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Strafvollzug I: Akten im Haftraum, oder Wie viele Akten sind erlaubt?

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Die 5. KW. eröffne ich heute mit zwei Entscheidungen zum Strafvollzug. Zunächst stelle ich den OLG Hamm, Beschl. v. 18.09.2018 – 1 Vollz (Ws) 406/18 – vor. Es geht um die Frage, wie viele (Verfahrens)Akten ein Strafgefangener im Haftraum verwahren kann/darf.

Der Betroffene verbüßt eine Freiheitsstrafe in der JVA Remscheid. Er hatte bei der JVA die Herausgabe von fünf Verfahrensakten zur Verwahrung in seinem Haftraum bantragt, was unter Bezugnahme auf eine Dienstanweisung aus dem Jahr 2012, nach der jeder Gefangene höchstens drei Aktenordner im Haftraum verwahren darf, hinsichtlich zweier Ordner abgelehnt wurde. JVA und StVK haben den Antrag zurückgewiesen. Dagegen die Rechtsbeschwerde.

Das OLG Hamm hat die zugelassen und den Beschluss der StVK aufgehoben. Es moniert eine nicht ausreichende Begründung der Entscheidung der StVK:

„…. Um eine Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht zu ermöglichen, müssen die von Amts wegen zu ermittelnden (§ 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m § 244 Abs. 2 StPO) entscheidungserheblichen Tatsachen und die tragenden rechtlichen Erwägungen wiedergegeben werden. § 115 Abs. 1 S. 2 StVollzG bestimmt deshalb, dass der Sach- und Streitstand im Beschluss jedenfalls seinem wesentlichen Inhalt nach in gedrängter Form darzustellen ist.

Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Beschluss nicht. Denn ohne jegliche (wenn auch gestraffte) Feststellungen bzw. Ausführungen zu Zuschnitt und Ausstattung des Haftraumes des Betroffenen vermag der Senat nicht zu überprüfen, ob die Strafvollstreckungskammer § 15 Abs. 2 StVollzG zutreffend angewandt hat. Nach dieser Vorschrift dürfen Gefangene ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. In Gewahrsam haben dürfen sie nur, was ihnen von der Anstalt oder mit deren Erlaubnis überlassen worden ist, aber keine Gegenstände, welche die Übersichtlichkeit des Haftraums behindern, eine unverhältnismäßige Überprüfung erfordern oder sonst die Sicherheit und Ordnung der Anstalt oder die Erreichung des Vollzugsziels gefährden können. Bei den Tatbestandsmerkmalen „angemessener      Umfang“, „Behinderung der Übersichtlichkeit“, „unverhältnismäßige Überprüfung“ u.s.w. handelt es sich jeweils um unbestimmte Rechtsbegriffe, deren richtige Anwendung gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl. OLG Hamm NStZ 1990, 151; Arloth, a.a.O., § 15 StVollzG NRW, Rn. 2 i.V.m. § 19 StVollzG, Rn. 10 m.w.N.).

Die Strafvollstreckungskammer ist der Auffassung, die Beschränkung des Besitzes von Verfahrensakten auf drei Ordner sei — auch im konkreten Fall des Betroffenen — zur Wahrung der Übersichtlichkeit des Haftraums gerechtfertigt. Sie trifft aber weder Feststellungen zu Größe, Zuschnitt und Ausstattung dieses Haftraums noch zu Art und Anzahl sonstiger Gegenstände im Gewahrsam des Betroffenen, so dass für den Senat nicht erkennbar ist, inwiefern die Bewertung, der Besitz zweier weiterer Ordner behindere die Übersichtlichkeit des Haftraums tatsächlich soweit, dass er dem Betroffenen versagt werden müsste, gerechtfertigt erscheint. Allein die Existenz der in Bezug genommenen „Dienstanweisung“ rechtfertigt die vorgenommene Beschränkung nicht, zumal auch bei Vorliegen einer abstrakt generellen — als solcher nicht anfechtbaren (vgl. OLG Hamm NStZ 1985, 354; Arloth/Krä, § 109 StVollzG Rn. 10) Regelung — die Vollzugsbehörde grundsätzlich gleichwohl zu einer individuellen Ermessensentscheidung über eine beantragte Abweichung von der Regel im Einzelfall (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06. April 2016 — 2 Ws 68/16 —, juris) verpflichtet bleibt. Hierzu fehlt es ebenfalls an Feststellungen. Soweit die Strafvollstreckungskammer ausführt, „Gründe, welche ein Absehen von der Verwaltungsvorschrift in dem konkreten Fall erfordern würden“, seien „nicht dargelegt“, ist vielmehr zu besorgen, dass sie in unzulässiger Weise ihr eigenes Ermessen anstelle desjenigen der Vollzugsbehörde gesetzt hat……“

Für die neue Entscheidung gibt es dann auch noch einen Hinweis:

„Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin. dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung der Besitz von zwanzig Büchern und fünf Leitzordnern als zulässig angesehen wurde (OLG Koblenz, NStZ 1981, 214 F), im Falle eines laufenden Strafverfahrens sogar der Besitz von neun Stehordnern mit Kopien der Verfahrensakten (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.04.2002 – 3 Ws 10/02 -, juris).“

Strafvollzug II: Aushändigung einer Playstation, oder: Dauerbrenner

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Die zweite Entscheidung, die ich heute vorstelle, hat thematisch einen Dauerbrenner zum Gegenstand, nämlich die Zulässigkeit der Aushändigung einer PlayStation 1 im Strfavollzug. Der Betroffene befindet sich in Strafhaft in der JVA Schwerte und wünscht die Aushändigung einer Spielekonsole Sony PlayStation 1, was seitens der JVA Schwerte mündlich abgelehnt worden war. Die  Spielekonsole war vom Betroffenen im Rahmen seines vorangehenden Aufenthaltes in der JVA Bielefeld-Brackwede nach entsprechender Genehmigung der dortigen Anstaltsleitung angeschafft worden. Auch im Rahmen einer nachfolgenden Inhaftierung in der JVA Hamm war ihm der Besitz dieser Spielekonsole nach seinem Vorbringen gestattet. Die StVK hat den Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen, das OLG Hamm gibt ihm im OLG Hamm, Beschl. v. 22.05.2018 – 1 Vollz (Ws) 137/18  – statt:

„1. Der Senat hat in Übereinstimmung mit anderweitiger obergerichtlicher Rechtsprechung bereits mehrfach ausgeführt, dass die einem Gegenstand allgemein innewohnende Gefährlichkeit die Versagung einer Genehmigung zum Besitz aus Gründen der Anstaltssicherheit zu rechtfertigen vermag, so etwa aufgrund einer etwaigen Internetfähigkeit von Geräten oder aber der (ohne weitere technischen Hilfsmittel gegebenen) Möglichkeit der Speicherung von Texten. Dabei bezog sich die Rechtsprechung des Senats jeweils auf Fallkonstellationen, in denen sich eine allgemeine abstrakte Gefährlichkeit aus den technischen Möglichkeiten des jeweiligen Gerätes selbst oder allenfalls unter Hinzuziehung vorhandener oder für den Betroffenen unschwer zu beschaffender weiterer technischer Hilfsmittel ergab, mithin ohne das Hinzutreten besonders aufwändiger oder nur mit entsprechendem Spezialwissen zu bewerkstelligender technischer Veränderungen.

Soweit die Strafvollstreckungskammer insoweit ausführt, die Behauptung des Betroffenen, es gebe derzeit kein Programm zur Speicherung von Texten auf den Memory Cards der PlayStation 1, sei unerheblich, da entsprechende Programme geschrieben werden könnten und es lediglich auf das allgemeine Gefährdungspotenzial ankomme, entspricht dies zumindest ohne nähere Erläuterungen nicht mehr dem Begriff der abstrakten Gefährlichkeit, welche für sich genommen die Annahme einer Gefährdung der Sicherheit der Anstalt zu rechtfertigen geeignet ist. Vielmehr würde eine entsprechende Auslegung dazu führen, letztlich jedem beliebigen Gegenstand durch Hinzudenken zusätzlicher Bedingungen bzw. auch eher entfernt liegender technischer Veränderungen eine abstrakte Gefährlichkeit beizumessen.

Zur Begründung einer tatsächlich abstrakten Gefährlichkeit wären insoweit weitere Erläuterungen dazu erforderlich, dass die Möglichkeit des Schreibens und Einbringens zusätzlicher Programme, welche die Speicherung von Informationen auf den Memory Cards der PlayStation 1 auch in Bezug auf die Person des Betroffenen als zumindest nicht fernliegend anzusehen ist. Hierzu fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Da sich die PlayStation 1 selbst als nicht programmierbar darstellt, wäre ein externes Schreiben eines entsprechenden Programmes und ein entsprechendes Einbringen in die Vollzugsanstalt erforderlich. Aus welchem Grund sich tatsächlich jemand die Mühe machen sollte, einen möglicherweise höheren programmiertechnischen Aufwand zu betreiben, um im Ergebnis gegebenenfalls eine unstreitig ohnehin in jedem Fall beschwerliche Eingabe von Texten in Form von Einzelbuchstaben in eine bereits seit langer Zeit nicht mehr hergestellten Spielekonsole zu ermöglichen, ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass anlässlich eines nachfolgend auch beim Senat anhängigen Verfahren (111-1 Vollz 301/15 OLG Hamm) seitens des Landgerichts Bielefeld (101 StVK 2179/14) ein Sachverständigengutachten zur Möglichkeit von Textspeicherungen auf den Memory Cards der PlayStation 1 eingeholt worden ist, welches dementsprechend als senatsbekannt anzusehen ist. Im Rahmen dieser Begutachtung kam der bestellte Sachverständige Andreas Herden in seinem schriftlichen Gutachten vom 20. April 2015 zu dem Ergebnis, dass es zumindest in dem ihm vorgelegten Exemplar der PlayStation 1 überhaupt nicht möglich war, manipulierte Texte auf die original zugehörigen Memory Cards zu speichern. Eine entsprechende Möglichkeit ergab sich erst bei entsprechenden Memorycards, welche von Drittherstellern angeboten wurden. Eine Ablichtung des Gutachtens wird seitens des Senats im Hinblick auf die weitere Bearbeitung der Angelegenheit den Akten beigefügt. Ob den auch obergerichtlich vertretenen Auffassungen, dass von einer PlayStation 1 generell keine die Versagung der Herausgabe begründende Gefahr ausgeht (vgl. dazu OLG Dresden, Beschluss vom 16. September 1999 — 2 Ws 637/98, juris ), zu folgen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, auch wenn diese Bewertung nach Maßgabe der senatsbekannten Umstände zumindest im Fall der ausschließlichen Verwendung von Originalzubehör sehr naheliegend erscheint.

Danach spricht vorläufig alles dafür, dass eine Gefährlichkeit von der vom Betroffenen begehrten Spielekonsole zumindest bei entsprechender Verplombung gerade nicht ausgeht. Eine solche Verplombung wäre zudem nach Auffassung des Senats auch geeignet, die aufgezeigten Bedenken hinsichtlich der Möglichkeit der Nutzung als Drogenversteck auszuräumen (vgl. OLG Dresden. a.a.O.). Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine entsprechende Problematik nahezu jedem Gegenstand innewohnt, welcher körperliche Hohlräume bildet.
Abschließend weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch die „pädagogischen“ Bedenken der Vollzugsanstalt im Hinblick auf die Überlassung der Spielekonsole deren Aushändigung aus Gründen der Gefährdung des Vollzugsziels unter dem Gesichtspunkt einer „einseitigen Fixierung auf das Erreichen bestimmter Levels“ nach Bewertung des Senats nicht zu rechtfertigen vermag (vgl. dazu auch OLG Dresden, a.a.O.).“

Das OLG moniert zudem, dass sich die Strafvollstreckungskammer nicht mit der Frage befasst hat, inwieweit dem Betroffenen wegen des „Vorbesitzes“ vertrauenswürdiger Bestandsschutz zu gewähren ist.

Strafvollzug I: Einlegung der Rechtsbeschwerde, oder: Schriftform

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Nach längerer Zeit heute dann mal wieder ein paar Entscheidungen in Strafvollzugssachen.

Zunächst eine Entscheidung zu einer formalen Frage, nämlich der KG, Beschl. v. 19.06.2018 – 2 Ws 139/17 Vollz, der sich zur Frage der Wahrung der Schriftform – bei Einlegung einer Rechtsbeschwerde durch die Vollzugsbehörde – verhält. Dazu das KG:

„Zwar ist im Strafvollzugsgesetz nicht ausdrücklich geregelt, in welcher Form die am Verfahren beteiligte Vollzugsanstalt die Rechtsbeschwerde einzulegen hat. § 118 Abs. 3 StVollzG gilt nur für den Antragsteller. Jedoch folgt aus der strukturellen Vergleichbarkeit der Rechtsbeschwerde mit der Revision, dass die Einlegung eines Rechtsmittels nach § 118 Abs. 1 Satz 1 StVollzG entsprechend der ausdrücklichen Vorgabe des § 341 Abs. 1 StPO grundsätzlich in schriftlicher Form erfolgen muss. Die Schriftform ist gewahrt, wenn der Rechtsmittelschriftsatz vom anfechtungsberechtigten Beteiligten eigenhändig unterschrieben ist. Bei Behörden genügt auch die maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens des Verfassers, sofern dieser mit einem Beglaubigungsvermerk versehen ist (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 27. September 1996 – 4 Ws 195/96 –, juris Rn. 4). Fehlen diese Voraussetzungen, kann es zur Wahrung der Schriftform ausnahmsweise genügen, dass aus dem Schriftstück in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich ist, von wem die Erklärung herrührt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2002 – 2 StR 63/02 –, juris Rn. 3). Das ist hier der Fall. Der maschinenschriftliche Namenszusatz am Ende des Schreibens, dem – anders als bei den übrigen im Verfahren angefallenen Schriftsätzen des Beschwerdeführers – nicht der Zusatz „Im Auftrag“ vorangestellt ist, lässt in Verbindung mit dem Briefkopf der Justizvollzugsanstalt X und der Offenlegung der vorgeschalteten Sachbearbeiter den Leiter der Vollzugsbehörde als Schlusszeichner und damit Urheber des Schreibens erkennen.“

„Wege durch den Knast“ gibt es in Berlin nicht, oder: Hieß das Buch vielleicht „Wege aus dem Knast“?

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Author Denis Barthel

Heute dann mal eine bunte Mischung, quasi ein „Kessel Buntes“ mitten in der Woche :-).

Den Auftakt mache ich mit dem KG, Beschl. v. 17.11.2017 – 2 Ws 99/17 Vollz. Es geht um die Einbringung eines Buches mit dem Titel „Wege“ durch den Knast und dessen Aushändigung an einen Strafgefangenen in der JVA Tegel. Wenn man das so liest, fragt man sich, ob der KG, Senat sich nicht mit dem Titel vertan hat und das Buch doch vielleicht „Wege aus dem Knast“ geheißen hat. Das würde nach der Ausbruchswelle in Berlin jedenfalls passen. Die JVA wusste auch, womit zu rechnen war. Nämlich dass, das Buch die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt gefährdet und deshalb nicht ausgehändigt werden darf. Begründung – auch der StVK: „Die eingehende Lektüre des Buches ergäbe, dass dieses nicht lediglich in einer vollzugskritischen Weise (rechtliche) Informationen vermittele, sondern dass es vielmehr erhebliche vollzugsfeindliche Tendenzen beinhalte, die geeignet seien, eine Oppositionshaltung bei Gefangenen herbeizuführen. Eine Vielzahl von Textstellen, die sich durch die Kapitel des Buches hindurch ziehe, belege diese Haltung:…“

Das KG hat sich der Auffassung angeschlossen:

„Nach diesen Maßstäben erweist sich die Annahme der Vollzugsbehörde, das Buch „Wege durch den Knast“ gefährde die Sicherheit und Ordnung der Anstalt sowie die Erreichung des Vollzugsziels als tragfähig.

Die Vollzugsbehörde hat sich mit dem Inhalt des streitgegenständlichen Buches auseinandergesetzt und ist insoweit von einem ordnungsgemäß ermittelten Sachverhalt ausgegangen. Da das StVollzG Bln – anders als das Strafvollzugsgesetz des Bundes – keine spezielle Regelung für Bücher zur Fortbildung oder Freizeitbeschäftigung enthält, hat die Vollzugsanstalt das streitgegenständliche Buch auch zu Recht als Gegenstand im Sinne der §§ 50 bis 52 StVollzG Bln betrachtet. Anhaltspunkte dafür, dass die Vollzugbehörde den Begriff der Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt oder der Erreichung des Vollzugszieles unzutreffend ausgelegt oder bei der von ihr vorgenommenen Gefährdungsprognose die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraumes überschritten hat, sind nicht ersichtlich.

Die im Beschluss der Strafvollstreckungskammer festgestellten Textpassagen weisen nach Inhalt und Zielsetzung eine gegen den Wiedereingliederungsauftrag gerichtete sowie die Sicherheit und Ordnung gefährdende Tendenz aus. Sie sind geeignet, sowohl beim Beschwerdeführer, als auch bei anderen Gefangenen eine massive Oppositionshaltung gegenüber dem Strafvollzug sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Vollzugsanstalt hervorzurufen, zu verfestigen oder zu verstärken.

Dies ergibt sich bereits eindeutig aus der im Vorwort umrissenen Intention der Autoren, für eine „Welt ohne Knäste“ und damit gegen jegliche Form des Strafvollzuges einzutreten.  Die in diesem Zusammenhang gewählte konfrontative Diktion, die insbesondere durch wiederholte Verwendung des Wortes „Kampf“ hervortritt, zieht sich auch durch die weiteren von der Strafvollstreckungskammer dargestellten Textpassagen und gibt dem Buch damit ein insgesamt vollzugsfeindliches Gepräge. Die in den Passagen vielfach enthaltenen despektierlichen Äußerungen über Vollzugsbedienstete oder im Vollzug tätige Ärztinnen und Ärzte schüren zudem pauschale Ressentiments gegenüber den an der Erreichung des Vollzugszieles mitarbeitenden Personen und verstärken gleichzeitig bei den Gefangenen bestehende Feindbilder. All dies birgt die Gefahr, dass sowohl der Beschwerdeführer, als auch andere Gefangene veranlasst werden, sich von der Mitarbeit an Maßnahmen der Resozialisierung abzukehren, eine feindselige Haltung gegenüber dem Vollzug, aber auch gegenüber anderen gesellschaftlichen Zwängen („Unterdrückung“) zu entwickeln und das Vollzugsziel eines künftig straffreien Lebens dadurch verfehlen. Soweit das Buch über Möglichkeiten zur Manipulation von Urinkontrollen und über „alternative Konsumformen“ hinsichtlich verschiedener Drogen informiert, begründet eine solche unverhohlene Anleitung zur Unterminierung der anstaltsinternen Drogenfreiheit eine offensichtliche Gefahr für die Sicherheit und Ordnung in der Vollzugsanstalt.

Da sich vollzugsfeindliche Ausführungen und destruktive Handlungsanleitungen über das ganze Buch verteilen, ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Vollzugbehörde im Rahmen ihres Beurteilungsspielraumes das gesamte Buch und nicht nur einzelne Passagen als gefährdungsgeeignet eingestuft hat.“

Strafvollzug, oder: „Haftkontostatus aktiv“ anfechtbar?

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Und als letzte Vollzugsentscheidung dann noch eine vom KG, nämlich der KG, Beschl. v. 25.09.2017 – 2 Ws 145/17 Vollz. Es geht um die Anfechtbarkeit des „Haftkontostatus“. Auf dem Haftkonto des Antragstellers ist für eine Pfändung der Kosteneinziehungsstelle der Justiz in Höhe von 2.590,58 € der Status „aktiv“ vermerkt. Von seinem „Überbrückungsgeld“ in Höhe von 1.123 € hat er 484 € angespart. Über „Eigengeld“ verfügt er nicht. Die  Vollzugsbehörde hat gegenüber dem Antragsteller mündlich die Löschung des Status „aktiv“ für diese Pfändung abgelehnt. Dagegen beantragt er die gerichtliche Entscheidung. Die StVG hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde hatte auch beim KG keinen Erfolg. Denn:

„Es fehlt bereits an einem zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Der zugrundeliegende Antrag war unzulässig, weil er keine „Maßnahme“ im Sinne des § 109 Abs. 1 StVollzG zum Gegenstand hatte.

Eine „Maßnahme“ im Sinne von § 109 StVollzG ist eine Regelung mit Rechtswirkung. Es muss sich deshalb um den Akt einer Vollzugsbehörde handeln, der in das Rechtsverhältnis zwischen dem Gefangenen und dem Staat gestaltend eingreifen soll, also um eine Regelung einer einzelnen Angelegenheit, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist und diesbezüglich Verbindlichkeit beansprucht (vgl. z.B. Bachmann in LNNV, Strafvollzugsgesetze 12. Aufl., Abschn. P Rdn. 28, 29; Arloth/Krä, StVollzG 4. Aufl., § 109 Rdn. 6, 7, jeweils mit weit. Nachweisen).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs fehlt der als „aktiv“ geführten Pfändung der Kosteneinziehungsstelle, wie sie in der Auskunft der Vollzugsbehörde vom 12. Mai 2016 zum Ausdruck kommt, jedwede rechtliche Außenwirkung gegenüber dem Antragsteller. Dieser Status gibt lediglich im Rahmen der Führung des Haftkontos vollzugsintern (zutreffend) wieder, dass eine Pfändung existiert und diese – sei es in Form von Ratenzahlung – bedient wird. Eine Außenwirkung auf den Antragsteller entwickelt dieser Status nicht. Jedenfalls ist der Antragsteller durch ihn nicht beschwert. Denn er verfügt mangels Bildung des Überbrückungsgeldes/Eingliederungsgeldes nicht über Eigengeld. Entgegen seines Vorbringens stellt dieser Status auch keinen erkennbaren Hinderungsgrund für Geldüberweisungen seiner Familie dar, die bis zur Bildung des Überbrückungsgeldes/Eingliederungsgeldes unpfändbar wären (für das Eingliederungsgeld: § 68 Abs. 2 Satz 2 StVollzG Bln in Verb. mit § 851 ZPO; für das Überbrückungsgeld: § 51 Abs. 4 Satz 1 StVollzG).“