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Keine Fernwirkung der (verfassungswidrigen) Videomessung auf die Fahrtenbuchanordnung.

Das VG Oldenburg hatte im Beschl. v. 19.01.2010 die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage beanstandet, wenn Grundlage der Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches (§ 31a StVZO) zwar ein Abstandsverstoß  durch einen letztlich nicht zu ermittelnden Fahrer gewesen ist, aber erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit und damit die Verwertbarkeit der durch das Messsystem gewonnenen Daten bestehen.

Das dagegen eingelegte Rechtsmittel hatte jetzt beim OVG Lüneburg Erfolg. Dieses hat in seinem Beschl. v. 07.06.2010 – 12 ME 44/10 unter Hinweis auf seine Entscheidung zur Blutentnahme in 12 ME 37/10 darauf hingewiesen, dass die vom VG Oldenburg herangezogenen Gründe der Entscheidung des OLG Oldenburg, wonach die Abstandsmessung mangels gesetzlicher Grundlage als unzulässiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung anzusehen sei und wegen der Schwere dieses Eingriffs im Ordnungswidrigkeitenverfahren einem Verwertungsverbot unterliege, sich auf Verfahren, die ausschließlich der Gefahrenabwehr dienen, nicht ohne Weiteres übertragen lassen. Der Beschluss war nach der Entscheidung in 12 ME 37/10 zu erwarten.

Also: Keine einheitliche Rechtsordnung.

Widerspruch auch, wenn Freispruch droht – die Absurdität geht weiter

Wir hatten schon am 10.12.2009 über eine Entscheidung des OLG Hamm berichtet, wonach die Unwertbarkeit der Blutprobe wegen eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO bereits in ersten HV geltend gemacht werden muss, und zwar auch dann, wenn Freispruch droht, das Beweismittel gar nicht verwendet werden soll.  Also zu einem Zeitpunkt und in einer Verfahrenslage, in der man als Verteidiger an den Widerspruch gar nicht denkt. Warum auch, wenn „Freispruch droht“?

Nun hat auch das OLG Karlsruhe in einem Beschl. v. 08.03.2010 – 2(9) Ss 18/10 diese in meinen Augen zu einem absurden Ergebnis führende Auffassung vertreten.

Aber: Was nutzt das Lamentieren? Der Verteidiger muss eben an diese Rechtsauffassung denken. Und vor allem auch dann später in der Revision vortragen, dass er in der ersten HV widersprochen hat.

Wenn du weglaufen willst, besteht Gefahr im Verzug…..

In der Diskussion um die Frage „Gefahr im Verzug – Ja oder nein?“ mit der Folge der Eilzuständigkeit der Polizei für die Anordnung der Blutentnahme, tut sich wahrscheinlich ein neuer Diskussionsstran auf. Das lässt sich aus einem Beschl. des LG Hamburg v. 06.05.2010 – 603 Qs 185/10 ableiten. Dort hatte die Betroffene nach dem Anhalten durch die Polizei und Identitätsfeststellung geäußert, sie werde ihren Pkw jetzt umparken und dann nach Hause gehen. Daraufhin hatten die Polizeibeamten die Blutentnahme wegen „Gefahr im Verzug“ angeordnet. Das LG Hamburg hat das gehalten und ein eigenständiges Festhalterecht – gegründet auf § 81a Abs. 2 StPO – verneint. Das haben bisher das OLG Hamm (Beschl. v. 25.08.2008 – 3 Ss 318/08) und Fickenscher/Dingelstadt, NStZ 2009, 124, 126 f. anders gesehen. Darüber wird man dann demnächst streiten. Jedenfalls ist die nächste Runde in der Diskussion eröffnet.

Die Volksseele kocht

Einen haben wir noch: Zum Plan des NRW-IM Wolf, die Blutprobe (teilweise) abzuschaffen (oder doch nicht? :-; vgl. hier m.w.N.), gibt es ganz interessante Kommentare. Da wird mal richtig vom Leder gezogen. Wirklich amüsant. Nachzulesen hier.

NRW will die Blutprobe für Alkoholsünder abschaffen – Initiative auf der heutigen IMK

Heute morgen sind die Zeitungen – vor allem in NRW, z.B. hier – voll von der Meldung des gestrigen Tages: NRW will die Blutprobe für Alkoholsünder abschaffen. In den Meldungen heißt es weitgehend wortgleich:

Nach dem Willen von Innenminister Ingo Wolf (FDP) sollen Autofahrer künftig auch bei mehr als 1,1 Promille Blutalkohol nur noch „pusten“ müssen, berichtet die in Hagen erscheinende WESTFALENPOST (Donnerstagsausgabe) `Die Messung des Alkoholgehaltes durch die Analyse des Atems ist auch bei höheren Promillewerten so präzise wie bei einer Blutuntersuchung“, sagte Wolf der WESTFALENPOST. Auf der heutigen Innenministerkonferenz in Hamburg will Wolf eine NRW-Initiative einbringen. Derzeit muss der Alkoholsünder bei Werten über 1,1 Promille auf die Polizeiwache. Dort wird nach richterlicher Anordnung ein Arzt hinzugezogen, der Blut entnimmt. Das Ergebnis der Blutuntersuchung liegt erst nach einigen Tagen vor. Bei Werten unter 1,1 Promille ist die Atemalkohol-Analyse ohne richterliche Anordnung schon heute beweissicher möglich. `Ein Blutprobe ist immer ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, der sich heute vermeiden lässt“, sagte Wolf. Angesichts moderner präziser Messverfahren sei die Atemanalyse in Alkoholverdachtsfällen als das `mildere Mittel zu wählen“, betonte Wolf. Damit erübrige sich auch das Erfordernis einer richterlichen Anordnung.“

Das ist also dann der nächste Versuch – zu früheren vgl. u.a. hier -,  die Gesetzeslage an die Praxis anzupassen. Was mich erstaunt ist das Wort „müssen“ in der o.a. Meldung. Denn bislang „musste“ niemand pusten, auch bei geringeren Werten nicht, sondern war/ist das „Pusten“ freiwillig, allerdings mit der Folge der Blutentnahme. Soll sich das jetzt ändern? Ich habe versucht, Näheres über die Initiative im Netz zu finden. Leider klappte das nicht. So muss man warten, was aus Hamburg kommt. Oder sonst woher.