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OWi II: Urteil beim qualifizierten Rotlichtverstoß, oder: Besonderheiten bei Messung mit Traffipax Traffiphot III

Im zweiten Posting geht es dann um den OLG Köln, Beschl. v. 29.11.2024 – III 1 ORBs 280/24. Der nimmt zu den Anforderungen an die Urteilsgründe Stellung, wenn die Messung bei einem sog. qualifizierten Roltichtverstoß mit Traffipax Traffiphot III erfolgt ist.

Nach den Feststellungen hatte die Betroffene einen qualifizierten Rotlichtverstoß begangen, indem sie mit ihrem Pkw innerorts trotz einer Rotlichtzeit von 1,01 s zunächst die Haltelinie und anschließend die Kreuzung überquerte. Das OLG hat die Feststellungen des AG als lückenhaft beanstandet und aufgehoben und zurückverwiesen:

„Das angefochtene Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass der vom Amtsgericht festgestellte qualifizierte Rotlichtverstoß im Sinne von §§ 37 Abs. 2, 49 StVO, 4 Abs. 1 BKatV i.V.m. Nr. 132.3 BKat frei von Rechtsfehlern festgestellt worden ist. Hinsichtlich der Annahme, das Rotlicht habe bereits „länger als 1 Sekunde“ angedauert, ist die Beweiswürdigung lückenhaft.

Allerdings geht das Amtsgericht im Ausgangspunkt zu Recht davon aus, dass es sich bei der automatischen Rotlichtüberwachung um ein standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. Hentschel/König/Dauer, StVO, 47. Aufl., § 37 Rdn. 49).

In einem solchen Fall kann sich das Urteil im Grundsatz, wie allgemein beim Einsatz standardisierter Messverfahren, auf die Angabe des verwendeten Gerätetyps und des gewonnenen Messergebnisses sowie etwaig zu beachtender Toleranzwerte beschränken (vgl. OLG Hamm BeckRS 2006, 15059; OLG Braunschweig NJW 2007, 391; OLG Bremen NZV 2010, 42; OLG Schleswig ZfS 2014, 413; OLG Düsseldorf BeckRS 2017, 127656; OLG Karlsruhe BeckRS 2022, 8920; OLG Karlsruhe BeckRS 2024, 11920). Näherer Darlegungen über die Messmethode und deren technische Zuverlässigkeit bedarf es damit grundsätzlich nicht, um dem Rechtsmittel-gericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen worden sind (vgl. BGH NJW 1993, 3081).

Das Amtsgericht benennt in den Urteilsgründen auch wesentliche Anknüpfungstatsachen, indem die Dauer des Gelblichts, das Vorhandensein einer Haltelinie und zweier Induktionsschleifen, der Abstand zwischen der Haltelinie und der ersten Induktions-schleife, der Abstand zwischen der ersten und der zweiten Induktionsschleife und die gestoppten Rotlichtzeiten mitgeteilt werden (vgl. zum Erfordernis der Mitteilung von Anknüpfungstatsachen: OLG Hamm BeckRS 2006, 15059; OLG Karlsruhe NZV 2009, 201; OLG Schleswig ZfS 2014, 413; OLG Dresden, BeckRS 2017, 157846; OLG Düsseldorf BeckRS 2017, 127656; OLG Karlsruhe BeckRS 2022, 8920; OLG Karlsruhe BeckRS 2024, 11920; vgl. auch Hentschel/König/Dauer, StVO, 47. Aufl., § 37 Rdn. 49). Zudem wird die Tatörtlichkeit hinsichtlich der Wechsellichtzeichenanlage und der verkehrstechnischen Gestaltung des Verkehrsbereiches beschrieben; auf die Skizzen Bl. 29 f. d. A. wird in zulässiger Weise Bezug genommen.

Indes ist die Rotlichtzeit von der Anlage Traffipax Traffiphot III nicht direkt an der Haltelinie gemessen worden. Das erste Beweisfoto mit der ersten gemessenen Rotlichtzeit wurde vielmehr erst beim Überfahren der ersten Induktionsschleife ausgelöst. Da es aber für den Beginn der Rotlichtdauer auf das Überfahren der Haltelinie ankommt (SenE v. 21.08.1998 – Ss 378/98 = BeckRS 1998, 155014; SenE v. 22.05.2003 – Ss 198/03; Hentschel/König/Dauer, StVO, 47. Aufl., § 37 Rdn. 50 m.w.N.), stellt die auf dem ersten Foto eingeblendete Rotlichtzeit nicht die vorwerfbare Rotzeit dar. Das maßgebliche Überfahren der Haltelinie erfolgte zu einem früheren Zeitpunkt. Vor diesem Hintergrund muss die Zeit zwischen Überschreiten der Haltelinie und dem Erreichen des ersten Messpunkts abgezogen werden, um den betroffenen Fahrzeugführer nicht zu benachteiligen.

Während einige Rotlichtüberwachungsanlagen die vorzuwerfende Rotzeit automatisch (geräteintern) berücksichtigen, ist bei Rotlichtüberwachungen älterer Bauart in aller Regel eine manuelle Rückrechnung der gemessenen Rotzeit in Bezug auf den Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie vorzunehmen (SenE v. 21.08.1998 – Ss 378/98 = BeckRS 1998, 155014; OLG Braunschweig NJW 2007, 391; Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 6. Aufl. § 1 Rdn. 1581 u. 1584; Hentschel/König/Dauer, StVO, 47. Aufl., § 37 Rdn. 48).

Auch bei der hier verwendeten Rotlichtüberwachungsanlage Traffipax Traffiphot III ist die Fahrzeit von der angezeigten Rotzeit zu subtrahieren, die das Fahrzeug vom Überfahren der Haltelinie bis zu der Position benötigt, die auf dem ersten Messfoto abgebildet ist (vgl. Hentschel/König/Dauer, StVO, 47. Aufl., § 37 Rdn. 48; Löhle/Beck DAR 2000, 1 [4]). Sie gehört zu den Anlagen ohne automatische Berechnung der vorwerfbaren Rotzeit (Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 6. Aufl. § 1 Rdn. 1589 ff., 1599). Das Auswerteverfahren ist nicht Bestandteil der Innerstaatlichen Bauartzulassung. Die Berechnungen haben sich an den konkreten Gegebenheiten zu orientieren (Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 6. Aufl. § 1 Rdn. 1599).

Sind – wie hier – zwei Induktionsschleifen vorhanden, durch die zwei Beweisfotos ausgelöst werden, besteht die Möglichkeit, die von dem Betroffenenfahrzeug zwischen den beiden Aufnahmen gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit des Fahrzeugs zu berechnen. Mit Hilfe der errechneten mittleren Geschwindigkeit des Fahrzeugs lässt sich die Zeit berechnen, die der Betroffene für das Zurücklegen der Strecke ab dem Überfahren der Haltelinie bis zum Auslösen des ersten Rotlichtfotos benötigt hat. Diese Zeit ist von der auf dem ersten Foto eingeblendeten Rotlichtzeit abzuziehen, um die rechtlich relevante vorwerfbare Rotlichtzeit zu erhalten. Durch eine solche Weg-Zeit-Berechnung kann – auf der Grundlage einer rekonstruierten Geschwindigkeit – ausgerechnet werden, wann die Haltelinie passiert wurde (vgl. OLG Hamm BeckRS 2006, 15059; OLG Braunschweig, NJW 2007, 391; OLG Dresden, BeckRS 2017, 157846; OLG Düsseldorf BeckRS 2017, 127656; OLG Karlsruhe BeckRS 2022, 8920; zur Rückrechnung näher Löhle/Beck, DAR 2000, 1 ff.). Die beschriebene Art der Berechnung geht dabei davon aus, dass das Fahrzeug mit gleichbleibender Geschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren ist.

Die Rückrechnung der vorwerfbaren Rotlichtzeit muss nachvollziehbar unter Berücksichtigung aller relevanten Parameter erfolgen (Wegstrecke, Lampenverzögerungs-zeit, Dauer der Rotphase beim Überfahren der ersten Induktionsschleife und Dauer der Rotphase bei Überfahren der zweiten Induktionsschleife). Eine etwaige Lampenverzögerungszeit, welche von der Art des verwendeten Leuchtmittels abhängt, ist ab-zuziehen (Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 6. Aufl. § 1 Rdn. 1599 u. 1601). Lampenverzögerungszeit ist die Zeit vom elektrischen Einschalten der Lampe einer Lichtzeichenanlage bis zum sichtbaren Aufleuchten (vgl. Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 6. Aufl. § 1 Rdn. 1582; Löhle/Beck, DAR 2000, 1 [4]). Die Rückrechnung kann eine Verminderung der vorwerfbaren Rotlichtzeit um bis zu 0,3 Sekunden, bei sehr langsamer Fahrt sogar um bis zu 0,5 Sekunden zur Folge haben (vgl. Krumm SVR 2006, 436 [439]; Burhoff, ZAP 2016, 407; Löhle/Beck DAR 2000, 1 [7]; Beck/Berr/Schäpe/Kärger/Weigel, OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht, 8. Aufl. Rdn. 676; zu Fehlerquellen bei Traffiphot III vgl. auch: Buck/Smykowski in Buck/Gieg, Sachverständigenbeweis im Verkehrs- und Strafrecht, 3. Aufl., § 7 Rdn. 45 ff.).

Nach diesen Maßgaben erweisen sich die Ausführungen im angefochtenen Urteil als unzureichend.

Das Amtsgericht hat zwar erkannt, dass eine Rückrechnung auf den Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie zu erfolgen hat. Auch ist eine Rückrechnung dahin erfolgt, dass der Betroffenen das Missachten einer Rotzeit von 1,01 s vorgeworfen wird, während das erste Beweisfoto bei 1,20 s ausgelöst hat.

Für den Senat ist indes allein anhand der Urteilsgründe nicht überprüfbar, ob die Rückrechnung auf die vorwerfbare Rotlichtdauer nachvollziehbar und ohne jede Benachteiligung der Betroffenen erfolgt ist. Denn das Amtsgericht nimmt nur pauschal auf die „Berechnungen Bl. 158 f. d. A.“ Bezug, ohne mitzuteilen, wer diese erstellt und auf welcher Grundlage, insbesondere aufgrund welcher Berechnungsparameter, die Berechnungen erfolgt sind und ob und ggf. welche Toleranzen bzw. Sicherheitsabschläge hierbei zugunsten der Betroffenen vorgenommen worden, gerade auch im Hinblick auf eine etwaige Lampenverzögerungszeit. Eine solche Darstellung war im vorliegenden Einzelfall auch nicht verzichtbar, da die Grenze zum qualifizierten Rotlichtverstoß – mit der erheblichen Folge eines Fahrverbotes – überhaupt nur denkbar knapp überschritten ist.

Die Sache bedarf nach alledem – gegebenenfalls unter Heranziehung eines Sachverständigen (vgl. OLG Braunschweig NJW 2007, 391; Löhle/Beck, DAR 2000, 1 [7]; Krumm SVR 2006, 436 [439]; Burhoff, ZAP 2016, 407; Beck/Berr/Schäpe/Kärger/Weigel, OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht, 8. Aufl. Rdn. 676) – neuer tatrichterlicher Behandlung und Entscheidung.“

Standardisiertes Messverfahren beim Fahrtenbuch, oder: Zugang bei der Bußgeldstelle erstrebt?

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Und dann heute im „Kessel Buntes“ zwei Entscheidungen aus dem Verwaltungsrecht.

Als erste stelle ich den VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 06.08.2024 – 13 S 1001/23 – vor. Gestritten wird mal wieder um eine Fahrtenbuchauflage. Die Klage dagegen hatte das VG abgewiesen. Der VGH hat die Berufung nicht zugelassen. Die von ihm angesprochenen Fragen sind nicht neu, so dass ich mich auf den Leitsatz beschränke und im Übrigen auf den verlinkten Volltext verweise.

Hier die Leitsätze:

1. Wird eine Fahrtenbuchanordnung auf die mit einem standardisierten Messverfahren ermittelte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gestützt, muss das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung auch bei fehlenden Rohmessdaten nur dann von Amts wegen überprüft werden, wenn der Adressat der Anordnung plausible Anhaltspunkte für einen Messfehler vorträgt oder sich solche Anhaltspunkte sonst ergeben.

2. Der Adressat einer Fahrtenbuchanordnung, der sich gegen die Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren wendet, kann sich nicht mit Erfolg auf die Verweigerung des Zugangs zu bei der Bußgeldstelle gespeicherten Daten berufen, wenn er nicht seinerseits alles ihm Zumutbare unternommen hat, um – ggf. auch nach Ablauf der Verjährungsfrist für die Ahndung des Verkehrsverstoßes – den gewünschten Zugang von der Bußgeldstelle zu erhalten.

OWi I: Standard Abstands-/Geschwindigkeitsmessung, oder: Anforderungen an die Urteilsgründe

Und heute dann OWi-Entscheidungen! Ja, richtig. Man glaubt es kaum, aber es haben sich tatsächlich ein paar Entscheidungen angesammelt, über die man berichten kann. Allerdings: Alles nichts Besonders, aber immerhin. Ich hoffe, die (Sommer)Flaute ist bald beendet.

Zunächst hier zwei OLG-Entscheidungen, die noch einmal zu den Anforderungen an die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung bzw. einer Abstandsmessung Stellung genommen haben.

In dem vom BayObLG im BayObLG, Beschl. v. 31.07.2024 – 202 ObOWi 742/24 – war mit dem Abstandssystem VKS 4.5 gemessen worden. Dazu das BayObLG:

„Bei dem verwendeten Abstandssystem VKS 3.0 (für die jetzige Softwareversion 4.5 kann nichts anders gelten) handelt es sich allerdings um ein standardisiertes Messverfahren, wovon auch die Generalstaatsanwaltschaft München in ihrer Stellungnahme vom 09.07.2024 ausgeht. Von der Zuverlässigkeit der Messung muss sich das Gericht nur überzeugen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gegeben sind. Solche Anhaltspunkte bestanden für das Gericht nach den Urteilsfeststellungen nicht. Die Angaben zum Messverfahren und zum Toleranzwert würden in diesem Fall die Grundlage einer ausreichenden, nachvollziehbaren Beweiswürdigung (vgl. BGHSt 39, 291; speziell zum Abstandsmessverfahren VKS zuletzt: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.09.2019 – 1 Rb 10 Ss 618/19, bei juris Rn. 12) bilden. Auf die Angaben kann nur im Falle eines glaubhaften Geständnisses des Betroffenen verzichtet werden, von dem hier nach den Urteilsgründen nicht ausgegangen werden kann.

Das OLG Bamberg (Beschl. v. 19.07.2017 – 3 Ss OWiG 836/17, bei juris; vgl. auch Gieg/Krenberger in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl., Rn. 130) hat – noch weitergehend – ausgeführt, dass bei einer im standardisierten Messverfahren erfolgten Abstandsmessung wenn sich aus den Urteilsgründen zweifelsfrei ergibt, dass ein Toleranzabzug vorgenommen wurde, es der Mitteilung des konkreten Toleranzwertes nicht mehr bedarf, da ohne weiteres davon ausgegangen werden könne, dass die nach der Gebrauchsanweisung des Herstellers vorgesehenen systemimmanenten Verkehrsfehlergrenzen bereits vom Rechenprogramm abgezogen und damit im Ergebnis berücksichtigt wurden.

Den vorgenannten Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Den Urteilsgründen lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, dass es sich bei dem zugrunde gelegten Geschwindigkeitswert von 139 km/h um den nach Abzug der (systemimmanent ermittelten) Toleranzen ermittelten Wert handelt und der Toleranzabzug dem Grunde nach auch berücksichtigt wurde.“

Die zweite Entscheidudng stammt vom OLG Brandenburg. Das AG hatte festgestellt, dass die Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren mit einem Messfahrzeug unter Verwendung der Video-Verkehrsüberwachungsanlage ProVida2000/ViDista vorgenommen worden war. dazu dann das OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.07.2024 – 1 ORbs 144/24:

„Das Amtsgericht hat festgestellt, dass die Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren mit einem Messfahrzeug unter Verwendung der Video-Verkehrsüberwachungsanlage ProVida2000/ViDista vorgenommen worden sind. Diese Messmethode ist als standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. hierzu BGHSt 39, 291 = NZV 1993, 485) anerkannt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15. November 2000 – 2 Ss OWi 1057/2000, 2 Ss OWi 1057/00; Rz. 9; OLG Köln, Beschluss vom 30. Juli 1999 – Ss 343/99 B – Rz. 17 m. w. N.; OLG Hamm, Beschluss vom 04. Dezember 2008 – 3 Ss OWi 871/08 – Rz. 19; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juni 2000 – 2b Ss (OWi) 125/00 – (OWi) 52/00 I – Rz. 20 m. w. N.; sämtlich zitiert nach juris).

Das Urteil muss deshalb feststellen, auf welcher tatsächlichen Grundlage die Geschwindigkeitsmessung beruht. Dazu gehören insbesondere Angaben darüber, ob die Messung durch elektronische Aufzeichnungen oder durch Ablesen, durch stationäre Geräte oder aus einem fahrenden Fahrzeug heraus erfolgte, wie lang ggf. die Verfolgungsstrecke und der Abstand des Polizeifahrzeugs zu dem verfolgten Fahrzeug des Betroffenen waren und welcher Toleranzabzug bei der Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung vorgenommen worden ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26. November 2019 – 2 Rb 35 Ss 795/19 –, Rz. 10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juni 2000 – 2b Ss (OWi) 125/00 – (OWi) 52/00 I –, Rz. 18; OLG Hamm, Beschluss vom 04. Dezember 2008 – 3 Ss OWi 871/08 –, Rz. 19; OLG Köln, Beschluss vom 30. Juli 1999 – Ss 343/99 B –, Rz. 17; sämtlich zitiert nach juris).

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Es enthält weder Feststellungen zum Abstand des Polizeifahrzeugs zu dem verfolgten Auto des Betroffenen noch einen bei der Geschwindigkeitsmessung berücksichtigten Toleranzabzug.“

Ein kleiner Hinweis, aber vorab lieber <<Werbemodus an>>: Das BayObLG nimmt Bezug auf Burhoff (Hrsg), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl. Das Zitat ist allerdings nicht ganz richtig. Denn die Ausführungen zur Abstandsmessung werden ab der im Mai 2024 erschienenen 7. Auflage vom Kollegen Krenberger allein bearbeitet. Das Zitat befindet sich zudem auch nicht bei der Rn 130, sondern bei der Rn 131. Wer das prüfen will, kann das Buch gern hier bestellen 🙂 . <<Werbemodus aus>>.

Verkehrsrecht II: Hier etwas zur (Akten)Einsicht, oder: Zweimal falsch, einmal richtig

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Im zweiten Posting dann ein paar Entscheidungen, die sich mal wieder/noch einma/immer noch mit der Frage der Verwendung von Messergebnissen befassen, und zwar:

Die grundsätzliche Verwertbarkeit der Ergebnisse einer Geschwindigkeitsmessung unter Verwendung eines standardisierten Messverfahrens, wie z.B. mit dem Gerät ES 8.0, hängt – entgegen der Auffassung des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs (NJW 2019, 2456; dagegen auch Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz NZV 2022, 427) – nicht von der nachträglichen Überprüfbarkeit der Daten ab, die der Messung zugrunde liegen.

 

Die Ablehnung des Antrags, der Verteidigung die gesamte Messreihe zur Verfügung zu stellen, kann nicht mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden.

Aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens und des hieraus folgenden Gebots der Waffengleichheit ergibt sich ein Recht auch auf Einsicht in Daten, welche nicht in der dem Gericht vorliegenden Akten befindlich sind, solange sie einen tatbestandsrelevanten Bezug zu der vorgeworfenen Tat aufweisen.

Tja, die Entscheidungen aus Altötting und Detmold sind falsch, liest man aber leider so immer wieder. Man muss damit leben.

OWi II: Abweichen von der Bedienungsanleitung, oder: Nachfahren zur Nachtzeit auf der Berliner Stadt-BAB

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Und hier dann im zweiten Posting zwei Entscheidungen zu Messverfahren und was damit zusammenhängt. Auch hier gibt es nur die Leitsätze:

Nicht jede Abweichung von der Bedienungsanleitung nimmt einer Messung den Charakter als standardisiertes Messverfahren. Dies ist etwa dann nicht der Fall, wenn einer vorgeschriebenen Dokumentation keine eigenständige Bedeutung für die Integrität des Messvorgangs zukommt (hier: Datum der durch die Konformitätserklärung gesondert nachgewiesenen Konformitätsbewertung).

    1. Die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit ungeeichtem Tacho ist kein standardisiertes Messverfahren, so dass sich das Tatgericht in jedem Einzelfall mit der Zuverlässigkeit der Messung und der Einhaltung der Voraussetzungen für die Verwertbarkeit auseinandersetzen muss.
    2. Bei einer GeschwindigkeitsmessungdurchNachfahren zur Nachtzeit müssen die Urteilsgründe grundsätzlich Feststellungen zu den Beleuchtungsverhältnissen enthalten und Darlegungen dazu, ob der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt war und damit ausreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte. Etwas anderes kann gelten, wenn die Beleuchtungsverhältnisse gerichtsbekannt sind.
    3. Der zum Ausgleich von Messungenauigkeiten gewährte Toleranzabzug von 22,5 % auf die gefahrene Geschwindigkeit von 160 km/h beschwert den Betroffenen nicht.