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Der BGH, die (nachträgliche) Sicherungsverwahrung und die Entscheidung des EGMR

Heute eingestellt auf der HP ist die Entscheidung des 5. Strafsenats des BGH v. 21.07.2010 – 5 StR 60/10, in der der BGH zur Ermessensausübung bei Anwendung der §§ 66b Abs. 1 Satz 2, 66 Abs. 2 StGB nach der Entscheidung des EGMR v. 17.12.2009. Der BGH nimmt darin – zumindest teilweise – auch zur Anwendbarkeit der Entscheidung des EGMR auf die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung Stellung.

Interessant zu lesen.

Verurteilung eines Richters und eines Oberstaatsanwaltes wegen Rechtsbeugung

…ist vom 5. Strafsenat des BGH, wie der gerade mit einer PM meldet, aufgehoben worden (Beschl. v. 07.07.2010 – 5 StR 555/09).

Aufgehoben hat der BGH allerdings wegen eines Verfahrensfehlers, nicht wegen eines materiellen Fehlers. Die Strafkammer hatte nämlich in der sog. Zweier-Besetzung entschieden, nach Auffassung des BGH war jedoch wegen der Komplexität des Verfahrens die Mitwirkung von drei Berufsrichtern erforderlich. Eine Frage, die in der Rechtsprechung des BGH immer wieder eine Rolle spielt.

In der Sache war festgestellt worden, dass der Richter als Vorsitzender eines Schöffengerichts im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Untreue „absichtlich ein Reihe von schweren Verfahrensverstößen“, begangen hatte, um dem dortigen Angeklagten und weiteren Personen Nachteile zuzufügen. Insbesondere erließ er auf Antrag des mitangeklagten Staatsanwalts gegen Zeugen, unter anderem den Verteidiger des dortigen Angeklagten, Haftbefehle, ohne dafür zuständig zu sein. :-(.

Der BGH hat dann zur Sache „Segelanweisungen“ gegeben bzw. der neu zur Entscheidung berufenen Strafkammer schon mal mitgeteilt, wie er die Zuständigkeitsfrage im Haftbereich sieht. Im Ergebnis hält er die Verurteilung m.E. wohl für zutreffend.

Der geheime :-) Beschluss des BGH zu § 247 StPO – da ist er

Wir hatten hier über den Beschluss des Großen Senats für Strafsachen vom 21. April 2010 – GSSt 1/09 berichtet. Jetzt liegt der Volltext vor. In der PM dazu heißt es:

„Der Große Senat für Strafsachen hatte auf eine Vorlage des 5. Strafsenats über die Frage zu entscheiden, ob die Abwesenheit des gemäß § 247 StPO für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen ausgeschlossenen Angeklagten während der anschließenden Verhandlung über die Entlassung des Zeugen eine Verletzung seines Anwesenheitsrechts bedeutet und einen absoluten Revisionsgrund darstellt. Die Rechtsprechung hatte dies bisher stets angenommen, so dass auf eine entsprechende Revisionsrüge das Urteil in der Regel aufgehoben werden musste. Demgegenüber wollte der 5. Strafsenat den Verfahrensvorgang der Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen noch als Teil der Vernehmung verstehen, so dass die während dieser Zeitspanne fortdauernde Abwesenheit des Angeklagten von dem Ausschlussgrund gedeckt wäre. Die Rechte des Angeklagten sah er durch einen relativen Revisionsgrund der Verletzung des Fragerechts hinreichend gesichert.

Der Große Senat für Strafsachen hat die bisherige Rechtsprechung bestätigt. Die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen wird vom Begriff der Vernehmung i. S. v. § 247 StPO nicht erfasst. Diese restriktive Auslegung trägt vor allem der hohen Bedeutung des Anwesenheitsrechts des Angeklagten in der Hauptverhandlung sowie seinem Anspruch auf rechtliches Gehör und auf eine angemessene Verteidigung Rechnung. Seine Rechte können nur in eng begrenzten Ausnahmefällen eingeschränkt werden, in denen andere wichtige Belange dies notwendig erscheinen lassen. So sieht § 247 Satz 1 StPO aus Gründen der Wahrheitserforschung und § 247 Satz 2 StPO aus Gründen des Zeugen- und Opferschutzes die Möglichkeit vor, den Angeklagten für die Dauer der Vernehmung aus dem Sitzungssaal zu entfernen, wenn zu befürchten ist, dass der Zeuge sonst aus Angst nicht die Wahrheit sagen werde, oder für ihn aus gesundheitlichen Gründen Gefahren bestehen. Ein Ausschluss des Angeklagten von der Entlassungsverhandlung ist aber weder aus Gründen der Wahrheitserforschung erforderlich noch zum Schutz des Zeugen stets unerlässlich.

Die Verhandlung über die Entlassung eines in Abwesenheit des Angeklagten vernommenen Zeugen ist grundsätzlich ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung. Dauert der Ausschluss der Angeklagten in dieser Zeit fort, wird er gehindert, im unmittelbaren Anschluss an die Zeugenvernehmung Fragen und Anträge zu stellen und so seine Mitwirkungsrechte wahrzunehmen. Dies erfüllt die Voraussetzungen des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 5 StPO. „

Auslesen von Zahlungskarten – einverständliche Lösung beim BGH?

Der 4. Strafsenat hatte im Beschl. v 18.03.2010 – 4 StR 555/09 mitgeteilt, dass er beabsichtigt zu entscheiden:

„Das bloße Auslesen der auf dem Magnetstreifen einer Zahlungskarte mit Garantiefunktion gespeicherten Daten, um mit diesen Daten Kartendubletten herzustellen, erfüllt nicht den Tatbestand des Ausspähens von Daten (§ 202 a Abs. 1 StGB n.F.).“

Deshalb hatte er beim 3. Strafsenat angefragt, ob an dem Urt. v. 10.5.2005 – 3 StR 425/04 (NStZ 2005, 566) festgehalten wird. Ferner hatte er die übrigen Strafsenate gefragt, ob dort Rechtsprechung entgegensteht.

Inzwischen liegen die Antworten des 1. Strafsenats und des 5. Strafsenats vor: Sie treten der Auffassung des 4. Strafsenats bei. Es zeichnet sich also eine ggf. einverständliche Lösung ab.

Der geheime Beschluss des BGH :-): Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen zu § 247 StPO liegt vor…

nur gelesen hat ihn – außer den Senaten des BGH – offenbar noch keiner. 

Bei der Durchsicht der auf der Homepage des BGH in den letzten Tagen eingestellten Beschlüsse stoße ich gerade auf den Beschl. des  5. Strafsenats vom 27.04.2010 – 5 StR 460/08. In dem heißt es u.a.:

Der auf Verletzung des § 247 StPO gestützten Verfahrensrüge gemäß § 338 Nr. 5 StPO ist nach dem Beschluss des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 21. April 2010 – GSSt 1/09 – aufgrund des Anfrageverfahrens nach § 132 Abs. 2 GVG in dieser Sache der Erfolg nicht zu versagen, soweit die Revision die fortdauernde Abwesenheit des Angeklagten während der Verhandlung über die Entlassung der gemäß § 247 Satz 2 StPO in seiner Abwesenheit zeugenschaftlich vernommenen Nebenklägerin beanstandet.“

Also gibt es (endlich) die von der Praxis lange erwartete Entscheidung zu § 247 StPO, mehr weiß man aber noch nicht. Auf den Beschluss darf man gespannt sein.