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Pflichti II: Zulässigkeit rückwirkender Bestellung?, oder: LG Köln/Hannover topp, LG Stuttgart mit „Tünkram“

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Im zweiten Posting dann drei LG-Entscheidungen zur rückwirkenden Bestellung.

Zunächst hier der schön begründete LG Köln, Beschl. v. 30.01.2025 – 111 Qs 6/25 -, der zutreffend ausführt:

1. Eine nachträgliche, rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers für ein eingestelltes Verfahren ist in der Regel unzulässig, und zwar auch dann, wenn der Wahlverteidiger oder der Rechtsanwalt, den der Beschwerdeführer als den zu bestellenden Pflichtverteidiger benannt hatte, rechtzeitig und auch begründet seine Bestellung beantragt hatte. Eine Ausnahme ist dann anzunehmen, soweit der Antrag auf Beiordnung gestellt worden ist und pflichtwidrig eine unverzügliche Entscheidung über diesen unterlassen worden ist.

2. Aus dem Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren ergibt sich die Verpflichtung auf zeitnahe Entscheidung über seinen Pflichtverteidigerantrag. Die Bemessung dieser Prüfungs- und Überlegungsfrist kann dabei nicht starr erfolgen. Sie muss vielmehr an den Umständen des Einzelfalls und Zweck der Pflichtverteidigung ausgerichtet sein, der darin besteht, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass ein Beschuldigter in den vom Gesetz bestimmten Fällen rechtskundigen Beistand erhält und dass ein ordnungsgemäßer Verfahrensablauf gewährleistet ist.

Und dann noch der ebenso schöne/richtige LG Hannover, Beschl. v. 05.02.2025 – 101 Qs 7/25 -:

1. Wenn der Beschuldigte vor der Verfahrenseinstellung die Beiordnung eines Verteidigers beantragt hat, die Voraussetzungen der Bestellung vorlagen und die rechtzeitige Bescheidung aus rein justizinternen Gründen unterblieben ist, ist eine rückwirkende Pflichtverteidigerbeiordnung zulässig.
2. Eine Frist von zwei Wochen zwischen Eingang des Beiordnungsantrags bei der Polizei und dem Eingang bei der Staatsanwaltschaft ist zu lang.

An dritter stelle aber leider auch der LG Stuttgart, Beschl. v. 17.01.2025 – 3 Qs 3/24, über den man lieber das „Mäntelchen des Schweigens“ legen sollte. Denn das LG Stuttgart schreibt „Tünkram„. Anders kann man es m.E. nicht bezeichnen.

Wegen des Sachverhalts verweise ich auf den verlinkten Volltext. Den stelle ich, da er etwas umfangreicher ist, hier nicht ein. Nur so viel: Das „Gezerre“ um die Pflichtverteidigerbestellung und die vom Verteidiger beantragte Akteneinsicht geht seit Anfang 2023. Akteneinsicht wird dem Verteidiger dann endlich im Dezember 2023 gewährt, Anfang 2024 wird dann nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Gegen die Ablehnung der rückwirkenden Bestellung legt der Verteidiger dann am 13.02.2024 Beschwerde ein. Ohne Erfolg.

Das LG bejaht zwar – insofern ist der Beschluss  richtig – die grundsätzliche Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung. Es verneint dann aber das Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen:

„Die Voraussetzungen des § 141 Abs. 1 S. 1 StPO liegen jedoch nicht vor, weil dem ehemaligen Beschuldigten der Tatvorwurf nicht eröffnet wurde. Die Kammer vertritt wie bereits im Beschluss vom 21.08.2023 weiterhin die Auffassung, dass die Eröffnung des Tatvorwurfs einen förmlichen Akt der Strafverfolgungsbehörden voraussetzt und es nicht genügt, dass der Betroffenen auf sonstige Art und Weise von einem Tatverdacht Kenntnis erhält. Die Neuregelung der Verteidigerbestellung erfordert auch unter Berücksichtigung der Gesetzgebungsmaterialien keine abweichende richtlinienkonforme Auslegung (zum Ganzen KK-StPO/Willnow, 9. Aufl. 2023, StPO § 141 Rn. 3 mwN; offen gelassen BGH, Beschluss vom 09.02.2023 – StB 3/23 -, juris = NStZ 2023, 686 mwN). Regelmäßig wird der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft im Sinn von § 141 Abs. 1 S. 1 StPO durch die förmliche Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens manifestiert. Relevant ist, wie sich das Verhalten des ermittelnden Beamten nach außen, insbesondere in der Wahrnehmung des Beschuldigten, darstellt (zum Ganzen Meyer-Goßner/Schmitt-Schmitt, StPO, 67. Aufl. 2024, § 141 Rn. 3 mwN; BGH, Beschluss vom 09.02.2023 – StB 3/23 – , juris = NStZ 2023, 686 mwN). Die Bestellung eines Pflichtverteidigers setzt gemäß § 141 Abs. 1 S. 1 StPO voraus, dass die betreffende Person Beschuldigter in einem Strafverfahren ist und die Strafverfolgungsbehörde ihr durch amtliche Mitteilung oder auf sonstige Art und Weise die Einleitung gegen sie gerichteter Ermittlungen zur Kenntnis gebracht hat. Vor der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sowie im Zeitraum noch nicht offen geführter Ermittlungen ist für eine Pflichtverteidigerbestellung kein Raum (zum Ganzen BGH, Beschluss vom 06.08.2024 StB 45/24 – , juris mwN). Anträge auf Pflichtverteidigerbestellung, die ohne vorangegangene förmliche Mitteilung lediglich aufgrund von Mutmaßungen über Ermittlungen gestellt werden, sind unzulässig (KK-StPO/Willnow, 9. Aufl. 2023, StPO § 141 Rn. 3 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt-Schmitt, StPO, 67. Aufl. 2024, § 141 Rn. 3 mwN; BGH, Beschluss vom 06.08.2024 -StB 45/24 -, juris mwN). In der Gewährung von Akteneinsicht an Rechtsanwalt Pp. lag im vorliegenden Fall keine Eröffnung des Tatvorwurfs gegenüber dem ehemaligen Beschuldigten im Sinn des § 141 Abs. 1 S. 1 StPO. Ein Verteidiger bzw. Beschuldigter hat gemäß § 147 Abs. 1, Abs. 4 S. 1 StPO grundsätzlich ein Akteneinsichtsrecht. Dieses kann gemäß § 147 Abs. 2 S. 1 StPO vor Abschluss der Ermittlungen nur versagt werden, soweit der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart gab dem Antrag von Rechtsanwalt Pp. auf Akteneinsicht unter Verweis hierauf zunächst nicht statt, teilte diesem aber mit, die Akteneinsicht werde vorgemerkt. Rechtsanwalt Pp. wiederholte den Akteneinsichtsantrag in der Folge mehrfach mit zum Teil ausführlicher Begründung seines Rechts auf Akteneinsicht. Nach Vorlage der Akte durch die Polizei nach Abschluss deren Ermittlungen wurde Rechtsanwalt Pp. dann durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart Akteneinsicht gewährt. Hierdurch wurde, wie sich aus dem geschilderten Verfahrensablauf ergibt, dessen Recht auf Akteneinsicht stattgegeben. Dagegen war seitens der Staatsanwaltschaft Stuttgart vorliegend nicht beabsichtigt, dem ehemaligen Beschuldigten dadurch den Tatvorwurf zu eröffnen. Es erfolgte mit der Gewährung von Akteneinsicht auch in der Wahrnehmung des ehemaligen Beschuldigten – keine Manifestation eines Verfolgungswillens der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wies Rechtsanwalt Pp. hierauf – wenngleich nachträglich – ausdrücklich hin. Unabhängig hiervon ergibt sich dies ebenfalls aus dem Gang des Verfahrens. Die vorangegangenen polizeilichen Ermittlungen gegen den ehemaligen Beschuldigten hatten sich in Feststellungen zu dessen Person und der Untersuchung dessen Reisepasses auf Echtheit sowie einem augenscheinlichen Vergleich von Lichtbildern von seiner Person mit von einem Zeugen gefertigten Videoaufnahmen von den Tätern und Wahllichtbildvorlagen bei eventuellen Zeuginnen, die zu keinem Ergebnis geführt hatten, erschöpft. Einer polizeilichen Anregung auf Beantragung eines Haftbefehls gegen den ehemaligen Beschuldigten kam die Staatsanwaltschaft Stuttgart nicht nach. Kurze Zeit nach Erledigung des Akteneinsichtsgesuchs von Rechtsanwalt Pp. stellte die Staatsanwaltschaft Stuttgart das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Beschuldigten ohne weitere Ermittlungen oder Erkenntnisse gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.“

Dazu ist anzumerken – so steht es demnächst auch im StRR: M.E. hätte hier beigeordnet werden müssen, da dem dem ehemaligen Beschuldigten der Tatvorwurf im Sinn des § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO nämlich eröffnet war. Man fragt sich, warum das LG so viel Worte macht, um den Leser seines Beschlusses vom Gegenteil zu überzeugen, was dann aber nicht gelingt. Zutreffend ist der Ansatz des LG, wonach regelmäßig der Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörde durch die förmliche Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens manifestiert wird (BGH, Beschl. v. 9.2.2023, StB 3/23, NStZ 2023, 686). Aber das LG unterschlägt, die davon abweichende Mehrzahl von Entscheidungen, die jegliche Kenntnisnahme genügen lassen (LG Hamburg, Beschl. v. 11.3.2022 – 613 Qs 7/22; LG Karlsruhe, Beschl. v. 16.9.2022 – 6 Qs 41/22, StV 2023, 159; LG Magdeburg, Beschl. v. 24.7.2020 – 25 Qs 65/20, StV 2021, 162; LG Neubrandenburg, Beschl. v. 30.7.2021 – 23 Qs 86/21; s. vor allem auch AG Hagen, Beschl. v. 16.2.2021 – 67 Gs 115/21, das Kenntnis des Beschuldigten vom neuen Verfahren angenommen hat, weil dem Verteidiger insoweit Akteneinsicht gewährt wurde). Und diese abweichende Meinung ist zutreffend, denn es war gerade Absicht des Gesetzgebers bei der Neuregelung des Rechts der Pflichtverteidiger, den Beiordnungszeitpunkt ganz bewusst weg vom gerichtlichen Verfahren hin zum Ermittlungsverfahren vorzuverlagern wollte. Dem und auch dem LG selbst angeführten Unverzüglichkeitsgebot würde es zuwider laufen, würde man den Beschuldigten, der Kenntnis von dem gegen ihn geführten Verfahren erlangt hat, darauf verweisen, in jedem Fall abzuwarten, bis die Ermittlungsbehörden förmlich an ihn herantreten. Überdies hätte es sonst die Staatsanwaltschaft in der Hand, Verteidigerbestellungen durch schlichte Untätigkeit zu verhindern, indem sie den Beschuldigten einfach nicht anhört. Der hier gegebene Verfahrensablauf ist dazu gerade ein Paradebeispiel. Zudem haben auch die der Reform des Rechts der Pflichtverteidigung zugrundeliegenden europäischen Richtlinien keine förmliche Mitteilung des Tatvorwurfs verlangt (so zutr. LG Magdeburg, a.a.O. und Burhoff/Hillebrand, EV, Rn 3799). Daran ändert auch nichts, wenn die Staatsanwaltschaft – wie hier – den ehemaligen Beschuldigten – und das auch noch nachträglich – darauf hingewiesen hat, dass in der Gewährung von Akteneinsicht keine Manifestation eines Verfolgungswillens der Staatsanwaltschaft liege. Das wäre ja noch schöner, wenn die Staatsanwaltschaft es in der Hand hätte, die einmal geschaffenen Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers wieder rückgängig zu machen. Unverständlich sind schließlich auch die Ausführungen des LG dazu, dass in der Gewährung von Akteneinsicht an den Verteidiger keine Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens/ Manifestation des Verfolgungswillens liege. Was soll es denn sonst sein, wenn der Verteidiger (sic!!) Akteneinsicht erhält von einem Verfahren, in dem die Polizei ja sogar schon einen Haftbefehl angeregt hatte. Insgesamt kann man nur sagen: Gewogen und erheblich zu leicht befunden.

Und dann noch: Die sofortige Beschwerde des Verteidigers datiert vom 13.02.2024 (!!), der LG-Beschluss vom 1701.2025 (!!). Man fragt sich, warum die Stuttgarter Strafverfolgungsbehörden fast ein Jahr gebraucht haben, um diese einfache Frage zu entscheiden. Einen nachvollziehbaren Grund sehe ich nicht, zumal nicht, wenn man solchen „Tünkram“ schreibt.

Pflichti I: Beschuldigter nach Tatvorwurfseröffnung, oder: Manifestation des Verfolgungswillens

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Und dnan mal wieder etwas zur Plfichtverteidigung.

Den Opener macht der BGH, Beschl. v. 09.02.2023 – StB 3/23 – mit folgendem Sachverhalt:

Der GBA führt unter dem Aktenzeichen 2 BJs 450/20-2 gegen Unbekannt und weitere namentlich bekannte Personen ein Ermittlungsverfahren wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 StGB und anderer Straftaten. Beschuldigter in diesem Verfahren war neben anderen Personen auch der Beschwerdeführer (in dieser Sache). Mit Verfügung vom 07.05.2021 hat der GBA das gegen den Beschuldigten gerichtete Verfahren abgetrennt und diesen neben anderen unter dem Aktenzeichen 2 StE 7/21-2 vor dem OLG Dresden angeklagt. Die diesbezügliche Hauptverhandlung dauert an.

Unter dem 17.10.2022 hat der Beschwerdeführer in dem Verfahren 2 BJs 450/20-2 die Beiordnung von Rechtsanwalt M. aus L. als Pflichtverteidiger beantragt mit der Begründung, in der Hauptverhandlung vor dem OLG Dresden sei durch die Einführung von Schriftstücken bekannt geworden, dass das genannte Ermittlungsverfahren weiterhin auch gegen ihn betrieben werde. Der Beschwerdeführer werde dort auch über den Zeitpunkt der Abtrennung hinaus als Tatverdächtiger (Auswertung eines Gutachtens durch das Landeskriminalamt vom 07.06.2021, Anforderung einer kriminaltechnischen Vergleichsarbeit vom 04.082021) bzw. Beschuldigter (Vermerk des Landeskriminalamts vom 20.09.2021) bezeichnet.

Mit Schreiben vom 19.10.2022 hat der GBA dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er weder formal noch materiell Beschuldigter des in Rede stehenden Ermittlungsverfahrens sei.

Dagegen die sofortige Beschwerde, die beim BGH keinen Erfolg hatte.

„Die zulässige, insbesondere mit Blick auf § 311 Abs. 2 StPO fristgerechte sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Gemäß § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO wird bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen demjenigen Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist. Hieran fehlt es vorliegend, und zwar unabhängig davon, ob unter der Eröffnung des Tatvorwurfs lediglich die förmliche Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens (vgl. KK-StPO/Willnow, 9. Aufl., § 141 Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 141 Rn. 3) oder darüber hinaus auch die Kenntniserlangung in sonstiger auf die Strafverfolgungsbehörde zurückgehender Weise (vgl. LG Magdeburg, Beschluss vom 24. Juli 2020 – 25 Qs 233 Js 9703/19 [65/20], StV 2021, 162; BeckOK StPO/Krawczyk, 45. Ed., § 141 Rn. 4; SSW-StPO/Beulke/Salat, 5. Aufl., § 141 Rn. 13; BT-Drucks. 19/13829 S. 36) zu verstehen ist. Im Einzelnen:

1. Regelmäßig wird der Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörde durch die förmliche Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens manifestiert (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2019 – StB 14/19, NStZ 2019, 539 Rn. 30; Urteil vom 23. Juli 1986 – 3 StR 164/86, BGHSt 34, 138, 140; Meyer/Goßner/Schmitt, aaO, Einl. Rn. 76, jeweils mwN). Eine derartige Vorgehensweise des Generalbundesanwalts nach Abtrennung des gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfahrensteils ist mit der Beschwerde nicht dargelegt worden und auch sonst nicht ersichtlich.

2. Aber auch die Bezeichnung des Beschwerdeführers als Tatverdächtigen oder Beschuldigten in den mit der Beschwerde angeführten Schriftstücken lässt eine zureichende Manifestation des erforderlichen Verfolgungswillens des Generalbundesanwalts nicht erkennen. Ob eine solche gegeben ist, beurteilt sich danach, wie sich das Verhalten des ermittelnden Beamten nach außen, insbesondere in der Wahrnehmung des davon Betroffenen darstellt (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2019, aaO). Nach diesem Maßstab ist von Belang, dass die in Bezug genommenen Schriftstücke nur verhältnismäßig kurze Zeit nach der Verfahrensabtrennung entstanden sind, das dem Datum 4. August 2021 zugeordnete in Wahrheit bereits am 1. Juni 2021. Sie enthielten – wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 7. November 2022 im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat – jeweils Ergebnismitteilungen zu nicht gegen den Beschwerdeführer gerichteten Ermittlungsaufträgen, die ihrerseits deutlich vor dem 7. Mai 2021 erteilt worden waren. Bei dieser Sachlage konnte der Beschwerdeführer ersichtlich nicht davon ausgehen, dass die Bezeichnung seiner Person mit den Begriffen Beschuldigter bzw. Tatverdächtiger als Manifestation eines ihn betreffenden Verfolgungswillens der Strafverfolgungsbehörden aufzufassen war; naheliegend war vielmehr eine auf Unkenntnis oder Nachlässigkeit des jeweiligen Verfassers zurückzuführende Unvollständigkeit der Bezeichnung, die darin lag, dass die Verwendung eines Zusatzes wie etwa „vormals“ unterblieb. Es kommt hinzu, dass der Generalbundesanwalt mit Schreiben vom 19. Oktober 2022 ausdrücklich klargestellt hat, den Beschwerdeführer in dem in Rede stehenden Ermittlungsverfahren nicht als Beschuldigten zu betrachten, so dass zumindest ab diesem Zeitpunkt von einer Manifestation eines Verfolgungswillens gegenüber dem Beschwerdeführer keine Rede mehr sein kann.

3. Anhaltspunkte dafür, dass der Generalbundesanwalt dem Beschwerdeführer eine verfahrensmäßige Stellung als Beschuldigter willkürlich vorenthielte (zum Maßstab der Willkür in diesem Zusammenhang vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2019, aaO), bestehen nicht, wie auch der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs im Ergebnis zutreffend angenommen hat.“

Pflichti I: Zeitpunkt der Verteidigerbestellung, oder: Woher hat der Beschuldigte Kenntnis vom Tatvorwurf?

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Es ist heute mal wieder Zeit für einen „Pflichti“-Tag, den ich mit zwei Entscheidungen zum Verfahren, und zwar zur Frage des Zeitpunkts der Bstellung eröffne. Es geht um den Begriff der „Eröffnung des Tatvorwurfs“ im Sinn von § 141 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO.

Das AG Hamburg hatte mit dem AG Hamburg, Beschl. v. 22.02.2022 – 163 Gs 259/22 – also shcon etwas älter, aber erst vor kurzem übersandt bekommen – die Bestellung eines Pflichtvertedigers abgelehnt. Begründung: Für die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist sowohl nach § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO bei Anträgen des Beschuldigten als auch in den Konstellationen, in denen kein Antrag gestellt wurde, nach § 141 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO Voraussetzung, dass dem Beschuldigten der Tatvorwurf eröffnet worden ist. Die Kenntniserlangung vom Tatvorwurf auf anderem Weg – wie in dem Vrefahren – sei nicht ausreichend.

Dagegen hat der Kollege Penneke, der mir die Beschlüsse geschickt hat, sofortige Beschwerde eingelegt. Das LG Hamburg richtet es dann im LG Hamburg, Beschl. v. 11.03.2022 – 613 Qs 7/22 – und ordnet bei, was zutreffend ist:

„b) Dem Beschuldigten war zu, diesem Zeitpunkt der Tatvorwurf auch bereits im Sinne des § 141 Abs. 1 S. 1 StPO eröffnet.

Der Begriff der Eröffnung des Tatvorwurfs ist nicht so eng auszulegen, dass nur förmliche Mitteilungen über die Bekanntgabe eines Ermittlungsverfahrens im Sinne von §§ 136, 163a StPO hinreichend sind (so aber Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage 2021, § 141 Rn. 3, nach dem unter der Eröffnung des Tatvorwurfs die förmliche Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens zu verstehen ist). Vielmehr genügt es für die Eröffnung des Tatvorwurfs, dass der Beschuldigte durch amtliche Mitteilung oder auf andere Weise als durch amtliche Mitteilung von dem Tatvorwurf gegen ihn in Kenntnis gesetzt worden ist (BeckOK StPO/Krawczyk, 42. Edition Stand 01.01.2022, § 141 Rn. 4).

Der Terminus „Eröffnung des Tatvorwurfs“ in § 141 StPO lässt eine solche Auslegung zu. Auf einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers kann geschlossen werden, da in den Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drucks. 19/13829, Seite 36) ausdrücklich auf die Richtlinie 2013/48/EU vom 22.10.2013 (Richtlinie über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls Bezug genommen wird. Nach Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie ist ihr Anwendungsbereich. erst ab demjenigen Zeitpunkt eröffnet, zu dem Verdächtige oder beschuldigte Personen von den zuständigen Behörden eines Mitgliedsstaates „durch amtliche Mitteilung oder auf sonstige Art und Weise davon in Kenntnis gesetzt wurden, dass sie der Begehung einer Straftat verdächtig sind oder beschuldigt werden“. Ausreichend ist daher, dass der Beschuldigte in irgendeiner Form von amtlicher Seite mit dem Tatvorwurf konfrontiert worden ist (vgl. Landgericht Neubrandenburg, Beschluss vom 30.07.2021, BeckRS 2021, 28689; noch weitergehend auf die bloße tatsächliche Kenntnis des Beschuldigten abstellend: Landgericht Magdeburg, Beschluss vom 24.07.2020, BeckRS 2020, 21147).

Dies war hier der Fall. Unabhängig vom konkreten Wortlaut der Äußerungen des Sitzungsvertreters der Generalstaatsanwaltschaft stand in der Hauptverhandlung vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg der hiesige Tatvorwurf jedenfalls im Raum. Nachdem die Vorsitzende im Rahmen dieser Hauptverhandlung mitgeteilt hatte, dass der dortige Zeuge pp. – gegen den sich die hiesige Straftat richten soll – nicht erscheinen wolle und auch den Inhalt seiner Angaben bei der Polizei mitgeteilt hatte, erkundigte sich der Sitzungsvertreter ausweislich seines Vermerks vom 07.03.2022 im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, ob sich der Beschuldigte auch in dieser Sache von Rechtsanwalt pp. vertreten lassen werde. Dies ist bereits als hinreichende Konfrontation mit dem etwaigen Tatvorwurf anzusehen, sodass dahinstehen kann, ob die weitergehende Äußerung des Sitzungsvertreters, dass ein Verfahren gegen den Beschuldigten „in richtiger Weise“ eingeleitet worden sei, tatsächlich gefallen ist oder nicht.“

Pflichti: Kleine Sammlung zu Beiordnungsgründen, oder: Eröffnung Tatvorwurf, Rechtsfolge, Polizeizeugen

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So, es haben sich mal wieder einige Entscheidungen zu den §§ 140 ff. StPO – also Pflichtverteidigung – angesammmelt. Die stelle ich heute vor, allerdings nicht alle einzeln. Das würde den Rahmen sprengen. Ich habe daher versucht, die Entscheidungen thematisch zusammen zu fassen.

Ich starte hier dann mit den Entscheidungen zu den Beiordnungsgründen, und zwar:

Ein Fall der notwendigen Verteidigung unter dem Gesichtspunkt der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage kann aufgrund der zu erwartenden umfangreicheren Beweisaufnahme durch Vernehmung einer Vielzahl von Polizeizeugen anzunehmen sein.

Der Begriff der Eröffnung des Tatvorwurfs ist nicht so eng auszulegen, dass nur förmliche Mitteilungen über die Bekanntgabe eines Ermittlungsverfahrens im Sinne von §§ 136, 163a StPO hinreichend sind. Vielmehr genügt es für die Eröffnung des Tatvorwurfs, dass der Beschuldigte durch amtliche Mitteilung oder auf andere Weise als durch amtliche Mitteilung von dem Tatvorwurf gegen ihn in Kenntnis gesetzt worden ist.

Das Vorliegen eines Falles der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO wegen der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge ist im Regelfall anzunehmen, wenn eine mögliche Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe oder mehr im Raum steht. Bei der insoweit zu treffenden Prognose sind grundsätzlich alle gegen den Beschuldigten derzeit geführten Verfahren zu berücksichtigen, wobei die Grenze auch dann gelten soll, wenn sie nur wegen einer erforderlichen Gesamtstrafe erreicht wird. Hierbei handelt es sich allerdings keinesfalls um einen Automatismus. Vielmehr kommt es stets auf eine konkrete Einzelfallbewertung an.

Ist dem Beschuldigten der Tatvorwurf nicht von einer zuständigen Ermittlungsbehörde eröffnet worden, sondern ist ihm anderweitig bekannt geworden, dass ein Ermittlungsverfahren geführt wird, kann nicht von einer als Eröffnung des Tatvorwurfs im Sinne des § 141 StPO ausgegangen werden.

Zur (verneinten) Bestellung eines Pflichtverteidigers, wenn die Staatsanwaltschaft ggf. nur den Erlass eines Strafbefehls beantragt und damit ein Bewährungswiderruf wenig wahrscheinlich ist.

Pflichti I: Immer wieder rückwirkende Bestellung, oder: Du hast ja einen Wahlverteidiger…

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Heute dann mal wieder Pflichtverteidigungsentscheidungen – verbunden mit einem herzlichen Dankeschön an alle Einsender.

Ich beginne mit dem Dauerbrenner „Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung“ , gekoppelt mit der Frage: Welche Auswirkungen hat es, wenn der Beschuldigte einen Wahlanwalt hat.

Zu den Fragen drei Entscheidungen, und zwar den LG Neubrandenbrug, Beschl. v. 30.07.2021 – 23 Qs 86/21-, den LG Stralsund, Beschl. v. 23.08.2021 – 26 Qs 161/21 – und den AG Torgau, Beschl. v. 03.08.2021 – 5 Gs 163/21. Beide LG und das AG haben die nachträgliche Bestellung als zulässig angesehen.

Ich stelle hier aber mal nur die Gründe des Beschlusses des LG Neubrandenburg ein, weil die sich auch noch zu § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO verhalten:

„Gemäß § 140 Abs. 1 Ziff. 2 StPO liegt jedoch ein Fall der notwendigen Verteidigung deshalb vor, weil Gegenstand des Verfahrens ein versuchtes Verbrechen gemäß § 306 StGB gewesen ist. Dieser Tatvorwurf ist im Sinne des § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO eröffnet worden. Im Gegensatz zur nicht ganz eindeutigen, wohl im nachfolgenden Sinne auszulegenden Auffassung in der Kommentierung von Schmitt (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64.A, Rdr. 3 zu § 141) ist der Begriff der Eröffnung des Tatvorwurfes nicht so eng auszulegen, dass nur förmliche Mitteilungen über die Bekanntgabe eines Ermittlungsverfahrens im Sinne von § 163 a StPO – oder § 136 StPO – im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung hinreichend sind. Die in der Kommentierung genannten Fundstelle (BT-Drucks 19/13829 S 35) bezieht sich auf die Richtlinie 2013/48 EU. Diese setze voraus, dass die beschuldigte Person durch „amtliche Mitteilung oder auf sonstige Weise Kenntnis“ von der Verdächtigung der Begehung einer Straftat erhalten habe, womit Anträge aufgrund der Vermutung bestehender Ermittlungen unzulässig seien. Dem lässt sich entnehmen, dass nach Auffassung des Gesetzgebers Voraussetzung für die Möglichkeit der Antragstellung die Konfrontation von amtlicher Seite mit dem Tatvorwurf notwendige, aber auch hinreichende Voraussetzung ist. Ob der Begriff „auf sonstige Weise“ auch die Inkenntnissetzung durch Dritte – etwa durch Mitbeschuldigte, deren Verteidiger Akteneinsicht hatten – mit umfasst, kann dahinstehen, erscheint aber eher fraglich (vgl. Krawczyk, Beck StPO § 141 Rdr. 4; weitergehend auf die bloße Kenntnis des Beschuldigten abstellend LG Magdeburg 25 Qs 233 Js 9703/19 (65/20), 25  65/20)

Der Tatverdacht wurde dem Beschuldigten noch am 16.3.2021 durch die Polizeibeamten mitgeteilt, der Verteidiger wurde noch in der Nacht informiert, nach Aktenlage wohl auch darüber, dass eine Ingewahrsamnahme erfolgt und möglicherweise eine richterliche Vernehmung anstehe. Dies ist jedenfalls im Sinne des § 141 Abs. 1 StPO eine amtliche Mitteilung.

Da die Neufassung der Vorschriften über die Pflichtverteidigerbestellung eine zeitnahe Beiordnung eines Verteidigers ermöglichen soll, ist nach Auffassung der Kammer in der Regel die vorläufige tatbestandliche Einordnung im Zeitpunkt des Tatvorwurfes oder zumindest im Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend.

Zu beiden Zeitpunkten war der Vorwurf der versuchten Brandstiftung Gegenstand des Ermittlungsverfahrens.

Sofern man die Meinung vertreten will, die rechtlich zutreffende Einordnung sei maßgebend, würde dies im Ergebnis nichts ändern. Der bisher ermittelte Sachverhalt ergibt nach Auffassung der Kammer Tatverdacht in Bezug auf eine versuchte Brandstiftung. Mit dem Übergießen mit Benzin, dem Anbringen benzingetränkter Tücher unter den Wischerblättern und dem Beisichführen von Feuerzeugen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nach den Tätervorstellungen ein Zeitpunkt erreicht, dem die Inbrandsetzung unmittelbar folgen soll, vorausgesetzt die Feuerzeuge waren funktions-tüchtig griffbereit mitgeführt (vgl. die Erwägungen in BGH 3 StR 28/06).

3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO. Zum einen bezieht sich die Ausnahmevorschrift nur auf die Fälle, in denen unabhängig von einem Antrag von Amts wegen ein Pflichtverteidiger beizuordnen wäre, zum anderen haben sich die Untersuchungshandlungen nicht in der Einholung von Registerauskünften und der Beiziehung von Akten erschöpft. Es wurden nämlich versucht, eine Zeugenaussage einzuholen, eine Beschlagnahme wurde richterlich bestätigt und ein KTU-Antrag vorbereitet.

Nach dem Verfahrenslauf kann auch von einer Absicht, das Verfahren „alsbald“ einzustellen nicht ausgegangen werden.

4. Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens steht der – nachträglichen – Beiordnung nicht entgegen……

…. Jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation ist davon auszugehen, dass aufgrund des Gesetzes zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 und des nunmehr ausdrücklich konstituierten Unverzüglichkeitsgebots des § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO bei dessen Missachtung eine rückwirkende Bestellung möglich ist, wobei im Fall einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO auch zu bedenken ist, dass ein eingestelltes Ermittlungsverfahren jederzeit wieder aufgenommen werden kann.

Das zum früheren Recht vorgebrachte Argument der Obergerichte, die Beiordnung diene nicht „fiskalischen Interessen“, sondern nur der Gewährleistung der Verteidigungsmöglichkeit, solange diese notwendig erscheint, greift jedenfalls bei der nunmehr geänderten Rechtslage nicht mehr. Zum einen ist die Gesetzesänderung in der Umsetzung einer EU-Richtlinie erfolgt, die die finanziellen Möglichkeiten des Beschuldigten als eine wichtige Voraussetzung für die Beiordnung erachtet, zum anderen ist der Gesamtzusammenhang der Regelungen nunmehr auf schnellstmögliche Umsetzung des Anspruchs auf Beiordnung eines Verteidigers gerichtet, wie auch die Tatsache zeigt, dass das zuvor gültige Rechtsmittel der einfachen Beschwerde nunmehr durch das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ersetzt worden ist. Bei gesetzeskonformer Handhabung der einschlägigen Vorschriften tritt das Problem der nachträglichen Beiordnung nur noch in Ausnahmefällen auf, die nicht gesetzeskonforme Handhabung durch die Ermittlungsbehörden bedarf der Korrektur durch die Eröffnung der Möglichkeit nachträglicher Beiordnung (vgl. zur aktuellen Rechtslage mit im wesentlichen gleicher Auffassung OLG Nürnberg Ws 962/20; OLG Bamberg, 1 Ws 260/21; LG Hamburg 604 Qs 6/21; LG Bochum 11-10 Qs – 36 Js 596/19 – 6/20; LG Aurich 12 Qs 78/20; unentschlossen Meyer-Goßner/Schmitt § 142, Rdr. 20; die nachträgliche Beiordnung weiterhin ablehnende Entscheidungen beziehen sich überwiegend nicht auf solche einer Beantragung nach § 141 Ab. 1 Satz 1, etwa OLG Hamburg StraFo 2020, 486; die bei Mey-er-Goßner/Schmitt benannte Entscheidung des OLG Brandenburg NStZ 2020, 625 bezieht sich zudem entgegen der dortigen Ausführungen auf die vor dem 10.12.2019 geltende Rechtslage).“

Und zum „Einwand“: Du hast ja einen Wahlanwalt führt das LG Neubrandenburg aus:

„5. Dass der Beschuldigte durch den Wahlverteidiger „ausreichend vertreten“ wurde, ist auch nach der neuen Rechtslage entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft nach dem Willen des Gesetzgebers ohne Relevanz.

Dazu BT-Drucks 19/13829, S 36: „Außerdem ist Grundvoraussetzung für die Antragstellung, dass der Beschuldigte noch keinen Verteidiger hat oder der gewählte Verteidiger bereits mit dem Antrag ankündigt, das Wahlmandat mit der Bestellung niederzulegen. Damit soll der Vorrang der Wahlverteidigung (vgl. § 141 Absatz 1 StPO-E) aufrechterhalten werden.“

Der Verteidiger hat die Niederlegung des Wahlmandates für den Beiordnungsfall zumindest im Schriftsatz vom 18.5.2021 angekündigt, es ist aber von einer dahingehenden konkludenten Erklärung bereits im Schriftsatz vom 27.4.2021 auszugehen.“

Ganz anders zum letzten Punkt dann der AG Rostock, Beschl. v. 24.08.2021 – 23 Ds 161/21, der mich – gelinde ausgedrückt – etwas ratlos zurücklässt. Am AG Rostock scheint die Rechtsprechung der letzten Zeit vorbei gegangen zu sein bzw.: Man hätte sich ja mal zur Frage der konkludenten Niederlegung äußern können:

„Vorliegend beantragte der Verteidiger zwar seine unverzügliche Beiordnung als Pflichtverteidiger, kündigte jedoch nicht an, im Fall der Bestellung das Wahlmandat niederlegen zu wollen. Da der Angeschuldigte somit im Zeitpunkt der Antragstellung am 07.05.2021 bereits einen Verteidiger hatte, war eine unverzügliche Verteidigerbestellung auf Antrag nach § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht erforderlich, da gerade nicht alle Voraussetzungen der Vorschrift vorlagen.“