Kein Freibrief für Temposünder im Land, oder: Einfach frech die Baden-Württemberger

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Ich werde gerade auf die heutige Mitteilung des Verkehrsministeriums des Landes Baden-Württemberg gestoßen. Da heißt es unter der Überschrift: „Kein Freibrief für Temposünder im Land“:

„Blitzerdaten bleiben in Baden-Württemberg verwertbar

Das Verkehrsministerium hat heute (29. Juli 2019) die Bußgeldbehörden des Landes darüber informiert, dass das sogenannte Blitzerurteil des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs vom 05. Juli 2019 keine unmittelbare Geltung für das Land Baden-Württemberg entfalte. Laufende Bußgeldverfahren in Baden-Württemberg, denen Messungen mit dem Geschwindigkeitsmessgerät Traffistar S350 des Herstellers Jenoptik zugrunde liegen, seien nicht von der Entscheidung des saarländischen Gerichts betroffen. Dieses Geschwindigkeitsmessgerät könne daher weiterhin zur Geschwindigkeitsüberwachung eingesetzt werden.

Das oberste Gericht des Saarlandes hatte eine Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit aufgehoben, weil es das Messergebnis des Messgerätes Traffistar S350 des Herstellers Jenoptik für unverwertbar gehalten hat. Zur Begründung führte das Gericht die unterbliebene Speicherung von Rohmessdaten an, die den Betroffenen in seinem Grundrecht auf effektive Verteidigung verletze.

Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg betonte, dass der Saarländische Verfassungsgerichtshof nicht die Korrektheit der Messung an sich beanstandet habe. Das Messgerät Traffistar S350 ist durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zugelassen und die mit ihm vorgenommenen Messungen sind das Ergebnis eines standardisierten Messverfahrens. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte – auch in Baden-Württemberg – sei in Bezug auf die Speicherung der Rohmessdaten vielfach zu einem anderen Ergebnis als der Saarländische Verfassungsgerichtshof gekommen. Für die Verwaltungspraxis in Baden-Württemberg seien die Entscheidungen der obersten Gerichte des Landes bis hin zum Verfassungsgerichtshof sowie diejenigen der Bundesgerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht maßgeblich. Es bestehe für die Bußgeldbehörden des Landes kein Anlass, von der bisherigen Praxis der Geschwindigkeitsüberwachung abzuweichen. Demzufolge könnten die etwa 160 in Baden-Württemberg eingesetzten Geräte auch weiterhin betrieben werden. „

Für mich einfach nur frech, wie man mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts (!!) eines anderen Bundeslandes umgeht. Das passt zum AG Minden, Beschl. v. 26.07.2019 – 15 OWi -502 Js 2879/18- 504/18 (dazu: AG Minden: Was interessiert uns das VerfG Saarland?, oder: “inhaltlich nicht überzeugend”).

13 Gedanken zu „Kein Freibrief für Temposünder im Land, oder: Einfach frech die Baden-Württemberger

  1. einfachrichter

    Verfassungsgerichte sind weder per se schlauer als andere Gerichte noch sind ihre Entscheidungen per se überzeugungskräftiger. Ihre Entscheidungen sind zwar u.U. mit größerer Bindungswirkung ausgestattet – aber das eben auch nur in den (in diesem Fall recht überschaubaren) Grenzen des jeweiligen Gerichtssprengels.

  2. Detlef Burhoff Beitragsautor

    Per se nicht, aber vielleicht schaut man ja doch mal, wie viele Juristen an der Entscheidung beteiligt waren…

    Das setzt allerdings voraus, dass man lernfähig – und willig ist. Aber das ist die Verwaltung nicht. Sie schilet nur auf ggf. entgehende Einnahmen ohne mal zu überlegen, ob man es nicht doch vielleich anders macht. Ein Trauerspiel. Und noch schlimmer ist es, dass sich vermutlich viele Amtsrichter vor den Karren spannen lassen.

  3. einfachrichter

    Ja, insgesamt 8 Juristen (3 Rechtsanwälte, 1 Amtsrichterin, 1 Richterin am VG, 1 Richter am FG, 1 Richter am OLG – Zivilsenat -, 1 pensionierter Professor für Öffentliches Recht), von denen mindestens 5 die Entscheidung tragen. Und was genau beweist das jetzt?

  4. Gast

    Es ist nicht „ein Einzelner“, sondern so ziemlich alle Richter in Deutschland, die es seit Jahren anders sehen. Warum sprechen Sie all diesen die Kompetenz ab?

  5. Detlef Burhoff Beitragsautor

    Wenn die alle so kompetent sind, dann frage ich mich – mal unabhängig davon, dass es ja nun auch genügend Richter gibt, die es anders sehen, aber die sind wahrscheinlich alle inkompetent -, warum diese so kompetenten Richter denn ihre Kompetenz nicht mal bei BGH zur Prüfung stellen. Nein, man verwendet lieber viele Worte darauf zu erklären, warum man das nicht tun muss.

  6. Gast

    Ist Ihnen schon Mal in den Sinn gekommen, dass vielleicht keiner der Beteiligten inkompetent ist, sondern dass es einfach zwei verschiedene Sichtweisen gibt? Das Wort „Meinungsstreit“ haben Sie doch sicher auch schon mal gehört. Warum müssen Sie immer gleich jeden angreifen, der ihre Meinung nicht teilt.

  7. Detlef Burhoff Beitragsautor

    Ich habe die Kompetenz nicht in die Diskussion gebracht.

    Und bitte- das hatten wir auch alles schon: Lassen Sie die Maske fallen. Das Diskutieren mit anonymen Kommentatoren ist nicht so mein Ding.

  8. Horst Hubert Hans Meier Müller Huber

    Dann machen Sie die Kommentarfunktion doch einfach endlich zu, wenn Sie an ernsthafter Diskussion offenbar kein Interesse haben

  9. Jens

    Was Ihnen am Klarnamen so wichtig ist, erschließt sich tatsächlich nicht.

    Es gibt gute Gründe, im Internet lieber anonym zu bleiben.

    Und was der Gast schreibt, ist doch weder unsachlich noch polemisch.

    Es gibt doch auch so Kommentarfunktionen, wo man sich anmelden muss oder erst nach Freischaltung durch sie veröffentlicht werden, vielleicht ist das dann eher was für ihren Blog.

  10. Detlef Burhoff Beitragsautor

    Wenn man eine Meinung hat, dann steht man auch dazu und versteckt sich nicht hinter albernen Nicknames und falschen Email-Adressen. Ich blogge ja auch unter Klarnamen.

  11. RA Gahbler

    Der ganze Meinungsstreit wäre vollkommen überflüssig, wenn die Verwaltung bei der Anschaffung von Messgeräte einfach mal auch darauf achten würde, dass die Messergebnisse später überprüfbar sind. Tatsächlich findet genau das Gegenteil statt. Messgeräte, die früher die Rohmessdaten gespeichert haben (da wäre also auch nach dem Saarländischen VerfGH das faire Verfahren gesichert) werden so geändert, dass sie genau das nicht mehr tun. Warum? Technische Gründe gibt es nicht. Bleibt nicht mehr viel übrig als Grund… ebenso wie der Blogautor zurecht fragt, warum nicht mal zum BGH vorgelegt wird, das würde ja für Klarheit – egal in welcher Richtung – sorgen. Auch da ist relativ klar, warum das nicht passiert, wenn man mal die Äußerungen von Czerniak dazu gelesen hat. Also müssen dann Verfassungsgerichte in Anspruch genommen werden; da wird es dann erst Klarheit geben, wenn jemand den Nerv und die Möglichkeit hatte, das BVerfG anzurufen. Das Verhalten der OLG in diesem Zusammenhang ist m. E. ein Armutszeugnis für die Justiz.

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