Schlagwort-Archive: Feststellungen

Anfängerfehler

In seinem Beschl. v. 22.06.2010 – 4 StR 211/10 hat der 4. Strafsenat m.E. auf einen Anfängerfehler hingewiesen, der dem LG unterlaufen ist. Im Beschl. heißt es:

Nach den Feststellungen wurde dem Angeklagten am 25. Juli 2009 gegen 3.52 Uhr eine Blutprobe entnommen, deren Auswertung eine Blutalkoholkonzentration von 1,38 ‰ ergab. Hiervon ausgehend hat das Landgericht eine Tatzeitblutalkoholkonzentration von 1,88 ‰ errechnet, auf Grund derer es unter Berücksichtigung der weiteren Ergebnisse der Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für die Annahme einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten gesehen hat.

Da das Urteil jedoch keine Angaben zur Tatzeit enthält, ist dem Senat die Prüfung versagt, ob die vom Landgericht vorgenommene Rückrechnung den Anforderungen der ständigen Rechtsprechung entspricht, wonach neben dem stündlichen Abbauwert auch ein einmaliger Sicherheitszuschlag von 0,2 ‰ zu berücksichtigen ist (vgl. BGHSt 35, 308, 314; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl., § 20 Rdn. 13 m.w.N.“

Ergebnis: Aufhebung im Strafausspruch und Zurückverweisung

Vorsatz oder Fahrlässigkeit – das musst du mir schon sagen…

Amtsgerichtliche Urteile kranken häufig daran, dass vom Amtsrichter nicht genügend Feststellungen zur Frage: Vorsatz oder Fahrlässigkeit – oder kurz: zur Schuldform, getroffen werden. Das hat jetzt vor kurzem auch noch einmal das OLG Bamberg in seinem Beschl. v. 13.07. 2010 – 3 Ss OWi 1124/10 beanstandet und dazu folgende Leitsätze verfasst:

  1. Auch in Bußgeldsachen muss den Urteilsgründen zu entnehmen sein, welche Feststellungen der Tatrichter zu den objektiven und subjektiven Tatbestandsele­menten getroffen hat und welche Erwägungen der Bemessung der Geldbuße und der An­ordnung oder dem Absehen von Nebenfolgen zugrunde liegen (§ 267 I und III StPO i.V.m. § 71 OWiG).
  2. Eine für das Rechtsbeschwerdegericht hinreichende Prüfungs- bzw. Entschei­dungsgrundlage mit der Folge eines zur Urteilsaufhebung zwingenden sachlich-rechtlichen Mangels fehlt, wenn die tatrichterlichen Feststellungen zur inneren Tatseite unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind oder wenn sie den Un­rechts- und Schuldgehalt der Tat nicht erkennen lassen.

Das OLG hat aufgehoben und zurückverwiesen mit einem mehr als deutlichen Hinweis an den Tatrichter bei der Frage des Fahrverbotes den Zeitablauf zu berücksichtigen. Insoweit könnet die Rechtsbeschwerde also „etwas gebracht haben“.

Bitte „Butter bei die Fische“, oder: Du musst mir schon sagen, warum die Aufnahme pornografisch ist?

Das LG hatte den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 3 Nr. 3 StGB in der bis 31. März 2004 geltenden Fassung verurteilt. Nach den landgerichtlichen Feststellungen zog der Angeklagte an einem nicht mehr zu ermittelnden Tag im Jahre 2002 die 1991 geborene Tochter Annemarie seiner Lebensgefährtin in der gemeinsamen Wohnung zu seinem Computer und „zeigte ihr pornographische Aufnahmen“. Als sie weggehen wollte, weil sie die Bilder nicht sehen wollte, „versuchte der Angeklagte, sie festzuhalten, ließ sie dann jedoch gehen, als sie sich dagegen wehrte“.

Das hat dem 3. Strafsenat des BGH nicht gereicht. Er führt in seinem Beschl. v. 22.6.2010 – 3 StR 177/10 aus:

Soweit hier von Belang, setzt der Tatbestand des § 176 Abs. 3 Nr. 3 StGB aF – ebenso wie § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB nF – voraus, dass der Täter durch Vorzeigen pornographischer Abbildungen oder Darstellungen auf ein Kind einwirkt. Pornographisch sind Abbildungen oder Darstellungen, die sexualbezogenes Geschehen vergröbernd und ohne Sinnzusammenhang mit anderen Lebensäußerungen zeigen (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 184 Rdn. 7). Allein die verallgemeinernde Beschreibung mit „pornographische Aufnahmen“ belegt dies nicht. Zudem verlangt ein Einwirken eine psychische Einflussnahme tiefergehender Art (vgl. BGHSt 29, 29, 30 f.; BGH NStZ 1991, 485; NJW 1976, 1984); auch hierauf kann ohne nähere Feststellungen zum Inhalt der Aufnahmen nicht geschlossen werden. „

Also: Butter bei die Fische und die „pornografischen Aufnahmen“ beschreiben. Wegen der „Einzelheiten“ kann ja gem. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen werden. Dann kan sich das Revisionsgericht die Bilder selbst ansehen. Schöne Vorstellung, wie der BGH-Senat dann in der Beratung vor einem Videorekorder oder Notebook sitzt und sich „pornografische Aufnahmen“ ansieht. Alles rein dienstlich 🙂 :-).

Kooperation allein macht noch keine Bande

Der BGH hat sich in seinem Beschl. v. 16.03.2010 – 4 StR 497/09 mal wieder mit dem Begriff der Bande auseinander setzen müssen.

Er hat festgestellt, dass zwei untereinander kooperierende Gruppen bei Fahrzeugdiebstählen nicht zwingend „eine“ Bande sind. Als rechtsfehlerhaft hat er beanstandet, dass in den Urteilsgründen des LG lediglich festgestellt war, dass zwei „Gruppen“ untereinander kooperierten, indem sie sich auf der Grundlage der vorgesehenen arbeitsteiligen Beschaffung von Kraftfahrzeugen austauschten und unterstützten, in ihren Bereichen jedoch jeweils eigenständig tätig waren. Darüber hinaus waren nähere Feststellungen zur Art der Kooperation nicht getroffen worden. Insbesondere wenn als „Gruppen“ bezeichnete Teile des Zusammenschlusses ihre jeweilige Tätigkeit eigenständig entfalteten und auf unterschiedliche Fahrzeugarten spezialisiert waren, bedarf es aber – so der BGH – dann genauerer Feststellungen, ob alle Beteiligten organisatorisch in eine einheitliche Bande eingebunden waren.

Und täglich grüßt das Murmeltier – einige AG lernen es einfach nicht….

An sich sollte es sich inzwischen auch bei den AG herumgesprochen haben: Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach derjenige, der eine erhebliche Menge Alkohol getrunken hat, seine Fahruntüchtigkeit kennt. Deshalb kann auch bei einem weit über der Grenze zur absoluten Fahruntüch­tigkeit liegenden Blutalkoholgehalt nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände auf ein vorsätzliches Handeln geschlossen werden, auch wenn dieses nahe liegen mag, so dass allein mit der Begründung nicht eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB erfolgen kann. Das wiederholen die OLG gebetsmühelnartig (so z.B. zuletzt das OLG Stuttgart im Beschl. v. 04.05.2010 – 5 Ss 198/10); die AG scheint es aber nicht weiter zu stören. Folge: Die Revisionen sind dann ein Selbstläufer…