Schlagwort-Archive: Verteidigererklärung

OWi II: Entbindungsantrag in der Hauptverhandlung, oder: Hat der Verteidiger eine Vertretervollmacht?

© fotomek – Fotolia.com

Und dann der zweite KG-Beschluss, nämlich der KG, Beschl. v. 13.04.2023 – 3 ORbs 61/23 – 122 Ss 27/23 – zur Würdigung einer Verteidigererklärung bei erlaubter Abwesenheit des Betroffenen.

Auch hier merkt das KG nur ergänzend zur Stellung der GStA an:

„Der Senat merkt ergänzend zu der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vom 16. März 2023 an:

1. Der Verteidiger hat eine Inbegriffsrüge nach § 261 StPO erhoben. Er beanstandet, dass das Gericht seine Angaben zur Sache in der Hauptverhandlung am 14. Dezember 2022, an der der Betroffene erlaubt nicht teilgenommen habe, lediglich als Prozesserklärung, aber mangels einer für diesen Sitzungstag nachgewiesenen Vertretungsvollmacht nicht als Einlassung des Betroffenen habe werten und nicht den Urteilsgründen zu dessen Nachteil habe zugrunde legen dürfen. Die am 15. August 2022 zu Protokoll gereichte Vertretungsvollmacht habe sich nur „auf diese Hauptverhandlung und auf Folgetermine, aber nicht auf eine neue Hauptverhandlung nach Aussetzung erstreckt“.

Der Beanstandung liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:

Der Betroffene erschien zur Hauptverhandlung am 15. August 2022 trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht. Der Verteidiger überreichte die als Anlage zu Protokoll genommene Vertretungsvollmacht und stellte einen Antrag auf dessen Entbindung vom persönlichen Erscheinen, dem das Gericht nachkam. Danach erteilt der Betroffene „seinem Verteidiger (….) neben der bereits erteilten Verteidigervollmacht, besondere Vertretungsvollmacht zur Vertretung meiner Abwesenheit.

Die besondere Vertretungsvollmacht erstreckt sich insbesondere darauf,

– mich in der Hauptverhandlung am 15.08.2022 und allen Folgeterminen in meiner Abwesenheit vertreten zu dürfen,

– den Antrag nach § 73 Abs. 2 OWiG zu stellen,

– und alle notwendigen Erklärungen in meinem Namen in der Hauptverhandlung abgeben zu dürfen.“

Während der Verhandlung machte der Verteidiger für den Betroffenen Angaben zur Person und zur Sache.

Das Gericht hat die Hauptverhandlung, die am 15. August 2022 begann und fortgesetzt werden musste, letztlich aussetzen müssen.

Zu der neu terminierten Hauptverhandlung am 14. Dezember 2022 erschien der mit Zustellungsurkunde geladene Betroffene unentschuldigt ebenfalls nicht. Der Verteidiger stellte – wie in dem Termin am 15. August 2022 – nach Aufruf und vor Beginn der Verhandlung zur Sache einen Antrag auf Entbindung des Betroffenen vom persönlichen Erscheinen, dem das Gericht erneut nachkam. Ausweislich des Protokolls machte der Verteidiger für den Betroffenen Angaben zu dessen persönlichen Verhältnissen, zur Sache, in dem er dessen Fahrereigenschaft einräumte und erhielt für den Betroffenen das letzte Wort auch nach erneutem Wiedereintritt in die Beweisaufnahme. Der Verteidiger hat diesen protokollierten Sitzungsverlauf in seiner Rechtsbeschwerdebegründungsschrift auch nicht in Frage gestellt (RB S.2f).

2. Der Senat teilt die Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft, dass die Rüge jedenfalls unbegründet ist. Das Tatgericht hat rechtsfehlerfrei das Urteil u.a. auf die vom Verteidiger aufgrund der seit dem 15. August 2022 nachgewiesenen Vertretungsvollmacht für den Betroffenen gemachten Angaben zur Person und zur Sache gestützt.

a) Die Beanstandung des Verteidigers, dass sich die Vertretungsvollmacht nur auf Folgetermine einer nicht ausgesetzten Hauptverhandlung bezogen habe, überzeugt nicht. Diese Ansicht träfe nur dann zu, wenn die Vollmacht auf Fortsetzungstermine – so der juristische Fachbegriff für Sitzungstage einer ggf. mehrfach unterbrochenen, aber nicht ausgesetzten Hauptverhandlung – beschränkt gewesen wäre. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vertretungsvollmacht erstreckte sie sich auf in Abwesenheit des Betroffenen stattfindende Folgetermine, also Hauptverhandlungstermine, die nach dem Hauptverhandlungstermin am 15. August 2022 folgen werden. Demnach standen dem Verteidiger die Befugnisse aus der Vertretungsvollmacht an allen bis zum Abschluss des Verfahrens benötigten Terminen zu, an denen der Betroffene von seinem Anwesenheitsrecht keinen Gebrauch machte. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck einer solchen Vertretungsvollmacht. Denn eine solche Vollmacht dient nach verständiger Betrachtung der Verhinderung der Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG des ordnungsgemäß geladenen, aber unentschuldigt ausgebliebenen Betroffenen und zwar unabhängig davon, wie viele Hauptverhandlungen tatsächlich bis zur Erledigung des Verfahrens benötigt werden. Daher enthält die „besondere Vertretungsvollmacht“ auch die Befugnis des Verteidigers, einen Antrag nach § 73 Abs. 2 OWiG zu stellen und – noch einmal ausdrücklich formuliert – alle notwendigen Erklärungen in der Hauptverhandlung im Namen des Betroffenen abzugeben.

b) Entsprechend einem solchen Verständnis von der auf den Verteidiger ausgestellten Vertretungsvollmacht hat er sich in der Hauptverhandlung am 14. Dezember 2022 verhalten.

Bereits der Antrag des Verteidigers nach Aufruf der Sache, den ordnungsgemäß geladenen, aber unentschuldigt ausgebliebenen Betroffenen von seiner Präsenzpflicht auch in der Hauptverhandlung am 14. Dezember 2022 zu entbinden, stützt sich zwingend auf die ihm zuvor erteilte „besondere Vertretungsvollmacht“. Denn nur der zur Vertretung nach § 73 Abs. 3 OWiG mit nachgewiesener Vollmacht versehene Verteidiger kann den Antrag nach Abs. 2 stellen (vgl. BGHSt 12, 367; 25, 281; Senat, Beschluss vom 13. Juli 2022 – 3 Ws (B) 170/22, juris; Senge in KK-OWiG 5. Aufl., § 74 Rn. 19 m.w.N.), weil der erfolgreiche Entbindungsantrag auf eine Minderung der Rechtstellung des Betroffenen hinausläuft (OLG Hamm Zfs 2015, 52). Dass auch das Tatgericht von einer nachgewiesenen Vertretungsvollmacht des Verteidigers ausgegangen ist, ergibt sich aus seiner (für den Betroffenen positiven) Entscheidung. Andernfalls hätte es den Antrag wegen der fehlenden Vertretungsvollmacht nicht bescheiden dürfen (vgl. OLG Rostock DAR 2008, 400) und den Einspruch des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG verwerfen müssen.

Auch im weiteren Verlauf macht der Verteidiger für das Gericht erkennbar von seiner nachgewiesenen Vertretungsvollmacht durch Abgabe aller notwendigen Erklärungen vor und nach Beginn der Verhandlung zur Person und zur Sache Gebrauch. Letzteres wäre nicht erforderlich gewesen. Denn das Gericht hätte die ordnungsgemäß protokollierten Angaben zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen und zur Sache, die der Verteidiger für ihn am 15. August 2022 gemacht hat, nach § 74 Abs. 1 Satz 2 OWiG verlesen dürfen.

Das Verteidigerverhalten belegt, dass auch er von einer zeitlich unbegrenzten Vertretungsvollmacht ausgegangen ist.

Bei dieser Sachlage oblag dem Tatgericht – entgegen der Auffassung der Verteidigung – auch keine Verpflichtung, den Verteidiger nach Belehrung nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 243 Abs. 5 StPO darauf hinzuweisen, dass das Gericht seine Angaben zur Person des Betroffenen und zur Sache nicht als Prozesserklärungen aufgrund der Verteidigervollmacht, sondern als Erklärungen für den Betroffenen aufgrund der ihm erteilten Vertretungsvollmacht gewertet hat.

Das Verteidigerverhalten in der Hauptverhandlung vom 14. Dezember 2022 steht in einem von der Verteidigung nicht aufgelösten Widerspruch zur Rechtsbeschwerdebegründung.

c) Auch soweit sich der Verteidiger zur Begründung seines Rechtsmittels auf die Entscheidung des Senats vom 5. Dezember 2022 (3 Ws (B) 310/22, juris) bezieht, verhilft dies der Rechtsbeschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg.

Im dortigen Verfahren war der Betroffene in der Hauptverhandlung anwesend, hat zur Sache geschwiegen und sein Verteidiger hat allein aufgrund seiner Verteidigervollmacht (für eine Vertretungsvollmacht war wegen der Anwesenheit des Betroffenen kein Raum) Angaben zur Sache gemacht, die das Gericht seinem Urteil zum Nachteil des Betroffenen zugrunde gelegt hat.

Davon ist der hier zugrundeliegende Sachverhalt zu unterscheiden:

Der Betroffenen war erlaubt abwesend, es liegt ein gesetzlich vorgesehener Fall der Vertretung nach § 73 Abs. 3 OWiG vor, und der Verteidiger macht von der Vertretungsvollmacht Gebrauch.

Der Senat hat im Übrigen die deutlich voneinander abweichenden Fallkonstellationen ausdrücklich unter Hinweis auf ihre unterschiedlichen rechtlichen Schicksale bereits in der vom Verteidiger zitierten Senatsentscheidung dargestellt.“

In meinen Augen geht das über eine „ergänzende Anmerkung“ deutlich hinaus. Ich verstehe nicht, warum man dann nicht einen „vernünftigen“ Beschluss macht. Denn, wenn man so viel „anmerken“ bzw. „ergänzen“ muss, dann kann es so doll mit der Stellungnahme der GStA ja nicht gewesen sein.

StPO II: Die Verteidigererklärung als Einlassung, oder: Teilschweigen mit nachteiligen Folgen

Bild von Clker-Free-Vector-Images auf Pixabay

Nach dem BGH-Beschluss vom 16.12.2021 zur Revisionsrücknahme, mit dem ich heute Morgen begonnen habe, hier dann ebenfalls eine schon etwas ältere Entscheidung des BGH, die aber jetzt erst auf der Homepage des BGH eingestellt worden ist. Sie befasst sich mit einer sog. Verteidigererklärung, mit der sich der Angeklagte, der sich die Erklärung zu eigen gemacht hatte, zur Sache eingelassen hat. Der BGH, Beschl. v. 21.12.2021 – 3 StR 380/21 – zeigt, welche Gefahren dann doch in diesen Erklärungen, die in der Praxis ja gar nicht so selten sind, lauern können:

Das LG hatte den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt. Dagegen die Revision, die beim BGH keinen Erfolg hatte:

„2. Die auf die allgemeine Sachrüge hin veranlasste umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:

a) Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung durch eine Erklärung seines Verteidigers, die er sich ausdrücklich zu eigen gemacht hat, zur Sache eingelassen. Nachfragen hat er nicht zugelassen. Mit der Verteidigererklärung hat der Angeklagte eingeräumt, dem Tatopfer die tödliche Verletzung zugefügt zu haben. Er hat jedoch geltend gemacht, der Geschädigte sei ohne für ihn erkennbaren Anlass auf ihn zugelaufen und habe ihn geschlagen. Er habe ein Messer gezückt, um seinen Kontrahenten von weiteren Angriffen abzuhalten. Dieser habe ihn gleichwohl erneut attackiert, woraufhin sie beide zu Boden gegangen seien. In diesem Zusammenhang müsse der Geschädigte in das Messer gefallen sein.

b) Dieser Einlassung ist die Strafkammer, soweit mit ihr eine Notwehrlage und eine ungewollte Verletzung des Opfers behauptet worden sind, nicht gefolgt. Dabei hat sie nicht nur gestützt auf ein rechtsmedizinisches Sachverständigengutachten ausgeführt, das Verletzungsbild passe nicht zu einem Sturz des Opfers in das Messer, sondern sei plausibel allein mit einem gezielten und kraftvoll geführten Messerstich erklärbar.

Vielmehr hat das Landgericht der Einlassung des Angeklagten auch deshalb keinen Glauben geschenkt, weil sie zum einen in Form einer Verteidigererklärung ohne Möglichkeit der Überprüfung durch kritische Nachfragen vorgebracht worden sei und zum anderen ihrem Inhalt nach ein Teilschweigen des Angeklagten darstelle, aus dem für diesen nachteilige Schlüsse gezogen werden dürften. Denn die Verteidigererklärung habe sich zu wesentlichen Aspekten des Tatgeschehens, zu denen eine Darlegung naheliegend gewesen sei, nicht verhalten. Sie habe keine Angaben zum Gegenstand des Streits zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer sowie zum Grund ihrer abendlichen Verabredung enthalten. Dies deute darauf hin, dass das Tatvorgeschehen gegen eine Notwehrsituation spreche, denn ansonsten hätte der Angeklagte zu diesem erwartbar Angaben gemacht. Ferner habe die Verteidigererklärung nicht Stellung dazu bezogen, inwieweit die beiden weiteren Personen, bei denen es sich ausweislich einer sichergestellten WhatsApp-Kommunikation um unmittelbare Tatzeugen gehandelt habe, in das Geschehen involviert gewesen seien. Da diese ihrerseits eine Anwesenheit bei der Tat wahrheitswidrig bestritten hätten, deute dies auf eine Absprache zwischen dem Angeklagten und diesen Personen hin, die Zeugen sollten zum Tatgeschehen schweigen. Das wiederum gebe Anlass zu der Annahme, der Angeklagte habe sich nicht in einer Notwehrsituation befunden. Denn hätte die geltend gemachte Notwehrsituation vorgelegen, hätten die beiden weiteren Personen naheliegend zu dieser bekundet. Das Schweigen der Verteidigererklärung zu wesentlichen Teilen des Tatgeschehens spreche mithin gegen ihre Richtigkeit.

c) Gegen diese Würdigung der Einlassung ist von Rechts wegen nichts zu erinnern.

aa) Bei einer Einlassung mittels Verteidigererklärung ohne Möglichkeit kritischer Nachfragen ist das Tatgericht nicht nur befugt, sondern sogar gehalten, im Rahmen seiner Beweiswürdigung zu berücksichtigen, dass dieser von vornherein nur ein erheblich verminderter Beweiswert zukommt, weil es sich um ein – in der Regel im Vorfeld der Angaben schriftlich ausgearbeitetes – situativ nicht hinterfragbares Verteidigungsvorbringen handelt. Solche Einlassungen sind nur sehr eingeschränkt einer Glaubhaftigkeitsprüfung zugänglich. Anders als bei einer mündlich abgegebenen Sachäußerung kann aus ihnen kein unmittelbarer Eindruck des Aussageverhaltens gewonnen werden. Der Beweiswert eines solchen Einlassungssurrogats bleibt substanziell hinter dem einer dem gesetzlichen Leitbild der Einlassung entsprechenden, nicht nur persönlich und mündlich, sondern auch in freier Rede und vollständig getätigten Äußerung zurück (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2021 – 3 StR 68/21, StV 2021, 477 Rn. 8; Urteile vom 5. November 2020 – 4 StR 381/20, NStZ 2021, 574 Rn. 11; vom 11. März 2020 – 2 StR 69/19, NStZ 2021, 180 Rn. 23; Beschlüsse vom 21. Oktober 2014 – 5 StR 296/14, BGHSt 60, 50 Rn. 9; vom 6. November 2007 – 1 StR 370/07, BGHSt 52, 78 Rn. 17; vom 30. Oktober 2007 – 3 StR 410/07, NStZ 2008, 476, 477; Urteil vom 24. April 2003 – 3 StR 181/02, NJW 2003, 2692, 2693; MüKoStPO/Miebach, § 261 Rn. 200; KK-StPO/Schneider, 8. Aufl., § 243 Rn. 91; Miebach, NStZ 2019, 318, 322).

bb) Das teilweise Schweigen eines Angeklagten darf als Beweisanzeichen zu seinem Nachteil verwertet werden. Denn ein Angeklagter, der durch eine Einlassung zur Sache an der Aufklärung des gegen ihn erhobenen Tatvorwurfs mitwirkt, jedoch bei seinem Vorbringen einzelne Tat- oder Begleitumstände eines einheitlichen Geschehens verschweigt beziehungsweise auf einzelne Nachfragen und Vorhalte keine oder lückenhafte Antworten gibt, unterstellt aus freiem Entschluss seine Einlassung insgesamt einer Würdigung durch das erkennende Gericht. Allerdings dürfen aus einem Teilschweigen im Rahmen einer Einlassung zu einem bestimmten, einheitlichen Geschehen nur dann nachteilige Schlüsse für den Angeklagten gezogen werden, wenn nach den Umständen Angaben zu dem verschwiegenen Punkt zu erwarten gewesen wären, andere mögliche Ursachen des Verschweigens ausgeschlossen werden können und die gemachten Angaben nicht ersichtlich lediglich fragmentarischer Natur sind, es sei denn, der Angeklagte hat zu dem betreffenden Teilaspekt auch auf konkrete Nachfrage hin keine Antwort gegeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. April 2015 – 2 StR 48/15, NStZ 2015, 601; vom 16. Dezember 2010 – 4 StR 508/10, NStZ-RR 2011, 118; Urteile vom 11. Januar 2005 – 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147, 148; vom 18. April 2002 – 3 StR 370/01, NJW 2002, 2260; vom 26. Oktober 1983 – 3 StR 251/83, BGHSt 32, 140, 145; vom 3. Dezember 1965 – 4 StR 573/65, BGHSt 20, 298, 300; MüKoStPO/Miebach, § 261 Rn. 194 f.; KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 261 Rn. 163; Meyer-Goßner/Schmitt, 64. Aufl., § 261 Rn. 17 mwN; kritisch Schneider, NStZ 2017, 73, 75 ff.).

Diese Grundsätze zur Zulässigkeit der Würdigung eines Teilschweigens des Angeklagten zu seinem Nachteil gelten auch dann, wenn sich der Angeklagte in Form einer Verteidigererklärung zur Sache einlässt, die er sich zu eigen macht, und er Nachfragen entweder generell nicht zulässt oder nicht vollumfänglich beantwortet (KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 261 Rn. 163).

Denn es macht insofern keinen Unterschied, ob der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung selbst mündlich zur Sache einlässt und dabei auf einzelne Punkte des Tatgeschehens nicht eingeht oder er sich der Hilfe seines Verteidigers bedient und diesen für sich unter Auslassung einzelner Teilaspekte zur Sache vortragen lässt. In beiden Fällen macht der Angeklagte in gleicher Weise seine Einlassung zum Gegenstand der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) und muss daher eine umfassende Würdigung seines Vorbringens durch das Tatgericht hinnehmen. Dies gilt auch deshalb, weil der Angeklagte frei ist in seiner Entscheidung, sich Vorbringen seines Verteidigers als seine Einlassung zu eigen zu machen und Nachfragen nicht oder nicht vollständig zu beantworten.

Hieran gemessen hat die Strafkammer die ersichtliche Unvollständigkeit der Verteidigererklärung als Indiz dahin werten dürfen, dass die behauptete Notwehrlage tatsächlich nicht bestand und der Angeklagte mit Verletzungsabsicht zustach. Die Strafkammer hat nachvollziehbar dargetan, dass und warum bei einer wahrheitsgemäßen Einlassung Angaben auch zu den von ihr vermissten Teilaspekten zu erwarten gewesen wären. Das Landgericht hat zudem geprüft, ob es andere Ursachen für die Lückenhaftigkeit der Einlassung gegeben haben könnte, dies allerdings tragfähig ausgeschlossen.“