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Konkludente Annahmeberufung – gibt es so was?

Im Strafverfahren bedarf die Berufung nach § 313 StPO in den dort bestimmten Fällen  – u.a. Geldstrafe von nicht mehr als 15 Tagessätzen – der Annahme durch das Berufungsgericht. In der Praxis wird um die Anfechtbarkeit der sog. Annahmeentscheidung des Berufungsgerichts gestritten. § 322a Abs. 2 StPO schließt die Anfechtbarkeit ausdrücklich aus. Davon gibt es ein paar Ausnahme. Eine greift dann ein, wenn das Berufungsgericht die Berufung angenommen hat und nun von seiner Annahmeentscheidung wieder abrücken will. Hintergrund für diese Auffassung ist, dass „die erste Entscheidung mit Blick auf ihre Unanfechtbarkeit (§ 323a S. 2 StPO) zu Gunsten des Angeklagten Bestandsschutz entfaltet (OLG Zweibrücken, NStZ-RR 2002, 245;…„. Das hat vor einiger Zeit auch noch einmal das OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.04.2011 – 3 Ws 402/11 ausgeführt und zugleich in dem dort entschiedenen Fall eine Annahmeentscheidung angenommen, und zwar mit folgender Begründung.

„Zwar hat die Kammer keine ausdrückliche Annahmeentscheidung getroffen. Hat das Landgericht auf die Berufung des Angeklagten Termin zur Hauptverhandlung bestimmt und den Angeklagten sowie seinen Verteidiger geladen, so liegt darin regelmäßig die stillschweigende Annahme der Berufung (OLG Zweibrücken a.a.O.; Meyer-Goßner, § 322a Rn 3, Frisch, in: SK-StPO § 322a Rn 3; Brunner, in: KMR-StPO, § 322a Rn 2 – jeweils m.w.N.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – die Terminsverfügung und Ladung innerhalb der Revisionsbegründungsfrist erfolgte, die Nichtannahmeentscheidung aber erst nach deren Ablauf zuging. Denn in diesem Falle ist die erwirkte Position des Angeklagten im besonderen Maße schützenswert.

Auch in Fällen der Annahmeberufung ist die Sprungrevision nämlich uneingeschränkt zulässig (BGHSt 40, 395, 397; Senat, Beschl. v. 13.07.1998 – 3 Ss 165/98). Der Rechtsmittelführer kann selbst dann, wenn er sein Rechtsmittel bei Einlegung als Berufung bezeichnet, noch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist zur Revision übergehen (BGH a.a.O.). Diese Möglichkeit verbleibt ihm auch und gerade dann, wenn die Berufungskammer die Berufung gem. § 313 II StPO verworfen hat (vgl. KG, NStZ-RR 1999, 146, Meyer-Goßner, § 335 Rn 3).

Ruhe nach dem Sturm – aber mal wieder was Neues zu § 81a Abs. 2 StPO

„Ruhe nach dem Sturm“, so könnte man den derzeitigen Stand der Rechtsprechung zu § 81a StPO, also zum Richtervorbehalt für die Anordnung der Entnahme eine Blutprobe bezeichnen.

Nachdem die Rechtsprechung sich mit der Problematik nach der Entscheidung des BVerfG vom 12.02.2007 in zahlreichen Entscheidungen hat befassen müssen, scheint jetzt einigermaßen Ruhe eingekehrt zu sein. Das gilt insbesondere, nachdem das BVerfG inzwischen ja nun zum vierten Mal zu der Problematik Stellung genommen und ein Beweisverwertungsverbot bei fehlendem richterlichen Eildienst verneint hat.

Gelegentlich weht aber noch mal ein laues Lüftchen durch den Rechtsprechungswald. Dazu zählt z.B. OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.07.2011 – 2 Ss OWi 887/10. Das OLG hat zur Gefahr im Verzug Stellung genommen und ausgeführt, dass an einem Werktag zur Mittagszeit i.d.R.  ein Ermittlungsrichter zu erreichen ist. Daher sei ein Polizeibeamter gehalten vor einer selbständigen Anordnung einer Blutentnahme durch den Polizeibeamten selbst, zumindest telefonisch eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Ein Beweisverwertungsverbot hat das OLG dann aber – wie nicht anders zu erwarten – wegen mangelnder Willkür (= nicht eindeutige Rechtsprechung zur Vorfallszeit) verneint.

Grundsatz des rechtlichen Gehörs – wann ist er bei einem Verwerfungsurteil verletzt?

Ich hatte ja gestern in anderem Zusammenhang, nämlich wegen der verfahrensrechtlichen Besonderheiten der „Kehrtwende des OLG“ über OLG Hamm, Beschl. v. 13.07.2011 – III 4 RBs 193/11 berichtet.

Dazu stellt sich aber auch eine materielle Frage. Nämlich: Wann liegt, wenn einem Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG nicht entsprochen wird, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs mit der Folge der Zulässigkeit/Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG vor? Nur bei Willkür oder in jedem Fall?

Das OLG Hamm sagt: Allein der Umstand, dass einem Entbindungsantrag objektiv hätte entsprochen werden müssen und somit ein Urteil nach § 74 Abs. 2 OWiG nicht hätte ergehen dürfen, begründet die Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Anders wird das vom OLG Frankfurt gesehen, dass in seiner Rechtsprechung sagt: Eine zur Zulassung der Rechtsbeschwerde führende Gehörsverletzung in Folge der rechtsfehlerhaften Ablehnung eines Entbindungsantrages nach § 73 Abs. 2 OWiG und anschließender Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid nach § 74 Abs. 2 OWiG liegt nur vor, wenn das AG seine prozessuale Fürsorgepflicht willkürlich verletzt hat und deshalb die Einlassung des Betroffenen zur Sache unberücksichtigt geblieben ist (so z.B. im OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.07.2011 – 2 Ss-OWi 398/11).

Letzteres ist etwas ganz anderes und m.E. zu eng und – so wie ich es sehe – auch nicht h.M. Interessant ist dann die weitere Frage: Vorlagepflichtig? Der BGH wird sich freuen?

Die Absicht, „schulmeisterlich zu belehren“…

reicht nicht aus, um einen Antrag des Betroffenen, ihn von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden (§ 73 Abs. 2 OWiG), abzulehnen. So das OLG Frankfurt in OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.07.2011 – 2 Ss-OWi 375/11. Dort hatte das AG einen Entbindungsantrag des Betroffenen abgelehnt mit der Begründung – so lässt es sich dem OLG Frankfurt-Beschluss entnehmen -, „dass es dem Betroffenen die Funktionsweise des Messgeräts erläutern und ihn über Sinn und Zweck von Ge­schwindigkeitsmessungen belehren wolle.“ Man ist ja schon erstaunt, wozu die StPO/das OWiG offenbar verpflichtet…

Dazu das OLG Frankfurt in seinem Beschluss:

Eine zur Zulassung der Rechtsbeschwerde führende Gehörsverletzung muss deshalb nicht immer vorliegen, wenn in Folge der rechtsfehlerhaften Ablehnung eines Entbindungsantrages nach § 73 Abs. 2 OWiG und anschließender Verwerfung des Ein­spruchs gegen den Bußgeldbescheid nach § 74. Abs. 2 OWiG die Einlassung des Be­troffenen zur Sache unberücksichtigt geblieben ist. Anders läge es, wenn das Amts­gericht unter gleichsam willkürlicher Verletzung seiner prozessualen Fürsorgepflicht und/oder des Grundsatzes eines fairen Verfahrens das unabdingbare Mindestmaß verfassungsrechtlich verbürgten rechtlichen Gehörs verletzt hätte (vgl. BVerfG NJW 1992, 2811). Dies wird bei Maßnahmen angenommen, die auf unsachlichen, sich von den gesetzlichen Maßstäben völlig entfernenden Erwägungen beruhen und unter kei­nem Gesichtspunkt vertretbar erscheinen.

Das ist hier der Fall. Vorliegend hat das Amtsgericht die Entscheidung über die Ab­lehnung des Entbindungsantrages damit begründet, dass es dem Betroffenen die Funktionsweise des Messgeräts erläutern und ihn über Sinn und Zweck von Ge­schwindigkeitsmessungen belehren wolle. Hieraus ergibt sich gleichzeitig, dass das Amtsgericht die Anwesenheit des Betroffenen — auch nicht ansatzweise – zur Auf­klärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts für erforderlich erachtete. Die Erzwingung der Anwesenheit des Betroffenen allein mit dem Ziel, diesen in der Haupt­verhandlung schulmeisterhaft zu belehren, stellt sich aber nach Auffassung des Se­nats als Maßnahme dar, die auf einer unsachlichen, sich von den gesetzlichen Maß­stäben des § 73 Abs. 2 OWG völlig entfernenden Erwägung beruht und unter keinem Gesichtspunkt vertretbar erscheint.“

Zutreffend. M.E. nicht zutreffend ist i.Ü. der grundsätzliche Ansatz des OLG, dass in den Fällen der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Ablehnung eines berechtigten Entbindungsantrags die Versagung rechtlichen Gehörs und die damit begründete Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG offenbar nur bei willkürlichem Handeln des AG in Betracht kommen soll. Das scheint ständige Rechtsprechung des OLG zu sein. Ist m.E. aber nicht richtig und wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung der anderen OLG auch anders gesehen.

Die schwarz bezahlte Hochzeitsfeier

Was es nicht alles gibt.

Ein türkisches – inzwischen – Ehepaar will den Veranstalter ihrer zunächst mit diesem geplanten Hochzeitsfeier auf Schadensersatz in Höhe von rund 12.000 € wegen Nichterfüllung eines Bewirtungsvertrages in Anspruch nehmen. Laut schriftlichem Vertrag sollte der Veranstalter im Frühjahr 2010 eine türkische Hochzeit mit 620 Personen im Veranstaltungssaal eines Landkreises durchführen. Neben dem im Vertrag genannten Preis (rund 6.300 €) sollte ein Großteil der Vergütung – 50 % – „schwarz“ gezahlt werden. Nachdem sich abzeichnete, dass der Saal am geplanten Tag noch nicht fertig gestellt sein würde, wich das Ehepaar auf andere Räumlichkeiten aus. Da in den neuen Räumen nur eine Bewirtung von 400 Personen möglich war, hätten – so das Ehepaar – 220 Gäste wieder ausgeladen werden müssen. Hierdurch seien ihnen Geld- und Goldgeschenke im Wert zwischen 50 und 100 € entgangen, was insgesamt einen Betrag 8.250 € ausmache. Diese forderte das türkische Ehepaar vom Veranstalter. Weiterhin fordert das Ehepaar von dem Veranstalter Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie weiter angefallene Kosten für die Hochzeitsfeier in den Ausweichräumen. Das Ganze sollte über PKH laufen.

Der PKH-Antrag ist dann – zum Schluss beim OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.05.2011  – 19 W 29/11 gescheitert. Zur Begründung führt das OLG aus: Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch scheitere schon daran, dass ein Teil der Vergütung an den Veranstalter „schwarz“ habe gezahlt werden sollen. Da dies offenbar der Steuerhinterziehung habe dienen sollen, sei der gesamte Vertrag nichtig. Es komme hinzu – so das OLG weiter -, dass es sich bei dem von dem Ehepaar geltend gemachten „entgangenen Gewinn“ in Form der Gastgeschenke nicht um einen erstattungsfähigen Schaden handele. Zwar solle der Schadensersatzanspruch den Berechtigten so stellen, wie er stünde, wenn der Vertrag ordnungsgemäß durchgeführt worden wäre. Der Zweck einer Hochzeitsfeier sei aber nicht darauf gerichtet, wie bei einer gewerblichen Veranstaltung Gewinne zu erzielen. Die von dem Veranstalter übernommene Pflicht habe daher nicht darin bestanden, dem Ehepaar zu einem Gewinn in Form von Geld- und Goldgeschenken zu verhelfen.

Na, welchen Sinn hat denn eine Hochzeitsfeier sonst 🙂 :-). Interessant ist es, mal zu sehen, was offenbar bei solchen Feiern „umgesetzt“ wird.