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OWI I: Das OLG Karlsruhe und das VerfG Saarland-Urteil, oder: Wir halten (natürlich) an unserer Rechtsprechung fest

entnommen wikimedia.org
Author Hubi47

Heute dann drei OWi-Entscheidungen.

Ich hatte gestern über den OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.07.2019 – 6 Rb 28 Ss 618/19 – berichtet (vgl. dazu:  Das OLG Stuttgart und das VerfG Saarland-Urteil, oder: Man hört die Felsbrocken vom Herzen fallen….). 

Dazu passt dann ganz gut der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.7.2019 – 2 Rb 9 Ss 355/19. Der befasst sich nämlich ebenfalls mit der Umsetzung des VerfG Saarland-Urteil, und zwar wie folgt:

„Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach gefestigter, vom Senat geteilter obergerichtlicher Rechtsprechung die Zulassung bzw. Erteilung einer Konformitätserklärung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt die Einstufung eines Messgerätes als standardisiertes Messverfahren  rechtfertigt (OLG Karlsruhe – Senat – ZfS 2017, 532 m.w.N.), so dass sich der Tatrichter, nachdem er sich von dem vorschriftsgemäßen Einsatz des Geräts überzeugt hat, im Urteil auf die Wiedergabe des verwendeten Gerätes, des Messergebnisses und des Toleranzabzugs beschränken kann (BGHSt 39, 291; 43, 277), und dem nicht entgegensteht, dass die Bildung des konkreten Messergebnisses im Nachhinein nicht im Einzelnen nachvollzögen werden kann (OLG Karlsruhe – Senat – a.a.O. m.w.N.). Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 5.7.2019 (Lv 7/17) fest. Soweit dabei in der fehlenden Speicherung der Rohmessdaten eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren mit der Folge eines Verwertungsverbots angenommen wurde, kann dies dem Antrag schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Verwertbarkeit von Beweisergebnissen eine Frage des prozessualen Rechts ist, die durch § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG der Nachprüfung durch den Senat entzogen ist. Zudem bedarf die Behauptung der Verletzung formellen Rechts einer Verfahrensrüge, die – soweit es um die vom Verfassungsgerichtshof des Saarlandes aufgegriffene Frage geht – innerhalb der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht erhoben wurde.“

Auch bei der Entscheidung hört man die Felsbrocken plumpsen. 🙂

Im Übrigen: Mich überrascht die Entscheidung in der Sache nicht. Mich hätte es eher überrascht, wenn das OLG (Karlsruhe) sich dem VerfG Saarland angeschlossen hätte. Was mich allerdings erstaunt ist die Art und Weise, wie man mit dem Urteil der VerfG Saarland umgeht. Man gönnt dem Urteil gerade einen Satz und den Hinweis auf eigene Rechtsprechung, so nach dem Motto: Wir können es besser und haben es immer schon besser gewusst. Schon erstaunlich, wie man mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts eines anderen Bundeslandes umgeht, obwohl wir diese Art und Weise ja schon vom OLG Bamberg kennen.

Und das Ganze dann natürlich durch den Einzelrichter (bitte nicht irritieren lassen durch die Formulierung: „durch die unterzeichnenden Richter“ – unterzeichnet ist nur von einem Richter). Auch das ist bemerkenswert. Na ja, vielleicht inzwischen auch nicht mehr.

Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg wird solche Beschlüsse freuen. Ihm und seinem Aufruf „Kein Freibrief für Temposünder im Land” (dazu: Kein Freibrief für Temposünder im Land, oder: Einfach frech die Baden-Württemberger) folgen nicht nur die Verwaltungsbehörden, sondern offenbar auch die Gerichte. Man kann nur hoffen, dass da möglichst bald aus Karlsruhe ein Verdikt kommt.

Erstverbüßerregelung – beim OLG Hamm geht es jetzt anders

Bislang war das OLG Hamm davon ausgegangen, dass bei Anwendung des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB – sog. Erstverbüßerregelung – bei Vollstreckung mehrerer Strafen die einzelnen Strafen vollstreckungsrechtlich als selbstständig zu behandeln seien und die bedingte Entlassung für jede einzelne Strafe gesondert zu prüfen und nach § 454b Abs. 3 StPO gleichzeitig und einheitlich zu bescheiden sei.

Die ganz h.,M. der OLG hat das anders gesehen. Das OLG Hamm hat seine Rechtsprechung jetzt in OLG Hamm, Beschl. v. 09.06.2011 -III-3 Ws 164 u. 165/11 aufgegeben und sich der h.M. angeschlossen. Danach kann die Erstverbüßerregelung auch dann Anwendung finden, wenn weitere Strafen im Anschluss zu vollstrecken sind.

Dieser Auffassung ist jetzt nicht nur der entscheidende 3. Strafsenat, sondern sind auch alle anderen Strafsenate, die sich dieser Rechtsprechungsänderung anschließen wollen.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt… oder: Ist das nicht doch schofel?

Eine Kollegin berichtet gerade in der Mailing-Liste der ARGE Strafrecht über einen Beschluss des OLG Hamburg, der weit reichende Folgen hat.

Das OLG Hamburg hatte bisher auch die Auffassung vertreten, dass die Beiordnung zum Pflichtverteidiger auch regelmäßig die Vertretung im Adhäsionsverfahren erfasst und damit ein Antrag nach § 404 Abs. 5 StPO nicht erforderlich sei (vgl. StV 2007, 293). Hiervon ist der 3. Senat des OLG in einer Grundsatzentscheidung vom 14.06.2010 jetzt abgerückt (Entscheidungsgründe kenne ich noch nicht). Die gesonderte Beiordnung für das Adhäsionsverfahren ist danach nun stets notwendig.

So weit – so gut, oder auch nicht. Denn interessant ist das Zustandekommen des Beschlusses: Die Kollegin hatte darum gestritten, ob es sich bei 211 Adhäsionsanträgen um (nur) eine (nämlich dieselbe) Sache handelt, deren Streitwerte addiert und sodann daraus eine Gebühr zu berechnen war oder ob es sich um mehrere verschiedene Sachen handelte. Letzeres war ihre Auffassung, was ihr ca. 11.000 € eingebracht hätte. Festgesetzt wurden allerdings nur 586 € (weil nach Auffassung des Rechtspflegers nur eine Angelegenheit vorliegt.

Leider ist diese Frage nun immer noch offen. Man könnte nun vermuten, dass eine Entscheidung zugunsten der mehreren/verschiedenen Angelegenheiten ausgegangen und für die Staatskasse teuer geworden wäre (vgl. aber dazu KG RVGprofessionell 2009, 113 = RVGreport 2009, 302 = AGS 2009, 484 = JurBüro 2009, 529; OLG Brandenburg AGS 2009, 325 = RVGreport 2009, 341). Ich tue es aber lieber mal nicht.

Was mich allerdings ein wenig sprachlos macht: Im Verfahren hatte die Kollegin den Antrag gem. § 404 Abs. 5 StPO gestellt, allerdings ist dieser mit Hinweis auf die „gesicherte Rechtsprechung des OLG“ nicht beschieden worden. Da fragt ich mich jetzt natürlich, wie geht man denn nun damit um? Um Kommentaren vorzubeugen: Ich bin mir darüber im Klaren, dass es keinen Anspruch auf eine „gesicherte Rechtsprechung“ gibt und man mit Rechtsprechungsänderungen rechnen muss. Aber muss man dann nicht jetzt über den Erweiterungsantrag entscheiden, und zwar auch noch nach Rechtskraft der Entscheidung. Fair-Trial bzw. das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens lassen grüßen. Das OLG hat übrigens die Frage einer konkludenten Beiordnung geprüft und verneint. Ein total verfahrene Kiste, die wir hier in Westfalen „schofel“ nennen würden.

Als Verteidiger kann man daraus nur den Schluss ziehen: Selbst wenn der Hinweis auf „gesicherte Rechtsprechung des Oberlandesgerichts“ kommt: Auf Beiordnung bestehen, denn man weiß ja nie (s.o.).

Wegen der Überschrift: http://de.wikipedia.org/wiki/Honi_soit_qui_mal_y_pense oder http://synonyme.woxikon.de/synonyme/schofel.php

OLG Hamm: Rechtsprechungsänderung oder nur die eigene Rechtsprechung übersehen?

Das OLG Hamm hat in seinem Beschl. v. 25.06.09 – 2 Ss OWi 376/09 jetzt entschieden, dass bei einer Trunkenheitsfahrt das tatrichterliche Urteil das angewendete Messverfahren, also den zur Bestimmung der Atemalkoholkonzentration konkret verwendeten Gerätetyp, mitteilen muss, da diese Angabe erforderlich sei um zu überprüfen, ob überhaupt ein standardisiertes Messverfahren eingesetzt worden ist.

So weit, so gut. Oder doch nicht. Denn: Das OLG widerspricht sich in der Entscheidung selbst, da es in seiner in zfs 2004, 536 veröffentlichten Entscheidung noch ausgeführt hatte, dass bei der Trunkenheitsfahrt die sonst auch bei einem standardisierten Messverfahren erforderliche Angabe der Messmethode nicht erforderlich ist. Das hat das OLG damals damit begründet, dass es (derzeit) nur ein Messverfahren zur Feststellung der Atemalkoholkonzentration gibt. Das sieht das OLG jetzt offenbar anders, ohne jedoch die Änderung seiner Auffassung zu begründen. Übersehen?

Tätigkeit als Zeugenbeistand jetzt geringer bewertet

Hier also dann der erste Eintrag in der neuen Rubrik „Gebührenrecht“. Ich habe mir überlegt: Warum eigentlich nicht das Angebot erweitern? Gebührenrecht wird doch sicherlich auch interessieren :-).

Und gleich zu Anfang dann eine traurige Nachricht. Der 2. Strafsenat des OLG Hamm hat seine Rechtsprechung in der Frage der Abrechnung der Tätigkeit des Vernehmungsbeistandes leider geändert. Er ist jetzt auch – wie die anderen Senate des OLG Hamm – der Auffassung, dass die Tätigkeit des beigeordneten Zeugenbeistands nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG und nicht nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abgerechnt wird. Damit hat er seine Rechtsprechung aus dem Beschl. v. 07.11.2007 (2 Ws 289/07) leider sehr schnell wieder aufgegeben. Für den Rechtsanwalt geht es dabei schon um ein paar Euros.

Beschl. v. 14. 7. 2009 – 2 Ws 159/09