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KG: Fahrlässigkeitsvorwurf bei der Drogenfahrt – Schweigen ist Gold :-)

In der oberlandesgerichtliche Rechtsprechung gibt es derzeit eine Fülle von Entscheidungen, die sich mit der Frage der Fahrlässigkeit bei einer Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG auseinandersetzen. Die OLG gehen davon aus, dass der Vorwurf des fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung berauschender Mittel im Hinblick auf die Wirkung von Cannabis zum Tatzeitpunkt nur dann erhoben werden kann, wenn der Konsum entweder nachgewiesener Maßen zeitnah erfolgt ist oder im Falle eines länger zurückliegenden Konsums weitere Umstände hinzutreten, die es für den Betroffenen erkennbar gemacht haben, dass die Wirkung des von ihm vor längerer Zeit genossenen Cannabis unter Umständen noch fortdauert. So jetzt (auch noch einmal) das KG in einem lesenswerten Beschluss v. 04.01.2010 – 3 Ws (B) 667/09.

Das KG arbeitet sehr schön die Prüfungsaufgaben für den Tatrichter heraus, aus denen der Verteidiger natürlich sehr schön Verteidigungsansätze ableiten kann. Da es letztlich immer auch darum geht, ob sonstige Umstände vorhanden sind, die auf einen zeitnahen Konsum schließen lassen bzw. aus denen gefolgert werden kann, dass der Betroffene die Wirkungsweise des Cannabis kannte, gilt: Schweigen ist – zumindest bei niedrigen Konzentrationen – Gold. Der Betroffene darf sich nicht vorschnell zum Beweismittel gegen sich selbst machen lassen.

24. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung verkündet

Mit der 24. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung werden neue, unmittelbar gesundheitsgefährdende Drogen unter das BtMG gestellt. Gleichzeitig wird die Bekämpfung des Missbrauchs und der Strafverfolgung erleichtert. Im Einzelnen wird die Anlage I (nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel) um die Position „4-Methylmethcathinon (Mephedron)“ ergänzt. Weiterhin werden bestimmte synthetische Cannabinoide der Anlage II (verkehrs-, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel) unterstellt. Schließlich wird der Wirkstoff „Tapentadol“ neu in die Anlage III (verkehrsfähige- und verschreibungsfähige Betäubungsmittel) aufgenommen. Die Verordnung wurde im BGBl. I 2009, 3944 f. vom 23. Dezember 2009 Nr. 80 verkündet. Sie tritt am 22. Januar 2010 (teilweise am 1. Juni 2010) in Kraft.

Also: Achtung bei der Verteidigung!

Bund, 23.12.2009

Strafe muss verhältnismäßig sein, und zwar auch beim Btm-Delikt

Für alle, die im Btm-Bereich verteidigen, ist der Beschluss des OLG Oldenburg vom 11. 12. 2009 – 1 Ss 197/09 –  ganz interessant. Das OLG beschäftigt sich relativ ausführlich mit der Frage, welches Strafmaß bei Betäubungsmitteldelikten im sog. Bagatellbereich unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (noch) angemessen ist. Das OLG sagt: I.d.R. ist, wenn ein Absehen von Strafe nach § 29 Abs. 5 BtmG nicht möglich ist, sollte die Mindeststrafe nicht überschritten werden. Eine ähnliche Rechtsprechung wird teilweise von den OLG ja auch im Bereich der §§ 248a, 265 StGB verfolgt. Das Ganze ist natürlich kein Freibrief, kann aber – zumindest beim Ersttäter – ganz hilfreich sein.

LG Hamburg: Keine Durchsuchung, wenn es nur nach BtM riecht

Das LG Hamburg hat jetzt in seinem Beschl. v. 14.09.2009, 628 Qs 26/09, noch einmal darauf hingewiesen, dass dann, wenn  Polizeibeamte zu dem Zeitpunkt, in dem sie sich entscheiden, eine Wohnung zum Zwecke der Durchsuchung nach Betäubungsmitteln zu betreten, wissen, dass es lediglich aus der Wohnung nach Marihuana riecht, die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung ohne Hinweise auf größere Mengen an Betäubungsmitteln angesichts des zu erwartenden Durchsuchungsergebnisses unverhältnismäßig ist. Das grundrechtlich geschützte Interesse an der Unverletzlichkeit der Wohnung überwiegt bei wahrscheinlichem Vorliegen einer geringen Menge Betäubungsmittel zum Eigenverbrauch das insoweit geringe staatliche Strafverfolgungsinteresse.

Stimmt. Zu allem auch Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2009, Rn. 527 ff.

Auch OLG Oldenburg: BVV bei Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO)

Der Kollege Koop aus Lingen übersendet mir gerade den Beschluss des OLG Oldenburg vom 12.10.2009 – 2 SsBs 149/09, durch den die Geschichte der Rechtsprechung zu § 81a StPO um eine weitere (richtige) Entscheidung erweitert wird. der Kollege schreibt u.a.:

„Das OLG Oldenburg hat am 12.10.2009 (2 SsBs 149/09) ein Beweisverwertungsverbot bejaht und den Betroffenen freigesprochen. Ihm war eine Fahrt am 30.04.2008 unter Einfluss von THC vorgeworfen worden. Der die Blutprobe anordnende Polizeibeamte hatte gar nicht erst versucht, eine richterliche Genehmigung zu erreichen, und sich darauf berufen, dass ihm von seiner vorgesetzten Dienststelle mitgeteilt worden war, der Präsident des AG Osnabrück am 02.04.2008 habe ‚bekannt gegeben‘, bei der Anordnung von Blutproben bestehe immer Gefahr im Verzug und eine richterliche Anordnung sei nicht mehr erforderlich.

Vorausgegangen war im Ermittlungsverfahren eine Entscheidung des AG Osnabrück (Beschl. v. 01.09.2008 – 248 Gs 576/08 = StRR 2008, 468 = VRR 2008, 475), mit der die Entnahme der Blutprobe als nicht rechtmäßig erachtet wurde. Das Landgericht Osnabrück hatte die Beschwerde der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 22.10.2008 (15 Qs 931/08 = StRR 2008, 468 = VRR 2008, 475 = StraFo 2009, 17) zurückgewiesen.

Gleichwohl war der Betroffene durch Urteil des Amtsgericht Lingen (Ems) vom 03.07.2009 (22 Owi (612 Js 52948/08) 292/08) wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gem. §§ 24 StVG, 24a Abs. 2 u. 3 StVO zur Regelbuße und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt worden. Auf die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde übertrug der Bußgeldrichter auf Antrag der Verteidigung mit Beschluss vom 07.10.2009 die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern, § 80a Abs. 3 OWiG.
Der Senat hob mit Beschluss vom 12.10.2009 (2 SsBs 149/09) das Urteil des Amtsgerichts auf und sprach den Betroffenen frei; die Generalstaatsanwaltschaft hatte einen Verwerfungsantrag nach § 349 Abs. 2 StPO gestellt. Der Senat nimmt ein Beweisverwertungsverbot an; zwar -sei dem anordnenden Polizeibeamten kein willkürliches Handeln vorzuwerfen. „Es liegt vielmehr ein grober Verstoß seiner Dienstvorgesetzten vor“, der im Ergebnis das Beweisverwertungsverbot begründet. Der Präsident der Polizeidirektion Osnabrück hatte hatte in einer dienstlichen Mitteilung erklärt, bei Trunkenheitsfahrten liege immer Gefahr im Verzug vor. Die OLG-Entscheidung gibt die dienstliche Mitteilung im Wortlaut wieder.

Mit dem Freispruch ist die Sache für den Betroffenen noch nicht ausgestanden. Denn es schließt sich ein weiterer Streit an, nachdem unter Hinweis auf die THC-haltige Blutprobe das zuständige Straßenverkehrsamt dem Betroffenen die Fahrerlaubnis mit Sofortvollzug entzogen hat. Hiergegen wehrt er sich mit der Klage vor dem Verwaltungsgericht. Dies hat inzwischen zu verstehen gegeben, dass ein strafrechtliches Verwertungsverbot „grundsätzlich“ keine direkte Auswirkung auf die Entziehung habe (vgl. VG Osnabrück, Urt. v. 20.02.2009, Az 6 A 65/08, nicht rkr.- Berufungszulassungsverfahren 12 LA 61/09 OVG Niedersachsen). Bis durch die Entscheidung des OVG bzw. „in einem ggf. nachfolgenden Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht … eine abschließende Klärung der Frage erfolgt ist, inwieweit strafprozessuale Beweisverwertungsverbote auch in Fahrelaubnisentziehungsverfahren gelten“, solle der Betroffene warten und in das Ruhen des Verfahrens einwilligen….“

Na ja, zumindest schon mal ein „Etappensieg“.