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Pflichti III: Pflichtverteidiger im Revisionsverfahren, oder: Wie alt darf RVG-Literatur bei einem OLG sein??

© SZ-Designs - Fotolia.com

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Nach Pflichti I und Pflicht II (vgl. den LG Köln, Beschl. v. 19.07.2016 – 108 Qs 31/16 – mit Pflichti I: Schwierig ist das Verfahren, wenn es um ein Beweisverwertungsverbot geht und den LG Bielefeld, Beschl. v. 07.09.2016 – 8 Qs 379/16 VIII mit Pflichti II: Umbeiordnung, oder: Die „Masche“ mit den Mehrkosten läuft so nicht) nun noch den OLG Köln, Beschl. v. 29.07.2016 – 2 Ws 504/16 -. Der behandelt u.a. auch eine gebührenrechtliche Frage. Zunächst geht es aber mal um die Frage der Beiordnung des Rechtsanwalts im Revisionsverfahren. Der Angeklagte war im 1. Rechtszug durch Rechtsanwalt H als Wahlverteidiger vertreten. Nach der Verurteilung des Angeklagten legte der Verteidiger das Wahlmandat nieder und beantragte seine Beiordnung. Der Antrag ist abgelehnt worden, weil die Revisionsbegründungsschrift des Verteidigers bereits vorlag. Eine nachträgliche Pflichtverteidigerbeiordnung sei aber nicht zulässig. Die Beschwerde des Angeklagten hatte Erfolg.

Das OLG sagt – so jedenfalls die Veröffentlichung des Beschlusses im StraFo 2016, 382, wo ich den Beschluss entnommen habe:

„Rechtsanwalt H ist … für das Revisionsverfahren beizuordnen. Es besteht ein Fall notwendiger Verteidigung …, da der Angekl wegen eines Verbrechens angeklagt und erstinstanzlich verurteilt worden ist. Ist aber die Mitwirkung eines Verteidigers erforderlich, so ist sie dies für das gesamte Verfahren bis zur Urteilsrechtskraft. Auch im Revisionsverfahren – selbst nach Einlegung und Begründung der Revision – darf der Angekl nicht ohne Verteidiger gelassen werden (Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 140 Rn 5f; Laufhütte, in: KK, StPO, 7: Aufl., § 140 Rn 4 jeweils m.w.N.). Ist der Angekl nach Abschluss der Hauptverhandlung nicht mehr verteidigt, hat der Vorsitzende des Tatgerichts von Amts wegen einen Verteidiger zu bestellen (Laufhütte a.a.O.). Vorliegend hat Rechtsanwalt H das Wahlmandat … niedergelegt. Mit Eingang dieses Schriftsatzes beim LG war dem Angekl daher – unabhängig von einem entsprechenden Antrag – ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Die Frage, ob eine Beiordnung rückwirkend erfolgen kann, stellt sich vorliegend nicht, da das Revisionsverfahren noch nicht abgeschlossen ist und der Pflichtverteidiger die Verfahrensgebühr nach [Nr]. 4130 W RVG, die eine Art Pauschgebühr darstellt (Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., Nr. 3100 VV RVG Rn 11) nicht nur für die Einlegung und Begründung der Revision, sondern unabhängig davon für das Betreiben des Geschäfts erhält (Madert, in: Gerold/Schmitt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., 4130 VV RVG Rn 3). Darunter fallen weitere Tätigkeiten außerhalb einer Revisionshauptverhandlung wie die Entgegennahme und Besprechung einer Revisionsgegenerklärung der StA und des Revisionsantrags des GBA und insgesamt [die] Begleitung des Angekl im Revisionsverfahren. Eine auf die Begründung der Revision beschränkte Beiordnung, die die gegenüber der Gebühr nach [Nr]. 4130 VV RVG geringere Gebühr nach [Nr]. 4302 Nr. 1 VV RVG auslöst, kommt vorliegend nicht in Betracht, da der Angekl unter den hier gegebenen Voraussetzungen bis zur Rechtskraft des Urteils verteidigt sein muss.“

Alles richtig und nicht zu beanstanden. Aber etwas zu meckern gibt es dann doch: Das OLG bezieht sich zur Begründung des Pauschalcharakters der Verfahrensgebühr Nr. 4130 VV RVG auf „Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., Nr. 3100 VV RVG Rn 11“. Überraschend daran ist zunächst, dass an der Stelle zu der vom OLG aufgeworfenen Frage nichts steht, was auch nicht sein kann, da es um eine Gebühr aus dem Teil 3 VV RVG geht. Überraschend ist aber auch, wenn es sich nicht um einen Schreibfehler handelt, dass das OLG die 40. Aufl. des Hartmann zitiert, obwohl inzwischen die 46. Auflage vorliegt. Man fragt sich dann doch wieder, wie leer eigentlich die öffentlichen Kassen sind, wenn ein Strafsenat eines OLG eine so alte Auflage heranzieht. Nun, sie müssen leer sein, weil das OLG nämlich an anderer Stelle als Beleg „Madert, in: Gerold/Schmitt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., 4130 VV RVG Rn 3“ anführt, der „Gerold/Schmidt“ aber inzwischen in der 22. Auflage vorliegt. Die 16. Auflage ist RVG-Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes. Denn sie stammt aus dem Jahr 2004 und ist die erste Auflage des Kommentars zum RVG. So viel zur Aktualität und zum Inhalt von OLG-Bibliotheken.

Vielleicht starten wir mal einen Spendenaufruf?

Aufhebung der vorläufigen Entziehung im Revisionsverfahren, gibts das? Ja, das gibt es…

entnommen wikimedia.org Urheber Bundesrepublik Deutschland, Bundesministerium des Innern

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Der ein oder andere Leser wird sich fragen: Aufhebung der vorläufigen Entziehung im Revisionsverfahre, gibt es das? Antwort: Ja, aber….. Grudnsätzlich ist zwar die vom Tatgericht vorgenommene Wertung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB und damit der mangelnden charakterlichen Eignung des Angeklagten nach der Rechtsprechung der Obergerichte vom Beschwerdegericht hinzunehmen, so auch das OLG Karlsruhe im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.08.2016 – 3 Ws 591/16. Eine vom tatrichterlichen Urteil abweichende Beurteilung der Voraussetzungen des § 69 StGB und damit der des § 111 a StPO kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Einen solchen hat das OLG dann allerdings angenommen.

Den Ausnahmefall hat das OLG damit begründet, dass die schriftlichen Urteilsgründe des landgerichtlichen Berufungsurteils, durch das dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen worden war, einen materiell-rechtlichen Fehler aufweisen, der einen Erfolg der vom Angeklagten eingelegten Revision mit großer Wahrscheinlichkeit erwarten lasse. Gestritten wurde in dem Verfahren wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) nämlich um die Frage, ob die charakterliche Ungeeignetheit des Angeklagten wegen seiner Teilnahme an einer (Heilungbehandlung/Sicherung)-Langzeit-Rehabilitationsmaßnahme der IVT-Hö Berlin, bei der insgesamt schon 160 Therapiestunden abgeleistet hatte, entfallen war. Das LG hatte das verneint und einen vom Verteidiger daraufhin gestellten (Hilfs)Beweisantrag mit eigener Sachkunde (§ 244 Abs. 4 StPO) abgelehnt. Das scheint dem OLG nicht auszureichen, so dass die Revision Erfolge haben dürfte und damit die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB und damit auch für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO nicht vorliegen.

Fazit: Aufhebung der vorläufigen Maßnahme. Ein Ergebnis, das im Revisionsverfahren sicherlich nicht so häufig ist.

Fragen und Antworten zu: Kurios, der BGH entscheidet über einen Urteilsentwurf, oder: Neue Technik

© bluedesign - Fotolia.com

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Mein heutiger „Mittagsbeitrag“ zum BGH, Beschl. v. 10.09.2015 – 4 StR 24/15 (vgl. dazu Kurios, der BGH entscheidet über einen Urteilsentwurf, oder: Neue Technik) hat dann in den Kommentaren – hier im Blog und auch bei Facebook – ein paar Fragen aufgeworfen, auf die ich dann doch eben eingehen will.

1. Für einige Leser stellte sich die Frage bzw. sie sahen die Möglichkeit, dass die Strafkammer nun ja die Gelegenheit habe, ihr Urteil „nachzubessern“ und damit die Revision ins Leere laufen lassen könne.

Nun, das geht nicht (mehr). Im BGH, Beschl. heißt es: „Die vom Berichterstatter der Strafkammer des Landgerichts auf der Grundlage der Beratung verfasste, fünfzehn Seiten umfassende und zur Zustellung an die Verfahrensbeteiligten bestimmte Urteilsurkunde wurde von den berufsrichterlichen Mitgliedern der Strafkammer unterschrieben und gelangte am 26. November 2014 und damit rechtzeitig zur Geschäftsstelle.“ Es hat also ein (unterschriebenes) Urteil gegeben. Nur bei der Zustellung hat es einen Fehler gegeben: „Entgegen der Zustellungsverfügung des Vorsitzenden vom 26. November 2014 wurde dem Verteidiger nicht die fünfzehnseitige Urteilsurkunde, sondern der neunseitige Urteilsentwurf, der als Ausfertigung nicht als Entwurf erkennbar war, zugestellt.“ Das Revisionsverfahren ist also auf falscher Grundlage durchgeführt worden.

Es muss jetzt auf der richtigen Grundlage, nämlich dem fünfzehnseitigen „richtigen“ Urteil neu durchgeführt werden. An dem Urteil kann aber die Kammer nichts mehr ändern. Denn die Urteilsbegründungsfrist des § 275 StPO ist abgelaufen und wird nicht neu in Lauf gesetzt.

Die Revisionsbegründungsfrist läuft allerdings für den Angeklagten neu. Er kann also neu/noch einmal die Revision begründen.

Im Übrigen: Bis auf den Zustellungsfehler ein völlig normaler Vorgang. Es gibt einen Urteilsentwurf, der dann in das endgültige Urteil mündet. Und da ist auch nichts „ausgetauscht“, sondern an dem Entwurf wird gearbeitet.

2. Auch gebührenrechtlich ist der Fall ganz interessant. Denn:

Die Revisionsgebühren sind entstanden. Die Revisionsinstanz beginnt mit der Einlegung des Rechtsmittels. Sie fallen nicht nachträglich wieder weg. Das folgt aus § 15 Abs. 4 RVG.

Durch die Aufhebung des „Urteilsentwurfs“ und die Zurückverweisung ist ein neuer Rechtszug entstanden. Die bei den Verteidigern hier ggf. bereits entstandenen Gebühren sind m.E. durch die Aufhebung der Aufhebung nicht weggefallen. Das ist ebenfalls der Rechtsgedanke des § 15 Abs. 4 RVG.

Wir befinden uns jetzt aber wieder in der Revisionsinstanz. M.E. ist es aber dieselbe Angelegenheit wie die ursprüngliche Revision, die mit der Aufhebung des Urteilsentwurfs geendet hatte. Das bedeutet, dass die Gebühr Nr. 4130 VV RVG nach den Grundsätzen des § 15 RVG nicht noch einmal entsteht. Wenn der Verteidiger Wahlanwalt ist, muss er den Mehraufwand durch die „doppelte Revision“ über § 14 RVG geltend machen. War er Pflichtverteidiger bleibt ggf. nur der Weg über eine Pauschgebühr nach § 51 RVG.

3. Erstattungsfragen stellen sich m.E. nicht. Denn der BGH hatte aufgehoben und zurückverwiesen. Es gab also noch keine endgültige Kostengrundentscheidung, die die Staatskasse zur Erstattung verpflichtet hätte. M.E. wird man aber den durch die Aufhebung der Aufhebung entstandenen Mehraufwand in der endgültigen Kostenentscheidung der Staatskasse auferlegen können/müssen. Falsche Sachbehandlung.

So, ich hoffe, dass dann keine Fragen mehr offen sind.

„Fall Thomas Fischer“?, oder: Klatsche für ….?

entnommen openclipart.org

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Nun, ob der OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 03.02.2016 – 1 Ws 186/15 – ein „Fall Thomas Fischer“ ist – so mein Lieblingsurteilslieferant, der mich auf den Beschluss hingewiesen hat – weiß ich nicht. Jedenfalls ist es aber eine Sache, die vor ein paar Tagen auch schon die Presse interessiert hat – die FAZ hat unter demTitel „Bundesgerichtshof Immer nur um Fischer Wie „Deutschlands bekanntester Strafrichter“ seine Arbeit macht. Oder auch nicht.“ berichtet – und es ist m.E. ein Beschluss, der einen Blogbeitrag wert ist. Denn er ist – in meinen Augen – eine Klatsche, wobei ich offen lassen will, ob nur für den Vorsitzenden des 2. Strafsenats des BGH, oder vielleicht auch noch den BGH oder auch noch die Justizverwaltung, die mit der personellen Ausstattung der Justizbehörden nicht ganz so spendabel ist.

Was ist passiert? Nun, es geht in erster Linie mal nicht um Thomas Fischer, sondern um einen Angeklagten, der am 23.04.2013 vorläufig festgenommen worden ist. Einen Monat später die Anklage, Urteil des LG Gießen auch recht zügig, schon am 26.09.2013 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitsichführen einer Schusswaffe tateinheitlich mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 3 Monaten; ferner wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB angeordnet. Dagegen die Revision. Am 28.01.2014 fertigte der GBA seine Stellungnahme. Die Stellungnahme wurde dem Verteidiger am 06.02.2014 zugestellt. Die Stellungnahme des GBA ging am 05.02.2014 beim BGH ein.

Aber dann stellt das OLG auf der Grundlage der zuvor von ihm (genüsslich) referierten Grundsätze des Beschleunigungsgrundsatzes und der Rechtsprechung des BVerfG fest:

Die Prüfung des Verfahrensverlaufs ergibt, dass das Verfahren bis Eingang beim Bundesgerichtshof am 05.02.2014 mit der gebotenen Beschleunigung gefördert worden ist….“

um dann anzuschließen:

„Nach den genannten Maßstäben ist bei weiterer Prüfung jedoch festzustellen, dass das Verfahren nach Eingang beim Bundesgerichtshof (Az.: …) am 05.02.2014 den Vorgaben des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen nicht mehr vollständig gerecht wird. Eine relevante Verfahrensverzögerung ergibt sich insofern daraus, dass die Akten dem Berichterstatter durch den Vorsitzenden erst am 26.05.2014 zugeleitet wurden. Bereits diese mangelnde Förderung des Verfahrens zwischen Eingang des Verfahrens und Zuweisung an den Berichterstatter im Jahr 2014 führt zur Annahme der Unverhältnismäßigkeit der Haftfortdauer.“

Das war es dann an sich schon für die Frage der weiteren Haftfortdauer – die Aufhebung des Haftbefehls ist/war unvermeidlich. Aber das OLG lässt es sich nicht nehmen:

„..Ein sachlicher Grund, welcher den Zeitraum von etwa drei Monaten zwischen Ablauf der Frist zur Gegenerklärung und Zuweisung rechtfertigt und eine den staatlichen Verfolgungsorganen zurechenbare und vermeidbare Verfahrensverzögerung ausschießt, ist nicht ersichtlich. Selbst unter Berücksichtigung einer angemessen Bearbeitungszeit hätte im vorliegenden Verfahren, welches sich als nicht überdurchschnittlich umfangreich und schwierig darstellt, nach Ablauf der Frist zur Stellungnahme mit einer Zuleitung binnen einer Woche gerechnet werden können…..“

Und man hat es auch genau wissen wollen und hatte beim Vorsitzenden des 2. Strafsenats Thomas Fischer nachgefragt:

„Der Vorsitzende Richter des zuständigen 2. Strafsenats am Bundesgerichthof hat auf Nachfrage des Senats mit Schreiben vom 13.01.2016 folgende Stellungnahme abgegeben:

„(…), auf Ihre Anfrage teile ich mit, dass mir die Sache … vermutlich am 07. Februar 2014 zugeleitet wurde. Am 26. Mai 2014 habe ich das Senatsheft gelesen und an den Berichterstatter zugeleitet. Besondere Gründe in der Sache, die zu der überdurchschnittlich langen Liegezeit bei mir Anlass gaben, gab es nicht. Die Verzögerung beruhte vielmehr auf der allgemeinen Geschäftslage des Senats mit einer hohen Rückstandszahl, weit überdurchschnittlich zahlreichen Hauptverhandlungen und einer Reihe von schwierigen und umfangreichen Verfahren.“

Und das OLG setzt dann noch „einen drauf“ und meint: Nicht nur verzögert, sondern noch nicht mal dann schneller gearbeitet, als die Verzögerung eingetreten war. Denn:

„Zwar kann die kurzfristige, weder voraussehbare noch vermeidbare Überlastung des Gerichts einen wichtigen Grund für eine Verzögerung des Verfahrens darstellen, nicht jedoch eine nicht behebbare Belastung des Spruchkörpers. Gemäß der Stellungnahme des Vorsitzenden des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs kann zum damaligen Zeitpunkt nicht von einer nur kurzfristigen Überlastung des Gerichts gesprochen werden, da er ausdrücklich die hohe Rückstandszahl, weit überdurchschnittlich zahlreiche Hauptverhandlungen und eine Reihe von schwierigen und umfangreichen Verfahren anspricht. Es verbleibt deshalb bei einer der Justiz zuzurechnenden Verfahrensverzögerung von rund drei Monaten, die unter Beschleunigungsaspekten nicht mehr hinzunehmen ist.

Die Verzögerung des Verfahrens ist auch nicht etwa durch eine spätere besonders intensive Bearbeitung ausgeglichen worden, auch wenn Verzögerungen letztlich auf den Verteidiger des Angeklagten Rechtsanwalt A teilweise zurückzuführen sind. Unabhängig davon, ob die Heilung einer schon eingetretenen Verletzung des verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatzes durch nachfolgende überpflichtmäßige Beschleunigung überhaupt möglich ist [hierzu BVerfG, NJW 2006, 272], wären die Strafverfolgungsorgane und Gerichte nunmehr verpflichtet gewesen, das Verfahren mit der größtmöglichen Beschleunigung zu betreiben. Gemessen daran stellt sich die weitere Bearbeitung nicht als eine hervorzuhebende besondere Förderung dar.“

Fazit für das OLG:

„Auch wenn sich mit der Verurteilung – auch wenn diese noch nicht rechtskräftig ist – das Gewicht des staatlichen Strafanspruchs vergrößert [BVerfG, Beschluss vom 22.02.2005, 2 BvR 109/05, BeckRS 2005, 24599], ist die vorliegend eingetretene – von den Justizbehörden zu vertretende Verfahrensverzögerung – in einem durchschnittlich gelagerten (Revisions-) Verfahren wie dem hiesigen – der Angeklagte war in der Hauptverhandlung in vollem Umfang geständig – selbst unter Berücksichtigung der Schwere der Tat und der zu erwartenden mehrjährigen Freiheitsstrafe nicht mehr zu rechtfertigten. Hier ist maßgeblich in Blick zu nehmen, dass die Untersuchungshaft inzwischen über zwei Jahre und neun Monate andauert. Bei einer derart langen Dauer der Untersuchungshaft ist auch einer einzelnen Verzögerung von etwa drei Monaten besonderes Gewicht beizumessen.“

Fazit für mich und hoffentlich auch für den Leser: Wenn nicht ein „Fall Thomas Fischer“, dann aber zumindest eine Klatsche. Und der ein oder andere Richterkollege des Kollegen Fischer wird es sicherlich gern lesen….. Ich frage mich dann aber auch: Was hat das OLG Frankfurt bewogen, es so deutlich/breit auszuführen? Retourkutsche?

Pflichtverteidiger im Revisionsverfahren – wer entscheidet?

© Dan Race - Fotolia.com

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Für die Bestellung eines Pflichtverteidigers für das Revisionsverfahren gibt es eine im Grunde ganz einfach Zuständigkeitsabgrenzung. Geht es um die Bestellung eines Pflichtverteidigers allgemein für das Revisionsverfahren – oder auch um die Auswechselung des bisherigen Pflichtverteidigers – ist der Vorsitzende des Gerichts dessen Urteil angefochten wird, zuständig. Geht es hingegen um die Pflichtverteidigung in der Revisionshauptverhandlung, ist das Revisionsgericht an der Reihe. Darauf weist noch einmal der BGH, Beschl. v. 02.07.2014 – 1 StR 740/13 hin:

„Der Wahlverteidiger der Angeklagten, Rechtsanwalt M. , hat bereits nach Einlegung der Revision bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) seine Beiordnung als Pflichtverteidiger unter Entpflichtung des bisherigen Pflichtverteidigers beantragt. Der Vorsitzende des Landgerichts Frankfurt (Oder) hat diesen Antrag mit Beschluss vom 22. August 2013 abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Oberlandesgericht Brandenburg durch Beschluss vom 7. November 2013 zurück. In der Zwischenzeit wurde von Rechtsanwalt M. die Revision formgerecht begründet. Mit Schriftsatz vom 10. April 2014 hat Rechtsanwalt M. erneut seine Beiordnung als Pflichtverteidiger für das Revisionsverfahren beantragt, diesmal durch den Bundesgerichtshof.

Der Antrag hat keinen Erfolg. Für den Antrag eines Angeklagten, ihm für das Revisionsverfahren anstelle des bisherigen Pflichtverteidigers einen anderen Pflichtverteidiger beizuordnen, ist – anders als für die Wahrnehmung der Revisionshauptverhandlung – grundsätzlich der Vorsitzende des Gerichts, dessen Urteil angefochten worden ist, zuständig (BGH, Beschluss vom 17. Juni 1999 – 4 StR 229/99, BGHR StPO § 141 Bestellung 3). Der zuständige Vorsitzende des Landgerichts Frankfurt (Oder) hat die Beiordnung abgelehnt, das Oberlandesgericht Brandenburg hat diese Entscheidung bestätigt. Ein Ausnahmefall, wie er der Entscheidung des Senats vom 11. Juli 1996 (1 StR 352/96, NStZ 1997, 48 f.) zugrunde lag, liegt ersichtlich nicht vor. Dass der Verurteilung eine Verständigung nach § 257c StPO zugrunde lag, führt zu kei-ner anderen Bewertung. Damit ist auch der Antrag vom 30. Mai 2014 beschieden.“