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OWI III: Bußgeldbescheid mit Fahrverbot u. Geldbuße, oder: Beschränkung des Einspruchs nur auf Geldbuße?

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Und zum Tagesschluss dann noch einmal etwas aus dem Bußgeldverfahren, nämlich zu der Frage, ob der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid, mit dem (auch) ein Fahrverbot festgesetzt worden ist, auf die Geldbußenhöhe beschränkt werden kann. Das AG Dortmund sagt im AG Dortmund, Urt. v. 11.08.2022 – 729 OWi-265 Js 881/22-62/22: Ja, das geht:

„Angesichts der vorliegenden Voreintragungen und der als Einspruchsbeschränkung auf die Höhe der Geldbuße zu wertenden Teilrücknahme des Einspruchs (hierzu: Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 18. Aufl. 2021,  § 67 Rn. 35) war auch die Festsetzung des 3-monatigen Fahrverbotes nach § 25 StVG, wie sie in dem angefochtenen Buß-geldbescheid enthalten war, bestandskräftig. Zwar besteht zwischen Fahrverbot und Geldbuße anerkanntermaßen eine Wechselwirkung (so etwa: OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 26.4.2022 – 3 Ss OWi 415/22, BeckRS 2022, 9906; OLG Hamm Beschl. v. 3.3.2022 – 5 RBs 48/22, BeckRS 2022, 5633 ; BayObLG Beschl. v. 23.4.2019 – 202 ObOWi 460/19, BeckRS 2019, 7481; Halecker Der „Denkzettel“ Fahrverbot, 2009, S.?233; Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2022, § 4 – Verhältnis Geldbuße/Fahrverbot, Rn. 2; BeckOK OWiG/Euler, 35. Ed. 1.7.2022, StVG § 25 Rn. 1). Doch gilt diese nach herrschender Meinung nur einseitig. Während ein Absehen vom vorgesehenen Regelfahrverbot eine erhöhte Bußgeldandrohung zur Folge haben kann (§ 4 Abs. IV BKatV) gilt umgekehrt nicht, dass eine herabgesetzte Geldbuße zu einem erhöhten Fahrverbot führen kann, insbesondere dann nicht, wenn ohnehin das höchst mögliche Fahrverbot von 3 Monaten festgesetzt wurde. Die h.M., nimmt so richtigerweise eine Beschränkbarkeit des Einspruchs innerhalb des Rechtsfolgeausspruchs mit Geldbuße und Fahrverbot auf die Geldbußenhöhe an (Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 18. Aufl. 2021, § 67 Rn. 34g; OLG Brandenburg Beschl. v. 28.2.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 28/22, BeckRS 2022, 5849; OLG Hamm, Beschl. v. 16. 1. 2012 – III-2 RBs 141/11, BeckRS 2012, 8582  = DAR 2012, 28; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02. 11. 2016 – IV-2 RBs 157/16, DAR 2017, 92; AG Dortmund Urt. v. 18.7.2017 – 729 OWi-267 Js 1158/17-191/17, BeckRS 2017, 121849; Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2022, § 21 – Besonderheiten des OWi-Verfahrensrechts, Rn. 6; a.A. für atypische Verstöße: Krenberger/Krumm, OWiG, 7. Aufl. 2022, § 67 Rn. 60).

Das Gericht hat klarstellend im Urteilstenor das 3-Monats-Fahrverbot nebst Schon-frist (§ 25 Abs. 2a StVG) gleichwohl tenoriert.  Eine derartige Klarstellung ist nach Einspruchsbeschränkung zulässig und geboten. Sie hat keinen eigenständigen und über den Bußgeldbescheid hinausgehenden vollstreckungsfähigen Inhalt.

Ferner hat es eine Geldbuße von nur 600,00 € festgesetzt und damit die Geldbuße in Höhe von 1.000,00 € aus dem Bußgeldbescheid reduziert aufgrund der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Betroffenen. Das Gericht hat zudem aus denselben Erwägungen eine Ratenzahlungsgewährung vorgenommen.“

„Schöner“ Tenor im Urteil: „Der Betroffene wird wegen der im Bußgeldbescheid der Stadt Dortmund vom 14.04.2022 genannten Tat zu einer Geldbuße von 600,00 € verurteilt.“ 🙂

OWi III: Unpräziser = Unwirksamer Bußgeldbescheid, oder: Falsche Auslagenentscheidung

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Und zum Tagesschluss habe ich hier dann noch den AG Maulbronn, Beschl. v. 15.06.2022 – 4 OWi 11 Js 4247/22 – zur Wirksamkeit des Bußgeldbescheides. Das AG hat das Verfahren gegen den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung eingestellt: Seine Kosten muss der Betroffene aber selbst tragen:

„Es besteht ein Verfahrenshindernis hinsichtlich des Betroffenen, § 206a StPO.

Ausweislich des Bußgeldbescheids liegt dem Betroffenen zur Last, am 29.11.2021 um 12:48 Uhr „in 71297 Gern. Mönsheim, L 1134 LH. Einm. Appenberg Fahrtrichtung Weissach“ als Führer eines PKW die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten z u haben. Die entsprechende Geschwindigkeitsmessung hatte tatsächlich jedoch nicht an diesem Ort, sondern in Mönsheim an der „L1177 i.H. Stat. Zeichen 0,8″ stattgefunden. Der Bußgeldbescheid genügt daher nicht den Anforderungen an seine Umgrenzungsfunktion. Zwar können unpräzise oder gar unrichtige Angaben des Tatorts in einem Bußgeldbescheid ebenso wie in einer Anklageschrift unter Umständen unschädlich sein mit der Folge, dass den Verteidigungsinteressen des Betroffenen mit der Hinweispflicht des § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO Genüge getan ist. Dies erfordert indes die Möglichkeit, die konkrete Tat anderweitig so präzise umschreiben zu können, dass diese eindeutig von möglichen anderen Taten unterschieden werden kann (vgl. zum ganzen Schneider, in Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl. 2019, § 201 Rn. 3 m.w.N.). Hieran fehlt es hier. Die in Rede stehende Geschwindigkeitsüberschreitung lässt sich allein durch die exakte Benennung von Tatort- und zeit von möglichen anderen von dem Betroffenen begangenen gleichartigen Taten differenzieren. Da somit der Bußgeldbescheid den Anforderungen an seine Umgrenzungsfunktion nicht gerecht wird, ist dieser unwirksam so dass ein Verfahrenshindernis nach § 206a StPO ivm. § 46 Abs. 1 OWiG besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464, 467 Abs. 1 und 3 Satz 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 46 OWiG.

Danach kann das Gericht davon absehen, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Betroffenen aufzuerlegen, wenn er nur wegen eines bestehenden Verfahrenshindernisses nicht verurteilt wird. Hierfür genügt es, dass zum Zeitpunkt der Feststellung des Verfahrenshindernisses ein hinreichender Tatverdacht besteht (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 3. Februar 2003 — 3 Ws 248/02 —, juris Rn. 9 m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Der hinreichende Tatverdacht einer Geschwindigkeitsüberschreitung ergibt sich hier namentlich aus den zeugenschaftlichen Angaben des Messkontrolleurs sowie den bei der Geschwindigkeitsmessung gefertigten Lichtbildern.

Im Rahmen des von § 467 Abs. 1 und 3 Satz 2 Nr. 2 StPO somit eröffneten Ermessens ist einerseits in Betracht zu ziehen, dass das Verfahrenshindernis, worauf die Verteidigung zutreffend hingewiesen hat, letztlich der Verantwortungssphäre der Bußgeldbehörde entsprungen ist. Auf der anderen Seite war auch insofern die Stärke des Tatverdachts, der durch die Verteidigung auch nicht entkräftet worden ist, in den Blick zu nehmen. Unter Abwägung dieser Umstände hält das Gericht es nicht für angezeigt, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Betroffenen aufzuerlegen. „

Die Einstellung ist zutreffend, die Auslagenentscheidung m.E. aber falsch. Was heißt denn hier „Stärke des Tatverdachts“. Aus dem Beschluss ergibt sie sich jedenfalls nicht.

OWi II: (Un)Wirksamkeit des Bußgeldbescheides, oder: Nur bei wesentlichen Mängeln

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Und dann als zweite Entscheidung hier der OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.05.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 144/22. Nicht Besonderes, sondern nur Festschreibung der Rechtsprechung zur Wirksamkeit des Bußgeldbescheides:

„b) Der Bußgeldbescheid vom 21. Dezember 2020 bildet entgegen der Auffassung des Betroffenen eine wirksame Verfahrensgrundlage.

Mängel des Bußgeldbescheides sind im gerichtlichen Verfahren unbeachtlich, wenn der Bescheid nicht unwirksam ist (OLG Düsseldorf VRS 1978, 440; Göhler, OWiG, 18. Auflage, vor § 65, Rz. 9). Unwirksam ist der Bußgeldbescheid nur bei schwerwiegenden Mängeln, liegen solche vor, ist das Verfahren mangels Vorliegens einer Prozessvoraussetzung gemäß §§ 36 Abs. 1 OWiG, 206a, 260 StPO einzustellen (Göhler a. a. O.).

Einen in diesem Sinne schwerwiegenden Mangel weist der verfahrensgegenständliche Bußgeldbescheid nicht auf. Er würde nur dann das Tatgeschehen nicht ausreichend begrenzen, wenn Zweifel über die Tatidentität möglich wären, also nicht eindeutig wäre, welcher Lebensvorgang zur Entscheidung des Gerichts gestellt ist (BGHSt 23, 336; 39, 291; OLG Hamburg wistra 1998, 278; OLG Düsseldorf DAR 1999, 275; Göhler a. a. O., zu § 66, Rz. 39). Die tatsächliche und rechtliche Bezeichnung der Tat gemäß § 66 Abs. 1 Ziff. 3 OWiG soll die Beschuldigung eindeutig kennzeichnen. Wesentlich für die Bezeichnung ist deshalb, dass der Betroffene erkennen kann, welches Tun oder Unterlassen den Gegenstand des Verfahrens bildet, gegen welchen Vorwurf er daher seine Verteidigung richten muss (Göhler a. a. O., Rz. 12). Es kommt darauf an, wie wahrscheinlich es ist, dass der Betroffene zu der angegebenen Zeit und in dem angegebenen Raum weitere gleichartige Ordnungswidrigkeiten verübt hat und eine Verwechselungsgefahr besteht (BGH a. a. O.; Göhler a. a. O., Rz. 12). Gemessen hieran ist der Bußgeldbescheid ausreichend, wenn nach seinem Inhalt kein Zweifel über die Tatidentität bestehen kann, also feststeht, welchen Sachverhalt er erfasst und ahnden soll (BayObLG VRS 1978, 36; NZV 1998, 515; OLG Köln DAR 2018, 338). Ein offensichtlicher Irrtum in der Bezeichnung des Zeitpunktes oder des Ortes der Tat ist unschädlich (OLG Stuttgart Die Justiz 1978, 477; OLG Hamm GA 1972, 60; NZV 2004, 317; Göhler a. a. O., Rz. 39). Bei einer falschen Ortsbezeichnung kommt es darauf an, ob es sich um ein offensichtliches Missverständnis handelt. Ergeben die näheren Umstände zweifelsfrei, welcher Ort gemeint ist, bildet der Bußgeldbescheid eine ausreichende Verfahrensgrundlage (OLG Hamm NZV 1992, 283; OLG Düsseldorf NZV 2000, 89; Göhler a. a. O., Rz. 43).

So liegt der Fall hier. Jedenfalls nach der richterlichen Aufklärung durch Einholung einer dienstlichen Stellungnahme des Messbeamten ergibt sich aus dem Akteninhalt zweifelsfrei, dass sich die Messstelle auf Höhe des Kilometers 3,6 befand und nur in das Messprotokoll versehentlich Kilometer 3,2 eingegeben worden war.

Bedenken hinsichtlich der Beschilderung und des Abstandes der Messstelle zu dieser ergeben sich daraus nicht.“

OWi I: Verjährungsunterbrechunghandlung ok?, oder: Ortsangabe/Tatbeschreibung im Bußgeldbescheid

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Und heute dann noch einmal OWi-Entscheidungen, heute zur Thematik: Verfahrensrecht und was ggf. damit zu tun hat.

Ich beginne mit drei Entscheidungen zur Verjährung bzw. Verjährungsunterbrechung (§§ 31 ff. OWiG) bzw. zur Wirksamkeit des Bußgeldbescheides, und zwar:

Nur evidente und unerträglich schwerwiegende Mängel einer Unterbrechungshandlung hindern deren verjährungsunterbrechende Wirkung. Daher muss sich die Bejahung eines Anfangsverdachts bei einer nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG getroffenen Anordnung als schlechthin unvertretbar und nicht mehr verständlich darstellen, damit die Unterbrechungswirkung entfällt.

    1. Zur Bezeichnung der „Tat“ in § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG genügt die Angabe der allgemeinen („abstrakten“) gesetzlichen Tatbestandsmerkmale nicht. Vielmehr ist der Sachverhalt, in dem die Verwaltungsbehörde den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erblickt, unter Anführung der Tatsachen, die die einzelnen Tatbestandsmerkmale erfüllen, als geschichtlicher Lebensvorgang so konkret zu schildern, dass dem Betroffenen erkennbar wird, welches Tun oder Unterlassen Gegenstand der Ahndung sein soll und gegen welchen Vorwurf er sich daher verteidigen muss. Der Umfang der Tatschilderung wird maßgeblich von der Gestaltung des Einzelfalls und der Art der verletzten Vorschrift bestimmt, wobei keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen.
    2. Eine Bezugnahme im Bußgeldbescheid auf außerhalb seiner selbst (oder mit ihm verbundener Anlagen) liegende Aktenbestandteile ist unzulässig – selbst dann, wenn diese dem Betroffenen vorher in Abschrift mitgeteilt worden sind.
    3. Gewerbsmäßig i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 8 TierSchG handelt, wer die Tätigkeit planmäßig, fortgesetzt und mit der Absicht der Gewinnerzielung ausübt.

Bezogen auf die jeweilige Ortsangabe des Tatorts ist – sofern der Betroffene nicht an Ort und Stelle angehalten wird – im Bußgeldbescheid zwar keine auf den Meter genaue Streckenangabe erforderlich. Erforderlich ist jedoch die Angabe eines markanten Punktes (Parkplatz, Hausnummer, Gebäude etc.

OWi III: Bezeichnung der Tat im Bußgeldbescheid, oder: Übertragungsfehler?

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In der dritten und letzten Entscheidung des Tages, dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.05.2021 – IV-1 RBs 33/21 – nimmt das OLG (noch einmal) zur Problematik der Unwirksamkeit des Bußgeldbescheides bei ungenauer Bezeichnung der Tat Stellung. Das AG hatte den Bußgeldbescheid wegen eines Rotlichtverstoßes als zu ungenau und deshalb als unwirksam angesehen und frei gesprochen (!). Das OLG hebt auf:

„1. Das auf Freispruch des Betroffenen lautende Urteil ist zunächst in formaler Hinsicht fehlerhaft, weil das vom Amtsgericht angenommene Vorliegen eines Verfahrenshindernisses wegen Unwirksamkeit des zu Grunde liegenden Bußgeldbescheids nicht zum Freispruch, sondern gemäß § 260 Abs. 3 StPO, § 71 Abs. 1 OWiG zum Einstellungsurteil führen würde (vgl. KK/Kurz, OWiG, 5. Auflage 2018, § 66 Rn. 73).

2. Das Urteil erweist sich aber auch inhaltlich als rechtsfehlerhaft, weil das Amtsgericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass ein Verfahrenshindernis vorliegt. Der Bußgeldbescheid vom 1. April 2020 ist nicht unwirksam im dem Sinne, dass er keine tragfähige Grundlage für eine gerichtliche Sachentscheidung darstellt und das Verfahren daher wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung einzustellen ist. Dies ist nur bei schwerwiegenden Mängeln der Fall (vgl. Göhler, OWiG, 17. Auflage 2017, § 66 Rn. 38). Derartige Mängel liegen hier nicht vor. Insbesondere ist der Tatvorwurf hinreichend konkretisiert.

2.1 Gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG muss der Bußgelbescheid unter anderem die Bezeichnung der Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird, sowie Zeit und Ort ihrer Begehung enthalten. Der Bußgeldbescheid vom 21. April 2020 enthält diese Angaben.

aa) Soweit das Amtsgericht gleichwohl annimmt, dass der Bußgeldbescheid den Anforderungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG deshalb nicht entspricht, weil der Tatort wegen Widersprüchen zwischen polizeilicher Ordnungswidrigkeitenanzeige und Bußgeldbescheid unklar und für den Betroffenen nicht erkennbar sei, die Missachtung welcher Lichtzeichenanlage ihm zur Last gelegt wird, verkennt dies die an den Bußgeldbescheid als Prozessvoraussetzung zu stellenden formalen Anforderungen.

Die Aufgabe des Bußgeldbescheids als Prozessvoraussetzung besteht darin, den Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen. Diese Aufgabe erfüllt er in sachlicher Hinsicht, wenn nach seinem Inhalt kein Zweifel über die Identität der Tat entstehen kann, wenn also zweifelsfrei feststeht, welcher Lebensvorgang erfasst und geahndet werden soll (BGH NJW 1970, 2222). Fehler und Ungenauigkeiten bei der Bezeichnung der Tat stellen die sachliche Abgrenzungsfunktion nicht in Frage, sofern die Tat durch andere Umstände so genügend konkretisiert ist, dass ihre Individualität und Unterscheidbarkeit von anderen Taten gewahrt bleibt (OLG Hamm NZV 2005, 489), während solche Mängel, die lediglich die Vorbereitung der Verteidigung erschweren, die Wirksamkeit des Bußgeldbescheids nicht berühren (BGHSt 23, 336).

bb) Zunächst kann ein Widerspruch zwischen dem Bußgeldbescheid und der ihr vorangegangenen polizeilichen Ordnungswidrigkeitenanzeige schon deshalb für sich genommen keinen formalen Mangel des Bußgeldbescheids darstellen, weil wegen eines solchen Widerspruchs nicht der Inhalt des Bußgeldbescheids selbst unklar wird.

cc) Vorliegend sind die im Bußgeldbescheid enthaltenen Angaben zum Tatort jedoch deshalb offenkundig fehlerhaft, weil es eine sowohl an der Friedrichstraße als auch an der Graf-Adolf-Straße gelegene Lichtzeichenanlage in Düsseldorf nicht gibt. Dies stellt einen schwerwiegenden, seine Abgrenzungs- und Informationsfunktion in Frage stellenden Mangel des Bußgeldbescheids aber nur dann dar, wenn hierdurch nicht mehr zweifelsfrei festgestellt werden kann, welcher historische Vorgang dem Betroffenen zur Last gelegt werden soll. Offensichtliche Missverständnisse, Schreib-Diktat- oder Ablesefehler können hingegen im Freibeweisverfahren unter Rückgriff auf die Akten oder andere Erkenntnisquellen richtig gestellt werden (KK/Kurz, a.a.O. Rn. 55). Angesichts des Umstands, dass der in der polizeilichen Anzeige genannte „Graf-Adolf-Platz“ sich zwischen der Friedrichstraße und der „Graf-Adolf-Straße“ befindet, ergibt sich gerade aus dem vermeintlichen „Widerspruch“ zwischen der polizeilichen Anzeige und dem Bußgeldbescheid mit ausreichender Deutlichkeit, dass der (geringfügig) fehlerhaften Tatortbezeichnung im Bußgeldbescheid ein bloßer Übertragungsfehler zu Grunde liegt.

dd) Dieser Widerspruch kann auch noch im Hauptverfahren aufgeklärt und korrigiert werden, da der dem Betroffenen gemachte Vorwurf, auf der Fahrtstrecke von der Friedrichstraße bis zu dem Anhalteort auf der Königsallee im Bereich des Graf-Adolf-Platzes einen Rotlichtverstoß begangen zu haben, eindeutig individualisierbar ist. Dies gilt selbst dann, wenn es innerhalb dieses Bereiches mehrere Lichtzeichenanlagen geben sollte. Denn die ungenaue Bezeichnung einer Lichtzeichenanlage ist dann unschädlich, wenn die Tat durch andere Umstände ausreichend individualisiert wird, insbesondere, wenn der Betroffene unmittelbar nach der Tat von der Polizei angehalten und auf sein Fehlverhalten angesprochen worden ist und sich aus den Angaben im Bußgeldbescheid zweifelsfrei ergibt, dass es sich um den gleichen Tatvorwurf handelt (vgl. OLG Hamm a.a.O.).

Nach diesen Maßstäben mag vorliegend die Verteidigung des Betroffenen infolge der fehlerhaften Tatortbezeichnung zwar erschwert sein. Die Angaben im Bußgeldbescheid reichen für eine Individualisierung des Tatvorwurfs aber aus, da sich aus der polizeilichen Ordnungswidrigkeitenanzeige nicht nur ergibt, dass der Betroffene nach der vorgeworfenen Tat angehalten und kontrolliert wurde, sondern sogar, dass der Betroffene die in Rede stehende Lichtzeichenanlage dabei bereits so identifizieren konnte, dass er hierzu eine konkret bestreitende Einlassung („Meine Frau und ich haben grün gesehen“) abgeben konnte.“