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Die Kleinschadensgrenze bei den Kfz-Sachverständigenkosten: 750 €

© Thaut Images  Fotolia.com

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Bei der Unfallschadensregulierung gibt es nicht selten Streit um die Sachverständigenkosten. Die damit zusammenhängenden Fragen sind dann Gegenstand des AG Hamburg, Urt. v. 30.03.2016 – 33a C 336/15 – gewesen. Nichts bahnbrechend Neues, aber sicherlich aus der täglichen Praxis, wenn das AG ausführt:

c) Grundsätzlich gehören die Kosten eines eingeholten Sachverständigengutachtens zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig war (vgl. BGH, Urteil vom 22.07.2014, -VI ZR 357/13).

Erstattungsfähig ist nur der für die Schadensbegutachtung und -ermittlung erforderliche Aufwand. Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen (BGH, Urteil vom 30.11.2004 – VI ZR 365/03). Erforderlich sind diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten tätigen würde. Dabei hat der Geschädigte gemäß § 254 Abs. 1 BGB im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren den wirtschaftlichen Weg der Schadensbehebung zu wählen. Auch bei Kfz-Unfällen darf der Geschädigte – von Bagatellschäden abgesehen – einen Sachverständigen hinzuziehen und zwar auch dann, wenn bereits der Schädiger einen beauftragt hat (Palandt, BGB, 73. Auflage, § 249 Rn. 58). Für die Frage, ob der Schädiger die Kosten eines Gutachtens zu ersetzen hat, ist nicht allein darauf abzustellen, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten steht, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt, Allerdings kann der später ermittelte Schadensumfang im Rahmen tatrichterlicher Würdigung nach § 287 ZPO oft ein Gesichtspunkt für die Beurteilung sein, ob eine Begutachtung tatsächlich erforderlich war oder ob nicht möglicherweise andere, kostengünstigere Schätzungen – wie beispielsweise ein Kostenvoranschlag eines Reparaturbetriebs – ausgereicht hätten (BGH, a.a.O.) Bloße Bagatellschäden, in der Regel unter 750,00 € und ohne die Gefahr von Weiterungen oder einem teilweise verdeckten Schadensumfang, rechtfertigen nur die Einholung eines Kostenvoranschlags {AG Essen, Urteil vom 13. Januar 2015 – 11 C 361/14 -, Rn. 5, [juris]). Auch das OLG München geht aktuell von einer Bagatellschadensgrenze von 750,00 € aus (OLG München, Urteil vom 26. Februar 2016 -10 U 579/15 -, Rn. 19, [juris]).

d) Vorliegend liegt schon die Netto-Schadenshöhe mit 775,18 € außerhalb des Bagatellbereichs. Ungeachtet dessen war zum Zeitpunkt der Beauftragung für den Kläger als technischen Laien nicht erkennbar, wie groß die durch den Auffahrunfall entstandenen Schäden sein würden. Durch den Anstoß hätte es zu nicht sichtbaren Schäden unterhalb der weichen Stoßfängerteile kommen können. Solche Schäden zu ermitteln oder auch auszuschließen konnte nur mit sachverständiger Hilfe erfolgen. Eine Überhöhung der insoweit in Rechnung gestellten 292,00 € ist nicht ersichtlich.

Spionagekamera im Prüfungsamt – was es nicht alles geben soll…

entnommen wikidmedia.org Urheber Wildfeuer

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Urheber Wildfeuer

Am Mittwoch (23.04.2014) hat in Hamburg der Prozess gegen einen (ehemaligen) Jura-Referendar begonnen, dem vorgeworfen wird, als Jura-Student mit einer Spionagekamera eine mündliche Prüfung samt Beratungen der Prüfer gefilmt haben. Darüber ist in der Tagespresse an verschiedenen Stellen berichtet worden, vgl. hier Zeit-online oder auch LTO. Der 30-Jährige hat beim Prozessauftakt den Vorwurf bestritten. Er habe den digitalen Wecker mit Mini-Kamera – eine sogenannte Spy Clock – im Mai 2012 nicht in das Justizprüfungsamt gestellt. Bei LTO heißt es weiter:

Das war nicht sein Plan, und das hat er auch nicht gemacht“, erklärte der Verteidiger des Angeklagten. Sein Mandant habe das Gerät vielmehr einem Bekannten ausgeliehen und sich dann nicht weiter darum gekümmert. Er wisse allerdings nur, dass der Bekannte „Andi“ heiße – er kenne weder seinen Nachnamen, die Anschrift oder eine Telefonnummer, unter der man „Andi“ erreichen könne. Der Angeklagte habe erst durch „Andi“ erfahren, dass die Spy Clock im Justizprüfungsamt stehe und er sie dort abholen müsse: „So hatte mein Mandant den Schlamassel am Hals.“ Die Anklage lautet auf Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, § 201 Strafgesetzbuch (StGB).

Für den 30-Jährigen hat der Vorwurf schon vor einer Entscheidung in dem Strafprozess gravierende Folgen: Er wurde als Referendar entlassen. Einige Zeit nach dem Vorfall mit der Spionagekamera hatte er selbst die mündliche Prüfung abgelegt. Eine Bewerbung für den Referendardienst in Hamburg scheiterte wegen der Ermittlungen. Im benachbarten Schleswig-Holstein dagegen wurde er zum 1. April 2013 eingestellt – dort wussten die Behörden nichts von den laufenden Ermittlungen. Als das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) schließlich davon Wind bekam, wurde er nach einer Anhörung entlassen, wie eine Richterin als Zeugin berichtete.

Ein Prüfer sagte vor Gericht, der Mann habe bereits im April 2012 eine solche Spy Clock im Justizprüfungsamt platziert: „Ja, der Angeklagte war derjenige, der den Wecker aufgestellt hat.“ Der Fall aus April ist allerdings nicht Gegenstand der Anklage.

Über die Motive dafür, mündliche Prüfungen und die anschließenden Beratungen – womöglich mehrfach – mitzufilmen, lässt sich nur spekulieren. Bei der mündlichen Prüfung dürfen Zuschauer nur eingeschränkt dabei sein, die Beratungen der Prüfer und die Bekanntgabe der Noten sind nicht öffentlich. Mit Hilfe der Aufnahmen aus dem nicht-öffentlichen Teil könnten Prüflinge möglicherweise Rückschlüsse darauf ziehen, welche Antworten wie gewertet werden – und welche konkreten Noten es dafür gab.

Eine Mitarbeiterin des Justizprüfungsamts hatte die Spy Clock einen Tag nach der gefilmten Prüfung im Mai 2012 auf der Fensterbank entdeckt. Nach einigen Tagen rief ein Mann an, um zu fragen, ob zufällig ein Wecker gefunden worden sei, wie eine weitere Mitarbeiterin als Zeugin erzählte. Eine Rückrufnummer wollte er nicht angeben. Als ein Freund des Angeklagten das Gerät schließlich abholen wollte, informierte das Amt die Polizei. Die Beamten nahmen auch die Personalien des 30-Jährigen auf – er soll draußen gewartet haben. Der Prozess wird am 8. Mai mit weiteren Zeugen fortgesetzt.“

Die Strafbarkeit bloggender Rechtsanwälte – zumindest ein Etappensieg duch das AG Hamburg

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Zur Strafbarkeit bloggender Rechtsanwälte ist in den vergangenen Tagen und Wochen einiges in den Blogs geschrieben worden. Ausgangspunkt waren die Strafverfahren, die gegen verschiedene Kollegen, die u.a. im Rahmen von Blogbeiträgen auch aus laufenden Verfahren berichten, eingeleitet worden waren (vgl. u.a. Bloggen kann gefährlich sein – Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat ein Ermittlungsverfahren wegen eines Blogbeitrags gegen mich eingeleitet; oder Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen: Ich muss nicht klüger als der BGH sein, oder vielleicht doch?) bzw. die Unterlagen aus Verfahren auf ihrer Homepage im Rahmen einer Dokumentation eingestellt hatte (vgl. dazu Mag die Staatsanwaltschaft Augsburg engagierte Strafverteidiger nicht? oder die Ermittlungen gegen G.Strate, vgl. auch noch hier).

Im “Fall Strate” als Ableger aus dem Fall Mollath“ hatte die Staatsanwaltschaft Hamburg in einem gegen den Kollegen Strate wegen des Verdachts der verbotenen Mitteilung über Gerichtsverhandlungen eingeleiteten Verfahren (§ 353d Nr. 3 StGB) beantragt, unter „Vorbehalt der Beschlagnahme des Datenspeichers des Servers und der Speichermedien, auf dem sich die im Antrag genannten Dokumente befinden, die Löschung der auf der Internetseite www.strate.net <http://www.strate.net> befindlichen Links und des zugehörigen Inhalts im Internet anzuordnen„. Den Antrag hat das AG Hamburg mit dem AG Hamburg, Beschl. v. 27.06.2013 – 166 Gs 377/13 -, den der Kollege Strate dankenwerter Weise auf seine Homepage hier eingestellt hat, zurückgewiesen.

Kurzzusammenfassung: Kein Anfangsverdacht, denn

  1. Die vom Kollegen Strate eingestellte Einstellungsverfügung wird nicht vom Schutzzweck der Norm des § 353d StGB erfasst.
  2. Die Veröffentlichung des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer vom 26.04.2013 sowie der gutachterlichen Stellungnahmen des BKH vom 04.03. und 16.04.2013 sind ebenfalls nicht tatbestandsmäßig. Bei der in regelmäßigen Zeitabständen zu erfolgenden Überprüfung der Unterbringung durch das LG Bayreuth gemäß § 67e StGB handelt es sich nicht um ein Strafverfahren.
  3. Auch die Veröffentlichung des Wiederaufnahmeantrages der StA Regensburg ist nicht tatbestandsmäßig. Zwar ist ein Wiederaufnahmeverfahren ein Strafverfahren im Sinne von § 353d Nr. 3 StGB, jedoch hat dieses Verfahren noch gar nicht begonnen. Das Wiederaufnahmeverfahren wird erst durch einen entsprechenden Beschlusses des LG Regensburg eingeleitet, mit dem die Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen Mollath angeordnet wird.

Liest sich doch ganz gut und wird die bloggenden Kollegen – mich natürlich auch – freuen. Vielleicht freuen sich aber auch der ein oder andere BVerfG- oder BGH-Richter. Denn die veröffentlichen ja auch aus laufenden Gerichtsverfahren 🙂 (vgl. dazu der Kollege Pohlen in: Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen: Ich muss nicht klüger als der BGH sein, oder vielleicht doch?).

Ich bin mal gespannt, ob die StA Hamburg den Beschluss so hinnimmt oder ob Beschwerde eingelegt wird. Zumindest aber schon mal ein Etappensieg.

Die teuere Beleidigung im Parkplatzkampf – immerhin 60.000 € Geldstrafe

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„Das ist wohl die teuerste Beleidigung Hamburgs“ so wird der Amtsrichter vom AG Hamburg zitiert, der in einem Streit um einen Parkplatz gegen den einen Kontrahenten, der den anderen beleidigt hatte, für die Beleidigung eine Geldstrafe von insgesamt 60 € festgesetzt hat. Dazu heißt es bei LTO – dort habe ich die Meldung gefunden:

„Ein dreist weggeschnappter Parkplatz und ein anschließendes Wortgefecht kommen einen 68-jährigen richtig teuer zu stehen: Für eine Beleidigung hat das AG Hamburg den Parkplatzdieb zu einer Strafe von 60.000 Euro verdonnert.

Der Mann müsse 30 Tagessätze à 2.000 Euro zahlen, sagte Gerichtssprecher Conrad Müller-Horn am Freitag. Im Dezember 2011 hatte ein Autofahrer dem Gericht zufolge bereits mehrere Minuten darauf gewartet, dass ein Parkplatz frei wird. Plötzlich schnappte ihm der Angeklagte mit seinem Luxuswagen die Parklücke vor der Nase weg. Als ihn der Autofahrer darauf ansprach, pöbelte der 68-iährige ihn mit einem unflätigen Wort an.

Medien zitierten den Amtsrichter mit dem Satz: „Das ist wohl die teuerste Beleidigung Hamburgs. (…) Auch für Millionäre und ehemalige Millionäre gilt das Strafgesetzbuch.“ Acht Verhandlungstage brauchte das Gericht, um zu einem Urteil zu kommen – vor allem die Aufklärung der Einkommensverhältnisse des Mannes kostete viel Zeit.

Der Angeklagte hatte im Prozess lediglich erklärt: „Mein Einkommen ist auskömmlich.“ Seine Verteidigerin will Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen.“

Die Anzahl der Tagessätze – immerhin 30 – ist sicherlich schon ein wenig überraschend, ebenso wie die Höhe des einzelnen Tagessatzes. 30 Tagessätze für eine Beleidigung: da muss m.E. schon ordentlich gepöbelt worden sein. 60.000 € Monatseinkommen ist auch nicht schlecht. Aber da ist auch nach oben noch Luft. § 40 Abs. 2 Satz 3 StGB sieht immerhin bis zu 30.000 €/Tagessatz vor.