Archiv der Kategorie: Strafrecht

Einziehung I: Kinderpornografie auf PC/Smarthone, oder: Einziehung oder nur Löschung der Daten?

© Urheber: Ideenkoch – Fotolia.com

Heute dann drei Entscheidungen zu Einziehungsfragen (§§ 73 ff. StGB).

Ich beginne mit dem OLG Celle, Beschl. v. 18.08.2022 – 3 Ss 18/22. Das AG hatte den Angeklagten u.a. auch wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen und des Besitzes kinderpornographischer Inhalte schuldig gesprochen. Es hatte die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 113,77 EUR sowie eines PC-Towers und zweier Smartphones angeordnet. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Einziehungsentscheidung beschränkten Revision. Die hatte teilweise Erfolg.

„2. Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs führt zu einem Teilerfolg der Revision.

a) Die Überprüfung der Anwendung von Jugendstrafrecht und der Festsetzung der verhängten Erziehungsmaßregeln gemäß § 10 JGG (Betreuungsweisung und Teilnahme an Projekt „Strecke machen“) und Zuchtmittel gemäß 13 Abs. 2, 15 Abs. 1 Nr. 3 JGG (Arbeitsauflage) deckt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf, so dass die Revision insoweit ebenfalls als unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen war.

b) Bedenken begegnet jedoch Einziehungsentscheidung, soweit sie die Einziehung des PCs und der beiden Smartphones betrifft. Die Nachprüfung der Anordnung der Einziehung des Wertes des durch die Taterlangten (Taten 11 und 12) deckt hingegen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

aa) Keine Bedenken bestehen dahingehend, dass das Amtsgericht bei seiner Einziehungsentscheidung hinsichtlich der Smartphones nicht auf § 74a StGB, Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei anderen, abgestellt hat. Soweit der Angeklagte vorträgt, die Smartphones hätten nicht in seinem (Allein-)eigentum gestanden, sondern diese stünden im Eigentum der Mutter, findet dies keine Stütze in den Feststellungen des Urteils. Ausweislich der Feststellungen handelte es sich bei dem bei der Tat zu Ziffer 1 genutzten Mobiltelefon um „sein“ Mobiltelefon, mithin dem Telefon des Angeklagten. Hinsichtlich der Tat zu Ziffer 2 hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Angeklagte sich „mit Hilfe seines PC-Towers und Mobiltelefons R. (..)“ aus dem Internet die fraglichen Dateien heruntergeladen hat und auf diesen gespeichert hat. Die Ausführungen im Urteil, dass die Smartphones ihm (den Angeklagten) von seiner Mutter bezahlt worden seien, stehen nicht im Widerspruch zu diesen Feststellungen. Der Einsatz von fremden Geldmitteln steht einem Eigentumserwerb durch den Angeklagten nicht entgegen.

bb) Die auf §§ 184b Abs. 6, 184c Abs. 6 (in der jeweils zur Tatzeit geltenden Fassung), § 74 StGB gestützte Einziehung des PC-Towers und der beiden Smartphones begegnet jedoch durchgreifenden Bedenken. Gemäß §§ 184b Abs. 6 StGB a.F. bzw. § 184 c Abs. 6 StGB a.F. (entspricht Absatz 7 der aktuellen Fassung) sind Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach – wie vorliegend Taten 1 und 2 – Abs. 3 bezieht, einzuziehen. Dies betrifft mithin nur Beziehungsgegenstände, also nur das Speichermedium auf dem sich die inkriminierten Dateien befinden, z.B. die Festplatte des zum Herunterladen verwendeten Computers (vgl. BeckOK StGB/Ziegler StGB § 184b Rn. 33), nicht jedoch den gesamten Computer nebst Zubehör. Eine solche Einziehung des für den Speichervorgang genutzten Computers bzw. Handys nebst Zubehör kommt vorliegend allenfalls nach § 74 Absatz 1 2. Alt. StGB als Tatmittel in Betracht, welcher ein Ermessen des Tatrichters einräumt und durch §§ 184b Abs. 6 bzw. § 184 c Abs. 6 StGB a.F. ergänzt wird.

Soweit – über die Speichermedien – hinaus die Gegenstände als solche eingezogen worden sind, hat das Tatgericht offenbar verkannt, dass ihm insoweit ein pflichtgemäßes Ermessen zukommt, so dass die Einziehungsentscheidung bereits insoweit keinen Bestand haben kann.

Sowohl für die Einziehung von Beziehungsgegenständen (§§ 184b Abs. 6 bzw. § 184 c Abs. 6 StGB a.F.) als auch hinsichtlich der Tatmittel (§ 74 Abs. 1 Alt. 2 StGB) gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 74f StGB/vormals § 74 b StGB aF) (vgl. Schönke/Schröder/Eser/Schuster StGB § 74f Rn. 1, 2; BGH Beschl. v. 8. Mai 2018 – 5 StR 65/18, BeckRS 2018, 11919).  Es ist daher zu prüfen, ob von der Möglichkeit des § 74f Abs. 1 S.2 StGB Gebrauch gemacht werden kann, wonach die Einziehungsanordnung vorbehalten bleiben kann, wenn ihr Zweck auch durch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden kann. In Fällen von Speicherung inkriminierter Bilddateien kann insbesondere deren endgültige Löschung eine solche andere, mildere Maßnahme darstellen (vgl. BGH Beschl. v. 8. Mai 2018 – 5 StR 65/18, BeckRS 2018, 11919 mwN). Soweit mit der Einziehung auch Strafzwecke verfolgt werden, ist insoweit auch abzuwägen, ob die die mit dem Verlust des Eigentums angestrebte Spezial- bzw. Generalprävention auch mit milderen Mitteln zu erreichen ist (vgl. MK-StGB, 4. Auflage, Joecks/Meißner, § 74 f Rn 12; LK-StGB,13. Aufl., Lohse, § 74f Rn 9).

Die Feststellungen des Urteils lassen befürchten, dass sich das Tatgericht dieser Möglichkeit nicht bewusst gewesen ist, da diese allein den – nicht konkret bezifferten Wert – der eingezogenen Gegenstände sowie die verhängten jugendrichterlichen Maßnahmen bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zugrunde gelegt hat.

Dies vorausgeschickt erweisen sich die Feststellungen des angefochtenen Urteils als lückenhaft. Es fehlt an Feststellungen dazu, ob es – insbesondere hinsichtlich der Smartphones – technisch möglich ist, das genutzte Speichermedium auszubauen, sowie weiter dazu, ob und mit welchem Aufwand die – konkret zu bezeichnenden – Dateien von den jeweils genutzten Speichermedien in einer Weise zu löschen sind, dass diese nicht wiederhergestellt werden können (nicht rekonstruierbare Löschung) oder ggf. allein die Formatierung der gesamten Festplatte bzw. des gesamten Speichers ein geeignetes Mittel darstellen kann, die von dem Datenträger ausgehende Gefahr zu beseitigen.

Da der Senat die fehlenden Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Das neue Tatgericht wird zugleich die Möglichkeit haben, konkretere Feststellungen zu dem Wert der – dann ggf. – eingezogenen Gegenstände zu treffen.

Für den Fall, dass die nach den Treffen der erforderlichen Feststellungen vorzunehmende Prüfung ergibt, dass ein milderes Mittel in Betracht kommt, wird das Tatgericht den Vorbehalt der Einziehung unter Anordnung der konkreten Maßnahme zu erklären haben. Werden diese Anweisungen nicht erfüllt, ordnet das Gericht – nach erneuter Prüfung der Verhältnismäßigkeit – nachträglich die Einziehung mittels Beschluss an. Der Senat weist insoweit vorsorglich auf  § 462 Abs. 1S. 2 StPO hin.

Zudem erlaubt sich der Senat folgenden Hinweis: Grundsätzlich legt § 74f StGB dem Einziehungsbetroffenen die Durchführung der Anweisung auf, welchem es überlassen bleibt, ob er die Maßnahme innerhalb der gesetzten Frist selbst durchführt oder auf seine Kosten durchführen lässt (vgl. LK-StGB, aaO, § 74f Rn 11). Die Kostentragungspflicht fällt mithin dem Einziehungsbetroffenen zu. Vorliegend kommt jedoch eine Herausgabe der mit kinder- und jugendpornographischen Dateien inkriminierten Speichermedien offensichtlich nicht in Betracht, so dass – unter Vorbehalt der Einziehung – nur eine Unbrauchbarmachung der Dateien durch staatliche Stellen von Amts wegen in Betracht kommen kann. Es wäre insoweit nicht zu beanstanden, die durch die Vollstreckungsbehörde anzuordnende Löschung von der vorherigen Zahlung der Kosten abhängig zu machen. Für den Fall wird das Tatgericht ebenfalls Feststellungen zu den zu erwartenden Kosten zu treffen haben.“

StGB III: Sind die Audioaufnahmen „unbefugt“ erstellt?, oder: Restriktive Auslegung bei Beweisnot

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und als dritte Entscheidung stelle ich dann heute den LG Karlsruhe, Beschl. v. 04.01.2023 – 16 Qs 98/22 – vor. Das LG hat über die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Ablehnung des von ihr beantragten Erlasses eines Strafbefehls entschieden. Das LG nimmt zu einigen verfahrenrechtlichen Fragen Stellung, insoweit komme ich auf die Entscheidung noch zurück. Hier will ich jetzt die materielle Frage vorstellen, zu der das LG Stellung genommen hat.

Beantragt worden war der Strafbefehl wegen der eines Verstoßes gegen § 201 StGB – Strafbarkeit wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes. Das LG führt aus, dass die vom Angeschuldigten gefertigten Audioaufnahmen nicht „unbefugt“ gefertigt worden sind:

„3. Der aufgrund der Ermittlungen wahrscheinliche Tatvorgang ist im Übrigen auch aus Rechtsgründen nicht strafbar. Dem Amtsgericht Maulbronn ist zuzustimmen, dass der Angeschuldigte die Audioaufnahmen nicht „unbefugt“ im Sinne von § 201 Abs. 1 StGB gefertigt

Maßstab hierfür ist nach zutreffender Auffassung indes nicht einmal, ob im engen Sinne ein Rechtfertigungsgrund nach §§ 32, 34 StGB vorliegt. Der Gesetzgeber hat der Rechtsprechung zu § 201 StGB vielmehr ausdrücklich aufgegeben „nach den besonderen Umständen des Falles zu entscheiden, ob das Handeln als nicht tatbestandsmäßig (…) anzusehen ist“ (Reg.Begr. BTDrs. 7/550, 236). In diesem Zusammenhang ist häufiger als sonst Raum für richterliche Abwägung und Wertung (BGH NJW 1979, 1513 (1514)).

Nach diesem Maßstab ist die dem Angeschuldigten zur Last gelegte Handlung nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht als tatbestandsmäßig anzusehen.

Der Angeschuldigte sah sich hier regelmäßig strafrechtlichen Vorwürfen und grenzüberschreitendem Verhalten in typischen Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen durch seine Ehefrau ausgesetzt. Ihm kam hierfür jedenfalls keine Alleinverantwortung zu. Der fortdauernde Konflikt mit seiner Ehefrau fand zusätzlich vor dem Hintergrund eines anhängigen Scheidungs- und Sorgerechtsstreits statt. Ausschließlich in diesem Gesamtkontext fertigte der Angeschuldigte die verfahrensgegenständlichen Audioaufnahmen.

Zusätzlich ist das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ i.S.v. § 201 Abs. 1 StGB im Rahmen von fortdauernden Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Personen immer dann besonders restriktiv auszulegen, wenn eine erkennbar in Beweisnot befindliche Person von ihr gefertigte Audioaufnahmen ausschließlich mit den für die Auseinandersetzung jeweils zuständigen Behörden teilt. So liegt der Fall hier.“

StGB II: „Hilfe“ bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln, oder: Täterschaft oder Teilnahme?

Bild von Thomas B. auf Pixabay

Die zweite Entscheidung kommt mit dem BGH, Beschl. v. 07.09.2022 – 3 StR 165/22 – vom BGH. Der nimmt (noch einmal) zur Frage von Täterschaft und Teilnahme bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln Stellung.

Nach den vom LG insoweit getroffenen Feststellungen „holte ein weiterer Fahrer der Gruppe nach gemeinschaftlicher Tatplanung im LKW 40 kg Amphetamin, 1 kg MDMA, 49.000 Ecstasy-Tabletten sowie 49.500 LSD-Trips mit jeweils näher bezeichneten Wirkstoffgehalten in den Niederlanden ab. Auch diese Betäubungsmittel waren für skandinavische Abnehmer des Hintermanns bestimmt. Der ehemals Mitangeklagte steuerte das Begleitfahrzeug, während der Angeklagte K. abredegemäß auf der deutschen Seite der Grenze wartete, dort mit den anderen zusammentraf und den Drogentransport sodann bei der Weiterfahrt zur genannten Halle des ehemals Mitangeklagten in An.  begleitete. Dort luden alle drei die Betäubungsmittel um und verbrachten sie mit denjenigen aus Fall II.3. der Urteilsgründe schließlich in ein weiteres Lager nach M.     .

2. Der ehemals Mitangeklagte hatte nämlich die Idee entwickelt, dem Hintermann den aktuellen Drogenbestand, mithin die Betäubungsmittel aus den Fällen II.3. und II.4. der Urteilsgründe, zu entziehen, sie selbst zu verkaufen und den Handel fortan auf eigene Rechnung zu betreiben. Er offenbarte sich dem Angeklagten K. und einem weiteren Fahrer, die sich dem Vorhaben in Kenntnis aller Umstände anschlossen.“

Die Revision des Angeklagten (K.) hatte Erfolg:

„2. Die von diesem Angeklagten erhobene Sachrüge deckt einen ihn benachteiligenden Rechtsfehler in Fall II.4. der Urteilsgründe auf.

a) Die Feststellungen tragen nicht seine Verurteilung wegen täterschaftlicher Einfuhr. Der Tatbestand erfordert zwar keinen eigenhändigen Transport des Betäubungsmittels über die Grenze. Mittäter einer Einfuhr im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB kann ein Beteiligter auch dann sein, wenn das Rauschgift von einer anderen Person in das Inland verbracht wird. Voraussetzung dafür ist nach den hier gleichermaßen geltenden Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts aber ein die Tatbegehung objektiv fördernder Beitrag, der sich als ein Teil der Tätigkeit aller darstellt und der die Handlungen der anderen als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheinen lässt. Ob dies gegeben ist, bemisst sich insbesondere am Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, am Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, am Umfang der Tatbeteiligung und der Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls dem Willen dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt bei allen diesen Merkmalen ist der Einfuhrvorgang selbst (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 2014 – 3 StR 137/14, StV 2015, 633 Rn. 3; vom 21. August 2018 – 3 StR 655/17, juris Rn. 5; jeweils mwN).

An diesen Maßstäben gemessen war beim konkreten Überqueren der Grenze mit den Betäubungsmitteln keine Tatherrschaft des Angeklagten gegeben. Sein Tatbeitrag erschöpfte sich insoweit in der gemeinsamen Tatplanung und der Zusage, nach dem Grenzübertritt bereitzustehen. Er verwirklichte hierdurch (nur) eine Beihilfe.

b) Im Übrigen hat das Landgericht den Sachverhalt zutreffend dahin gewürdigt, dass die Angeklagten K.     und T.   sich mit dem ehemals Mitangeklagten und weiteren Personen zur gemeinsamen Begehung von Betäubungsmitteldelikten verbunden hatten, mithin eine Bande bildeten. Ihr Zusammenschluss war zu Beginn nicht auf ein Handeltreiben, sondern auf Ein- und Ausfuhrtaten gerichtet. Weder wollte die Gruppe in den Fällen II.1. bis II.4. der Urteilsgründe eigennützig Umsatzgeschäfte führen, noch waren ihre Mitglieder in die An- und Verkäufe des selbständig agierenden Hintermanns eingebunden. Das Geschäft in Fall II.4. stellte deshalb eine Bandeneinfuhr von Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 1 BtMG dar (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2007 – 4 StR 474/07, juris Rn. 4 f.; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 30 Rn. 80), zu der der Angeklagte K.     gemäß § 27 StGB Beihilfe leistete. Der Zusatz „in nicht geringer Menge“ ist insoweit entbehrlich, weil das Gesetz eine Bandeneinfuhr nur für nicht geringe Mengen an Betäubungsmitteln vorsieht (§ 30a Abs. 1 BtMG versus § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG).

Weil der Angeklagte mit seinem Verhalten zugleich die Umsatzgeschäfte des Hintermanns förderte, beging er tateinheitlich eine Beihilfe zu dessen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB, ohne insoweit Bandenmitglied zu sein (§ 28 Abs. 2 StGB).“

StGB I: Bestellung von Betäubungsmitteln im Darknet, oder: Noch Vorbereitungshandlung/schon Versuch?

Heute dann mal ein wenig materielles Recht, also StGB-Entscheidungen

Ich beginne mit dem BayObLG, Beschl. v. 05.12.2022 – 207 StRR 335/22, in dem es um Bestellung von BtM im Darknet und die Frage geht: Noch Vorbereitungshandlung oder schon Versuch. Das AG hatte den Angeklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit versuchtem vorsätzlichen Erwerb von Betäubungsmitteln in 11 tatmehrheitlichen Fällen verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die teilweise Erfolg hatte. Das BayObLG hat die Verurteilung in drei Fällen und im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. Es beanstandet insoweit die Urteilsgründe als zu kanpp, da danach nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Erwerb der Rauschmittel durch den Angeklagten in den Fällen jeweils im Vorbereitungsstadium steckengeblieben ist.

„Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Ein unmittelbares Ansetzen besteht in einem Verhalten des Täters, das nach seinem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne weitere Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen soll; dies kann schon gegeben sein, bevor der Täter eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestands entsprechende Handlung vornimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2020 – 5 StR 15/20NJW 2020, 2570, mwN).

Das von dem Täter zur Verwirklichung seines Vorhabens Unternommene muss zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden. Ob er zu der in diesem Sinne „entscheidenden“ Rechtsverletzung angesetzt hat oder sich noch im Stadium der Vorbereitung befindet, hängt von seiner Vorstellung über das „unmittelbare Einmünden“ seiner Handlungen in die Erfolgsverwirklichung ab. Gegen ein Überschreiten der Schwelle zum Versuch spricht es im Allgemeinen, wenn es zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges noch eines neuen Willensimpulses bedarf. Wesentliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium ist, inwieweit das geschützte Rechtsgut aus Sicht des Täters konkret gefährdet ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2021 – 6 StR 28/21 -, juris, mwN).

Vorliegend strebte der Angeklagte den Erwerb von Betäubungsmitteln an. Der Erwerb i.S.v. § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 9 BtMG ist ein Erfolgsdelikt. Der Erfolg ist eingetreten, wenn der Erwerber die tatsächliche Verfügungsmacht über das Betäubungsmittel auf abgeleitetem Wege, d.h. im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Vorbesitzer erlangt hat und die Verfügungsmacht ausüben kann (BGH, Beschluss vom 11. Januar 2022 – 3 StR 416121 -, juris; Weber, Kornprobst, Maier, Komm. z. BtMG, 6. Aufl., Rn. 1195 ff, jeweils m.w.N.).

Eine unmittelbare Gefährdung des geschützten Rechtsguts in diesem Sinne setzt ein, wenn der Drogenverkäufer vereinbarungsgemäß die Ware bei der Post aufgibt. In diesem Augenblick ist nach der Vorstellung beider Vertragspartner alles geschehen, um die Tatbestandsverwirklichung herbeizuführen. Die Aufgabe der Sendung bei der Post mündet unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung ein. Zwar muss die Sendung noch vom Postzusteller dem Besteller ausgehändigt bzw. in seinen Briefkasten eingeworfen werden. Diese Maßnahme stellt aber keinen wesentlichen Zwischenschritt mehr dar, da bei ungestörtem Fortgang der Eingang der Sendung beim Adressaten eine – hier auch der Vorstellung der Vertragspartner entsprechende – regelmäßige Folge von deren Aufgabe bei der Post ist. Schließlich wäre mit einer natürlichen Betrachtungsweise des Posttransportvorgangs nicht vereinbar, die zahlreichen verschiedenen Stufen der Behandlung einer Sendung aufzugliedern und als selbständige Zwischenschritte anzusehen (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 25. April 1994, 4 StRR 48/94 – juris; so auch BGH, Beschluss vom 11. Januar 2022 – 3 StR 416/21 -, juris).

An einer Aufgabe der bestellten Rauschmittel zur Post – oder einer vergleichbaren Situation – fehlt es jedoch bei den unter Ziff. II 1 bis 4 des angegriffenen Urteils bezeichneten Fällen.

Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte zu den vorgenannten Zeitpunkten auf einer „Darknet-Plattform“ jeweils 2 Gramm Kokain (Ziff. 11 1 – 3) bzw. 5 Gramm Haschisch (Ziff. II. 4) bestellte und zugleich per Mausklick bezahlte, woraufhin der anderweitig Verfolgte BM die anderweitig Verfolgten 1 und B. mittels E-Mail mit der Versendung des jeweiligen Rauschmittels beauftragte.

Dass dieses jeweils zur Post gegeben wurde oder beim Angeklagten ankam, ist in den vorgenannten Fällen nicht festgestellt worden.

Das Amtsgericht hat zwar festgestellt, dass die Auftragserteilung „nach dem vom Zeugen pp. geschilderten üblichen und ungestörten Fortgang der Dinge nach der Vorstellung beider Vertragspartner zur Verpackung des bereits vorhandenen Betäubungsmittels und Einlieferung bei der Post“ führte (UA S. 9).

Nach den gesamten Urteilsfeststellungen kann die Beauftragung der „Versandabteilung“, nämlich der anderweitig Verfolgten pp. und pp. durch den Haupttäter pp, mit der Aufgabe der vom Angeklagten bestellten Betäubungsmittel zur Post – welche wie ausgeführt regelmäßig den Beginn des versuchten Erwerbs darstellt – jedoch gerade nicht gleichgesetzt werden. Dies würde nämlich jedenfalls voraussetzen, dass die jeweiligen Sendungen mit einer der Post vergleichbaren Sicherheit ohne weitere Zwischenschritte den Empfänger erreichten. Eben daran fehlt es: Wie sich den Urteilsfeststellungen entnehmen lässt, konnte gerade nicht festgestellt werden, dass die vier gegenständlichen Sendungen den Angeklagten erreicht haben. Das urteilsgegenständliche Geschehen (Erwerb von Betäubungsmitteln durch „Internet-Bestellungen“ des Angeklagten) setzte sich danach noch bis in den März 2021 – also über ein weiteres Jahr – fort, ohne dass der Zugang der vom Oktober 2019 bis Februar 2020 bestellten Rauschmittel beim Angeklagten feststellbar gewesen wäre. Auch wurden die Rauschmittel – anders als in den anderen entschiedenen Fällen – nicht bei der Post polizeilich sichergestellt. Damit kann auf Grund der bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass die „Versandabteilung“ eben nicht „zuverlässig wie die Post“ arbeitete, sondern – aus welchem Grund auch immer – Sendungen zurückhielt, und dies – wie die vier Fälle beweisen – nicht nur in vereinzelten Ausnahmefällen.

Überdies bedurfte es noch der Dosierung und Portionierung der Rauschmittel, ihrer -naturgemäß den Inhalt verschleiernden – Verpackung und schließlich der Aufgabe zur Post, also weiterer Zwischenschritte in der Sphäre des Versenders. Solange aber die Rauschmittel dessen alleinigen Einflussbereich nicht verlassen haben, liegt der Beginn des Versuchs, der zur tatsächlichen Verfügungsmacht des Käufers führen soll, nicht vor. Dies gilt auch, wenn der Versender arbeitsteilig mit Anderen zusammenarbeitet….“

Im Übrigen: Die Strafzumessung enthält eine Formulierung, die ich so auch noch nicht kannte: „Obwohl das Amtsgericht die Einzelgeldstrafen, die in ihrer Summe 530 Tagessätze erreichen, sehr straff zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zusammengezogen hat, ….

Revision III: Beschränkte Anfechtung im JGG-Verfahren, oder: Umgehung des § 55 JGG?

Bild von kalhh auf Pixabay

Und die dritte Entscheidung zu Revisionsfragen betrifft dann den § 55 JGG. Der sieht ja in seinem Abs. 1 Satz 1 eine Beschränkung der Beschränkung der Rechtsmittelmöglichkeit bei einem jugendrichterlicher Urteil, das allein Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel enthält, vor.

Damit befasst sich der OLG Hamm, Beschl. v. 20.09.2022 – 5 RVs 81/22. Im zugrunde liegenden Verfahren ist der Angeklagte vom Jugendrichter des Diebstahls schuldig gesprochen und gegen ihn einen „Freizeitarrest von einer Freizeit“ verhängt worden. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit der Sprungrevision und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendabteilung des AG zurückzuverweisen; als Begründung wird angeführt:

„Es wird die Verletzung sachlichen Rechts gerügt. Das angefochtene Urteil wird ausdrücklich sowohl im Schuldspruch als auch im Rechtsfolgenausspruch zur vollständigen Überprüfung durch den Senat gestellt.

Im Folgenden ist dann die Sachrüge näher ausgeführt worden und es wird beanstandet, dass die auferlegte Sanktion unverhältnismäßig sei. Es werde verkannt, dass dem Gericht in Jugendstrafsachen ein ganzer Kanon von Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehe; eine freiheitsentziehende Maßnahme könne dabei immer nur die Ultima Ratio sein. Es sei bei der Wahl der Sanktion zu Unrecht missachtet worden, dass für den Angeklagten bzgl. berücksichtigter eingestellter früherer Verfahren die Unschuldsvermutung streite.

Die GStA hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, also § 349 Abs. 2 StPO. Das OLG hat nach § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen:

„Die Revision ist gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen, da der Angeklagte es entgegen § 344 Abs. 1 StPO versäumt hat, ein unter Berücksichtigung von § 55 Abs. 1 S. 1 JGG zulässiges Angriffsziel eindeutig zu formulieren.

1. In der Revisionsbegründung muss das Ziel der Anfechtung so eindeutig mitgeteilt werden, dass die Verfolgung eines unzulässigen Ziels ausgeschlossen werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 07.02.2017, Az. 5 RVs 6/17 = BeckRS 2017, 107728). Besteht die Möglichkeit – wie vorliegend -, dass der Revisionsführer sich lediglich gegen die Auswahl und den Umfang von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln wendet, führt dies zur Unzulässigkeit, wobei Zweifel zulasten des Revisionsführers gehen (vgl. BGH, Beschluss vom 10.07.2013, Az. 1 StR 278/13 = NStZ 2013, 659; OLG Hamm, Beschluss vom 02.12.2021, Az. 4 RVs 124/21, juris). Die erforderliche eindeutige Angabe des Angriffsziels soll eine Umgehung der Vorschrift des § 55 Abs. 1 S. 1 JGG verhindern und damit dem Willen des Gesetzgebers – der Beschleunigung des Jugendstrafverfahrens im Hinblick auf die erzieherische Wirkung von Entscheidungen – ausreichend Rechnung tragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.07.2007, Az. 2 BvR 1824/06).

2. Den vorgenannten Anforderungen an eine Revisionsbegründung bei einem gegen ein in den Anwendungsbereich von § 55 Abs. 1 S. 1 JGG fallendes Rechtsmittel genügt der Schriftsatz vom 24.06.2022 trotz des umfassenden Aufhebungsantrages sowie der ausdrücklichen Rüge des Schuldspruchs nicht, da er lediglich auf eine Umgehung der Vorschrift ausgerichtet ist; im Einzelnen:

a) Allein ein umfassend gestellter Aufhebungsantrag gibt keinen ausreichenden Aufschluss in Bezug auf das Anfechtungsziel (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 10.10.2000, Az. 33 Ss 92/00 = NStZ-RR 2001, 121). § 55 Abs. 1 S. 1 JGG kann nicht dadurch umgangen werden, dass ein Urteil zwar vordergründig zur vollen Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht gestellt wird, allerdings tatsächlich nur Angriffe gegen die Strafzumessung ausgeführt werden (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.03.2016, Az. 1 OLG 8 Ss 49/16 = BeckRS 2016, 9474). So verhält es sich hier; die ausgeführte Revisionsbegründung richtet sich ausschließlich gegen die verhängte Sanktion bzw. die Voraussetzungen der §§ 5 Abs. 2 JGG und 13 Abs. 1 JGG.

b) Infolge der erhöhten Anforderungen an die Konkretisierung des Angriffsziels reicht es auch nicht aus, schlicht den Schuldspruch – allgemein – anzufechten (vgl. MüKo/Kaspar, 1. Auflage 2018, § 55, Rn. 69). Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie vorliegend – die den Schuldspruch tragenden Feststellungen auf der geständigen Einlassung des revidierenden Angeklagten beruhen, was der Senat – obwohl außerhalb der Revisionsbegründung liegend – zur Klärung der Eindeutigkeit des Ziels des Rechtsmittels berücksichtigen durfte (vgl. BGH, Beschluss vom 10.07.2013, Az. 1 StR 278/13 = NStZ 2013, 659) ; bei einer derartigen Sachlage bedarf es einer Klarstellung, inwieweit der Schuldspruch angefochten wird (vgl. BGH, a.a.O.; OLG Celle, Beschluss vom 10.10.2000, Az. 33 Ss 92/00 = NStZ-RR 2001, 121).

c) Selbst wenn man aber davon ausginge, dass bereits die ausdrückliche Rüge des Schuldspruchs seitens des Angeklagten den Anforderungen an § 344 Abs. 1 StPO i.V.m. § 55 Abs. 1 JGG genügte, würden die Einzelausführungen in der Revisionsbegründungsschrift vom 24.06.2022 die Revision insgesamt unzulässig machen, da sich daraus unzweifelhaft ergibt, dass der Angeklagte lediglich den Rechtsfolgenausspruch angreifen will.

Für den Fall, dass der Revisionsführer in Wahrheit nicht die Rechtsanwendung sondern die Beweiswürdigung beanstanden will und sich dieser Schluss aus den Einzelausführungen der Revisionsbegründung ziehen lässt, ist allgemein anerkannt, dass Einzelausführungen zur Sachrüge die Revision insgesamt unzulässig machen können (vgl. Meyer/Goßner, 65. Auflage, § 344, Rn. 19 m.w.N. zur höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung). Diese Rechtsprechung lässt sich – wegen der Vergleichbarkeit des Sachverhalts – auch auf die vorliegende Konstellation übertragen, bei der sich anhand der Einzelausführungen ergibt, dass die Rüge des Schuldspruchs lediglich vordergründig und unter Umgehung von § 55 Abs. 1 S. 1 JGG erhoben wird, während das Angriffsziel der Revision tatsächlich auf die – unzulässige – Beanstandung der Sanktion gerichtet ist.

3. Eine Konstellation, in der eine Umgehung der Vorschrift des § 55 Abs. 1 S. 1 JGG nicht angenommen werden kann, etwa weil aufgrund weiterer Ausführungen erkennbar wird, dass tatsächlich konkrete Rechtsfehler des Schuldspruchs beanstandet werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 16.04.2020, Az. 4 RVs 45/20), liegt nicht vor.“