Archiv der Kategorie: Urteil

Alkohol I: Zur alkoholbedingten Schuldunfähigkeit, oder: Nur vage Trinkmengenangaben

Bild von Maximilian Barth auf Pixabay

Heute ist ein besonderer Tag, nämlich der 29. Februar. Gibt es ja nur alle vier Jahre, daher besonders. Und man muss/kann immer hoffen, dass man den nächsten 29. Februar noch erreicht. Sicher ist das ja nicht.

Und zur „Feier des Tages“ stelle ich hier heute Entscheidungen vor, in der mit „Alkohol“ zusammenhängende Fragen eine Rolle spielen. Die spielen ja im Straf- und ggf. auch im Bußgeldverfahren eine große Rolle.

Den Opener mache ich mit dem BayObLG, Beschl. v. 09.01.2024 – 202 StRR 101/23 – noch einmal zu den Voraussetzungen für die Annahme alkoholbedingter Schuldunfähigkeit.

Das AG hat den Angeklagten am 07.02.2023 wegen sexueller Belästigung in 3 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe  von 140 Tagessätzen verurteilt, wobei es ausgeschlossen hat, dass der Angeklagte zu den Tatzeitpunkten aufgrund vorangegangenen Alkoholgenusses schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB war. Gegen diese Entscheidung haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, die jeweils auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurden. Das LG ist von einer wirksamen Beschränkung der Berufungen auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen, hat eine Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen festgesetzt und die weitergehenden Berufungen verworfen. Dagegen dann jetztt noch die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Die Berufung hatte nur wegen der Geldstrafenhöhe Erfolg. Insoweit komme ich auf die Entscheidung noch zurück. Im Übrigen führt das BayObLG aus:

„1. Die Berufungskammer ist zu Recht von der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch gemäß § 318 Satz 1 StPO ausgegangen und hat deshalb keine eigenen Feststellungen zum Schuldspruch getroffen, was das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen hat, weil das Fehlen erforderlicher Feststellungen durch die Berufungskammer einen sachlich-rechtlichen Mangel des Berufungsurteils darstellen würde (st.Rspr., vgl. zuletzt BayObLG, Beschl. v. 22.11.2023 – 202 StRR 86/23 = BeckRS 2023, 35649; 18.10.2023 – 202 StRR 74/23 = BeckRS 2023, 31050; 12.10.2023 – 202 StRR 72/23 bei juris = BeckRS 2023, 31056, jew. m.w.N.).

a) Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist grundsätzlich zulässig. Dies gilt nur dann nicht, wenn die dem Schuldspruch im angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder derart knapp sind, dass sich Art und Umfang der Schuld nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maße bestimmen lassen und die erstinstanzlichen Feststellungen deshalb keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Berufungsgerichts sein können (st.Rspr., vgl. BGH, Beschl. v. 27.04.2017 – 4 StR 547/16 = BGHSt 62, 155 = NJW 2017, 2482 = NZV 2017, 433 = StraFo 2017, 280; Urt. v. 02.12.2015 – 2 StR 258/15 = StV 2017, 314 = BeckRS 2016, 3826). Die Beschränkung ist ebenfalls unwirksam, wenn aufgrund der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat (st.Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. v. 06.08.2014 – 2 StR 60/14 = NStZ 2014, 635; 19.03.2013 – 1 StR 318/12 = wistra 2013, 463; BayObLG, Beschl. 22.11.2023 – 202 StRR 86/23 a.a.O.; 03.07.2023 – 202 StRR 34/23 bei juris = BeckRS 2023, 17751;12.10.2023 – 202 StRR 72/23 a.a.O.; 18.10.2023 – 202 StRR 74/23, jew. a.a.O.; 18.03.2021 – 202 StRR 19/21 bei juris = BeckRS 2021, 14721, jew. m.w.N.).

b) Derartige zur Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch führende Defizite haften dem erstinstanzlichen Urteil entgegen den von der Revision geäußerten Bedenken nicht an.

aa) Die Beschränkung einer Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist unter anderem dann unwirksam, wenn nach den Feststellungen im Ersturteil Anhaltspunkte für eine aufgehobene Schuldfähigkeit im Sinne des § 20 StGB vorhanden sind, die aufgrund der Urteilsfeststellungen nicht ausgeräumt wurden (vgl. BayObLG, Beschl. v. 01.02.2021 – 202 StRR 10/21 bei juris = BeckRS 2021, 1625; OLG Bamberg, Urt. v. 14.03.2017 – 3 OLG 6 Ss 22/17 = StV 2018, 276 = OLGSt StPO § 318 Nr 30 = BeckRS 2017, 106512 m.w.N.).

bb) Eine derartige Konstellation ist jedoch nicht gegeben. Vielmehr hat sich das Amtsgericht eingehend mit der Frage beschäftigt, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten aufgrund des vorangegangenen Alkoholkonsums aufgehoben im Sinne des § 20 StGB war, und hat dies rechtsfehlerfrei verneint.

(1) Zwar ist der Tatrichter bei Beurteilung der Schuldfähigkeit im Falle einer Alkoholintoxikation grundsätzlich gehalten, eine Berechnung des Blutalkoholgehalts zur Tatzeit vorzunehmen, was das Amtsgericht unterlassen hat. Es obliegt grundsätzlich dem Tatgericht, aufgrund von festgestellten Trinkmengen eine Berechnung des Blutalkoholgehalts im Tatzeitpunkt vorzunehmen, weil dessen Höhe ein gewichtiges Indiz für eine erhebliche alkoholische Aufnahme und damit das Ausmaß der Beeinträchtigung der Schuld darstellt (vgl. nur BGH, Urt. v. 27.09.2023 – 2 StR 46/23 bei juris = BeckRS 2023, 32664; Beschl. v. 20.07.2023 – 2 StR 88/22 bei juris = BeckRS 2023, 24570; 20.06.2023 – 5 StR 58/23 bei juris = BeckRS 2023, 19322; 02.05.2023 – 1 StR 41/23 bei juris = BeckRS 2023, 16447; BayObLG, Urt. v. 15.01.2021 – 202 StRR 111/20 = DAR 2021, 274 = BeckRS 2021, 1621; Beschl. v. 01.02.2021 – 202 StRR 10/21 bei juris = BeckRS 2021, 1625; 08.12.2020 – 202 StRR 123/20 = Blutalkohol 58 [2021], 34 = StV 2021, 257 = VerkMitt 2021, Nr 22 = BeckRS 2020, 35557). Hiervon ist das Tatgericht nicht schon dann entbunden, wenn die Angaben des Angeklagten zum konsumierten Alkohol nicht exakt sind. Vielmehr ist eine Berechnung der Blutalkoholkonzentration aufgrund von Schätzungen unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes auch dann vorzunehmen, wenn die Einlassung des Angeklagten sowie gegebenenfalls die Bekundungen von Zeugen zwar keine sichere Berechnungsgrundlage ergeben, jedoch eine ungefähre zeitliche und mengenmäßige Eingrenzung des Alkoholkonsums ermöglichen (BayObLG, Urt. v. 15.01.2021 – 202 StRR 111/20 a.a.O. m.w.N.).

(2) Die Berechnung einer möglichen Blutalkoholkonzentration aufgrund von Trinkmengen kann indes dann unterbleiben, wenn die Trinkmengenangaben so vage sind, dass selbst unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes eine auch nur annähernd verlässliche Ermittlung des Blutalkoholgehalts nicht möglich ist (BGH, Urt. v. 07.11.2018 – 5 StR 241/18 bei juris; 25.10.2017 – 2 StR 118/16 = NStZ-RR 2018, 69 = StraFo 2018, 202; Beschl. v. 20.04.2022 – 6 StR 111/22 bei juris; BayObLG a.a.O.). Denn bei einer völlig ungesicherten Tatsachenbasis kann einer hierauf gründenden Berechnung des Blutalkoholgehalts kein ausreichender Indizwert beigemessen werden. In einem solchen Fall richtet sich die Beurteilung der Schuld nur nach psychodiagnostischen Kriterien (BGH, Urt. v. 26.11.1998 – 4 StR 406/98 = NStZ-RR 1999, 297 = DAR 1999, 194 = Blutalkohol 37, 74; BayObLG a.a.O. m.w.N.).

(3) Eine solche Ausnahmekonstellation lag hier vor, so dass das Amtsgericht rechtsfehlerfrei von einer Berechnung der Blutalkoholkonzentration mangels hinreichender Verlässlichkeit der Berechnungsgrundlagen abgesehen hat. Nach den Gründen des amtsgerichtlichen Urteils hat sich der Angeklagte nicht zur Sache eingelassen. Die vernommenen Zeugen gaben zwar an, dass der Angeklagte alkoholisiert gewesen sei, keiner der Zeugen konnte jedoch Angaben zu Trinkmengen machen.

(4) Die Erwägungen des Amtsgerichts zum Ausschluss eines Zustands der Schuldunfähigkeit anhand der aufgrund der Beweisaufnahme herausgearbeiteten psychodiagnostischen Kriterien sind nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat berücksichtigt, dass der Angeklagte zwar erheblich alkoholisiert war und sich beim Begehen einer Treppe am Geländer festgehalten hat, aber von seinem Bekannten nicht gestützt werden musste. Ferner hat es in die Überlegungen eingestellt, dass sich der Angeklagte beim Verlassen der Örtlichkeit sogar für sein „blödes“ Verhalten entschuldigt habe, woraus das Tatgericht den durchaus möglichen Schluss gezogen hat, dass er in der Lage war, sein Handeln noch zu überblicken und zu reflektieren. Außerdem hat es überzeugend der Tatausführung, bei der es dem Angeklagten unter anderem gelang, die Verletzte auf seinen Schoß zu ziehen und mit einer gezielten Handbewegung in deren Schritt unter den Rock zu greifen, Bedeutung beigemessen und im Rahmen der gebotenen Gesamtschau dieser Umstände ausgeschlossen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Tatzeitpunkt vollständig aufgehoben war. Hiergegen ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.“

OWi II: Fahrverbot nach qualifiziertem Rotlichtverstoß, oder: Nicht, wenn nicht „abstrakt gefährlich“?

Bild von Clker-Free-Vector-Images auf Pixabay

Und dann die zweite Entscheidung, der OLG Rostock, Beschl. v. 24.01.2024 – 21 ORbs 6/24, und zwar zu einem Roltichtverstoß.

Es handelt sich um einen der Fälle, in denen der betroffene Fahrzeugführer auf einem markierten (Linksabbieger-)Fahrstreifen im Sinne des § 37 Abs. 2 Nr. 4 StVO in eine Kreuzung eingefahren ist, obwohl die Wechsellichtzeichenanlage Rot zeigte. Anschließend wurde in der Richtung eines durch Grünlicht freigegebenen anderen Fahrstreifens weitergefahren. Das ist, so das auch das OLG Rocstock unter Hinweis auf den BGH, Beschluss v. v. 30.10.1997 — 4 StR 647/96 —, BGHSt 43, 285-293) ein Rotlichtverstoß. Das OLG hat also die Rechtsbeschwerde gegen den Schuldspruch des AG-Urteils verworfen.

Aber: Hinsichtlich der Rechtsfolgenausspruch hatte die Rechtsbeschwerde Erfolg.

„Dagegen hält der Rechtsfolgenausspruch rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Amtsgericht ist von der Regelbuße für Rotlichtmissachtungen bei länger als einer Sekunde andauernder Rotphase nach Nr. 132.2 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV und dem gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 BKatV in Verbindung mit der genannten Bestimmung vorgesehenen einmonatigen Regelfahrverbot ausgegangen und hat unter Berücksichtigung der erheblichen Voreintragungen des Betroffenen und der tateinheitlich begangenen Verstöße gegen weitere Verkehrsregeln (zur Einhaltung von Richtungsfahrspuren, zum Überholen und zum Anzeigen von Fahrtrichtungswechseln) auf die Höchststrafe erkannt.

Das Amtsgericht führt zur Rechtsfolgenbemessung aus, dass es nichts habe feststellen können, was für den Betroffenen spreche.

Insoweit mangelt es an einer Auseinandersetzung damit, dass die Kreuzung wegen des grünen Lichtzeichens für die Geradeausspur, auf die der Betroffene im Kreuzungsbereich wechselte, für Querverkehr gesperrt war.

Da das Rotlichtsignal für die Linksabbiegerspur zwar nicht ausschließlich aber im Wesentlichen den Schutz des entgegenkommenden – geradeausfahrenden oder rechtsabbiegenden – Verkehrs bezweckt, handelt es sich um einen sowohl für die Höhe der Geldbuße als auch für die Anordnung eines Fahrverbots bestimmenden, zu Gunsten des Betroffenen sprechenden Umstand.

Die Erfüllung des Tatbestandes von Nr. 132.3 BKat indiziert nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BKatV in der Regel das Vorliegen einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers. Deswegen kommt die Anordnung eines Fahrverbots in derartigen Fällen in der Regel in Betracht. Die Verhängung eines Fahrverbots im Falle des Vorliegens eines qualifizierten Rotlichtverstoßes hat ihre Ursache darin, dass sich bei länger als einer Sekunde an-dauernder Rotlichtphase bereits Querverkehr in dem durch das Rotlicht gesperrten Bereich befinden kann (vgl. KG Berlin, Beschlüsse vom 7. Oktober 2002 — 3 Ws (B) 364/02 — und 13. Januar 2010 — 3 Ws (B) 714/09 — m. w. N.) und die Einfahrt in den durch das rote Wechsellichtzeichen geschützten Bereich regelmäßig mit nicht unerheblicher Geschwindigkeit erfolgt. Für diesen Fall sieht Nr. 132.3 BKat daher ein Regelfahrverbot vor.

Sind jedoch – wie hier – Umstände ersichtlich, die einer abstrakten Gefährdung anderer Ver-kehrsteilnehmer entgegenstehen, bedarf es regelmäßig näherer Prüfung, ob das Regelfahr-verbot gleichwohl schuldangemessen ist. Jedenfalls dann, wenn eine andere als die von dem Betroffenen benutzte Fahrspur für die von dem Betroffenen eingeschlagene Fahrtrichtung grünes Signallicht hat, ist eine auch nur abstrakte Gefahr für kreuzende Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen. (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 16. Januar 2018 — 3 Ws (B) 329/17 —, Rn. 4 – 5, juris).“

Auch hier meine ich: Glück gehabt, den zum Teil wird das in der Rechtsprechung mit der abstrakten Gefährdung inzwischen ja anders gesehen. Gerade das vom OLG bemühte KG hat inzwischen seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben (KG, Beschl. v. 14.4.2020 – 3 Ws (B) 46/20; dazu OWi III: Fahrverbot nach qualifiziertem Rotlichtverstoß, oder: Konkret abstrakt gefährlich?) . Es verbiete sich, so das KG, allein unter dem Gesichtspunkt, ein Rotlichtverstoß sei nicht „abstrakt gefährlich“, vom indizierten Fahrverbot abzusehen. Damit hat sich das OLG Rostock leider nicht inhaltliche auseinander gesetzt. Aber vielleicht tut es ja jetzt das AG.

Im Übrigen <<Werbemodus an>>: Die Fragen werden eingehend behandelt von Deutscher in – demnächst – Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren, 7. Aufl. 2024, das man hier vorbestellen kann. <<Werbemodus>> aus.

KiPo II: Bei einer Durchsuchung übersehener USB-Stick, oder: Hatte der Angeklagte noch wissentlichen Besitz?

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

Bei der zweiten Entscheidung handelt es sich heute um das AG Pforzheim, Urt. v. 14.09.2023 – 2 Ls 33 Js 3824/22. Das AG hat den Angeklagten vom Vorwurf des Besitzes kinderpornografischer Inhalte gem. § 184 b Abs. 3 StGB frei gesprochen. Begründung:

„Anlässlich der Durchsuchung in der pp.-Straße in pp. am 21.06.2022 zwischen 07.45 Uhr und 09.25 Uhr aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Pforzheim, 9 Gs 100/22 vom 17.05.2022 wurde unter anderem ein USB Stick (Asservat 1.4), welcher dem Angeklagten gehört, sichergestellt und beschlagnahmt. Auf dem USB Stick befanden sich siebzehn kinderpornograifsche Videodateien, was der Angeklagte wusste.

Die Dateien zeigen teilweise sexuellen Missbrauch von Kleinkindern, die Vornahme sexueller Handlungen an und von Kindern sowie die Zurschaustellung von Kindern in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung sowie Geschlechtsteilen in sexuell aufreizender Art und Weise und geben ein tatsächliches und wirklichkeitsnahes Geschehen wieder. Dem Angeklagten war dies aufgrund der Bilder ebenso bewusst wie das kindliche Alter der Darsteller.

Ferner war dem Angeklagten bewusst, dass die Dateiinhalte ohne die Vermittlung weiterer gedanklicher Inhalte nur auf eine sexuelle Stimulation des Betrachters abzielten.
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Dateien auf dem USB-Stick (Asservat 1.4):

[Detaillierte Beschreibung des Inhalts der 17 kinderpornografischen Videodateien]

Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, er habe die auf den USB-Stick befinden Dateien bereits im Jahre 2014/2015 heruntergeladen und nicht mehr benutzt. Er sei davon ausgegangen, dass der Stick bei der Durchsuchung im Ermittlungsverfahren 92 Js 1437/16 sichergestellt und mitgenommen wurde und habe nicht gewusst, dass sich der Stick noch in seiner Schublade befindet.

Darüber hinaus hat die Beweisaufnahme ergeben, dass der USB-Stick tatsächlich bei der Durchsuchung übersehen worden sein könnte und diese Dateien nach dem Jahre 2015 jedenfalls nicht mehr bearbeitet wurden.

Es lässt sich daher nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen, dass der Angeklagte die inkrimierten Dateien nach der Durchsuchung noch wissentlich im Besitz hatte.

In dem genannten vorausgegangenem Verfahren erging am 29.04.2016 ein seit 18.05.2016 rechtskräftiger Strafbefehl des Amtsgerichts Maulbronn (1 Cs 92 Js 1437/16) wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften; weitere Tathandlungen, insbesondere der Besitz kinderpomografischer Inhalte, wurden zuvor durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe – Zweigstelle Pforzheim – vom 14.04.2016 gem. §§ 154, 154 a StPO von der weiteren Verfolgung ausgenommen.

Damit ist hinsichtlich des früheren Besitzes der Dateien Strafklageverbrauch eingetreten und der Angeklagte aus rechtlichen Gründen freizusprechen.“

KiPo I: „Nur“ Verbreitung von „Jugendpornografie“, oder: Lückenhafte Beweiswürdigung

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

In die 8. KW. starte ich dann mit zwei Entscheidungen, die sog. „KiPo-Verfahren“ zum Gegenstand haben. In beiden Entscheidungen geht es um die Beweiswürdigung/Nachweisbarkeit.

Ich beginne mit dem BGH, Urt. v. 14.12.2023 – 3 StR 183/23. Der BGh hat in dem Urteil zur Beweiswürdigung bei Verurteilung wegen Verbreitung pornographischer Inhalte Stellung genommen. Das LG hat den Angeklagten wegen Verbreitung jugendpornographischer Inhalte (§ 184c Abs. 1 Nr. 1 StGB) verurteilt. Dagegen hatte sich die Staatsanwaltschaft gewendet, die in einigen der Fälle eine Verurteilung des Angeklagten (auch) wegen Verbreitung kinderpornographischer Inhalte (§ 184b StGB) erstrebt. Sie hat die Feststellungen des LG zum Alter der in den Videos zu sehenden Mädchen beanstandet. Die hatte die Strafkammer auf der Basis einer Inaugenscheinnahme der Videodateien und aufgrund eigener Sachkunde anhand einer Gesamtwürdigung der in den Filmen zu erkennenden körperlichen Merkmale der Darstellerinnen, ihres Verhaltens sowie der sichtbaren äußeren Umstände der Aufnahmen getroffen.

Das Rechtsmittel der StA hatte Erfolg. Der BGH beanstandet die Beweiswürdigung des LG, aufgrund derer sie zu der Feststellung gelangt ist, dass die Darstellerinnen in den Videos zum maßgeblichen Zeitpunkt der Herstellung der Aufnahmen nicht ausschließbar mindestens 14 Jahre, aber sicher nicht älter als 18 Jahre alt waren, als unzulänglich, weil sie eine beachtliche Lücke aufweist. Nach den allgemeinen Ausführungen zu den Anforderungen an die Beweiswürdigung, die ich hier mal auslasse, führt der BGH aus:

„b) Hieran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts, aufgrund derer sie zu der Feststellung gelangt ist, dass die Darstellerinnen in den Videos zum maßgeblichen Zeitpunkt der Herstellung der Aufnahmen nicht ausschließbar mindestens 14 Jahre, aber sicher nicht älter als 18 Jahre alt waren, unzulänglich, weil sie eine beachtliche Lücke aufweist.

aa) Generell gilt zur Altersbestimmung von Darstellern pornographischer Inhalte beziehungsweise zur Abgrenzung jugendpornographischer Inhalte von kinderpornographischen Inhalten Folgendes:

Ist das kindliche Alter der in einem Video oder auf einem Bild erkennbaren Person – etwa aufgrund ihrer Identifizierung – bekannt, kommt es für die rechtliche Einordnung eines Inhalts als kinderpornographisch allein auf das tatsächliche Alter an. Mithin ist immer § 184b StGB einschlägig, wenn die bei einem realen Geschehen gezeigte Person tatsächlich ein Kind ist, auch wenn sie älter aussehen sollte (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 – 1 StR 66/01, BGHSt 47, 55, 61; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 184b Rn. 18; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, 2. Aufl., § 184b Rn. 9; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 184b Rn. 12; MüKoStGB/Hörnle, 4. Aufl., § 184b Rn. 12; LK/Nestler, StGB, 13. Aufl., § 184b Rn. 8; BeckOK StGB/Ziegler, 59. Ed., § 184b Rn. 8).

In Fällen nicht identifizierter abgebildeter Personen bedarf es einer Altersbestimmung oder zumindest Alterseingrenzung aufgrund einer Gesamtwürdigung aller sich aus dem Inhalt selbst und dessen Bezeichnung ergebender Umstände, namentlich der körperlichen Entwicklung, des Aussehens, der Gestik und Mimik, der Stimme, der Äußerungen und des Verhaltens des Abgebildeten, aber auch weiterer Faktoren wie der Räumlichkeit, in der die Aufnahme gefertigt wurde, Bekleidungsstücke (etwa Kinderbekleidung), sichtbarer weiterer Gegenstände (etwa Kinderspielzeug) sowie textlicher oder sprachlicher Altersangaben in dem Inhalt oder dessen Bezeichnung (Dateiname). Dabei ist zwar primär das auf diese Weise beweiswürdigend festgestellte oder zumindest eingegrenzte Alter der Person maßgeblich. Es genügt aber für eine Einordnung eines Inhalts als kinder- beziehungsweise jugendpornographisch, wenn ein objektiver, gewissenhaft urteilender Betrachter aufgrund einer Gesamtwürdigung des Inhalts und dessen Bezeichnung den Eindruck erlangt, dass die gezeigte Person ein Kind oder Jugendlicher ist. Dann ist das tatsächliche Alter irrelevant („Scheinkinder“ oder „Scheinjugendliche“) beziehungsweise ohne Bedeutung, ob sich dieses feststellen lässt oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 – 1 StR 66/01, BGHSt 47, 55, 60 ff.; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 184b Rn. 18, § 184c Rn. 9 f.; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, 2. Aufl., § 184b Rn. 10 ff., § 184c Rn. 11 f.; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 184b Rn. 13; MüKoStGB/Hörnle, 4. Aufl., § 184b Rn. 13, § 184c Rn. 11 f.; LK/Nestler, StGB, 13. Aufl., § 184b Rn. 8, § 184c Rn. 9 f.; NK-StGB/Papathanasiou, 6. Aufl., § 184b Rn. 14, § 184c Rn. 6; BeckOK StGB/Ziegler, 59. Ed., § 184b Rn. 8, § 184c Rn. 8; s. auch BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2008 – 2 BvR 2369/08 u.a., MMR 2009, 178).

Altersangaben zu nicht identifizierten abgebildeten Personen in den betreffenden Aufnahmen oder in Dateinamen, die eine Volljährigkeit oder zumindest Jugendlichkeit des Darstellers behaupten, stehen der gesamtwürdigenden Annahme einer jüngeren Altersstufe nicht entgegen, denn ansonsten hätte es der Hersteller oder Verbreiter des Inhalts in der Hand, durch einfache unwahre Behauptungen eine Anwendbarkeit der §§ 184b, 184c StGB zu verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 – 1 StR 66/01, BGHSt 47, 55, 60).

Demgegenüber kann Angaben in einer Videoaufnahme oder einer Dateibezeichnung, die ein kindliches oder jugendliches Alter des Abgebildeten behaupten, im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung Indizwert dahin zukommen, dass es sich bei der betreffenden Person tatsächlich um ein Kind oder einen Jugendlichen handelt. Auch kann eine solche Angabe in der Gesamtschau mit dem Aufnahmeinhalt geeignet sein, einem objektiven, gewissenhaft urteilenden Betrachter den Eindruck zu vermitteln, die gezeigte Person sei ein Kind oder Jugendlicher, was für die Qualifikation eines Inhalts als kinder- oder jugendpornographisch ausreicht.

bb) Den vorgenannten Anforderungen genügt die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht vollständig.

Der Strafkammer haben als Beweismittel allein die einer Inaugenscheinnahme zugänglichen urteilsgegenständlichen Videodateien zur Verfügung gestanden. Sie hat die Videos sowie Standbilder aus den elektronischen Dateien in Augenschein genommen und anhand dieser Betrachtungen aufgrund eigener, aus der Lebenserfahrung der Richterinnen und Schöffinnen gespeister Sachkunde die erwähnten Altersfeststellungen getroffen. Dabei hat sie für jede einzelne Darstellerin aufgrund einer Gesamtwürdigung zahlreicher Kriterien den Schluss gezogen, dass diese zum Zeitpunkt der Erstellung der Aufnahme nicht ausschließbar mindestens 14 Jahre, auf jeden Fall aber – offensichtlich – nicht älter als 18 Jahre war.

Dies ist zwar für sich genommen nicht zu beanstanden. Jedoch hat die Strafkammer ausdrücklich unberücksichtigt gelassen, dass die Dateinamen der Videos, die zudem zu Beginn der Filme eingeblendet werden, jeweils Altersangaben der Darstellerinnen enthalten, wonach diese zwölf beziehungsweise 13 Jahre alt seien. Diese behaupteten Angaben zum Alter der Mädchen in den Dateibezeichnungen seien unerheblich. Auf solche könne es nicht ankommen, denn ansonsten hätte es der Verbreiter oder Hersteller eines pornographischen Inhalts in der Hand, durch falsche Behauptungen eine Anwendung der §§ 184b, 184c StGB zu verhindern.

Diese pauschale Ausklammerung der Altersangaben der Darstellerinnen in den Dateinamen aus der gebotenen Gesamtwürdigung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zwar stehen – wie dargelegt – Altersangaben zu nicht identifizierten abgebildeten Personen in den betreffenden Videoaufnahmen oder in Dateinamen, die eine Volljährigkeit oder zumindest Jugendlichkeit des Darstellers behaupten, der gesamtwürdigenden Annahme einer jüngeren Altersstufe nicht entgegen. Mithin sind Angaben, die ein höheres als das tatsächliche oder aufgrund des Gesamteindrucks vermittelte Alter eines Darstellers behaupten, unerheblich. Dagegen kann die Angabe eines kindlichen oder jugendlichen Alters in dem betreffenden Inhalt oder seiner Bezeichnung durchaus Indizwert für ein solches oder zumindest den Gesamteindruck eines solchen haben. Auch wenn sie nicht bereits für sich genommen zur Anwendbarkeit des § 184b oder § 184c StGB führt (vgl. MüKoStGB/Hörnle, 4. Aufl., § 184b Rn. 13), so muss sie daher in die gebotene Gesamtwürdigung einbezogen werden.

Daher hätte die Strafkammer den Altersangaben von zwölf beziehungsweise 13 Jahren in den Dateinamen der Videos nicht von vornherein jeden Beweiswert absprechen dürfen.

c) Auf dieser Lücke in der Beweiswürdigung beruhen die Feststellungen der Strafkammer zum Alter der Mädchen. Es ist ungeachtet der sorgfältigen Analyse der Videoinhalte nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass das Landgericht in den hier relevanten Fällen zu der Überzeugung gelangt wäre, alle oder jedenfalls einzelne Darstellerinnen seien oder erschienen nach dem maßgeblichen Gesamteindruck, der einem objektiven Betrachter vermittelt werde, jünger als 14 Jahre, wenn sie die mit der Dateibezeichnung aufgestellte Behauptung eines kindlichen Alters in ihre Gesamtwürdigung eingestellt hätte.

Zwar hat die Strafkammer in den Urteilsgründen weiter ausgeführt, die Altersangaben in den betreffenden Videos seien nicht belastbar, weil drei der Filme dieselben zwei Mädchen zeigten, allerdings die Altersangaben in den Dateinamen divergierten, obgleich jedenfalls zwei der Filme in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang erstellt worden seien. Auch mit diesem Argument hat das Landgericht indes den Altersbezeichnungen Indizwert nicht absprechen dürfen. Denn für eine Einordnung eines Inhalts als kinderpornographisch ist – wie dargelegt – ausreichend, wenn ein objektiver, gewissenhaft urteilender Betrachter aufgrund einer Gesamtwürdigung des Inhalts und dessen Bezeichnung den Eindruck erlangt, die gezeigte Person sei ein Kind, auch wenn dies (möglicherweise) tatsächlich nicht der Fall ist. Für eine solche „Scheinkindqualifikation“ ist allein der betreffende Inhalt maßgeblich, also das auf einem Bild oder in einem Video Wahrnehmbare sowie die Bezeichnung des Bildes oder Videos. Informationen jenseits des zu beurteilenden Inhalts sind dagegen für diese Einordnung irrelevant; sie können die Qualifikation eines Darstellers als „Scheinkind“ weder in Frage stellen noch begründen.“

Beweis II: Bedeutungslosigkeit einer Indiztatsache, oder: Darlegung der antizipierenden Würdigung ok?

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 13.12.2023 – 1 StR 340/23 – zur Ablehnung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit einer Indiztatsache.

Folgender Sachverhalt: Das LG hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang u.a. wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen verurteilt. Diese Verurteilung hatte der BGH auf die Revision des Angeklagten aufgrund von Beweiswürdigungsfehlern mit den Feststellungen aufgehoben. Im zweiten Rechtsgang hat das LG bezüglich des Verurteilungsteils im Wesentlichen die gleichen Sachverhalte festgestellt und den Angeklagten erneut u.a. wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen verurteilt. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, hatte mit einer Verfahrensrüge wiederum Erfolg.

Der Rüge, mit welcher der Angeklagte die rechtsfehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags beanstandet (§ 244 Abs. 6 Satz 1, Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO), liegt folgendes prozessuales Geschehen zugrunde: Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung beantragt, das Gutachten eines Sachverständigen zum Beweis der Tatsache einzuholen, auch Scheinerinnerungen könnten – generell – zu ‚Trauma im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung‘ bzw. zu Nacherinnerungen („Flashbacks“) führen. Das LG hat diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Beweistatsache sei aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung: Wenn die Nebenklägerin die Missbrauchsvorwürfe nur aus Einbildungen heraus „erinnere“, also nicht von tatsächlich Erlebtem berichtet habe, folge bereits daraus, dass der Angeklagte die Taten nicht begangen habe und freizusprechen sei; dann komme es auf den Zusammenhang zwischen Scheinerinnerung und posttraumatischer Belastungsstörung bzw. Nacherinnerung nicht mehr an.

Dem BGH hat diese Begründung nicht gefallen:

„b) Diese Erwägung enthält tatsächlich keine Begründung.

aa) Das Tatgericht darf Indiz- oder Hilfstatsachen als für die Entscheidung tatsächlich bedeutungslos erachten (§ 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO), wenn es aus diesen eine mögliche Schlussfolgerung, die der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will. Das Tatgericht hat die unter Beweis gestellte Tatsache so, als sei sie erwiesen, in das aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme erlangte Beweisergebnis einzustellen und im Wege einer prognostischen Betrachtung zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung – gegebenenfalls in Anwendung des Zweifelsatzes – in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde.

Diese antizipierende Würdigung ist in dem den Antrag ablehnenden Beschluss (§ 244 Abs. 6 Satz 1 StPO) näher darzulegen. Denn dieser hat insbesondere den Antragsteller, aber auch die anderen Verfahrensbeteiligten, über die Auffassung des Tatgerichts zu unterrichten, sodass er sich auf die neue Verfahrenslage einstellen und das Gericht doch noch von der Erheblichkeit der Beweistatsache überzeugen oder aber neue Anträge mit demselben Beweisziel stellen kann („formalisierter Dialog“). Zudem muss der Ablehnungsbeschluss dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob der Beweisantrag rechtsfehlerfrei zurückgewiesen worden ist sowie ob seine Feststellungen und Schlussfolgerungen mit denjenigen des Urteils übereinstimmen. Faktisch hat das Tatgericht damit den betreffenden Ausschnitt aus der Beweiswürdigung, die es an sich erst im Urteil darzulegen hat, bereits in der Hauptverhandlung offenzulegen; freilich kann und muss die Beschlussbegründung in laufender Hauptverhandlung angesichts der Vorläufigkeit der Einschätzung in der Regel weder die Ausführlichkeit noch die Tiefe der Beweiswürdigung der späteren Urteilsgründe aufweisen; die wesentlichen Hilfstatsachen sind jedenfalls in Grundzügen mitzuteilen (zum Ganzen BGH, Beschlüsse vom 7. November 2023 – 2 StR 284/23 Rn. 19; vom 7. August 2023 – 5 StR 550/22 Rn. 11 und vom 19. Dezember 2018 – 3 StR 516/18 Rn. 7; Urteil vom 25. August 2022 – 3 StR 359/21 Rn. 75; Becker in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 244 Rn. 220 f.; jeweils mwN).

bb) Der Angeklagte wollte erkennbar den Beweiswert des Umstandes, dass die Nebenklägerin unter einer posttraumatischen Belastungsstörung bzw. Nacherinnerungen leide, was für die Missbrauchstaten spreche, abschwächen; er wollte bewiesen haben, dass aus diesem aktuellen psychischen Zustand der Nebenklägerin nicht zwingend auf den Wahrheitsgehalt ihrer belastenden Zeugenaussage zu schließen sei. Damit wollte der Angeklagte zugleich für den Fall, dass das Landgericht kein Sachverständigengutachten einholt, wissen, aufgrund welcher anderen Hilfstatsachen es die Aussage der Nebenklägerin dennoch für glaubhaft und die Zeugin insgesamt für glaubwürdig hielt, mit anderen Worten, warum es von Erinnerungen von tatsächlich Erlebtem und nicht von „Scheinerinnerungen“ ausging. Diese Antwort hat das Tatgericht nicht gegeben. Es hat vielmehr den vom Angeklagten begehrten – wissenschaftlich zu begründenden – Erfahrungssatz, posttraumatische Belastungsstörungen und Nacherinnerungen können auch auf Einbildungen zurückzuführen sein, nicht in seine Beweiswürdigung eingestellt, sondern den Beweisantrag sinnwidrig verkürzt.

cc) Das Urteil beruht auf dem Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Es ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte auf eine den Anforderungen des § 244 Abs. 6 Satz 1, Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO genügende Begründung des Ablehnungsbeschlusses in einer für den Schuldspruch erheblichen Weise hätte reagieren können, naheliegend mit weiteren Beweisanträgen, um die anderen Begründungsansätze des Landgerichts „angreifen“ zu können. In seiner – für sich genommen rechtsfehlerfreien – Beweiswürdigung hat das Landgericht die „Langzeittherapie“, der sich die Nebenklägerin zur Behandlung ihrer Traumata unterzieht, miteinbezogen und dabei Scheinerinnerungen als Ursache ausgeschlossen (insbesondere UA S. 84 f.); damit hat es seine Überzeugungsbildung u.a. genau auf die Hilfstatsache (traumatische Belastungsstörung, die durch Erinnerungen an tatsächlich Erlebtes ausgelöst sei) gestützt, die der Angeklagte durch seinen Beweisantrag entkräftet wissen wollte.“