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StPO III: Dreimal Vollmacht, oder: Einmal Vertretung, zweimal Rechtsmittelrücknahme

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Und im dritten Posting des Tages dann dreimal Vollmacht. Bei allen drei Entscheidungen reicht m.E. der Leitsatz, und zwar:

BayObLG, Beschl. v. 01.02.2021 – 202 StRR 4/21

  1. Die nachträgliche Beschränkung einer Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch stellt eine Teilrücknahme des Rechtsmittels dar, für die der Verteidiger einer ausdrücklichen Ermächtigung des Angeklagten nach § 302 Abs. 2 StPO bedarf.

  2. Der Nachweis, dass eine ausdrückliche Ermächtigung im Sinne des § 302 Abs. 2 StPO im Zeitpunkt der Erklärung der Rechtsmittelbeschränkung vorgelegen hat, kann auch nachträglich erfolgen.

OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.12.2020 – 7 Rb 24 Ss 986/20

  1. Bei Beurteilung der Frage, ob eine besondere Ermächtigung i.S.d. § 302 Abs. 2 StPO vorliegt, sind der zeitliche Zusammenhang zwischen Vollmachtserteilung und Hauptverhandlung sowie Erklärungen des Verteidigers im Lauf des Verfahrens in und außerhalb von Hauptverhandlungen heranzuziehen.

  2. Die Gesamtbeurteilung dieser Umstände kann zudem ergeben, dass die erst zu einem späten Zeitpunkt erfolgende Berufung auf eine angeblich fehlende Ermächtigung rechtsmissbräuchlich ist.

OLG Jena, Beschl. v. 2.2.2021 – 1 OLG 331 Ss 83/20

Die Vollmacht zur Vertretung des in der Berufungshauptverhandlung ausgebliebenen Angeklagten muss sich nicht ausdrücklich auch „auf die Abwesenheitsvertretung in der Berufungshauptverhandlung“ oder gar auf eine bestimmt bezeichnete Berufungshauptverhandlung beziehen. Ausreichend als Grundlage für eine Abwesenheitsvertretung ist regelmäßig die (praxisübliche) Formulierung „zu verteidigen und zu vertreten“, und zwar auch dann, wenn sie bereits in der allgemeinen Verteidigervollmacht enthalten ist.

StPO III: Revisionsbegründung nach Berufungsverwerfung, oder: Wiederaufleben der Vertretervollmacht?

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Und zum Schluss des Tages dann mal nichts zum Pflichtverteidiger, sondern zur Revisionsbegründung, und zwar der BayObLG, Beschl. v. 09.10.2020 – 202 StRR 94/20.

Er nimmt zu den Anforderungen an die Verfahrensrüge nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO bei beanstandetem Ladungsmangel eines der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten Stellung, und zwar wie folgt:

1. Die Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gelten ungeschmälert auch für die Bean-standung, die Berufung sei zu Unrecht nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO verworfen worden. Denn bei den Voraussetzungen des Verwerfungsurteils handelt es sich nicht um Verfahrensvo-raussetzungen im eigentlichen Sinne, die bereits auf die Sachrüge hin vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen sind. Von der Revision sind deshalb lückenlos all die Tatsachen vorzutragen, die das Ausbleiben des Angeklagten ausreichend entschuldigen, oder die zeigen sollen, dass die Voraussetzungen des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO sonst nicht gegeben waren.

2. Beanstandet die Revision, dass dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten die Ladung zum Termin mit der Belehrung über die Möglichkeit der Berufungsverwerfung für den Fall seines Nichterscheinens nur in deutscher Sprache zugestellt wurde, weshalb sein dortiges Ausbleiben mangels wirksamer Ladung als entschuldigt zu werten sei, setzt die insoweit nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gebotene Verfahrensrüge (auch) Ausführungen dazu voraus, ob und gegebenenfalls in welcher Form der Angeklagte bei Verkündung des Urteils erster Instanz nach § 35a Satz 2 StPO belehrt worden ist

Interessant dann auch noch die Ausführungen des BayObLG zur Vertretungsvollmacht:

Die besondere Vertretungsvollmacht i.S.d. § 329 Abs. 2 Satz 1 StPO des zur Berufungs-hauptverhandlung erschienenen Pflichtverteidigers ergibt sich auch dann nicht allein aus sei-ner bloßen Beiordnung, wenn es sich bei dem Verteidiger um den vormaligen Wahlverteidiger des Angeklagten mit ehemals ausdrücklich erteilter Vertretungsvollmacht handelt.

Vollmacht II: Was darf der Verteidiger mit Vertretervollmacht?

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Die zweite Entscheidung stammt – wie bereits angekündigt – auch vom KG. Es handelt sich um den KG, Beschl. v. 01.07.2020 – (4) 121 Ss 71/20 (74/20). Er hat die Problematik: Verteidiger als Vertreter zum Gegenstand.

Nach dem knapp mitgeteilten Sachverhalt hatte in der Haupverhandlung beim AG nach Einspruch gegen einen Strafbefehl der mit entsprechender schriftlicher Vertretungsvollmacht als Vertreter für den abwesenden Angeklagten tätig gewordene Verteidiger die Beschränkung des Einspruchs auf das Strafmaß erklärt. Um die Wirksamkeit der Beschränkung wurde nun gestritten. Das KG hat sie als wirksam angesehen:

„Der Senat hat bereits entschieden, dass ein mit solcher ausdrücklicher Vollmacht ausgestatteter Verteidiger als Vertreter des Angeklagten im Sinne des § 411 Abs. 2 StPO befugt ist, sämtliche zum Verfahren gehörenden Erklärungen abzugeben, zu denen Rechtsmittelrücknahmen und somit auch Rechtsmittelbeschränkungen, die Teilrücknahmen darstellen, gehören (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Mai 2009 – [4] 1 Ss 155/09 [94/09] – mwN).

Dies folgt aus dem Umstand, dass ein Verteidiger, der nicht nur als Beistand des Angeklagten (§ 137 StPO) tätig wird, sondern den abwesenden Angeklagten nach § 411 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung zulässig vertritt, in dieser Verfahrenssituation an die Stelle des Angeklagten tritt und mit Wirkung für und gegen diesen Erklärungen abgeben und entgegennehmen, den Angeklagten also in der Erklärung und im Willen vertreten kann (vgl. BGHSt 9, 356; OLG Karlsruhe NStZ 1983, 43; Brauer in HK-StPO 6. Aufl., § 411 Rn. 12; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 63. Aufl., § 411 Rn. 6; Mezger in KMR-StPO, § 411 Rn. 14; Alexander in Radtke/Hohmann, StPO, § 411 Rn. 14; Temming in Graf, StPO 3. Aufl., § 411 Rn. 6; Momsen in SSW-StPO 4. Aufl., § 411 Rn. 10; Eckstein in MüKo-StPO, § 411 Rn. 29; Andrejtschitsch in HK-GS 4. Aufl., § 411 Rn. 9); die dem Verteidiger für die Hauptverhandlung erteilte Vertretungsmacht umfasst m.a.W. alle Verfahrensbefugnisse des Angeklagten (vgl. Deiters in SK-StPO 5. Aufl., § 234 Rn. 5; s. auch [für die Vertretung nach § 329 Abs. 2 StPO] Meyer-Goßner/ Schmitt aaO, §  329 Rn. 15: der den Angeklagten vertretende Verteidiger hat „alle Angeklagtenrechte“). Folgerichtig wird insbesondere in der anwaltlichen Literatur der Hinweis gegeben, dass der Verteidiger, sollte er den Angeklagten in der Hauptverhandlung gemäß § 411 Abs. 2 StPO vertreten, zur eigenen Sicherheit vorab alle Eventualitäten mit dem Angeklagten erörtern und dies dokumentieren sollte, was insbesondere für eine eventuell („zur Schadensbegrenzung“) erforderliche Einspruchsrücknahme in der Hauptverhandlung gelte (vgl. Böttger in AnwK-StPO, § 411 Rn. 28; ebenso Brauer aaO). Dieses warnenden Hinweises bedürfte es nicht, wäre (auch) der den Angeklagten nach § 411 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung vertretende Verteidiger, wie die Revision meint, nur bei Vorliegen einer ausdrücklichen Ermächtigung im Sinne des § 302 Abs. 2 StPO befugt, den Einspruch gegen den verfahrensgegenständlichen Strafbefehl (zum Teil) zurückzunehmen.

Die mit der Gegenerklärung vorgebrachten Erwägungen des Revisionsverteidigers verfangen nicht. Die Aussage in der Kommentierung von Meyer-Goßner/Schmitt (aaO, § 234 Rn. 13), es könne mit der Revision „gerügt werden, dass eine wirksame Vertretungsmacht nicht bestanden hat“, ist ebenso selbstverständlich richtig, wie sie für die hier interessierende Fragestellung nicht entscheidend ist und dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhelfen kann.

Entgegen der Annahme der Verteidigung lag der von ihr herangezogenen Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 25. Februar 2013 – III-3 RVs 24/13 – [juris]) keine „identische Sachverhaltskonstellation“ zugrunde. In jenem Fall hatte der Verteidiger vielmehr die Einspruchsbeschränkung bereits vor der Hauptverhandlung schriftsätzlich erklärt, sodass das OLG Düsseldorf zutreffend die allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Anwendung gebracht hat, die von der Rechtsprechung hinsichtlich des Erfordernisses einer ausdrücklichen Ermächtigung des Verteidigers zur Rechtsmittelrücknahme entwickelt worden sind und die auch vom Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa StV 2016, 152 [Ls] mit zust. Anm. Meyer-Lohkamp) vertreten werden.

Angesichts dessen, dass sich die Entscheidung des OLG Düsseldorf hiernach nicht mit einer Beschränkungserklärung eines nach § 411 Abs. 2 StPO zur Vertretung befugten und hierzu bereiten Verteidigers in der Hauptverhandlung befasst hat, war die Sache entgegen der Auffassung des Revisionsverteidigers nicht gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof vorzulegen.

Unzutreffend ist auch die Annahme des Verteidigers, die vorgenannte Entscheidung des Senats stehe im Widerspruch zu der Entscheidung KG NJW 2009, 1686. In jener Entscheidung (des Schifffahrtsobergerichts Berlin), die der Senat in seinem Beschluss vom 13. Mai 2009 im Übrigen zur Abgrenzung von der Konstellation des § 302 Abs. 2 StPO ausdrücklich zitiert hat, lag es so, dass es zwar zu einem Rechtsmittelverzicht durch die Verteidigerin in der Hauptverhandlung gekommen ist. Dem lag aber schon kein originäres Strafbefehlsverfahren zugrunde. Vielmehr war der Angeklagte, dem mit Anklageschrift eine fahrlässige Trunkenheit im Verkehr zur Last gelegt worden war, nicht zur Hauptverhandlung erschienen, woraufhin ein Übergang in das Strafbefehlsverfahren erfolgte und die Verteidigerin nach Verkündung des vom Gericht in der Hauptverhandlung auf Antrag der Amtsanwaltschaft erlassenen Strafbefehls „im Namen des Angeklagten“ auf Rechtsmittel gegen diesen Strafbefehl verzichtete (wobei kein Anhaltspunkt dafür bestand, dass die Verteidigerin vor dem Hauptverhandlungstermin mit dem Angeklagten die Möglichkeit eines Übergangs in das Strafbefehlsverfahren und die Bedingungen für einen Rechtsmittelverzicht erörtert oder sie den Angeklagten nach Verkündung des Strafbefehls und vor Abgabe der Verzichtserklärung kontaktiert hatte). Das Schifffahrtsobergericht hat seine Entscheidung angesichts dieses Verfahrensgangs folgerichtig ebenfalls auf die allgemeinen Grundsätze gestützt, die für die Wirksamkeit einer Rücknahme- bzw. Verzichtserklärung nach § 302 Abs. 2 StPO gelten, ohne dass die Vorschrift des § 411 Abs. 2 StPO oder eine „Vertretung“ des Angeklagten durch seine Verteidigerin auch nur erwähnt worden wären.

Auch diese Entscheidung befasst sich somit nicht mit der hier in Rede stehenden Konstellation einer Vertretung des abwesenden Angeklagten durch seinen Verteidiger nach § 411 Abs. 2 StPO, der eine Sondervorschrift (auch) zu § 234 StPO darstellt (vgl. nur Becker in LR-StPO 27. Aufl., § 234 Rn. 5), der – anders als § 410 Abs. 1 StPO – nicht die entsprechende Geltung des § 302 Abs. 2 StPO anordnet, und dessen im Vergleich zu der Vertretung nach § 234 StPO unterschiedliche Struktur auch darin deutlich wird, dass im Falle des § 411 Abs. 2 StPO – anders als bei § 234 StPO (vgl. Becker aaO, § 236 Rn. 3 mwN) – durch die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Angeklagten die Vertretungsbefugnis des Verteidigers nicht suspendiert wird (vgl. nur Meyer-Goßner/Schmitt aaO, § 411 Rn. 4 mwN).“

Nochmals Verteidiger aufgepasst, oder: Vollmacht für den Mandanten selbst unterschreiben geht nicht mehr

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Ich komme dann noch einmal auf die Änderungen in § 329 StPO – Verwerfung der Berufung bei Ausbleiben des Angeklagten – zurück. Ich hatte ja schon vor einiger Zeit über den OLG Hamburg, Beschl. v. 25.07.2017 – 1 Rev 37/17 berichtet. Das war der Abgesang der Möglichkeit für den Verteidiger, sich ggf. selbst die Vertretervollmacht, die erforderlich ist, um den Mandanten in der Hauptverhandlung vertreten zu können zu unterschreiben (vgl. dazu a. hier Verteidiger aufgepasst, oder: Vollmacht für den Mandanten selbst unterschreiben geht nicht mehr). Ich hatte ja schon zu dem OLG Hamburg, Beschluss geschrieben, dass die Möglichkeit wohl nicht mehr besteht.

So jetzt vor einiger Zeit auch das KG im KG, Beschl. v. 23.11.2017 – (4) 161 Ss 158/17 (213/17):

„Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Revision auch unter Zugrundelegung des der Revisionsbegründung mittelbar zu entnehmenden Sachverhalts der Erfolg versagt bleiben müsste. Das Landgericht ist danach zu Recht davon ausgegangen, dass der unentschuldigt nicht zur Berufungshauptverhandlung erschienene Angeklagte von seinem Verteidiger nicht wirksam vertreten worden ist. Die Vertretung des abwesenden Angeklagten setzt nach § 329 Abs. 2 Satz 1 StPO voraus, dass der Angeklagte den Verteidiger zuvor schriftlich zur Vertretung bevollmächtigt hat. Nicht ausreichend ist es insoweit, wenn die Vollmacht aufgrund einer mündlichen Ermächtigung durch den Angeklagten von dem zu bevollmächtigten Verteidiger selbst unterzeichnet wird (so ausdrücklich der dem § 329 Abs. 1 StPO in der seit dem 25. Juli 2015 geltenden Fassung zugrunde liegende Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/3562, Seite 68, unter Abkehr von der abweichenden früheren Rechtsprechung des BayObLG NStZ 2002, 277 f. zu § 234 StPO; zur aktuellen Rechtslage wie hier bereits OLG Hamburg StraFo 2017, 371 mwN). Nach den Erwägungen des Gesetzgebers ist die Erteilung der besonderen Vertretungsvollmacht durch den Angeklagten im Interesse der Rechtssicherheit gegenüber dem Gericht nachzuweisen (vgl. BT-Drucks. 18/3562, Seiten 61, 68). Diesem Schutzzweck ist nur Genüge getan, wenn dem Gericht ein von dem Angeklagten selbst unterzeichnetes Schriftstück vorgelegt wird. Auch die besondere Tragweite der Bevollmächtigung verlangt eine für das Gericht nachvollziehbare Dokumentation durch den Angeklagten selbst (vgl. OLG Hamburg aaO). Aus dem von dem Angeklagten ins Feld geführten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 8. November 2012 (Nummer 30804/07; Rechtssache Neziraj ./. Bundesrepublik Deutschland; StraFo 2012, 490 ff.), in dessen Umsetzung die nunmehr in § 329 Abs. 2 Satz 1 StPO enthaltene Vertretungsregelung geschaffen wurde (vgl. BT-Drucks. 18/3562, Seiten 53, 61), folgt nichts anderes. Nach dem Urteil ist (lediglich) sicherzustellen, dass die Berufung eines abwesenden Angeklagten nicht verworfen wird, wenn für diesen ein zur Vertretung bevollmächtigter Verteidiger auftritt. Zum Nachweis der Vollmacht verhält sich die Entscheidung nicht explizit.“

M.E. war es das. Verteidigern kann daher nur dringend geraten werden, sich vorab die Vertretervollmacht vom Mandanten unterschreiben zu lassen. Der kluge Mann bau vor.

Beide Entscheidungen sind zu § 329 StPO ergangen. Wie sich die Rechtsprechung zu den §§ 73, 74 OWiG entwickelt, muss man abwarten. da hat sich zwar nichts geändert….., aber……

Verteidiger aufgepasst, oder: Vollmacht für den Mandanten selbst unterschreiben geht nicht mehr

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Gegenstand der Berichterstattung auch hier im Blog ist ja schon häufiger die Frage gewesen, ob sich der Verteidiger in der Berufungshautpverhandlung ggf. selbst eine Vertretervollmacht für den Mandanten ausstellen kann, um so ggf. eine drohende Verwerfung der Berufungs des unerlaubt nicht anwesenden Mandanten zu verhindern. Das hat die Rechtsprechung in den letzten Jahren – wenn auch teilweise zähneknirschend – als zulässig angesehen. Problematisch und hoch gekocht ist die Frage dann wieder durch die Änderungen in § 329 StPO zum 25.07.2015. Denn in der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass eine schriftliche Vollmacht des Mandanten vorliegen muss und die Selbstausstellung durch den Verteidiger nicht mehr reicht.

Dazu liegt dann jetzt auch eine erste obergerichtliche Entscheidung vor, und zwar der OLG Hamburg, Beschl. v. 25.07.2017 – 1 Rev 37/17, auf den mich gerade Oliver Garcia hingewiesen hat, wofür ich danke. Das OLG Hamburg lässt die selbst unterzeichnete Vertretervollmacht nicht mehr ausreichen:

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Angeklagte nicht wirksam von ihrem allein anwesenden Verteidiger vertreten wurde. Zu Recht hat es deshalb die Berufung der Angeklagten nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO verworfen.

1. Im Berufungsrechtszug setzt die Vertretung des abwesenden Angeklagten nach § 329 Abs. 2 Satz 1 StPO voraus, dass der Angeklagte den Verteidiger zuvor schriftlich zur Vertretung bevollmächtigt. Die formlose Erteilung einer Vertretungsvollmacht durch den Angeklagten und deren anschließende Verschriftlichung durch den Verteidiger genügen nicht (so schon Mosbacher, NStZ 2013, 312, 314 f.; Löwe-Rosenberg/Becker, StPO, 26. Aufl.,§ 234 Rn. 8; sowie die Kommentierungen im Anschluss an die Gesetzesänderung durch das Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in der Berufungshauptverhandlung und über die Anerkennung von Abwe-senheitsentscheidungen in der Rechtshilfe, BT-Drucks. 18/3562: MünchKomm-StPO/Arnoldi, § 234 Rn. 7; SK-StPO/Deiters, 5. Aufl., § 234 Rn. 4).

a) Hierfür streitet schon die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 329 StPO (BT-Drucks. 18/3562, S. 68), die eine aufgrund einer mündlichen Ermächtigung durch den Angeklagten vom Verteidiger selbst unterzeichnete Vollmacht ausdrücklich für nicht ausreichend erachtet.

b) Die Gegenansicht (BayObLG, Beschl. v. 7. November 2001 – 5 St RR 285/01, NStZ 2002, 277 f.; OLG Dresden, Beschl. v. 21. August 2012 – 3 Ss 336/12 [zum Einspruchsverfahren vor dem Amtsgericht]; Beck-OK-StPO/Gorf, 27.Ed., § 234 Rn. 6; SSW-StPO/Grube, 2. Aufl., § 234 Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 234 Rn. 5) wird dem Schutzzweck der Norm nicht hinreichend gerecht. Dieser verlangt, dass sich der Angeklagte, nicht sein Verteidiger, schriftlich zur Vollmachtsfrage erklären muss. Nur dadurch wird dem Angeklagten die besondere Bedeutung seiner Bevollmächtigung bewusst (Mosbacher, a.a.O.). Zudem dokumentiert der Betroffene damit selbst zuverlässig, dass er wesentliche Verfahrensrechte aus der Hand gibt. Den Bevollmächtigten sich selbst schriftlich zur Bevollmächtigung erklären zu lassen, würde den Schutz des Angeklagten vor Übereilung durch mündliche Erklärung vereiteln und den besonderen Dokumentationswert der schriftlichen Bevollmächtigung ganz wesentlich herabsetzen (Mosbacher, a.a.O.).“

Nach der Entscheidung dürfte der „Zug abgefahren sein“. Im Hinblick auf diese Entscheidung kann also nur noch dringend davon abgeraten werden, ggf. ohne ausdrückliche, vom Mandanten selbst unterzeichnete Vertretervollmacht in die Berufungshauptverhandlung zu gehen, wenn der Mandanten dort ggf. wirksam vertreten werden soll (vgl. dazu auch schon Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, Rn. 707c).

Zutreffend weist das OLG noch darauf hin, dass es einer Vorlage an den BGH nach § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG nicht bedurfte. Denn durch die Gesetzesänderung in § 329 StPO entfällt die Vorlagepflicht mit Blick auf die entgegenstehenden obergerichtlichen Entscheidungen.