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Rechtsmittel II. Beschränkung des Einspruchs in der HV, oder: Erinnerungslücke beim Verteidiger?

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Die zweite Entscheidung des Tages, der KG, Beschl. v. 17.03.2022 – 3 Ws (B) 33/22 – ja ich weiß, schon etwas älter – nimmt u.a. zur Rücknahme einer Rechtsmittelbeschränkung und zur Ermächtigung des Verteidigers zur Rechtsmittelbeschränkung Stellung. Er stammt zwar aus dem Bußgeldverfahren, aber die Ausführungen des KG haben darüber hinaus Geltung.

Hintergrund der Ausführungen ist, die Frage, ob der Verteidiger In der Hauptverhandlung die Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen erklärt hatte. Das KG hält den Verteidiger/Betroffenen am Inhalt des Protokolls fest:

„Soweit der Vortrag des Verteidigers, er könne sich an die Abgabe einer Beschränkungserklärung nicht erinnern, nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 300 StPO dahin auszulegen ist, eine wirksame Erklärung dieser Art existiere nicht, dringt er damit nicht durch. Die auf die Sachrüge durch das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen vorzunehmende Prüfung (vgl. Senat NStZ 2020, 428; Beschlüsse vom 6. Juli 2021 – 3 Ws (B) 154/21 – und 26. August 2020 – 3 Ws (B) 163/20 -, juris) hat durchgreifenden Bedenken weder an der Existenz der Erklärung der Einspruchsbeschränkung, noch an deren Wirksamkeit ergeben.

Dass eine solche Erklärung abgegeben worden ist, ergibt sich unmissverständlich aus dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls, das gemäß §§ 71 Abs. 1 OWiG, 274 Satz 1 StPO vollen Beweis darüber erbringt. Ausweislich Seite 2, letzter Absatz des Protokolls vom 31. August 2021 ist die vom Verteidiger erklärte Einspruchsbeschränkung vorgelesen und von diesem genehmigt worden. Hinzu tritt, dass sich der zuständige Amtsrichter, durch den Senat freibeweislich befragt, zwar nicht mehr an die Einzelheiten des Zustandekommens der Erklärung erinnern konnte, wohl aber daran, dass sie vom Verteidiger tatsächlich abgegeben worden ist.

(2) Die Rechtsmittelbeschränkung ist wirksam. Gemäß § 67 Abs. 2 OWiG kann der Einspruch auf einzelne Beschwerdepunkte, namentlich – wie hier – auf die Rechtsfolgen insgesamt, beschränkt werden, sofern die im Bußgeldbescheid beschriebene Tat als solche hinreichend konkretisiert ist (vgl. Senat, Beschluss vom 26. August 2020 a.a.O.; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 67 Rdn. 34e; Ellbogen in KK-OWiG 5. Aufl., § 67 Rdn. 55 m.w.N.). Das ist hier der Fall, denn der Bußgeldbescheid enthält alle nach § 66 OWiG erforderlichen Angaben als Grundlage für einen Rechtsfolgenausspruch einschließlich einer hinreichend präzisen Angabe zum Ort der Tat im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG; der Angabe einer Hausnummer bedarf es – anders als der Verteidiger in seinem Schriftsatz vom 15. März 2022 meint – nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Oktober 2018 – 3 Ws (B) 238/18 -, juris). Dass im Bußgeldbescheid ausdrückliche Angaben zur verwirklichten Schuldform fehlen, steht einer hinreichenden Tatkonkretisierung nicht entgegen. Denn die Bußgeldbehörde hat – worauf die zitierte Nummer 11.3.6 des Anhangs zur BKatV hindeutet – die dort normierte Regelbuße allein wegen der Voreintragungen erhöht, wofür daneben spricht, dass sich in den zitierten Vorschriften der im Falle vorsätzlicher Tatbegehung zu zitierende § 3 Abs. 4a Satz 1 BKatV nicht findet.

(3) Zwar kann die Einspruchsbeschränkung eines Betroffenen nach allgemeinen Grundsätzen wegen der Art und Weise seines Zustandekommens unwirksam sein. Das gilt etwa, wenn seine Willensentschließung beeinträchtigt worden ist – sei es durch Drohung, Täuschung oder auch eine nur versehentlich unrichtige Auskunft des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft – oder er in seiner Verteidigung und dem Recht der Besprechung mit ihr unzulässig beschränkt worden ist (vgl. BGHSt 45, 51, 53; BGH NJW 2002, 1436; StV 2001, 556; KG Beschluss vom 23. März 2004 – (5) 1 Ss 249/01 (36/01) -, juris m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist aber zu beachten, dass nicht er selbst die Prozesserklärung zur Einspruchsbeschränkung abgegeben hat, sondern ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 31. August 2021 sein Verteidiger. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Willensentschließung oder die Verfahrensrechte des Betroffenen unzulässig beeinträchtigt worden sind, sondern diejenigen des Verteidigers. Der Behauptung des Betroffenen, er habe mangels hinreichender Kenntnis der deutschen Sprache die Bedeutung der Prozesserklärung seines Verteidigers nicht erfasst, wäre darum für die Frage, ob die Prozesserklärung des Verteidigers in der beschriebenen Weise beeinflusst worden, nur dann Bedeutung zugekommen, wenn dadurch zugleich auch die Willensentschließung des Verteidigers in beschriebener Weise beeinträchtigt worden wäre. Dafür gibt das Beschwerdevorbringen jedoch nichts her.

(4) Es ist zudem davon auszugehen, dass der Verteidiger zu der Rechtsmittelbeschränkung, die rechtlich eine teilweise Rechtsmittelrücknahme darstellt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 64. Aufl., § 302 Rdn. 2), vom Betroffenen nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 302 Abs. 2 StPO ermächtigt war…..“

StPO II: Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts, oder: Ausdrückliche Ermächtigung gegeben?

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Und als zweite Entscheidung stelle ich den OLG Brandenburg, Beschl. v. 09.05.2022 – 1 Ws 7/22 – vor. Thematik: Rechtsmittelverzicht.

Das AG hat den Angeklagten am 20.09.2021 wegen Widerstands gegen Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen, in Tateinheit mit Nötigung verurteilt worden. An allen Verhandlungstagen ist für den Angeklagten Assessor pp. als Verteidiger aufgetreten.

Ausweislich des Sitzungsprotokolls der gerichtlichen Hauptverhandlung haben der Verteidiger des Angeklagten und der Vertreter der Staatsanwaltschaft im Anschluss an die Hauptverhandlung Rechtsmittelverzicht erklärt. Dieser ist wie folgt protokolliert:

„Der Verteidiger erklärt:
Wir verzichten auf Rechtsmittel.
Auf mehrmalige Frage des Gerichts sowie der Staatsanwaltschaft gibt der Verteidiger an:
Das ist so mit dem Angeklagten abgesprochen.
Auf Frage des Gerichts:
Ja, das ist abgesprochen. Das ist alles rechtens so und ich freue mich darüber, dass es so ein mildes Urteil geworden ist.
Daraufhin erklären der Verteidiger und der Vertreter der Staatsanwalt jeder für sich:
Auf die Einlegung eines Rechtsmittels gegen das soeben verkündete Urteil wird verzichtet.
v. u. g.“

Mit Schriftsatz seines neuen Verteidigers vom 22.09.2021, eingegangen am 23.09.2021, legte der Angeklagte Rechtsmittel gegen das Urteil ein. Mit weiterem Verteidigerschriftsatz vom 06.10.2021 teilte der Angeklagte mit, er selbst habe keinen Rechtsmittelverzicht erklärt und auch seinem (damaligen) Verteidiger keine Ermächtigung zum Rechtsmittelverzicht erteilt. Er habe nach der Urteilsverkündung den Sitzungssaal verlassen und sei bei Abgabe der Rechtsmittelverzichtserklärung nicht anwesend gewesen.

Mit Verteidigerschriftsatz vom 17.11.2021 bezeichnete der Angeklagte sein Rechtsmittel dann  als Berufung. Das LG hat die Berufung des Angeklagtenals unzulässig verworfen, da ein wirksamer Rechtsmittelverzicht erklärt worden sei. In der Begründung wird ausgeführt, eine Ermächtigung des Verteidigers durch den Angeklagten sei hierfür nicht erforderlich gewesen. Dagegen die sofortige Beschwerde. Das OLG hat im Freibeweisverfahren dienstliche Äußerungen und Stellungnahmen zum Verfahrensgang nach Urteilsverkündung eingeholt.

Die erkennende Amtsrichterin hat mitgeteilt, der Assessor pp. sei vom ersten Sitzungstag an als genehmigter Verteidiger gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 StPO angesehen worden. Die insoweit unterschiedlichen und widersprüchlichen Bezeichnungen in den Sitzungsprotokollen seien leider bei der Durchsicht übersehen worden. Am ersten Sitzungstag habe Assessor pp. dem Gericht gegenüber versichert, vom Angeklagten mit seiner Verteidigung beauftragt worden zu sein und über zwei juristische Staatsexamen zu verfügen. Eine Nachfrage des Gerichts zu einer eventuellen Verbindung zu Rechtsanwalt P…. sei unbeantwortet geblieben. Bedenken gegen Assessor pp. als Verteidiger im Sinne des § 138 Abs. 2 StPO bestanden weder auf Seiten der Staatsanwaltschaft noch auf Seiten des Gerichts. Daher sei Assessor pp. gemäß § 138 Abs. 2 StPO als Verteidiger genehmigt worden.

Nachdem der Angeklagte bereits während der mündlichen Mitteilung der wesentlichen Urteilsgründe begonnen habe, sie zu beschimpfen, und die Urteilsbegründung auch unterbrochen habe, sei er nach Beendigung der Urteilsbegründung aufgesprungen und habe erklärt, dass das alles gelogen sowie ein Komplott gegen ihn sei. Darüber hinaus habe er Beschimpfungen ausgesprochen. Sie habe sodann versucht, dem Angeklagten eine Rechtsmittelbelehrung zu erteilen, was indes nicht gelungen sei, da der Angeklagte nicht zugehört und weiter vor sich hin geschimpft habe. Nach ihrer Erinnerung habe der Angeklagte geäußert, dass er zum Justizminister gehen und sich beim „Präsidenten“ beschweren werde und „dass ich damit nicht durchkommen werde“.

Unterdessen sei der Geräuschpegel wegen unter den Zuschauern und dem Angeklagten entstandener Gespräche im Saal erheblich angestiegen, sodass sie nicht den Eindruck gehabt habe, dass der Angeklagte die Rechtsmittelbelehrung verstanden hätte. Deshalb habe sie den Verteidiger gefragt, ob er auf die Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung verzichte und dass dann später mit dem Angeklagten bespreche.

Der Angeklagte habe weiter vor sich hin geschimpft, sodass sie ihn gebeten habe, sich zu beruhigen oder den Sitzungssaal zu verlassen.

Der Angeklagte habe daraufhin den Saal verlassen. Nach der Erklärung des Verteidigers, dass auf die Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung verzichtet werde, habe dieser ohne weitere Nachfrage angegeben, dass auch auf die Einlegung eines Rechtsmittels gegen das soeben verkündete Urteil verzichtet werde. Aufgrund der vorangegangenen Reaktion des Angeklagten sei seitens des Gerichts sowie der Staatsanwaltschaft gefragt worden, ob der Verteidiger sich sicher sei, da der Angeklagte nicht mit dem Urteil einverstanden zu sein schien. Hierauf habe der Verteidiger sinngemäß erklärt, dass dies vorab vor dem Hintergrund des erwarteten Prozessausgangs besprochen worden sei, da mit einer unkontrollierten und impulsiven Reaktion des Angeklagten zu rechnen gewesen sei. Auf nochmalige Nachfrage habe der Verteidiger erneut bestätigt, dass der Rechtsmittelverzicht mit dem Angeklagten vor Beginn des Sitzungstages in Erwartung einer entsprechenden Verurteilung abgesprochen sei. Daraufhin sei die Verzichtserklärung entsprechend in das Sitzungsprotokoll aufgenommen, erneut vorgelesen und sodann vom Verteidiger genehmigt worden.

Dieser von ihr geschilderte Ablauf wird durch die Stellungnahmen der Protokollführerin und des Vertreters der Staatsanwaltschaft bestätigt.

Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg.

„Das Landgericht hat die Rechtsmittelverzichtserklärung in der Hauptverhandlung vom 20. September 2021 zu Unrecht als wirksam angesehen mit der Folge, dass die Verwerfung der Berufung als unzulässig keinen Bestand haben kann.

Ein wirksamer Rechtsmittelverzicht von Seiten des Angeklagten ist nicht erfolgt.

Da der Assessor pp. einen Nachweis für die behauptete Untervollmacht nicht beigebracht hat und eine Unterbevollmächtigung von Rechtsanwalt P… bestritten wurde, ist zunächst davon auszugehen, dass er als genehmigter Verteidiger für den Angeklagten aufgetreten ist.

Zwar ist die Genehmigung durch das Gericht nicht förmlich erteilt worden. Die Zulassung als Wahlverteidiger kann aber ausnahmsweise stillschweigend erfolgen, wenn die Handlungen, aus denen sich diese schlüssig ergeben soll, klar erkennen lassen, dass das Gericht den Willen zur Genehmigung der Bestellung hatte. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die betreffende Person zur Hauptverhandlung geladen worden und dort ohne Einwände des Gerichts wie ein Verteidiger aufgetreten ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. August 2000 – 2a Ss (OWi) 242/00 – (OWi) 85/00 II -). Die Amtsrichterin hat zudem angegeben, der Assessor pp. sei vom ersten Sitzungstag an als genehmigter Verteidiger gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 StPO angesehen worden.

Der von Assessor pp. erklärte Rechtsmittelverzicht war indes nicht wirksam.

Gemäß § 302 Abs.2 StPO bedarf der Verteidiger zur Zurücknahme eines Rechtsmittels einer ausdrücklichen Ermächtigung; gleiches gilt auch für den Fall des Rechtsmittelverzichts (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. § 302 Rn.30).

Bereits das Reichsgericht hat zu dieser Frage wie folgt ausgeführt:

“In § 302 StPO wird im ersten Absatz neben der Zurücknahme des Rechtsmittels auch der Verzicht auf die Einlegung noch vor Ablauf der Einlegungsfrist für zulässig erklärt. Wenn dann im zweiten Absatz bestimmt wird, dass der Verteidiger zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung bedarf, so darf aus der Nichterwähnung des Verzichts nicht geschlossen werden, dass er zur Abgabe einer Verzichtserklärung nur der allgemeinen Bevollmächtigung, nicht einer besonderen Ermächtigung bedürfe. Das würde der Stellung des Verteidigers, wie sie in der Strafprozessordnung gestaltet worden ist, nicht entsprechen. Der Verteidiger ist grundsätzlich nicht der Vertreter des Angeklagten, sondern dieser bedient sich seines Beistands (StPO. § 137); nur ausnahmsweise wird er von dem Verteidiger vertreten (StPO. § 234), der sonst nicht ohne seine ausdrückliche oder stillschweigende Genehmigung mit bindender Wirkung für ihn auf Verteidigungsmittel usw. verzichten kann (RGRspr. Bd. 1 S. 335, Bd.6 S.295, Bd. 10 S.368; RGSt. Bd. 18 S. 138, 141, Bd. 44 S.285).

Wie vom Reichsgericht (RGSt. Bd. 54 S. 210) dargelegt ist, dass der Verteidiger nicht kraft seiner allgemeinen Verteidigervollmacht befugt ist, für den Angeklagten dessen Entbindung vom Erscheinen in der Hauptverhandlung nach § 233 StPO zu beantragen, so ermächtigt sie ihn auch nicht zur Erklärung eines Verzichts auf Rechtsmittel.

Dazu bedarf er, ebenso wie zur Zurücknahme eines Rechtsmittels, einer ausdrücklichen Ermächtigung. Wenn das letzte in § 302 Abs. 2 StPO, besonders hervorgehoben ist, so hat das seinen Grund in der Vorschrift des § 297; es soll nur klargestellt werden, dass nicht wie hier nur der ausdrückliche Wille des Beschuldigten nicht entgegenstehen darf, es soll damit aber nicht gesagt werden, dass die ausdrückliche Ermächtigung nur bei der Zurücknahme von Rechtsmitteln, nicht auch beim Verzicht auf sie erforderlich sei.” (RGSt 64, 164)

Diese Ausführungen beanspruchen noch heute Gültigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 04. Oktober 1951 – 4 StR 500/51 -; BGHSt 3, 46; BGHSt 10, 320, 321 Bayerisches ObLG, NStZ 1995, 142; bei Anwesenheit des Angeklagten: OLG Zweibrücken, NStZ 1987, 573; OLG Hamburg, NJW 1965, 1821)

Zwar ist eine bestimmte Form der Ermächtigung nicht vorgeschrieben, so dass diese auch mündlich erklärt werden kann. Ob sie erteilt worden ist, kann im Wege des Freibeweisverfahrens geklärt werden (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 28. Juli 1994 – 3 ObOWi 63/94 –).

Eine solche Ermächtigung, die vom Angeklagten bestritten wird, konnte im Ergebnis der eingeholten Stellungnahmen nicht festgestellt werden. Zum einen kann diese Ermächtigung nicht aus der (bestrittenen) Vollmacht geschlossen werden, da jedenfalls eine Unterbevollmächtigung nicht erfolgt ist. Zum anderen trägt der als Verteidiger zugelassene Assessor pp. widersprüchlich vor, wenn er am Ende der Hauptverhandlung gegenüber dem Gericht erklärt hat, er habe den Verzicht mit dem Angeklagten vor Beginn der Hauptverhandlung besprochen, gegenüber dem Senat indes ohne Bezugnahme auf diese „angebliche“ Besprechung behauptet, der Angeklagte habe ihm gegenüber nach Urteilsverkündung dem Vorschlag auf Rechtsmittelverzicht zugestimmt.

Darüber hinaus kann ein Angeklagter eine einmal dem Verteidiger erteilte Ermächtigung jederzeit bis zum Eingang der Verzichtserklärung bei Gericht formlos widerrufen, wovon vorliegend auszugehen sein dürfte, nachdem der Angeklagte noch im Sitzungssaal durch sein Verhalten deutlich zum Ausdruck gebracht hat, mit dem Urteil nicht einverstanden zu sein.

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben; das Berufungsverfahren ist nunmehr fortzusetzen.

 

Rechtsmittel III: Wirksame Berufungsbeschränkung?, oder: Ausreichende Ermächtigung und Zustimmung

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Und die dritte Entscheidung kommt dann ebenfalls zur Berufung. Der OLG Hamm, Beschl. v. 14.09.2021 – III-3 RVs 49/21 – verhält sich zur Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung. In der Entscheidung geht es aber mal nicht um ausreichende Feststellungen, sondern um die ausreichende Ermächtigung des Verteidigers zur nachträglichen Beschränlung der Berufung und/oder um die Zustimmung der Staatsanwaltschaft zu nachträglichen Beschränkung.

Das LG war von einer wirksamen Berufungsbeschränkung ausgegangen. Das hat das OLG anders gesehen:

„Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil das Landgericht zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist und deshalb die erforderlichen eigenen Feststellungen zum Schuldspruch nicht getroffen hat.

1. Die mit Verteidigerschriftsatz vom 14. Dezember 2020 nach Rechtsmitteleinlegung erklärte Berufungsbeschränkung, deren Wirksamkeit das Revisionsgericht von Amts wegen und ohne Bindung an die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts prüft (BGH, Beschluss vom 30. November 1976 — 1 StR 319/76 juris; Schmitt, in: Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 64. Auflage 2021, § 318, Rn. 33), erweist sich als unwirksam. Denn bei der nachträglichen Beschränkung der Revision handelt es sich um eine Teilrücknahme des Rechtsmittels, so dass der Verteidiger gem. § 302 Abs. 2 StPO hierzu einer ausdrücklichen Ermächtigung bedurfte (Schmitt, a. a. O., § 302, Rn. 1). Eine solche ist nicht ersichtlich. Die in der allgemeinen Strafprozessvollmacht vom 1. Oktober 2020 enthaltene Befugnis, ,,Rechtsmittel einzulegen, zurückzunehmen, zu beschränken“, genügt schon deshalb nicht als ausdrückliche Ermächtigung im Sinne von § 302 Abs. 2 StPO, weil sie sich nicht auf ein konkretes Rechtsmittel bezieht (vgl. BGH, Beschluß vom 2. August 2000 – 3 StR 284/00, juris; Schmitt, a. a. 0., Rn. 32; Allgayer, in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Auflage 2016, § 302, Rn. 43). Zudem war diese Vollmacht mit Niederlegung des Wahlmandats und Beiordnung als Pflichtverteidiger in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung am 27. Oktober 2020 erloschen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Novembe’r 1990 — 4 StR 457/90 juris).

2. Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass in der Berufungshauptverhandlung am 19. Mai 2021 wirksam eine Berufungsbeschränkung erklärt worden ist.

Nach der Sitzungsniederschrift wurde die Berufung des Angeklagten „mit Schriftsatz vom 14.12.2020 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt“. Dies legt nahe, dass der Angeklagte oder der Verteidiger in der Berufungshauptverhandlungen gerade keine weiteren Erklärungen zum Umfang der Berufung abgegeben haben, sondern die Beteiligten die Erklärung vom 14. Dezember 2020 zugrunde gelegt haben. Doch selbst wenn man das Schweigen des Angeklagten und des Verteidigers als durch schlüssiges Verhalten erneut erklärte Berufungsbeschränkung auslegen wollte, ändert dies an der Unwirksamkeit nichts. Denn in diesem. Fall hätte es gem. § 303 Satz 1 StPO der Zustimmung der Staatsanwaltschaft bedurft. Auch diese vermag der Senat nicht festzustellen.

Zwar kann die gem. § 303 Satz 1 StPO erforderliche Zustimmung ebenfalls durch schlüssiges Verhalten erklärt werden. Das Ausbleiben einer Reaktion kann indes ohne weitere Anhaltspunkte nicht als Zustimmung gewertet werden (MüKoStPO/Allgayer, 1. Aufl. 2016, StPO § 303 Rn. 6). So verhält es sich hier: Zwar hat auch die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Diese Beschränkung war allerdings schon mit der Berufungsbegründung vom 2. Dezember 2020 erklärt worden, so dass ihr ein Erklärungswert in Bezug auf Erklärungen des Angeklagten oder seines Verteidigers in der Berufungshauptverhandlung nicht zukommt. Auch andere Gesichtspunkte, die auf eine Zustimmung der Staatsanwaltschaft in der mündlichen Verhandlung hindeuten, bestehen nicht.“

StPO III: Dreimal Vollmacht, oder: Einmal Vertretung, zweimal Rechtsmittelrücknahme

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Und im dritten Posting des Tages dann dreimal Vollmacht. Bei allen drei Entscheidungen reicht m.E. der Leitsatz, und zwar:

BayObLG, Beschl. v. 01.02.2021 – 202 StRR 4/21

  1. Die nachträgliche Beschränkung einer Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch stellt eine Teilrücknahme des Rechtsmittels dar, für die der Verteidiger einer ausdrücklichen Ermächtigung des Angeklagten nach § 302 Abs. 2 StPO bedarf.

  2. Der Nachweis, dass eine ausdrückliche Ermächtigung im Sinne des § 302 Abs. 2 StPO im Zeitpunkt der Erklärung der Rechtsmittelbeschränkung vorgelegen hat, kann auch nachträglich erfolgen.

OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2020 – 7 Rb 24 Ss 986/20

  1. Bei Beurteilung der Frage, ob eine besondere Ermächtigung i.S.d. § 302 Abs. 2 StPO vorliegt, sind der zeitliche Zusammenhang zwischen Vollmachtserteilung und Hauptverhandlung sowie Erklärungen des Verteidigers im Lauf des Verfahrens in und außerhalb von Hauptverhandlungen heranzuziehen.

  2. Die Gesamtbeurteilung dieser Umstände kann zudem ergeben, dass die erst zu einem späten Zeitpunkt erfolgende Berufung auf eine angeblich fehlende Ermächtigung rechtsmissbräuchlich ist.

OLG Jena, Beschl. v. 2.2.2021 – 1 OLG 331 Ss 83/20

Die Vollmacht zur Vertretung des in der Berufungshauptverhandlung ausgebliebenen Angeklagten muss sich nicht ausdrücklich auch „auf die Abwesenheitsvertretung in der Berufungshauptverhandlung“ oder gar auf eine bestimmt bezeichnete Berufungshauptverhandlung beziehen. Ausreichend als Grundlage für eine Abwesenheitsvertretung ist regelmäßig die (praxisübliche) Formulierung „zu verteidigen und zu vertreten“, und zwar auch dann, wenn sie bereits in der allgemeinen Verteidigervollmacht enthalten ist.

Ermächtigung zur Rechtmittelrücknahme, oder: Rechtsmittelverteidiger aufgepasst!

Entnommen wikimedia.org
Urheber Mediatus

Das zweite Wochenposting ist auch ein „Hinweisposting“, und zwar mit dem Hinweis auf einen Fallstrick, in dem sich der Revisionsverteidiger schnell verfangen kann. Ich weise dazu hin auf den BGH, Beschl. v. 07.05.2019 – 2 StR 142/19.

Das LG hatte den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Pflichtverteidiger des Angeklagten mit Schriftsatz vom 13.11.2018 fristgerecht Revision eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 31.01.2019 begründet. Mit Schriftsatz vom 10.12.2018 hat dann Rechtsanwalt G. unter Vollmachtsvorlage angezeigt, den Angeklagten nunmehr zu vertreten und beantragt, den Pflichtverteidiger zu entpflichten. Mit weiterem Schriftsatz vom 23.01.2019 erklärte Rechtsanwalt G. nach erfolgter Akteneinsicht, dass er die Revision zurücknehme. Der Pflichtverteidiger, dessen Bestellung mit Beschluss vom 07.02.2019 zurückgenommen wurde, hatte hingegen mit Schriftsatz vom 01.02.2019 „klargestellt, dass die (…) Revision nicht zurückgenommen“ werde.

Der BGH führt zur Wirksamkeit der Revisionsrücknahme aus:

Der Angeklagte hat die Revision durch seinen Verteidiger wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO) und ist deshalb des Rechtsmittels verlustig. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Der Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung steht nicht entgegen, dass dem Wahlverteidiger nur in der Strafprozessvollmacht die allgemeine Ermächtigung erteilt worden ist, „Rechtsmittel (…) zurückzunehmen“, denn er war für die Durchführung des Revisionsverfahrens beauftragt worden (vgl. BGH Beschluss vom 23. April 1998 – 4 StR 132/98, NStZ 1998, 531 mwN). Die durch Rechtsanwalt G. deshalb wirksam erfolgte Rechtsmittelrücknahme ist als Prozesshandlung weder widerruflich noch anfechtbar; sie erstreckt sich auch auf die von dem Pflichtverteidiger des Angeklagten eingereichte Rechtsmittelerklärung (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 1995 – 3 StR 201/95, BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 15).“

Dem schließt sich der Senat an (vgl. auch Senat, Beschluss vom 31. August 2016 – 2 StR 267/16) und stellt die eingetretene Rechtsfolge durch deklaratorischen Beschluss fest, da die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme in Zweifel gezogen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Februar 2019 – 3 StR 6/19 mwN).“

Also: Aufgepasst als Revisionsverteidiger….. Und nicht nur der muss aufpassen, sondern auch der Verteidiger, der ggf. für eine Berufung beauftragt wird.