Schlagwort-Archive: Unterschlagung

StGB I: Verhältnis von Betrug zur Unterschlagung, oder: Alter Hut – Zweimal Zueignung derselben Sache?

Bild von VintageSnipsAndClips auf Pixabay

Ich stelle heute dann drei Entscheidungen zum StGB vor. Alle drei Beschlüsse kommen vom BGH.

Zunächst dann hier der BGH, Beschl. v. 16.03.2023 – 2 StR 381/22 . Er hat noch einmal u.a. einen „alten Hut“ zum Gegenstand. Nämlich die Entscheidung BGHSt 14, 38. Für mich ein alter Hut, weil ich über die dort vom BGH entschiedene Problematik nämlich mal im Studium eine Hausarbeit geschrieben habe. Das war die Entscheidung, die aus dem Jahr 1959 stammt, noch einigermaßen „frisch“. Jedenfalls sollte man sie heute kennen, wenn man Zueignungs-/Vermögensdelikt macht. 🙂

Folgender Sachverhalt:

Das LG hat die beiden Angeklagten in einem der Fälle des Urteils wegen gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in Tateinheit mit Unterschlagung verurteilt. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen mieteten die beiden Angeklagten unter Mitwirkung eines anderen Angeklagten, der sich gegenüber der Vermieterin mit einem gefälschten Pass auswies und unter Einbindung des minderjährigen Sohnes des Angeklagten S. am 11.06.2021 ein Wohnmobil für einen angeblichen Vater-Sohn-Urlaub. Das Wohnmobil im Wert von 54.000 EUR hatte die Vermieterin kurz zuvor geleast. Die zu zahlende Kaution sowie den im Voraus zu zahlenden Mietzins finanzierten die beiden Angeklagten gemeinsam. Tatsächlich beabsichtigte die Gruppierung von Anfang an, das Fahrzeug mit gefälschten Fahrzeugpapieren und Dublettenkennzeichen, mithin solchen, die für ein baugleiches anderes Fahrzeug ausgegeben waren, zu präparieren und dieses sodann über ein Internetportal an Dritte zu veräußern.

Sie fuhren mit dem Fahrzeug von I. nach K. . Tatplangemäß versah der Angeklagte T. das Fahrzeug mit Dublettenkennzeichen und beauftragte eine unbekannte Person mit der Herstellung der gefälschten Fahrzeugpapiere auf einen vorgegebenen Namen, für den die Gruppierung über einen zuvor beschafften falschen Pass verfügte. Er inserierte das Fahrzeug am selben Tag für 42.000 EUR über ein Internetportal und vereinbarte kurz darauf mit einem Interessenten einen Besichtigungstermin für den 13.06.2021 in K. . An diesem  Tag fuhren der Angeklagte S. gemeinsam mit dem weiteren Bandenmitglied H. zum verabredeten Treffpunkt, wo H. das Fahrzeug unter Vorlage der gefälschten Fahrzeugpapiere und des gefälschten Passes für 41.000 EUR an den Interessenten verkaufte. Er übergab das Fahrzeug gegen Zahlung von 40.000 EUR in bar. Die Zahlung der verbliebenen 1.000 EUR sollte nach Übersendung des Zweitschlüssels und des Servicehefts erfolgen. Bei dem Versuch, das Fahrzeug anzumelden, fielen die falschen Kennzeichen auf. Das Fahrzeug wurde zunächst sichergestellt, später aber an den Erwerber als letzten Gewahrsamsinhaber herausgegeben. Er streitet zivilrechtlich mit der Vermieterin über die Eigentümerstellung.

Die Strafkammer hat die beiden Angeklagten deswegen u.a. wegen gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in Tateinheit mit Unterschlagung schuldig gesprochen. Das hatte beim BGH keinen Bestand:

„b) Die Verurteilung wegen tateinheitlicher Unterschlagung im Fall II. 10 der Urteilsgründe hat keinen Bestand.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich ein Täter, der sich eine fremde Sache bereits durch eine strafbare Handlung zugeeignet hat, sich diese zu einem späteren Zeitpunkt nicht noch einmal im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB zum Nachteil des gleichen Rechtsgutsträgers zueignen, ohne zuvor seine Sacheigentümerposition wieder aufgegeben zu haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 1959 – GSSt 1/59, BGHSt 14, 38, 46 f.; vom 13. Juli 1995 – 1 StR 309/95, juris Rn. 11; vom 13. Januar 2022 – 1 StR 292/21, wistra 2022, 379 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Oktober 1961 – 1 StR 382/61, BGHSt 16, 280 ff.; ebenso SSW-StGB/Kudlich, 5. Aufl., § 246 Rn. 20; LK-StGB/Vogel, 13. Aufl., § 246 Rn. 50 f.; a.A. Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 246 Rn. 19; Mitsch, ZStW 111, 92 f.; derselbe, Strafrecht Besonderer Teil 2, 3. Aufl., S. 179 f.).

bb) So liegt der Fall hier. Die Angeklagten haben sich bereits aufgrund des Betrugs zum Nachteil der Vermieterin den wirtschaftlichen Wert des Fahrzeugs verschafft (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 1959 – GSSt 1/59, BGHSt 14, 38, 47; vom 13. Juli 1995 – 1 StR 309/95, juris Rn. 11; Urteil vom 5. Mai 1983 – 4 StR 121/83, NJW 1983, 2827). Sie haben mit der Übernahme des Fahrzeugs bei fehlendem Rückgabewillen die Vermieterin von der Sachherrschaft dauerhaft ausgeschlossen und den Eigenbesitz an diesem begründet; sie beabsichtigten von Anfang an, deren Rechtsposition zu missachten. Damit waren sowohl der Vermögensvorteil auf ihrer Seite wie im Übrigen auch der Schaden auf Seiten der Vermieterin eingetreten und der Betrug beendet.

Angesichts des damit bereits bestehenden Herrschaftsverhältnisses über das Fahrzeug stellen die weiteren Manifestationen ihres Zueignungswillens durch das Anbringen der Dublettenkennzeichen am Fahrzeug, dessen Angebot zum Verkauf über das Internetportal wie auch der anschließende Abschluss eines Kaufvertrages und die auf dieser Rechtsgrundlage erfolgende Eigentumsübertragung an den gutgläubigen Fahrzeugerwerber gegen Überführung des Kaufpreises als Substrat des Fahrzeugs in ihr Vermögen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2022 – 1 StR 292/21, wistra 2022, 379 f.) bereits tatbestandlich keine Unterschlagung in Form der Selbstzueignung dar (vgl. zum Verhältnis der Selbst- zu einer etwaigen Drittzueigung MK-StGB/Hohmann, 4. Aufl., § 246 Rn. 45; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 246 Rn. 11; NK-StGB/Kindhäuser, 5. Aufl., § 242 Rn. 105; LK-StGB/Brodowski, 13. Aufl., § 242 Rn. 184; Rengier, StrafR BT I, 25. Aufl., § 2 Rn. 155 f.).

cc) Die tateinheitliche Verurteilung wegen Unterschlagung muss daher entfallen. Der Senat änderte die Schuldsprüche im Fall II. 10 der Urteilsgründe hinsichtlich beider Angeklagten entsprechend.“

StGB II: Polizeibeamter liefert „Knöllchengeld“ nicht ab, oder: Untreue oder Unterschlagung?

Bild von Alexas_Fotos auf Pixabay

Die zweite Entscheidung des Tages, das BayObLG, Urt. v. 28.09.2022 – 206 StRR 157/22 – hat auch einen „Untreuefall“ zum Gegenstand. Es handelt sich um einen sicherlich nicht alltäglichen Sachverhalt. Denn es geht um einen Polizeibeamten, der vereinnahmte Verwarnungsgelder nicht abgeliefert hat.

Nach den vom LG getroffenen Feststellungen war der Angeklagte im Tatzeitraum als Polizeibeamter bei einer Verkehrspolizeiinspektion tätig. Seine Aufgabe bestand in der Kontrolle, Verfolgung und Ahndung von Verkehrsverstößen. Als solcher war er zur Erteilung von gebührenpflichtigen Verwarnungen ermächtigt. Dazu wurden ihm von der Verkehrspolizeiinspektion sogenannte „Barverwarnungsblöcke“ ausgehändigt. Werden diese verwendet, zahlt der betroffene Verkehrsteilnehmer ein Verwarnungsgeld in Höhe von 5 bis 55 EUR in bar an den Polizeibeamten und erhält dafür eine handschriftliche Quittung, die aus dem Barverwarnungsblock herausgetrennt wird. Ein Block umfasst 25 Quittungen. Ein Abschnitt mit dem jeweils berechneten Verwarnungsgeld verbleibt im Barverwarnungsblock, zudem wird in einer Übersichtsliste das jeweilige Barverwarnungsgeld eingetragen. Nach Vereinnahmung von 250,00 EUR, jedenfalls aber einmal im Monat und spätestens mit der Ausgabe eines neuen Blocks war nach den dienstlichen Vorschriften der alte Block an den dafür zuständigen Kassenwart der Verkehrspolizeiinspektion zurückzugeben und musste das vereinnahmte Geld abgerechnet und abgeliefert werden. Jedenfalls die Einhaltung der beiden erstgenannten Abrechnungsverpflichtungen wurde auf der Dienststelle nicht kontrolliert. Ob die vorbezeichnete Verpflichtung, vor Ausgabe eines neuen Blocks jeweils über den verbrauchten Block abzurechnen, kontrolliert wurde, ist vom LG nicht ausdrücklich festgestellt.

In der Zeit vom 18.05.2015 bis 11.01.2018 vereinnahmte der Angeklagte unter Verwendung 26 verschiedener Barverwarnungsblöcke in 587 Einzelfällen Verwarnungsgelder in Höhe von insgesamt 13.065 EUR, die er nicht an den Kassenwart seiner Dienststelle weiterleitete, obwohl er von seiner diesbezüglichen Verpflichtung wusste, sondern behielt das Geld für sich.

Das AG hat den Angeklagten der Untreue in 26 Fällen schuldig gesprochen und gegen ihn deswegen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr 10 Monaten verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat es die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 13.175,00 EUR angeordnet. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das LG das Urteil des AG aufgehoben. Es hat den Angeklagten der veruntreuenden Unterschlagung (§ 246 StGB) in 26 Fällen schuldig gesprochen, ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, sowie die Einziehung von Wertersatz für das Erlangte in Höhe von 13.065 EUR angeordnet. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das LG verworfen.

Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Sie macht geltend, tatsächlich sei der Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) verwirklicht. Zudem dränge sich auf, dass nicht lediglich 26, sondern aufgrund eines jeweils gesonderten Tatentschlusses 587 Einzelfälle verwirklicht seien. Feststellungen dazu habe die Strafkammer nicht getroffen.

Nach Auffassung des BayObLG war der festgestellte Sachverhalt  „jedenfalls wegen weiterer besonderer Umstände des Einzelfalls rechtlich als Untreue gemäß § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB zu würdigen.“  An einer entsprechenden Änderung des Schuldspruchs hat sich das BayObLG jedoch wegen lückenhafter Feststellungen zur Anzahl der Untreuefälle gehindert gesehen. Es hat aufgehoben und zurückverwiesen.

Ich stelle auch hier nur die (amtlichen) Leitsätze zu der Entscheidung ein, den Rest bitte im verlinkten Volltext lesen:

    1. Ist ein Polizeivollzugsbeamter damit betraut, Verkehrsverstöße mittels Erteilung gebührenpflichtiger Verwarnungen zu ahnden, kann die Nichtablieferung und Verwendung eingenommener Verwarnungsgelder zu eigenen Zwecken den Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB erfüllen.
    2. Die Pflicht, über eingenommene Verwarnungsgelder abzurechnen und diese abzuliefern, begründet eine besonders qualifizierte Pflichtenstellung gegenüber dem Dienstherrn. Diese gehört zum Kernbereich der dem Beamten obliegenden Dienstpflichten.
    3. Die Verwirklichung des Treubruchstatbestandes des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB erfordert darüber hinaus, dass dem Täter Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit verbleibt Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Einhaltung bestehender dienstlicher Weisungen betreffend Aufbewahrung und Abführung der eingenommenen Verwarnungsgelder nicht kontrolliert wird, denn dies verschafft dem Polizeibeamten die faktische Möglichkeit, auf die ihm anvertrauten Fremdgelder zuzugreifen.

Interessant übrigens auch die Ausführungen des BayObLG zu den prozessualen Fragen, nämlich zu § 264 StPO und zum Verschlechterungsverbot des § 331 StPO.

StGB I: (Versuchter) Diebstahl mit Waffen und dann Verspeisen einer Wassermelone, oder: Subsidiarität

So, und heute dann mal ein wenig Diebstahl und Unterschlagung, also die große Gruppe der Zueignungsdelikte. Also StGB.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 03.02.2021 – 2 StR 417/20. Das LG hat hat den Angeklagten wegen versuchten Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen die Revision, die Erfolg hatte (na ja, wie man es nimmt 🙂 ):

„1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Der betäubungsmittelabhängige Angeklagte entschloss sich aus finanzieller Not, am 16. Juli 2018 die Wochenendeinnahmen eines Getränkemarkts zu stehlen. Er hatte zuvor in Erfahrung gebracht, dass eine Angestellte die Einnahmen in der Regel in einer Einkaufstasche transportierte. Als er sah, dass eine Angestellte des Getränkemarkts mit einem für den Transport der Einnahmen üblicherweise verwendeten Stoffbeutel den Parkplatz betrat, schoss er mit der von ihm mitgeführten Schreckschusswaffe in die Luft und löste damit einen lauten Knall aus.

Die Angestellte, die – wie vom Angeklagten beabsichtigt – weder ihn noch die Waffe gesehen hatte, ließ vor Schreck u.a. ihr Mobiltelefon fallen. Der Angeklagte entriss ihr in diesem Schreckmoment die Stofftasche mit den vermuteten Wochenendeinnahmen und rannte davon. Auf der Flucht bemerkte er, dass sich in der Tasche an Stelle des Geldes lediglich Zigaretten und Lebensmittel befanden. Eine Mini-Wassermelone, die er der Tasche entnahm, verspeiste er; im Übrigen warf er die Tasche nebst Inhalt weg, der später teilweise in Tatortnähe aufgefunden wurde.

2. Die Verurteilung wegen (tateinheitlicher) Unterschlagung der Mini-Wassermelone hat keinen Bestand, weil die Unterschlagung aufgrund der Subsidiaritätsklausel in § 246 Abs. 1 StGB hinter dem versuchten Diebstahl mit Waffen zurücktritt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte die Stofftasche lediglich deshalb an sich genommen, weil er darin Bargeld vermutete, das er für sich behalten wollte. Damit hat sich der Angeklagte jedoch (noch) nicht das Behältnis nebst übrigem Inhalt zugeeignet (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 494/12, NStZ-RR 2013, 309, 310 mwN). Zutreffend ist das Landgericht deshalb auch vom fehlgeschlagenen Versuch eines Diebstahls mit Waffen ausgegangen, weil sich in der Tasche – anders als vom Angeklagten erwartet – kein Bargeld befand (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Oktober 1989 – 3 StR 336/89, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Zueignungsabsicht 4). Dass sich der Angeklagte tatzeitnah aufgrund eines neuen Entschlusses einen Teil des Tascheninhaltes zugeeignet hat, erfüllt zwar den Tatbestand der Unterschlagung (vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 494/12, NStZ-RR 2013, 309, 310); wegen der Subsidiaritätsklausel, die für alle Delikte mit höherer Strafdrohung gilt, kommt ein dahin gehender Schuldspruch gleichwohl nicht in Betracht (vgl. auch Senat, Beschluss vom 16. Januar 2018 – 2 StR 527/17, NStZ-RR 2018, 118, 119; BGH, Beschluss vom 16. August 2017 – 4 StR 324/17, juris Rn. 3; Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 513/01, BGHSt 47, 243, 244 f.).“

Aber – so viel zum „Erfolg“:

„3. Die Änderung des Schuldspruches lässt den Strafausspruch unberührt. Unbeschadet dessen, dass die Verwirklichung des zurücktretenden Tatbestands bei der Strafzumessung erschwerend berücksichtigt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2002 – 2 StR 477/02, juris Rn. 1; BGH, Urteile vom 20. Juli 1995 – 4 StR 112/95, NStZ-RR 1996, 20, 21, und vom 14. Januar 1964 – 1 StR 246/63, BGHSt 19, 188, 189 jeweils mwN), hat das Landgericht die tateinheitliche Begehung einer Unterschlagung bei der Bemessung der Freiheitsstrafe hier nicht zum Nachteil des Angeklagten gewertet. Die Strafzumessung hält auch im Übrigen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts rechtlicher Nachprüfung stand.“

StGB I: Diebstahl oder Unterschlagung, oder: Hatte der Geschädigte noch Gewahrsam?

Bild von Arek Socha auf Pixabay

Nach dem Pflichtverteidigungsmarathon am gestrigen Tag heute dann mal wieder materielles Recht.

Und in dem Zusammenhang stelle ich den BGH, Beschl. v. 28.07.2020 – 2 StR 229/20 – vor.

Das LG hatte die Angeklagten S. und Se. jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten S. mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hatteErfolg. Es hat zur Aufhebung des Urteils geführt, die auf den Angeklagten Se. zu erstrecken war.

Grundlage der Verurteilung des LG waren folgende Feststellungen des LG:

„1. Der Angeklagte S. wohnte im Jahr 2016 für einige Zeit bei der früheren Freundin des Zeugen M. ; das führte zu verbalen Auseinandersetzungen. Am 16. Februar 2017 war der Angeklagte S. bei dem Angeklagten Se. zu Besuch und führte seinen Rottweiler-Rüden mit. Anwesend war auch der Zeuge Sc. ; später kam die Zeugin O. hinzu. Der Angeklagte S. vernahm, dass sich der Zeuge M. wegen der Streitigkeiten an seinen körperbehinderten Vater wenden wollte, was ihn erboste. Zur Aggressionsentladung schlug er den Angeklagten Se. . Dann forderte er die Zeugin O. auf, ein Treffen zwischen ihr und M. zu vereinbaren; dadurch sollte dieser in eine Falle gelockt werden, in der ihm eine d„Abreibung“ erteilt werden sollte. Treffpunkt sollte der Innenhof des M. stifts in A. sein. Die Zeugen O. und Sc. trafen zuerst dort ein und begegneten dem Zeugen M. . Gegen 18 Uhr kamen die Angeklagten S. und Se. hinzu. Sie führten ein Streitgespräch mit dem Zeugen M. , wobei dieser einige Schritte zurückwich und stürzte; am Boden liegend wurde er von den Angeklagten S. und Se. getreten und geschlagen. Dann hetzte der Angeklagte S. seinen Hund auf den Geschädigten, der mehrfach gebissen wurde. Der Angeklagte Se. entfernte sich, um sich von dem Angriff mit dem Hund zu distanzieren. Der Angeklagte S. forderte den Geschädigten noch auf, sich „nackt zu machen“. Dann war ein „Martinshorn“ zu hören und der Zeuge Sc. zog den Angeklagten S. von dem Geschädigten fort.

Im Rahmen des Tatgeschehens verlor M. zwei Armbänder sowie seine Uhr. „Vor Verlassen des Tatortes nahm der Angeklagte Se. das dicke Gliederarmband und der Angeklagte S. die Armbanduhr und das Pandora-Armband an sich“. „Der Geschädigte konnte sich trotz seiner Verletzungen in den nahegelegenen dm-Drogeriemarkt begeben und dort um Hilfe bitten“.

Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten S. als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 StGB , diejenige des Angeklagten Se. als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB gewertet. Ferner hat es beide wegen tateinheitlich begangenen Diebstahls verurteilt, eine Verurteilung aber besonders schweren Raub ausgeschlossen, weil ein finaler Zusammenhang zwischen der Anwendung von Gewalt und der Wegnahme der Sachen des Geschädigten nicht festzustellen sei.

Dem BGH gefällt auch die Verurteilung wegen Diebstahls nicht, er beanstandet eine ausreichende Abgrenzung Tatbestand der Unterschlagung (§ 246 StPO).

„1. Diebstahl begeht gemäß § 242 Abs. 1 StGB, wer eine fremde bewegliche Sache in der Absicht wegnimmt, sich oder einem Dritten dieselbe rechtswidrig zuzueignen. Unter Wegnahme wird der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams durch den Täter verstanden. Der Gewahrsam ist ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis einer Person über eine Sache, das von deren Herrschaftswillen getragen ist. Dafür ist die Sachherrschaft wesentlich, der unter Ausschluss fremder Einwirkungsmöglichkeiten kein Hindernis entgegenstehen darf (vgl. Senat, Urteil vom 28. Oktober 1955 – 2 StR 171/55 , BGHSt 8, 273, 274 f. ). Der einmal begründete Gewahrsam bleibt als tatsächliches Verhältnis, das dem Inhaber die Sachherrschaft ermöglicht, solange bestehen, bis dessen tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit verloren geht (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 1953 – 4 StR 787/52 , BGHSt 4, 210, 211 ). Selbst der Gewahrsam eines Verletzten an seinen neben ihm liegenden Sachen ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil er nicht mehr fähig ist, etwas zu deren Schutz zu unternehmen (vgl. Senat, Urteil vom 20. März 1985 – 2 StR 44/85 , NJW 1985, 1911). Jedoch endet der Gewahrsam mit einem Verlieren der Sache (vgl. Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 242 Rn. 28; SK-StGB/Hoyer, 9. Aufl., § 242 Rn. 36; NK-StGB/Kindhäuser, StGB, 5. Aufl., § 242 Rn. 40; SSW-StGB/Kudlich, 4. Aufl., § 242 Rn. 22; Matt/Renzikowski/Schmidt, StGB, 2. Aufl., § 242 Rn. 14; MüKoStGB/Schmitz, 3. Aufl., § 242 Rn. 52; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 66).

2. Daran gemessen hat das Landgericht den Gewahrsam des Geschädigten zurzeit der Zueignung der Armbänder und der Uhr durch die Angeklagten nicht ausreichend begründet. Die Urteilsgründe sind insoweit lückenhaft.

Nach der Einlassung des Angeklagten Se. lagen die Gegenstände am Boden, „nachdem der Geschädigte den Tatort verlassen hatte“; dann habe er ein Armband an sich genommen, während der Angeklagte S. das andere Armband und die Uhr eingesteckt habe. Danach kommt in Betracht, dass der Geschädigte den Gewahrsam an den Sachen vor der Zueignung durch die Angeklagten verloren hatte.

Dieser Ablauf steht allerdings in Widerspruch zu der Feststellung der Strafkammer, der Angeklagte Se. habe den Tatort zur Distanzierung von dem weiteren Geschehen bereits verlassen, als der Angeklagte S. seinen Hund auf den Geschädigten hetzte. Der Geschädigte hat demgegenüber bekundet, einer der Angeklagten habe ihm „das Pandora-Armband und die Uhr von seinem Handgelenk gelöst“; nach der Tat hätten ihm aber „definitiv drei Gegenstände gefehlt“. Die Strafkammer hat die Widersprüche zwischen diesen Aussagen nur dahin aufgelöst, dass dem Geschädigten nach ihrer Überzeugung „3 Schmuckstücke abhandengekommen sind und die Angeklagten diese eingesteckt haben“. Das reicht jedoch nicht aus, um Raub oder Diebstahl rechtsfehlerfrei von Unterschlagung abzugrenzen.

Unterschlagung eines Handys, oder: Manifestation des Zueignungswillens

© Mac Dax – Fotolia.com

Die 11. KW. eröffne ich mit dem BGH, Beschl. v. 28.10.2018 – 3 StR 440/18. Der passt ganz gut zu dem BGH, Beschl. v. 11.12.2018 – 5 StR 577/18 (StGB I: Wegnahme eines Handys, oder: Zueignungsabsicht, wenn “nur” Bilder gelöscht werden sollen…). Denn es geht auch um eine Straftat in Zusammenhnag mit einem Handy, und zwar um die Frage: Welche Feststellungen müssen im Urteil enthalten sein, wenn der Angeklagte wegen der Unterschlagung (§ 246 StGB) eines Handys verurteilt worden ist?

Das LG, das den Angeklagten u.a. wegen Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 StGB) verurteilt hatte, hatte dazu Folgendes festgestellt:

a) Nach den Feststellungen übergab der Geschädigte P. dem Angeklagten das Mobiltelefon seiner Mutter ohne deren Wissen im Oktober 2017. Dies sollte dem Angeklagten, der von dem Zeugen zu Unrecht Zahlung von 30 € für zwei geschenkte Zigaretten verlangte, als Pfand dienen; damit wollte P. den Angeklagten von weiteren Einschüchterungen abhalten. Der Angeklagte, der wusste, dass ihm kein Anspruch zustand, verweigerte die Herausgabe des Handys, auch gegenüber P.s Stiefvater; stattdessen forderte er weiterhin von P. die Zahlung von 30 €, andernfalls er das Telefon einbehalten werde. P. zahlte dennoch nicht. Nach der Festnahme des Angeklagten am 16. November 2017 übergab seine Mutter der Polizei das Mobiltelefon.“

Dazu der BGH, der den GBA „einrückt“:

„Mit Recht rügt die Revision im Falle der Nichtherausgabe des Mobiltelefons (Fall 7; UA S. 16) das Fehlen eines nach außen manifestierten Zueignungswillens. Unabhängig davon, ob die Feststellung, der Angeklagte habe nach eigenen Vorstellungen über das Mobiltelefon verfügen wollen, tragfähig belegt ist, begründet dieser Wille – auch verbunden mit dem Ignorieren des Herausgabeverlangens – kein nach außen erkennbares Verhalten, das den sicheren Schluss zulässt, der Angeklagte habe das Gerät unter Ausschluss des Berechtigten seinem eigenen Vermögen einverleiben wollen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 2012 – 3 StR 372/12, juris Rn. 10; StraFo 2017, 251; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 246 Rn. 9). Weder hatte der Angeklagte den Standort der Sache verheimlicht, noch die Sache in einer Weise gebraucht, durch die sie erheblich an Wert verloren hätte. Indessen tragen die Feststellungen die diesbezügliche Verurteilung wegen versuchter Erpressung gemäß § 253 Abs. 3, §§ 22, 23 StGB. Denn der Angeklagte forderte den Zeugen    P.     unter Hinweis darauf, dass dieser sonst das als Pfand einbehaltene Mobiltelefon nicht wiederbekomme, mehrfach zur Zahlung eines Geldbetrages von 30 € auf. Der Verzicht auf das Mobiltelefon wäre jedenfalls ein empfindliches Übel. Dabei wusste der Angeklagte, dass er keine die Einbehaltung eines Pfands oder die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts rechtfertigende Forderung hatte (UA S. 16).“