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Bandendiebstahl, oder: Bande, ja oder nein?

Die Frage, ob ein Wohnungseinbruchsdiebstahl „bandenmäßig“ begangen wurde, spielt in den Verfahren, in denen mehrere Täter an einem Einbruchsdiebstahl beteiligt sind/waren/sein sollen, im Hinblick auf das Strafmaß eine große Rolle. Mit der Frage „Bande, ja oder nein?“, hat sich nun das BGH, Urt. v. 14.07.2017 – 2 StR 14/17 – noch einmal befasst. Das LG Frankfurt am Main hatte in seinem Urteil, durch das wegen Wohnungseinbruchsdiebstahl verurteilt worden war, eine bandenmäßige Tatbegehung (§ 244a Abs. 1 StGB) nicht festgestellt/verneint. „Dafür seien keine hinreichenden Anhaltspunkte vorhanden. Auch wenn die Benutzung desselben Fahrzeugs und eine teilweise Identität der Täter in beiden Fällen festzustellen sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Angeklagten in wechselnden Besetzungen mit unterschiedlichen weiteren Beteiligten Zugriff auf den bei beiden Taten verwendeten Pkw Opel Adam gehabt hätten. Der Vermieter des Fahrzeugs habe keinen der Angeklagten als Mieter bezeichnen können. Auch die zweimalige Zusammenarbeit der Angeklagten N. und D. , in ei nem Fall unter weiterer Mitwirkung des Angeklagten S. , sei kein hinrei chendes Indiz für eine Bandenabrede.“

Dagegen die Revision der Staatsanwaltschaft, die der BGH zurückgewiesen hat:

„bb) Auch sachlich-rechtlich ist die Annahme des Landgerichts, eine bandenmäßige Tatbegehung sei nicht festzustellen, nicht zu beanstanden.

(1) Das Landgericht hat nur feststellen können, dass sich die Angeklagten aus ihrer Heimatstadt kannten. Ihre konkrete Beziehung und Verbundenheit zueinander blieb offen. Ebenfalls war nicht zu klären, ob die Angeklagten bereits in der Vergangenheit gemeinsam Diebstahlstaten begangen hatten. Der Mitangeklagte S. kam zu der Tat im Fall II.2. der Urteilsgründe kurzfristig hinzu und war an dem vorangegangenen Diebstahlsversuch nicht beteiligt. Schließlich blieb offen, wer den bei den Taten benutzten Pkw Opel Adam an-gemietet hatte. Bei dieser Sachlage ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht aus den festgestellten Umständen nicht auf eine bandenmäßige Tatbegehung durch die Angeklagten geschlossen hat.

(2) Das Landgericht hat nicht verkannt, dass sich das bei den abgeurteilten Taten verwendete Mietfahrzeug nach den Datenaufzeichnungen des Navi-gationsgeräts zeitnah in Tatortnähe zu einer Serie von Wohnungseinbrüchen in M. am 6. Dezember 2015 befunden hatte. Auch dies ergab kein aussagekräftiges Indiz für eine bandenmäßige Tatbegehung durch die Angeklag-ten. Die Täter jener Wohnungseinbrüche blieben unbekannt. Der Beweisschluss des Landgerichts, dass die Angeklagten in wechselnder Besetzung an verschiedenen Taten beteiligt und auch Dritte den angemieteten Pkw Opel Adam benutzt haben konnten, ist möglich und weist nicht auf überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Tatgerichts hin, zumal keiner der Angeklagten als Mieter des Fahrzeugs identifiziert werden konnte.

(3) Soweit die Beschwerdeführerin ergänzend darauf verwiesen hat, bei den abgeurteilten Taten habe sich eine „eingespielte Vorgehensweise“ der Angeklagten und ein planvolles Vorgehen gezeigt, ist dies ebenfalls kein Indiz, welches von Rechts wegen einen Schluss auf eine bandenmäßige Tatbegehung gebietet. Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen (vgl. BGH, Be-schluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325). Bei der Tat am 7. Dezember 2015 waren zwei, bei der Tat am 14. Dezember 2015 alle drei Angeklagten beteiligt. Diese Feststellung und die Vorgehensweise bei der Tat zwingen nicht zu der Annahme, dass sich die drei Angeklagten zur wiederholten Begehung gleichartiger Taten zusammengeschlossen hatten. Der Schluss des Landgerichts darauf, dass die Angeklagten in wechselnder Beteiligung, möglicherweise im Zusammenwirken mit unbekannten Dritten, die Taten begangen haben, ist jedenfalls möglich.“

Klassiker II: Die Bande, aber: Nicht bei zwei Raubüberfällen in sches Jahren

© eyetronic Fotolia.com

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Der zweite Klassiker ist für mich der Bandenbegriff, der ja in verschiedenen Vorschriften eine Rolle spielt. Der BGH, Beschl. v. 01.09.2016 – 2 StR 197/16 – hat die (fragliche) bandenmäßige Begehung eines Raubes zum Gegenstand. Der BGH hat die Verurteilung des Angeklagten insoweit aufgehoben:

Die Annahme, der Angeklagte habe im Fall II. 3. der Urteilsgründe den schweren Raub (auch) als Mitglied einer Bande (§ 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB) begangen, begegnet hingegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

„Das Landgericht hat festgestellt, dass sich der Angeklagte spätestens im Jahr 2007 „mit weiteren weitestgehend unbekannt gebliebenen Mittätern“ zusammengeschlossen habe, um „für eine unbestimmte Dauer in einer unbestimmten Anzahl von Fällen in wechselnden Personenkonstellationen Überfälle auf Juweliergeschäfte in verschiedenen europäischen Staaten zu verüben“. Neben einem Überfall im Dezember 2007 in Z. , an dem der Angeklagte beteiligt und deswegen in der Schweiz rechtskräftig verurteilt worden war, habe er auch als Mitglied der Bande unter Mitwirkung dreier weiterer (unbekannter) Bandenmitglieder an dem Überfall im Februar 2014 in A. mitgewirkt (Fall II. 3. der Urteilsgründe).

Die Feststellungen zur bandenmäßigen Begehung, insbesondere zu einer Bandenabrede, sind nicht mit Tatsachen belegt, sondern erschöpfen sich im Wesentlichen in der von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geprägten abstrakten Definition der Bande (vgl. Senat, Urteil vom 21. Juli 2015 – 2 StR 441/14, BGHR StGB § 244 Abs. 1 Nr. 2 Bande 9 mwN). Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich nach der deliktischen Vereinbarung, der so genannten Bandenabrede, die zwar durch schlüssiges Verhalten zustande kommen und daher auch aus dem konkret feststellbaren, wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden kann (vgl. Senat, aaO mwN). Erforderlich ist in solchen Fällen jedoch eine sorgfältige und umfassende Würdigung aller im konkreten Einzelfall für und gegen eine Bandenabrede sprechenden Umstände, wobei sich der Tatrichter insbesondere bewusst sein muss, dass ein Rückschluss von dem tatsächlichen deliktischen Zusammenwirken auf eine konkludente Bandenabrede für sich genommen zu kurz greifen kann (vgl. Senat, aaO mwN). Angesichts des Umstandes, dass zwischen den Überfällen in Z. und A. mehr als sechs Jahre liegen und unklar bleibt, wer neben dem Angeklagten an beiden Überfällen mitgewirkt hat, versteht sich das Bestehen einer konkludenten Bandenabrede letztlich nur wegen einer ähnlich gelagerten Vorgehensweise nicht von selbst.“

Gebracht hat dieser Rechtsfehler beim Schuldspruch allerdings wegen der vom LG auch – insoweit rechtlich zutreffend – angenommenen Verwirklichung der Tatbestandsalternativen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) und b) StGB nicht. Gleiches gilt allerdings nicht für den Strafausspruch; denn das LG hatte sowohl bei der Erörterung eines minder schweren Falles gemäß § 250 Abs. 3 StGB, als auch bei der konkreten Strafzumessung  zu Lasten des Angeklagten ausdrücklich berücksichtigt, dass er drei Tatbestandsvarianten des § 250 Abs. 1 StGB verwirklicht habe. Der BGH konnte nicht ausschließen – hört, hört –  dass das LG bei zutreffender rechtlicher Beurteilung eine mildere Freiheitsstrafe verhängt hätte.

Was ist eine Bande? Die Antwort hat Auswirkungen…

entnommen wikimedia.org ComQuat - Own work

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Eine Bande, ja, was ist eine Bande? Das ist eine Frage, die im BtM-Recht eine große Rolle spielt, den von der Antwort hängt dann die Höhe der Strafe ab. Daher haben Entscheidungen des BGH zu der Frage doch immer nicht unerhebliche Auswirkungen in der Praxis. Nun hat sich der BGH im BGH, Urt. v. 03.09.2014 – 1 StR 145/14 – dazu (noch einmal) geäußert. Das LG hatte eine bandenmäßige Begehung abgelehnt. Es hatte drei gesondert Verfolgte als dem Angeklagten gegenüber selbständige Geschäftspartner auf der Abnehmerseite angesehen. Hierzu hatte es folgende Aspekte angeführt:

„Das Risiko bei Einkauf und Lagerung der Ware habe allein den Angeklagten getroffen. Dies gelte auch für das Risiko des Abverkaufs; der Angeklagte habe als Verkäufer Preis, Ort und Zeitpunkt des Verkaufs bestimmt. Es habe weder eine Verpflichtung zum Verkauf noch zur Abgabe eines prozentualen Anteils des Verkaufserlöses in eine gemeinsame Kasse gegeben. Bei den Beschaffungsfahrten hätten die vier Beteiligten zwar als Mittäter agiert, „aber keinen darüber hinausgehenden Zusammenschluss“ (UA S. 39) gebildet. Bei bestehendem gegenseitigem Interesse daran, „die Geschäfte am Laufen“ (UA S. 39) zu halten, habe sich aber niemand für die Geschäfte des anderen inte-ressiert oder für diese Verantwortung übernommen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass alle gesondert Verfolgten übereinstimmend angegeben hätten, „der Angeklagte habe ihnen eine Badewanne voll Geld versprochen“ (UA S. 39). Denn tatsächlich habe es keine gemeinsame Kasse gegeben, der Angeklagte habe vielmehr mit seinen inhaltslosen Versprechungen nur die anderen Beteiligten bei der Stange halten wollen.“

Der BGH sagt: Nein, so nicht, denn:

1. Wesentliches Merkmal einer Bande ist die auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung von mindestens drei Personen zur gemeinsamen Deliktsbegehung (BGH, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321; Urteile vom 22. April 2004 – 3 StR 28/04, NStZ 2004, 696, und vom 29. Februar 2012 – 2 StR 426/11). Daran fehlt es, wenn sich die Beteiligten eines Betäubungsmittelgeschäfts auf der Verkäufer- und der Erwerberseite selbständig gegenüber stehen, auch wenn sie in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem im Rahmen einer andauernden Geschäftsbeziehung handeln. Ob eine Person, die regelmäßig von einem bestimmten Verkäufer Betäubungsmittel zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs bezieht, in dessen Absatzorganisation als verlängerter Arm eingebunden ist oder dieser auf der Abnehmerseite als selbständiger Geschäftspartner gegenüber steht, beurteilt sich wesentlich nach der getroffenen Risikoverteilung (BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2007 – 4 StR 612/06, NStZ 2007, 533; vom 5. Oktober 2007 – 2 StR 436/07, NStZ-RR 2008, 55; vom 5. Juli 2011 – 3 StR 129/11, StraFo 2011, 413 mwN; vom 31. Juli 2012 – 5 StR 315/12, NStZ 2013, 49).

2. Diese Obersätze hat das Landgericht zwar seinen Ausführungen vorangestellt, bezieht für die erforderliche Abgrenzung aber danach wesentliche Aspekte nicht ein. Die rechtliche Bewertung ist daher auf einer lückenhaften Grundlage erfolgt.

Die Ausführungen des Landgerichts nehmen zur Frage, ob eine Bande vorliegt, nur den der Beschaffung des Rauschgifts nachfolgenden Verkauf durch den Angeklagten und seine Mittäter in den Blick. Dies erweist sich als unzureichend, da Bezugspunkt für die Prüfung, ob der Angeklagte einerseits und die anderen Beteiligten andererseits auf wirtschaftlich unterschiedlichen Seiten dieses Geschäfts stehen, sämtliche Teilakte des Handeltreibens sind, mithin auch der Teilakt der mittäterschaftlich organisierten Beschaffung. Anders als in den Fallkonstellationen, in denen es um die Bewertung reiner Absatzbeziehungen zwischen Verkäufer und Erwerber geht, war der stets „auf eine bestimmte Art und Weise“ (UA S. 17) erfolgende Tatablauf nicht nur durch ein Zusammenwirken beim Absatzgeschäft gekennzeichnet, sondern auch durch eine arbeitsteilig erfolgende Beschaffung des Rauschgifts, weswegen das Landgericht insoweit die Beteiligten und den Angeklagten als Mittäter angesehen hat.

Dieser Teilakt war durch ein gemeinsames Interesse an dem Vollzug des vom Angeklagten zuvor mit seinem Händler ausgehandelten Ankaufgeschäfts und mithin durch ein gemeinsames Agieren auf der Erwerberseite geprägt. Dies kommt in den Modalitäten zur Fahrt nach F. , der Versendung der Dro- gen an die Mittäter des Angeklagten und der damit verbundenen Überbürdung des Entdeckungsrisikos auf diese zum Ausdruck.

Wochenspiegel für die 34. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Zu berichten ist:

  1. Über das Fahren auf der Autobahn mit Eis essenden Kindern, hier und hier.
  2. Immer wieder eine Krux: Die Belehrung über die Auskunftsverweigerung.
  3. Auch Vollmachtsfragen immer wieder beliebt, hier in Zusammenhang mit der Einspruchsrücknahme.
  4. Zum Parken auf der Überholspur.
  5. Zu Formulierungsschwierigkeiten bei Staatsanwälten hier.
  6. Zum Benutzen des Blaulichts hier.
  7. Der „Nadja-Prozess“ war auch von Interesse, und zwar hier und hier.
  8. Sehr schön die „Banden-Bande“ :-), hier und hier.
  9. Zum strafbaren Betrug bei Ping-Anrufen hier.