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StPO II: Wenn das Berufungsurteil „viele Fehler“ hat, oder: Man mag es nicht glauben

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Als zweites dann der BayObLG, Beschl. v. 04.06.2024 – 203 StRR 184/24. Das ist mal wieder so eine Entscheidung, bei der man die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und rufen möchte: „Das kann doch nicht wahr sein.“ Das bezieht sich allerdings nicht aus den BayObLG-Beschluss, sondern aus das landgerichtliche Berufungsurteil, das grob fehlerhaft ist/war. Daher was bei mir die Entscheidung des BayObLg auch mit dem Zusatz „viele Fehler“ gespeichert.

In der Sache geht es um eine Verurteilung wegen eines Ladendiebstahls. Die beanstandet das BayObLG. Ich stelle hier, weil es sonst zu viel wird, nur die Ausführungen des BayObLG zu den insoweit tatsächlichen Feststellungen vor – und verweise noch einmal darauf: Es handelte sich um ein Urteil einer Berufungskammer:

„1. Die Feststellungen des Landgerichts genügen nicht, um eine Verurteilung des Angeklagten wegen vollendeten Diebstahls zu tragen. Das Landgericht hat außer Acht gelassen, dass die in den Urteilsgründen gewählte Formulierung „entwendete“ ohne nähere Darlegung der Vorgehensweise des Täters nicht den Anforderungen der Rechtsprechung an die Darstellung eines vollendeten Diebstahls in einem Ladengeschäft genügt.

a) Der Begriff des Entwendens lässt offen, wie sich die Tat abgespielt hat und ob die Wegnahme im Rechtssinne vollendet wurde (St. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 19. Juli 2023 – 203 StRR 255/23 -, unveröffentlicht; BayObLG, Beschluss vom 7. April 2021 — 202 StRR 33/21 —, juris; KG Berlin, Beschluss vom 23. Oktober 2019 — 3 Ss 89/19 —, juris Rn. 8 ff.; OLG Dresden, Beschluss vom 12. März 2015 — 2 OLG 22 Ss 14/15 —, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 14. November 2013 – 111-5 RVs 111/13 juris; OLG Hamm, Beschluss vom 6. Mai 2013 – 111-5 RVs 38/13 juris; Quentin in MüKo-StPO, 2. Aufl., § 318 Rn. 39). Für eine vollendete Wegnahme ist erforderlich, dass der Täter hinsichtlich der zuzueignenden Sache fremden Gewahrsam gebrochen und neuen begründet hat (St. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 6. März 2019 – 5 StR 593/18-, juris m.w.N.; Schmitz in MüKo-StGB, 4. Aufl. § 242 Rn. 83 ff.; Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 242 Rn. 37 ff.; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 242 Rn. 16 ff.). Für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft bei einem Ladendiebstahl ist entscheidend, dass der Täter diese derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben kann und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen (BGH, Urteil vom 6. März 2019 — 5 StR 593/18 —, juris Rn. 3). Maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls (vgl. zu den möglichen Fallkonstellationen beim Ladendiebstahl Vogel/Brodowski in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Aufl., § 242 Rn. 100 ff.; Bosch a.a.O. Rn. 39). Allein der Umstand, dass die Sache zurückgegeben wurde, lässt noch keinen verlässlichen Schluss auf die Begründung von Gewahrsam von Seiten des Täters zu (vgl. BayObLG, Beschluss vom 7. April 2021 a.a.O. Rn. 5). Entsprechendes gilt für die Feststellung der gewerbsmäßigen Begehungsweise. Weder der Verweis auf ein Geständnis des Angeklagten noch die Darlegung seiner Absicht kann die fehlenden Ausführungen zu den Gewahrsamsverhältnissen kompensieren (zum Geständnis vgl. Senat a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 14. November 2013 – III-5 RVs 111/13 -, juris Rn. 9; OLG Hamm, Beschluss vom 6. Mai 2013 — III-5 RVs 38/13 juris).

b) Auch die in den Urteilsgründen nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO erfolgte Bezugnahme auf mehrere Lichtbilder, die die entwendeten Parfums zeigen, vermag die fehlenden Feststellungen nicht zu ersetzen. Nach § 267 Abs. 1 §. 1 und §. 3 StPO müssen die Urteilsgründe im Falle einer Verurteilung die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden; wegen der Einzelheiten kann auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, verwiesen werden. Satz 3 der Vorschrift gestattet jedoch nur die ergänzende Heranziehung von Abbildungen, nicht jedoch eine Verweisung auf ein Schriftstück, soweit es auf den Wortlaut ankommt (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 — 6 StR 319/21 juris Rn. 10; BGH, Urteil vom 20. Januar 2021 —2 StR 242/20 —, juris Rn. 19, 21). Da der Tatrichter nur auf die – eine Wegnahme nicht belegenden – Lichtbilder verwiesen hat, könnte der Senat aus den Abbildungen einen Gewahrsamsbruch nicht ableiten. Dass auch ein außerhalb der Lichtbilder befindlicher Text Gegenstand der Inaugenscheinnahme gewesen wäre und vom Gericht und den Beteiligten wahrgenommen worden ist, lässt sich den Ausführungen im Urteil nicht entnehmen. Der Senat darf daher die Bildunterschrift in der Revision nicht zur Kenntnis nehmen. Auf die in der Rechtsprechung nicht endgültig geklärte Frage, inwieweit ein Text innerhalb einer Abbildung von der Regelung des § 267 Abs. 1 §. 3 StPO erfasst ist (vgl. BayObLG5 Beschluss vom 31 . Januar 2022 – 202 ObOWi 106/22 juris; KG, Beschluss vom 23. April 2021BeckRS 2021, 12952; BeckOK StPO/Peglau, 51. Ed. 1.4.2024, StPO § 267 Rn. 9; Bartel in KK-StPO, 9. Aufl., § 267 Rn. 43), kommt es daher nicht an.“

Den Rest dann bitte selbst lesen. Hier müssen die Leitsätze dann reichen, und twar.

    1. Die Formulierung „entwendete“ in den Urteilsgründen ohne nähere Darlegung der Vorgehensweise des Täters genügt nicht den Anforderungen der Rechtsprechung an die Darstellung eines vollendeten Diebstahls in einem Ladengeschäft.
    2. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO gestattet nur die ergänzende Heranziehung von Abbildungen, nicht jedoch eine Verweisung auf ein Schriftstück, soweit es auf den Wortlaut ankommt.
    3. Bei der Schuldfähigkeitsbeurteilung hat der Tatrichter zwischen der Einsichts- und der Steuerungsfähigkeit zu differenzieren.
    4. In Fällen einer Kumulation von Alkohol und Betäubungsmitteln ist in der Regel die Hinzuziehung eines Sachverständigen sachdienlich.

 

Ermessen bei der Strafrechtsentschädigung, oder: Wenn die Beschuldigte „zugedröhnt“ war

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Und die zweite Entscheidung des Tages kommt vom KG. Sie hat auch mit Gebühren und/oder Kosten zu tun, allerdings schon „etwas weiter weg“. Da KG hat nämlich im KG, Beschl. v. 13.02.2019– 3 Ws 35/19 – und älter ist der Beschluss auch noch – über eine Entschädigung nach dem StrEG entschieden. Auch dazu kann ich Entscheidungen aus den Instanzen gut gebrauchen.

Ergangen ist die Entscheidung nach einem Sicherungsverfahren wegen  versuchter gefährlicher Körperverletzung. Das LG hat mit Urteil vom 29.06.2018 den Antrag der Staatsanwaltschaft abgelehnt, die Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen. Es war zwar davon überzeugt, dass die Beschwerdeführerin in der Nacht zum 12.03.2018  im Zustand der Schuldunfähigkeit eine rechtswidrige Tat der versuchten gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil eines Polizeibeamten dadurch begangen hat, dass sie mit einem Messer auf ihn einstach, jedoch versehentlich nur das Funkgerät traf. Die Strafkammer hat die Beschuldigte jedoch nicht mehr für gefährlich gehalten. Eine Entschädigung für die einstweilige Unterbringung – die Beschuldigte befand sich aufgrund Unterbringungsbefehls des AG Tiergarten vom 04.04.2018 bis zum 29.06.2018 im Krankenhaus des Maßregelvollzugs – hat das LG im Urteil abgelehnt. Hiergegen wendet sich die ehemalige Beschuldigte mit der sofortigen Beschwerde. Die hatte beim KG keinen Erfolg:

Das Landgericht hat die Entschädigung zu Recht versagt.

1. Nach den bindenden (vgl. §§ 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG, 464 Abs. 3 Satz 2 StPO) Feststellungen liegt bereits nahe, dass die ehemalige Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahmen grob fahrlässig verursacht hat, weshalb eine Entschädigung schon nach § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG ausgeschlossen wäre. Denn die Beschwerdeführerin hatte ausweislich der Urteilsfeststellungen gut 24 Stunden vor dem Tatgeschehen in einem Club, in dem sie bis zur Mittagszeit des Folgetags blieb, zunächst „etwas Amphetamin“ und sodann „ihre übliche Menge Ecstasy, Ketamin und Amphetamin“ eingenommen, um schließlich „etwas Alkohol“ zu trinken (UA S. 6). Am Nachmittag des Folgetags, dem Tattag, brach die Beschwerdeführerin, die ersichtlich nicht geschlafen hatte, zusammen. In der Folge nahm sie zunächst „noch mehr Amphetamin“ und schließlich „drei Pillen Ecstasy, zwei Einheiten Ketamin und ‚viel‘ Amphetamin“ ein (UA S. 6). Es liegt auf der Hand, dass der allein der Beschwerdeführerin anzulastende exzessive Drogenkonsum im Zusammenwirken mit der Schlaflosigkeit die psychotisch konnotierte rechtswidrige Tat zumindest erheblich begünstigt hat.

2. Ob der Rauschgiftkonsum und die Schlaflosigkeit Condicio sine qua non für die rechtswidrige Tat waren, kann im Ergebnis dahinstehen. Denn selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass diese Umstände ohne Einfluss auf das Tatgeschehen geblieben wären, hätte die Strafkammer des Landgerichts die Entschädigung mit Recht nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG versagt.

Denn die Beschwerdeführerin hat die ihr vorgeworfene rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen. In einem solchen Fall ist die Versagung der Entschädigung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG die Regel (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 1986, 249; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 61. Aufl., § 6 StrEG Rn. 6). Allerdings muss der Ermessensentscheidung grundsätzlich eine Gesamtwürdigung vorausgehen, in welche die Schwere des Tatvorwurfs und der eingetretenen Störung des Rechtsfriedens, die Gefährlichkeit des Täters sowie das Maß des Sonderopfers, das der Betroffene durch die Strafverfolgungsmaßnahme zu erleiden hatte, einfließen müssen (vgl. KG NStZ-RR 2013, 32).

Der Senat, der als Beschwerdegericht eine eigene Sachentscheidung trifft und eigenes Ermessen ausübt, folgt den vom Landgericht angestellten Überlegungen u. a. zur Schwere des Vorwurfs und der Beeinträchtigung des Rechtsfriedens sowie zum Gewicht eines von der Beschwerdeführerin erbrachten Sonderopfers (UA S. 15 f.) uneingeschränkt. Hier könnte sogar in Frage gestellt werden, ob die an paranoider Schizophrenie leidende Beschwerdeführerin, die ohne die im Krankenhaus des Maßregelvollzugs veranlasste Behandlung und Medikation gefährlich geblieben und unterzubringen gewesen wäre, überhaupt ein Sonderopfer erbracht hat. Jedenfalls verdichtet sich die Gesamtwürdigung des Landgerichts noch durch das von der Strafkammer nicht in die Überlegungen eingestellte risikoerhöhende und schuldhafte Tatvorverhalten der Beschwerdeführerin, insbesondere ihren Drogenkonsum und die Schlaflosigkeit. Unter Berücksichtigung aller Umstände wäre es unbillig, die Beschwerdeführerin, die eine gefährliche Tat begangen und hierdurch ein umfangreiches Straf- bzw. Unterbringungsverfahren veranlasst hat, für ihre einstweilige Unterbringung, die rechtmäßig war, zu entschädigen.“

Liegt im Grunde auf der Linie der Entscheidungen, wenn (nur) alkohol im Spiel ist/war. Im Zweifel also auch hier: Keine Entschädigung.

Dreimal KG, oder: Einwilligung in die Blutentnahme/Verfahrensrüge, BAK von 3,64 Promille und Strafzumessung,

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Und zum Abschluss des Tages des Verkehrsstrafrechts 🙂 eine Entscheidung des KG, und zwar das KG, Urt. v. 20.12.2016 – (3) 121 Ss 163/16 (111/16). Es geht auch um eine Verurteilung wegen einer Straßenverkehrsgefährdung. Im Verfahren haben die mit der Verletzung des Richtervorbehalts nach § 81a StPO zusammenhängenden Fragen eine Rolle gespielt. Ich stelle die Entscheidung hier heute deshalb vor, weil das KG zu der vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrüge Ausführungen macht, die man als Verteidiger im Hinblick auf § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO beachten sollte.

Dazu sagt das KG (noch einmal): Wird mit der Verfahrensrüge die Unverwertbarkeit des Ergebnisses einer Blutprobe gemacht, ist die Rüge nur dann den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend ausgeführt, wenn auch die durch die polizeilichen Zeugen gefertigte Dokumentation zur Belehrung über die Freiwilligkeit der Blutentnahme und die Einwilligung des Angeklagten dargelegt wird.

Das hatte der Kollege nicht getan und deshalb hat das KG seine Rüge als unzulässig angesehen. Vielleicht hat ihn ja ein wenig getröstet, dass das KG seine Rüge dann aber auch als unbegründet angesehen hat. Nun ja, wahrscheinlich nicht 🙂 . Jedenfalls sollte man den Punkt auf der Liste haben.

Im Übrigen ist das Urteil auch noch aus zwei weiteren Gründen von Interesse. Denn das KG hat die Annahme (nur) verminderter Schuldfähigkeit durch den Tatrichter bei einer Tatzeit-BAK von 3,64 Promille „gehalten“. Bei der Höhe der BAK m.E. schon beachtlich.

Aufgehoben hat das KG dann aber den Rechtsfolgenausspruch:

„Der Rechtsfolgenausspruch kann jedoch keinen Bestand haben. Die Erwägungen, mit denen das Amtsgericht davon abgesehen hat, den Strafrahmen nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu mildern, sind unzutreffend. Im Urteil heißt es, von der Milderungsmöglichkeit sei kein Gebrauch gemacht worden, „da es sich vorliegend um eine Verkehrsstrafsache handelt“ (UA S. 6). Eine derartig verkürzte Regel, der zufolge die hohe Alkoholisierung bei Verkehrsvergehen nicht berücksichtigt werden darf, besteht nicht (vgl. OLG Karlsruhe VRS 81, 19). Vielmehr sind keine bestimmten Deliktsarten von der Möglichkeit der Strafmilderung ausgenommen (vgl. BGH NJW 1953, 1760). Dies gilt auch für die Verkehrsvergehen (vgl. LK-Schöch, StGB 12. Aufl., § 21 Rn. 61 m.w.N.; Schönke/Schröder/Perron/Weißer, StGB 29. Aufl., § 21 Rn. 22).“

Auch die beiden Punkte sollte man „auf dem Schirm haben.“

Einsicht-/Steuerungsfähigkeit – das muss man schon auseinander halten

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Das LG verurteilt den Angeklagten wegen Totschlags. Es wird Schuldunfähigkeit verneint, was der Angeklagte mit der Revision angreift. Der BGH hebt im BGH, Beschl. v. 24.07.2012 – 2 StR 82/12 auf, und zwar mit der Begründung:

1. Die Erwägungen, aus denen das Landgericht einen Zustand der Schuldunfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Tötung seiner Lebensgefährtin ausgeschlossen hat, sind unzureichend. Auf UA. S. 6 hat es zunächst festgestellt, die Einsichts-Fähigkeit des Angeklagten sei erheblich vermindert gewesen. Dies wird im weiteren Verlauf der Urteilsgründe dahin korrigiert, dass durch das vorhandene hirnorganische Psychosyndrom in Verbindung mit der Alkoholisierung zur Tatzeit die Steuerungs-Fähigkeit des Angeklagten erheblich eingeschränkt gewesen sei, da er in einem Zustand der Bewusstseinseinen-gung durch einen schwerwiegenden Affekt „quasi haften geblieben“ sei. Zum Ausschluss einer vollständigen Aufhebung der Steuerungsfähigkeit ist nur aus-geführt: „Dies sei nach Erläuterung des Sachverständigen unschwer daran zu erkennen, dass das Handeln des Angeklagten – vom Holen und Laden der Waf-fe, dem Hinaufgehen in den ersten Stock bis hin zum Entladen und wieder Wegschließen der Waffe – nur aus gesteuertem Verhalten heraus zu erklären ist“ (UA S. 21). Diese Ausführung legt nahe, dass das Landgericht sich ohne eigene Beurteilung einer Ansicht des Sachverständigen angeschlossen hat, die ihrerseits auf einer unzutreffenden und eingeengten Vorstellung vom Inhalt des Begriffs der Steuerungsunfähigkeit beruht.

 

 

Verletzung der Grundrechte bei Freispruch wegen Schuldunfähigkeit?

Eine mögliche Verletzung der Grundrechte mangels Widerspruchsmöglichkeit hatte Die Linke in einer Kleinen Anfrage (BT-Drs. 16/11011) thematisiert. Die Antwort der Bundesregierung liegt darauf nun vor. Ein rechtsstaatliches Defizit liegt nach Ansicht der Bundesregierung nicht vor, wenn der Angeklagte bei einem Strafverfahren wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen wird und ihm danach keine Rechtsmittel zur Verfügung stehen. Das erklärt sie in ihrer Antwort (BT-Drs. 16/11316). Das freisprechende Urteil ergehe in einem rechtsstaatlichen Verfahren nach einem Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör durch ein unabhängiges Gericht. Verfassungsrechtlich sei es nicht erforderlich, dass gegen ein verfahrensfehlerfrei ergangenes Gerichtsurteil ein Rechtsbehelf gegeben ist. Auch unter dem Gesichtspunkt des Verfahrensrechtes bestünden keine Defizite im Blick auf effektiven Rechtsschutz. Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn dem Angeklagten ein Rechtsmittel gegen ein freisprechendes Strafurteil nicht gegeben werde. Einen Anspruch darauf, aus einem gewünschten Grunde freigesprochen zu werden, gebe es nicht.

Strafgerichtliche Entscheidungen, durch die ein Strafverfahren wegen erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit durch Freispruch abgeschlossen worden sei, würden in ein Führungszeugnis für private Zwecke nicht eingetragen. Eine unbeschränkte Auskunft erhielten nur Gerichte und eine gesetzlich bestimmte Auswahl von Behörden.

Die Antwort der Bundesregierung BT-Drs. 16/11316 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LNKE BT-Drs. 16/11011 finden Sie im Internetangebot der Deutschen Bundestages.