeklagter, der nicht Revision eingelegt hat, übereingekommen waren, einen Raubüberfall auf die Tankstelle vorzutäuschen, bei der der Mitangeklagate Angestellter war. Die den vorgetäuschten Überfall ausführenden Angeklagten R. und H. entwendeten in erheblichem Umfang Zigaretten aus den Regalen der Tankstelle und nahmen im Einverständnis mit dem Mitangeklagten die Wechselgeldkasse mit, die 350 € Bargeld enthielt.

Der BGH beanstandet den Schuldspruch, soweit die Angeklagten tateinheitlich zu der rechtlich zutreffenden Verurteilung wegen Diebstahls auch der Unterschlagung schuldig gesprochen worden sind:

b) Zwar ist die Annahme nicht zu beanstanden, dass der Nichtrevident B. , der als Angestellter während der Dauer seiner Schicht verantwortlich fürdie Wechselgeldkasse war, als Kassenverwalter Alleingewahrsam an dem in der Kasse befindlichen Bargeld hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 19883 StR 115/88, BGHR StGB § 246 Abs. 1 Alleingewahrsam 1 mwN) und dassdeshalb insoweit – anders als hinsichtlich der durch die gleiche Tat erbeuteten Zigaretten – eine Verurteilung wegen Diebstahls mangels Gewahrsamsbruchs nicht in Betracht kommt. Der Verurteilung auch wegen Unterschlagung steht indes die Subsidiaritätsklausel des § 246 Abs. 1 StGB entgegen, nach der dieser Tatbestand zurücktritt, wenn der Täter sich durch die Tat zugleich auchnach einer anderen Vorschrift strafbar gemacht hat und diese nach der im konkreten Fall anzuwendenden gesetzlichen Strafdrohung eine Höchststrafe von mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe vorsieht (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2014 – 3 StR 188/14, juris Rn. 2). Dies ist hier der Fall, weil die Höchststrafe des durch dieselbe Tat verwirklichten Tatbestands des Diebstahls (an den Zigaretten) gemäß § 242 Abs. 1 StGB fünf Jahre Freiheitsstrafe beträgt.

Aber: Außer Spesen – nämlich Änderung des Schuldspruchs – nichts gewesen, denn:

c) Die Änderung der Schuldsprüche lässt die in diesem Fall verhängten Einzelstrafen unberührt. Das Landgericht hat in der Strafzumessung ausdrücklich nicht straferschwerend berücksichtigt, dass die Angeklagten tateinheitlich zu dem Diebstahl noch eine Unterschlagung begangen hätten.“

Wie gesagt: Nichts Bahnbrechendes, aber als kleine Erinnerung dann doch mal wieder ganz nett. Und ggf. kann es ja auch für die Strafzumessung Auswirkungen haben.